4. Ein verlockendes Angebot


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Naruto fand sich im Wohnbereich wieder.
Dort blickte er über ein großes, offenes Bücherregal. Die Titel der Bänder überraschten ihn. Es gab eine Vielzahl von Autobiografien, eine Reihe an Mainstream-Fantasy und eine bemerkenswerte Auswahl klassischer Literatur.
Narutos Neugier für den Besitzer stieg immer mehr an, besonders dann, als er ein altes Marketing-Lehrbuch entdeckte. Ein äußerst seltsamer und überaus skurriler Zufall, wenn man bedachte, dass gerade es zwei Marketing-Absolventen innerhalb dieser Mauern waren.

Naruto wählte einen Roman aus, der ein romantisch, witziges Abenteurer versprach,
in das er hoffentlich flüchten konnte und machte sich damit auf dem Weg in den Raum, der einem Glas-Pavillon glich, in dem Sasuke heute morgen gesessen hatte.

Er hatte keine Ahnung, wieviel Zeit vergangen war. Naruto fiel in die Welt der Geschichte hinein und lächelte immer wieder über die amüsanten und charmanten Eigenschaften der Charaktere.
Seine Augen wanderten für einen Moment nach draußen. Der Wind heulte um die großen Fenster und brachte nichts als schwarze und graue Flecken, die in der Außenwelt umher wirbelten.
Hier drinnen, in einem angenehm warmen, sicheren Zimmer zu sitzen, während ein Sturm wütete, gab ihm ein Gefühl von Geborgenheit.
Zum ersten Mal fühlte Naruto sich hier wohl.

Schnell steckte er seine Nase in die Seiten des Buches zurück, nachdem er Schritte wahrgenommen hatte, die in den Raum hinabstiegen.
Naruto versuchte so zu tun, als hätte er es nicht gehört, oder als würde ihn die Anwesenheit des Mannes nicht interessieren, obwohl er zugeben musste, dass er neugierig darüber war, warum Sasuke ihn suchen könnte.
Schließlich hatte Naruto vorhin mehr als deutlich gemacht, was er von der Einstellung des Uchihas hielt.

Also tat Naruto weiter so, als würde er lesen, wobei er nur willkürlich nach Buchstaben suchte.
Währenddessen nahm er wahr, wie Sasuke, mit dem Profil zu ihm, zum stehen kam und die Hände in die Taschen seiner Hosen steckte.
Bei jedem anderen würde Naruto vermuten, dass er nervös war. Aber es war Sasuke Uchiha.
Der zeigte keine Schwäche jeglicher Art.
Naruto sah auf und nickte ihm zu, in der
Aufforderung zu sprechen.

„Die App ist eine interessante Möglichkeit, Geschäfte zu machen, nicht wahr?"

Bei Gott. Von allen Dingen, die Sasuke hätte sagen können, war das nicht mal in den Top-Ten. Es gab rund fünfzig Themen, von denen Naruto dachte, dass der andere sie bereitwillig ansprechen würde.
Also warum musste er diese Katastrophe von App erwähnen.

„Die App hat ihre Vorzüge, schätze ich", stimmte Naruto schließlich zu, etwas durcheinander, aber seine Stimme war stumpf und er versuchte, keine Emotionen zu zeigen.

„Aus reiner Sicht des Marketings könnte sie einige Optimierungen gebrauchen, aber im Großen und Ganzen ist sie ziemlich bemerkenswert."

Ungläubig musste Naruto bei diesen Worten aufschauen. Hat Sasuke das jetzt als Witz gemeint? Wollte er sich etwa über ihn lustig machen? Weil sie nur wegen der blöden App in dieser misslichen Lage waren, weil der Algorithmus anscheinend nicht richtig funktionierte. Da hatte er sich einmal getraut, sich bei solchen speziellen Dating-Sites anzumelden und dann bekam er so eine Enttäuschung ab.

