Melinas erster Kontakt zum Coin Dreamer

Frank Sutton machte erst einmal Licht in seiner Arbeitswelt. Dann ging er zu verschiedenen Systemeinheiten, um auch diese durch Anschalten zum Leben zu erwecken. Ein leichtes Surren von Kühlungslüftern erhob sich im Raum.

Melina Hargraves folgte in das große Arbeitszimmer hinter der Glastür.

Sie beobachtete Frank, der hier und dort kleinere Einstellungen vornahm. Hierbei schien er zu überlegen, was er nun als Nächstes für Arbeitsschritte vorzunehmen hatte.

„Sorry. Ich war hier schon gefühlte Ewigkeiten nicht mehr drinnen. Irgendwie hatte ich es auch etwas unaufgeräumter in Erinnerung. Naja, Frau Singh wird mir wohl nachgeräumt haben.", entschuldigte Frank Sutton seine Zerstreutheit.

Frank benötigte aber nicht viel Zeit, um sich wieder hier einzugewöhnen. Ein paar Handgriffe hier und dort, ein Zurechtlegen von irgendwelchen undefinierbaren Gegenständen, ein paar Handgriffe an mehreren vorhandenen Rechnern- dann war er augenscheinlich soweit. Dies zeigte er durch erwartungsvolle Freude an, Melina seine Arbeit vorstellen zu dürfen.

„So. Ich habe wohl alles. Bereit für einen Ausflug in die Zukunft?", fragte Frank enthusiastisch und strahlte Melina an.

„Ich denke schon. Aber dies sieht alles sehr technisch aus. Habe ich denn irgendetwas zu beachten? Wie funktioniert denn dieser 'Coin Dreamer'? Und bitte- nur die Kurzversion für Laien." Melina war bereit.

„Also die Kurzversion? Gut. Schon im Studium haben wir, also Peter Bellamy und ich, uns mit den Möglichkeiten der Virtual Reality- kurz VR- beschäftigt. Es gab ja am Markt diverse Angebote von Software und Technik, um die VR- Welt für Nutzer zu generieren. Zumeist wurde die VR zu Übungszwecken genutzt. VR-Schießtraining in den USA, VR- Kommunikationsübungen in Skandinavien, VR- Handlungstraining- Programme in Europa, USA und Asien. Irgendwann- wir hatten uns gerade nach einem langen Tag der Auswertung eines holländischen Übungsprogrammes für Feuerwehren und Rettungsdienste für unsere Abschlussarbeit befasst- also irgendwann an diesem Abend ist mir eine Idee gekommen: Warum führen wir nicht all die vorhandenen Gedanken und Möglichkeiten der VR zusammen und schaffen eine vollkommen neue VR- Spielewelt. Es gab ja schon einige Spiele, die seinerzeit mit VR- Technologie genutzt werden konnten. Wir hatten doch einen breiten Fokus über die vorhandenen und möglichen Einsatzmöglichkeiten der VR. Also? Warum nicht ein Spiel der nächsten Generation erschaffen? 'Games gehen immer.'- war Peters Meinung. 'Und Gamer zahlen bereitwillig.', das weiß jeder, der sich mit Technik auskennt. Und ich wollte mich nach dem Studium soundso bei einem Spieleentwickler bewerben. Also war das Ziel bereits am Ende des Studiums für uns klar: Selbstständigkeit, Investoren finden und ein Spiel erschaffen."

Frank sprühte vor Freude, Melina dies zu erzählen. Aufgeregt ging er auf und ab im Raum und gestikulierte. Gedankenversunken schilderte er schillernd die Ideen der damaligen Zeit.

„Natürlich träumten wir damals vom großen Geld. Daher nannte ich das Projekt irgendwann 'Coin Dreamer', wie ein Spielautomat, wo man Münzen einwirft und die VR entführt Dich in eine vollkommen andere Realität."

„Okay. Ihr hattet also damals hochfliegende Pläne. Und dann?"

