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Mit von Schreck geweiteten Augen sah die ältere auf Victoria hinab. Augenblicklich machte sie, und auch ihre Freundinnen, ihr Platz, damit sie aus dem Gemeinschaftsbad hinausgehen konnte.

Verächtlich sah sie die Gruppe nochmal an, ehe sie eilig aus dem Raum lief, zurück in ihr Zimmer.

Die Art, wie sie lief, erinnerte an ein Stolzieren, wenn nicht sogar ein Schweben, eine Mischung aus Eile und Eleganz. Ihre stets glatten, glänzenden Haare wippten bei jedem Schritt auf und ab, ihr schwarzes Kleid wehte hinter ihr her, wie ein Umhang. Allein ihr Gang strahlte so viel Selbstbewusstsein aus, obwohl sie bezweifelte, das tatsächlich zu besitzen.

In ihrem Zimmer angekommen legte sie ihren Schlafanzug ab und tauschte ihn gegen ein schlichtes, schwarzes Kleid mit einigen weißen Stickereien am Kragen, das ihr bis zu den Knien reichte.

Nachdem sie sich auch noch ihre schwarzen Ballerinas angezogen hatte, das einzige Paar Schuhe, welches sie besaß, machte sie sich auf den Weg in die Kantine. Bis auf ein paar anderen Kindern, die müde durch die Gegend schlenderten, war sonst niemand hier.

Sie nahm sich nur einen Kräutertee, Hunger hatte sie keinen. Zu Groß war die Angst und Nervosität vor der Untersuchung, die ihr Unmittelbar bevorstand.

Nachdem sie den Tee, der hauptsächlich nach heißem Wasser geschmeckt hatte, hinuntergespült hat, begab sie sich wieder in ihr Zimmer.

Auf dem Weg dorthin wurde sie jedoch von Mrs May aufgehalten. "Victoria, " begrüßte die alte Betreuerin das Mädchen süßlich, "geh bitte in dein Zimmer. Der Professor wird in wenigen Minuten hier eintreffen, ich erwarte natürlich tadelloses Verhalten deinerseits, das ist doch klar, oder?"

Sarkastisch antwortete die Angesprochene: "Natürlich, Mrs May. Nur für sie werde ich mich extra benehmen." Lächelnd nickte Mrs May, sie hatte den Sarkasmus wohl entweder nicht bemerkt, oder ignorierte ihn ganz einfach.

In ihrem Zimmer angekommen, vertrieb Victoria sich die Zeit mit einem Buch. Es faszinierte sie, wie man sich aus Buchstaben eine kleine Geschichte im Kopf basteln konnte. Als würde man alles miterleben, am Rand des Geschehens stehen und alles still und leise beobachten.

***************

Langsam betrat der alte Mann das Waisenhaus. Er hatte Sorgen, es würde genauso sein wie damals.

Er kannte die Geschichte des Mädchens, den Vater, die Mutter. Doch das durfte er sich nicht anmerken lassen, es gab Wichtigeres in diesen Zeiten.

Der Mann blickte sich um, die Wände und Böden waren alle im selben Grauton gehalten, schrecklich, wie er fand.

Sofort kam eine pummelige Frau auf ihn zu, die den Gast begrüßte: "Oh, Guten Tag. Sie müssen Professor Dimbledur sein, schön sie kennenzulernen. Ich bin Mrs May, Victorias Betreuerin."

Lächelnd streckte sie ihre Hand dem Professor entgegen, der sie ergriff und schüttelte. "Die Freude ist ganz meinerseits, allerdings heiße ich Dumbledore." verbesserte er die Betreuerin.

Entschuldigend lächelte diese und bedeutete dem Professor, sich auf einen der Stühle zu setzen, die in dem Raum standen, in den sie ihn geführt hatte.

"Also, weswegen wollen sie Victoria in ihr Internat aufnehmen, Professor Dumbledore?" fragte Mrs May interessiert.

"Sie müssen wissen, Mrs May, Victoria besitzt Talente, die wir an Hogwarts sehr schätzen. Außerdem ist ihr Name seit ihrer Geburt vorgemerkt." Beinahe verschluckte Mrs May sich an dem Kaffee, den sie gerade trank.

"Sie meinen", wollte sie wissen, "Victorias Eltern haben sie angemeldet?" Schmunzelnd antwortete der Alte: "So könnte man es auch sagen. Aber nun... Kann ich mit Victoria persönlich sprechen? Ich denke, das ist in unser beiden Interesse."

Daraufhin nickte die Betreuerin und führte ihn durch das alte, schäbige Waisenhaus. Sie stoppte vor einer Tür, in die viele Namen und andere Dinge hinein geritzt wurden und klopfte. "Ja?" erklang eine helle, klare Stimme.

"Ich bin es, Vici. Hier ist der Professor, der mit dir sprechen möchte", antwortete Mrs May, und an Professor Dumbledore gerichtet sagte sie:"Ich denke, ich gehe dann mal. Unterhalten sie sich ein wenig mit ihr, und dann kommen sie zur Heimleiterin, um alles noch mal zu klären. Sie wollen sie sofort mitnehmen, nicht wahr?"

Er nickte, verabschiedete sich von ihr und trat dann in das Zimmer ein. Auf dem kleinen Bett saß ein Mädchen. In Dumbledores Augen blitzte eine seltsame Mischung aus Erkennen und so etwas wie... Furcht. Ihr Gesicht war eins zu eins das ihrer Mutter, wunderschön und makellos, ihre Haut und die Figur hatte sie von ihrem Vater, blass und etwas schmächtig, die Haare waren eine Mischung beider, schwarz, glänzend und glatt.

Doch die Augen... Der alte Mann hatte noch nie solche Augen gesehen. Eisig, stechend und ein Blau, das an einen See unter einer dicken Eisschicht erinnerte. Sie blickten ihn angstvoll an, doch da war auch noch etwas anderes. Wut, und Hass. Er hatte nichts anderes erwartet. Bei ihm war er genauso. Dieser ständige Hass, auf alles und jeden, diese Wut, die ständig überzukochen drohte. Doch dieses Angstvolle, was er nun hier bei ihr sah, war bei ihm keinesfalls gewesen, eher eine Mischung aus Neugier und etwas herausforderndem. Vielleicht war sie doch anders als er? Vielleicht war sie ja ein ganz normales Mädchen? Vielleicht war doch nicht alles verloren...

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