Sasuke sah Naruto nicht an, er starrte auf die weiße Schneedecke, wobei sein Profil keinerlei Ausdruck zeigte, den die Blondine in eine Gefühlslage einordnen konnte. Naruto war verwirrt und müde. Sasuke sollte Klartext sprechen. Andernfalls wird er dieses Wirrwarr-Uchiha-Gelaber nicht verstehen.

„Worauf willst du hinaus, Sasuke?", fragte er dann, mit der Hoffnung auf eine vernünftige, unmissverständliche Antwort.

Sasuke atmete tief ein, schluckte sichtlich und blickte schließlich in Narutos Richtung.
Ihre Augen trafen sich. „Du hast gutes Geld bezahlt, um hier zu sein."

„Und?"

„Ich ebenfalls."

Naruto machte einen irritierten Gesichtsausdruck, während sein Verstand versuchte etwas ordentliches zusammen zu basteln. Keiner von ihnen brach den Kontakt ab. Es war der intensivste Blick, den sie sich je zugeworfen hatten. Ungewöhnlich, anders, so tief und intensiv. Naruto konnte seine Aufmerksamkeit nicht auf etwas anderes lenken.
Sasuke starrte ihn an, fixierte nur seine Augen und sah gleichzeitig durch ihn hindurch. Es war wie der Blick eines Dämons, direkt aus der Hölle.

Es dauerte eine Weile, bis Naruto Sasukes einfache und prägnante Aussage verarbeitete.
Moment mal, wollte er etwa...
„Willst du...", Naruto verstummte.
Er konnte den Satz nicht beenden.
Es war zu lächerlich. Und wenn er sich mit seiner Vermutung irrte, müsste er nach draußen, in den Schneesturm gehen und nie wieder in die Zivilisation zurückkehren.

„Wunsch und Bedürfnis sind wankelmütige Worte, Naruto", sagte Sasuke dunkel, die Blondine spürte wie sein Magen einen Salto schlug „Es würde nichts bedeuten. Wir sind zwei einwilligende Erwachsene, die die Formulare bereits ausgefüllt haben, mit dem Wissen, worauf sie sich einlassen. Es ist einfach, ordentlich und sauber."

„Du weißt, dass wir Arbeitskollegen sind, oder?", rief Naruto schon fast aus, seine Gedanken rasten, die Situation war alles andere als einfach, ordentlich und sauber.

„Und?" Sasuke zuckte mit den Schultern, sein Blick wanderte wieder zum Fenster. „Ist das ein Problem?"

„Aber...aber ich mag dich nicht", sagte Naruto und machte sich nicht die Mühe, seine Abneigung zu verstecken. Es gab eine kleine Versteifung in Sasukes Wesen, die er wahrscheinlich nicht bemerkt hätte, wenn seine Augen nicht direkt auf den Mann gerichtet gewesen wären.

„Musst du mich denn mögen, wenn ich derjenige bin, der dich in einen Zustand ficken kann, in dem du ein absolutes Chaos bist und dich kaum an deinen Namen erinnerst?"

Die Aussage war so unverblümt, dass Naruto zusammenzuckte. Die patzige Erwiderung, die auf seiner Zunge saß, schluckte er schnell hinunter, weil...nun ja, Sasukes Worte tatsächlich anfingen einen Sinn zu ergeben?

Vielleicht waren es die verrückten Umstände ihrer Situation, dass sie hier wegen des Schneesturms feststeckten, unfähig nach draußen zu gehen und irgendwas anderes zu tun, als rumzusitzen, sich zu langweilen und gegenseitig anzukeifen, die den Vorschlag ansprechend klingen ließen, aber Naruto konnte es nicht leugnen, dass er ernsthaft darüber nachdachte einzuwilligen.