Frank tippte mit dem Zeigefinger an seinen Kopf. „Dann hat es bei mir 'Klick' gemacht. Hier oben im Hirn. Ich fand einen praktikablen und simplen Weg, all meine Ideen zur Software und Umsetzung auf den bestehenden Systemen aufzubauen und für unsere Ziele anzupassen. Probleme waren die vorhandenen Urheberrechte auf die damaligen Systeme für uns und die absehbaren Entwicklungskosten. Irgendwie mussten wir unsere Variante dann auch frühzeitig in die bestehende VR- Nische am Markt zu platzieren. Die großen Anbieter wiesen uns ab. Sie wollten ihr Monopol behalten. Und uns kannte niemand- das war damals auch ein echtes Problem. Es gab Momente, da wollten wir wirklich hinschmeißen. Dann kam Benjamin Brown durch einen Zufall hinzu. Und Ben erstellte ein Vermarktungskonzept und sprach einige Firmen an. So hatten wir auch dieses Problem vom Tisch. Der Rest ist ja bekannt- Durchbruch der Software am Markt, ständige Verbesserungen und Erweiterungen. Wir konnten am Ende des ersten Jahres kaum die Nachfrage decken. Wir haben dann vergrößert, danach neue Märkte international erschlossen. Es war irre."

Frank Suttons Augen glänzten vor Freude bei diesen Erinnerungen. Nebenher prüfte er die Technik und schob einen Stuhl zurecht, um Melina einen guten Platz bieten zu können.

Melina blieb jedoch bei den Fakten, welche sie irgendwann einmal aufgeschnappt hatte, bevor sie sich in das Abenteuer 'Coin Dreamer' stürzen wollte. Da Frank noch alles vorbereitete, bot dies die Möglichkeit, noch etwas zu fragen.

„Aber Euer 'System', so will ich es mal nennen, da ich mich nur wenig damit beschäftige, ist doch ziemlich teuer. Oder etwa nicht? Eine Normalsterbliche, wie ich, würde sich Euer Spiel sicherlich nicht leisten können. Und wenn ich die Wahl hätte, würde ich mein Geld lieber in Reisen oder Bücher investieren, solang ich noch keine Familie habe."

Frank kratzte sich kurz an der Stirn.

„Ja. Das gebe ich zu. Es ist teuer. Mich hat auch immer gewundert, wie bereitwillig sich die Kunden auf mein Programm und die Systemerweiterungen gestürzt haben, wenn ich ehrlich bin. Hier- dieses Erstpaket, was ich dir gleich vorstellen werde. Startpreis bei Einführung war damals 7.500 Euro, war in etwa die Herstellungskosten abdeckte und einen Minimalgewinn abwarf. Das hat man Uns aus den Händen gerissen. Dann stieg der Preis des gleichen Pakets auf 12.500 Euro, dann waren es 17.000 Euro nach den ersten Modifikationen. Und es wurde immer noch wie verrückt bestellt und abgenommen. Wir haben Einzelkunden, die sich Spezialanlagen im Wert von zwei bis fünf Millionen einbauen lassen- da geht manchmal die ganze Familie in die VR- Welt. Und davon haben wir weltweit schon immens viele aufgestellt. Man glaubt gar nicht, was die Leute teilweise dafür ausgeben, sich die Versionen anzuschaffen. Da gebe ich Dir aber Recht- für einen Klein- oder Normalverdiener ist der 'Coin Dreamer' nicht zu bezahlen. Da haben die Menschen andere Sorgen, als sich stundenlang in einer virtuellen Welt auszutoben."

Frank Sutton hatte wohl alles vorbereitet. Händereibend stand er an einem matt beleuchteten Schreibtisch mit einem bequem wirkenden Stuhl.

„Und? Bereit?"

Melina zuckte mit den Schultern.

„Ja? Und? Was muss ich hier machen?", fragte sie.

„Nimm erstmal Platz und setz Dich bequem hin. Ich helfe Dir mir der VR- Brille und dem Handschuh. Dies hier vorn ist ein Scroll-Pad. Damit steuerst Du nachher im Spiel deine Aktionen. In der Basisversion kannst Du deinen Charakter, also deinen Avatar im Spiel nur minimal selbst gestalten. Geschlecht, Alter, Aussehen, Haarfarbe. Deine Software- Version hat noch einiges mehr, aber ich denke, wir benötigen das nicht. Wenn du Deinen Avatar gestaltet hast, wirst du in die VR- Welt integriert und wachst in deinem eigenen Haus auf. Schau dich dort erst einmal um, check deinen Briefkasten und suche dir einen der angebotenen Jobs aus. Avatar- Erstellungen findet eigentlich jeder irgendwie cool. Nachher nicht wundern- ich setze mich an das Nachbargerät. Ich kann Dich mit dem Suchlauf orten- ein Supporter- Goodie für Fehlerbehebungen. Ich integriere mich in deiner VR- Nachbarschaft und werde an deinem Haus klingeln. Ich führe Dich dann einmal ein wenig herum- in der virtuellen Welt des Programmes."

„Okay?", sprach Melina Hargraves skeptisch und vorsichtig.

„Keine Sorge. Alles ganz easy. Wir drehen eine kleine Runde in unserem VR- Wohnviertel und checken dann aus. Danach zeige ich dir eine der neuesten Versionen- also der bessere Standard. Da bin ich mal auf deine Reaktion gespannt, wenn du den Vergleich erlebst."

Melina saß angenehm.

Frank zog ihr den Handschuh an, an welchem ein kleiner Kabellauf abging.

„Damit kannst du am Scroll- Pad steuern- Fingerbewegungen auf dem Pad. Die Reaktionsfelder an Handschuh und Pad führen zu Reaktionen im Spiel. Die Gamer haben zumeist die Brille zuerst aufgesetzt und machen das mit dem Handschuh danach. Wir machen es umgedreht, damit du siehst, was ich mache. Okay?"

„Ja. Und jetzt?"

„Jetzt die Brille. Da helfe ich dir. Wenn die Brille sitzt hörst du vorrangig nur das Spiel. Du wirst geleitet. Gute Reise. Bis gleich im Dreamer."

Mit diesen Worten zog Frank Sutton langsam die VR- Brille über die Augen.

Die Schalen über den Ohren ließen eine angenehme und nicht aufdringliche leichte Melodie erklingen.

Vor den Augen drehte sich ein 3- D- Globus in einem sanft wogenden Wolkenmeer.

„Bitte Kontakt Handschuh und Pad herstellen!" , forderte eine Swimm- Lane- Textanzeige.

Okay? Mach ich.- Melina folgte den Anweisungen.

„Sind sie neu oder möchten sie einen alten Speicherstand laden?"

Neu!

„Bitte wählen sie Ihren Avatar! Individuell oder vorgegeben"

Vorgegeben!

„Sind sie Weiblich oder männlich im Spiel?"

Weiblich!

Eine Frau wurde Melina eingespielt –groß, schlank, braunes Haar, geblümtes Kleid. Melina war verwundert, wie echt diese virtuell erstellte Person wirkte. Unmerklich zog sie vor Bewunderung darüber die Augenbrauen hoch.

„Möchten sie Ihren persönlichen Avatar individueller gestalten? Ja/ Nein"

Nein. Ist okay. Ich wirke nett, wenn man das so sagen darf.

Melina kam mit der Steuerung zwischen Handschuh und Pad besser klar, als sie gedacht hätte. Sie hätte Teile des Avatar mit einem Pfeil leicht ansprechen können.

So komplettierte Melina ihr Outfit, bestätigte hier und dort die Einstellungen für Hintergrundgestaltungen und Musiklautstärke.

Irgendwann wurde angefragt: „Möchten sie jetzt die Virtuelle Welt betreten? Ja/ Nein (zurück zu den Einstellungen)

Melina drückte sacht auf 'Ja!'.