In der App kein hatte er Geheimnis daraus gemacht, dass er bis zu einem Punkt gefickt werden wollte, an dem er danach noch wochenlang kribbelte. Und obwohl er Sasuke als Person, als Kollege verabscheute, musste die Blondine sagen, dass er wirklich gutaussehend und eindeutig sein Typ war - mehr, als er bereit war zuzugeben.

Wenn Sasuke auch nur die Hälfte von dem vorweisen konnte, was sein Profil versprach, dann würde Naruto eine Form der Glückseligkeit erleben, nach der er sich seit Monaten sehnt, oder besser gesagt, nach der er sich seit Jahren sehnte, wenn er ehrlich war.

„Es würde sich also nicht auf die Arbeit oder auf uns als Kollegen auswirken?", fragte er zögerlich, der Eifer und die Neugier in seinem Ton nicht möglich zu verstecken.

Sasukes Mund krümmte sich in ein kleines Lächeln. Es war gefährlich, wie eine Schlange, die kurz davor war zuzuschlagen. Der Uchiha wusste, dass Naruto dabei war dem zuzustimmen.
„Ich verstehe nicht, warum es das tun sollte. Wir arbeiten nicht an den selben Projekten. Es gäbe keinen Interessenkonflikt, wenn das deine Bedenken sind."

Naruto hielt inne. Das war es nicht, worüber er sich Sorgen machte. Mehr war er besorgt darüber, dass Sasuke ihn in einen verletzlichen Zustand sehen könnte, was womöglich alle bevorstehenden Situationen zwischen ihnen von Grund auf ändern würde. Was ist, wenn...

„Ich würde nichts, was hier passiert, gegen dich verwenden."
Die Worte waren sanft, leise, mit einer Note von Echtheit, die Naruto noch nie zuvor von dem Uchiha gehört hatte.

Vielleicht stand bei Sasuke mehr die Notwendigkeit von Sex im Vordergrund. Vielleicht war es seine Art dem stressigen Alltag zu entfliehen und seine stumpfen Pflichten zu vergessen. Narutos Gedanken schwankten hin und her. Er begann sich mit der Idee anzufreunden, sich schließlich in sie zu verlieben und spürte, wie dieses Feuer in seinem Bauch, das er anfangs hatte, bevor er dieses Haus betreten hat, wieder in ihm aufflammte.

Die Aufregung mischte sich mit Unglaube. So sehr er auch an Sex interessiert war, wirbelte eine kleine Dosis von Was zum Teufel mache ich hier durch ihn durch. Schließlich war es Sasuke. Sasuke Uchiha!
„Kann ich einen Moment darüber nachdenken", fragte er deshalb, während seine Hand auf hektische Weise sein blondes Haar verwüstete.

Der Uchiha nickte zustimmend, etwas blitzte in seinen Augen auf. Ein bisschen sah es wie Enttäuschung aus, aber Naruto glaubte nicht, dass Sasuke tatsächlich frustriert oder gar verärgert sein würde, sollte an seinem investierten Wochenende nichts passieren. Naruto muss es sich also vorgestellt haben.

Die Blondine legte das Buch ab und verließ den Raum, wobei Sasuke ihm hinterher blickte.
Naruto spürte einen Juckreiz unter seiner Haut, ein Kribbeln, dass seinen gesamten Körper einnahm. Dagegen musste er was tun. Also entschied er sich dazu, unter die Dusche zu springen. Das heiße Wasser wird ihn ablenken. Und er könnte dort intensiv über die Folgen seiner Entscheidung nachdenken.

Dieses Mal ging Naruto in das andere, größere  Badezimmer. Und er wurde nicht enttäuscht. Es war herrlich. Er könnte stundenlang unter dem heißen Wasser stehen, welches seine Haut mit tausend kleinen, sanften Nadelstichen verwöhnte. Er wünschte, er hätte Zuhause auch so eine schöne Dusche, aber leider konnte er sich nicht mehr leisten, als eine kleine Kabine, in die gerade mal eine Person passte. Weit entfernt von dieser übertrieben großen Regendusche, unter der sich locker fünf Mann ansammeln könnten.