Eine Zwischensequenz aus dem bekannten 3- D- Globus und den Wolken tauchte auf.

Kurz darauf ein „Willkommen im Coin Dreamer!"

Wenige Zeit danach öffnete ihr Avatar in einer virtuell gestalteten Wohnung seine Augen, als hätte Melina selbst ein Mittagschläfchen gehalten.

Die Welt um sie war wie echt. Die Wohnung war bei jeder Bewegung des Handschuhs auf dem Pad in sanfter aber flüssiger Bewegung. Ein kleiner Radiowecker machte eine Radioansage, die über die Ohrmuscheln der VR- Brille gefällig eingespielt wurde.

„Guten Morgen virtuelle Welt. Wir haben einen sonnigen, warmen Tag zu erwarten. Wie dafür geschaffen, sich einen neuen Job zu suchen und sich in der Nachbarschaft umzusehen. Hilfe- Anzeigen im Spiel werden Dir sicherlich deine Fragen beantworten und Dir hilfreich zur Seite stehen. Aber genug geredet! Jetzt wieder Musik, um Euch in den Tag zu bringen.", sprach der Radiosprecher euphorisch.

Melina dachte sich, dass jetzt nur noch 'Wouldn't it be nice' von den Beach Boys fehlte, um einen Morgen in Kalifornien vorzutäuschen. Doch es kam tragende Musik zwischen Klassik und Pop- ähnlich dem, was ihr von Rondo Veniziano bekannt war. Es beschwingte irgendwie.

Durch Handschuhbewegung stand die Avatar- Melina auf. Dann sah sie sich um.

Die Bewegung im Raum war flüssig geführt.

Melina drängte sich der vergleich mit einer 360- Grad Rundumsicht auf, allerdings waren die Wahrnehmungen weniger von einem 'Froschaugen- Effekt' verschoben, als sie dies kannte. Der Raum um Melina wirkte daher extrem Wirklichkeitsnah- allerdings eine Nuance bunter und farbkräftiger als die reale Welt.

Melina strebte dem Ausgang des Raumes zu. Ihre Wohnung bestand augenscheinlich aus mehreren kleinen Räumen. Schlafzimmer, eine kleine Küche, ein Bad mit WC, ein kleines Wohnzimmer.

In der Küche versuchte Melina die Arbeitsplatte mit der Hand des Avatars zu berühren. Allerdings blieb dies eine eher schmucklose Erfahrung. Auch an Geräten gab es hier nicht viel. Als Melina eine leere Wand anblickte, fiel ihr eine kleine Text- Einblendung auf, die nach kurzer Zeit eingespielt wurde.

„Wollen sie etwas platzieren? Ja/ Nein"

Ja? Hier würde doch toll etwas hinpassen, oder?

„Diese Aktion ist noch nicht möglich. Verdiene Coins durch einen Beruf, um in die Auswahl zu gelangen.", wies eine erscheinende Information hin.

Okay?, dachte sich Melina. Stimmt ja. Das hatte Frank ja auch gesagt. Aber woher bekomme ich einen Job?

Melina ging ins Wohnzimmer. Eine Zeitung lag dort auf dem Tisch. „Angebote des Tages"- stand auf der Zeitung.

Melina tippte die Zeitung virtuell am Pad an. Sie schlug dann automatisch auf, als würde man umblättern.

„Job- Angebote in deiner Nachbarschaft", zeigte Seite eins.

Okay? Das war einfach. Sechs Inserate waren virtuell hinterlegt.

„Tippe ein Inserat an, um es zu lesen", wurde Melina aufgefordert.

Vorgeschlagen und getan.

„Sekretärin, 70 Coins pro Tag." – ein Klassiker, wie Melina Hargraves fand.

Ein weiteres Inserat bot an: „Reisekauffrau, 80 Coins pro Tag." – Klingt machbar.