Zaghaft schrubbte er seinen Körper mit einem Luffa, den er, noch verpackt unter dem Waschbecken gefunden hatte. Dazu nutzte er sein mitgebrachtes
Sheabutter-Peeling, das er gründlich und in kreisenden Bewegungen selbst in seine Zehen einarbeitete, während er über dieses sehr sensible, aber überaus köstliche Angebot nachdachte.

Sicher, er mochte Sasuke nicht - der Uchiha war anstrengend, mürrisch und unhöflich, ein absolut eingebildeter Klugscheißer, mit dem er nie wieder zusammen arbeiten wollte.
Doch auf der anderen Seite war er wunderschön, hatte einen umwerfend, tollen Körper und diese gewisse herrschend dominante Atmosphäre, nach der Naruto sich so sehnte. Das Potenzial für guten Sex war also da. Seine Grundbedürfnisse würden damit erfüllt werden. Auch wenn der Schwanz, den er dafür brauchte, an einem egozentrischen Grießgram befestigt war.

Naruto war hin und her gerissen.
Selbst als er die Seife wegspülte, wusste er nicht, wie seine Entscheidung lautete.
Obwohl es in gewisser Weise ein Kinderspiel war. In der Vergangenheit hatte er Männer im Bett, deren Persönlichkeit er auch nicht wirklich gemocht hat, worauf er jetzt nicht wirklich stolz war. Aber eine Bar voller attraktiver Menschen, gemischt mit ausreichend Alkohol verwandelten ihn immer in wollüstiges Eichhörnchen, das auf jeden Ast sprang, um die Nüsse vom Baum zu schütteln. 

Aber es war auch nicht so, dass er anfangen wird, für Sasuke Gefühle zu entwickelten oder sich gar in ihn zu verlieben.
Naruto brach über diese Absurdität des Bildes in leises Gelächter aus.
Was für eine irrsinnige Vorstellung.
Somit trug es ihn, eingehüllt in einem großen, weißen Handtuch, in sein Schlafzimmer, damit er sich anziehen und im Ruhe weiter konnte.

Allerdings gab es eine Bewegung im Flur, die ihn davon abhielt, die Klinke des Zimmers nach unten zu drücken und in den Raum zu treten.
Sasuke stand in seinem Blickfeld.
Groß, imposant, kräftig und mit allem, was Naruto physisch von einem Mann wollte.
Sein Herz setzte einen Schlag aus.
Aufregung und Anspannung sammelte sich tief in seinem Bauch an.

Naruto wusste, er sollte nicht einfach so klein bei geben, Sasuke dazu bringen, mehr dafür zu arbeiten und ihn schwitzen lassen.
Aber wenn die Blondine absolut ehrlich mit sich selbst war, konnte er dem anderen sicher Glauben schenken, wenn dieser behauptete, er könnte ihm ein Vergnügen bereiten, welches ihn in eine andere Atmosphäre katapultieren würde.

Am Arbeitsplatz war Sasuke, wenn es um eine Herausforderung ging, genauso motiviert wie rücksichtslos. Und wenn der Uchiha die selbe  Energie in Sex investierten wird - dann würde Naruto das Wochenende seines Lebens haben.

„Und?", fragte Sasuke, seine Stimme unglaublich tief. Das Geräusch rumpelte in Narutos Wesen und erschütterte sein Mark. „Wie lautet deine Entscheidung?"

Einige Sekunden tat Naruto nichts.
Er holte einen tiefen, kräftigen Atemzug, bevor er seinen Körper in die Richtung des anderen drehte. Schließlich sah er Sasuke in die Augen, der seinen Blick mit einer solchen Intensität traf, dass sich die Luft um sie herum spürbar verdickte. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm, wie die angespannte Neugier vor Beginn eines wilden Tanzes.

Dann fiel das Handtuch.

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2008 Worte

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