Ein nächstes Inserat „Gangster- Braut, 70 Coins pro Tag."- Unerwartet! Aber interessant. Dann hätte ich zu Hause etwas zu erzählen. Oma würde es umhauen, wenn ich diesen Job annehme.

„Pilotin, 90 Coins pro Tag."- bislang das beste Gehalt.

„Krankenschwester, 70 Coins pro Tag."- na klar! Mindestgehalt- Einstufung. Das werde ich Frank auf jeden Fall unter die Nase reiben.

„Dressurreiterin, 80 Coins pro Tag"- auch nicht schlecht.

Da war sie nun- die Qual der Wahl. Da ich das Eine bereits habe, wähle ich mir einfach etwas anderes!

„Wollen sie ihren Job als 'Reisekauffrau' annehmen? Ja/ nein"

Heute einmal ein 'Ja!'.

Also Reisekauffrau! Was immer mich da erwartet - es klingt erst einmal verlockend und verspricht exotischere Berufserfahrungen als auf einer Intensivstation des 'St. Martins' Klinikum.

Unverhofft erklang ein Tür- Gong in klassisch britischer Weise: Glockenschlag von Big Ben!

Ah- die Küche wies eine Tür zur Außenwelt auf!

Na dann. Öffnen wir mal durch Antippen. Vertrauen wir darauf, dass es kein Zombie ist, der hier klingelt. Wer weiß, was in dieser virtuellen Welt alles so möglich ist.

Vor der Tür stand ein Mann: Kurzhaar, Nickelbrille, Bermudahemd, Shorts.

Über die Ohrmuschel wurde Frank Suttons Stimme zugespielt: „Hallo! Nicht erschrecken! Ich bin es, Frank. Ich wollte Dich zur Tour einladen."

„Konntest Du mich hören? Ich habe gerade etwas mit mir selbst geredet. Die Job- Auswahl ist ja schon ein wenig eigenartig ausgesucht?"

„Hast Du schon etwas gewählt? Nein. Gehört habe ich Dich nicht. Das Game ist so programmiert, dass Dialoge im Haus separiert werden. Allerdings wenn Du irgendwann ein Haus mit Terrasse hast, ist dies als öffentlich markiert im Spiel. Dann hören Nachbarn und Vorbeikommende, was ihr redet. Und wenn es Nacht ist, kann auch einmal ein Officer klingeln und darum bitten, die Party zu beenden. Denn als solche, als 'Party' sieht es das System dann an. Dann kann es auch schon einmal eine Strafe geben, wenn man die Officer ignoriert."

„Wchseln die Jobs?"

„Ja. Täglich gibt es sechs neue Angebote. Die Gehälter wachsen mit der Zeit der Ausübung des Jobs zudem automatisch an bis zu einem Oberbetrag an Coins. Wechseln kannst Du deinen Job täglich. Wenn Du ewiger Student sein möchtest? Bitte, ist möglich! Du möchtest Tauchlehrer sein? Alles klar, nimm das Angebot an. So geht das hier."

„Okay? Dann kann ich also stetig Gehaltserhöhungen automatisch bekommen?"

„Genau. Bis zum Oberbetrag.", erklärte der virtuelle Mann mit Nickelbrille.

„Frank? Irgendwie finde ich es witzig, dich im Ohr zu hören und diesen Studenten- Typen im Spiel zu sehen. Das ist, naja, unerwartet. Ich habe ja noch vor einigen Minuten dein richtiges Ich gesehen."

Frank Sutton lachte.

„Ja. Das geht mir auch immer mal wieder so. Aber das sind die Möglichkeiten im Spiel. Selbst meine Mutter könnte sich hier einloggen, einen männlichen Avatar- Rocker mit Punkfrisur erstellen und auf Partys gehen. Manche schaffen sich daher eigens für solche Anlässe zusätzliche Avatare in Speicherplätzen- einfach nur, um etwas auszuprobieren."

„Okay? Dann könnte ich also einen coolen Rocker einladen und in Wirklichkeit ist dies dann eine Mutter von 5 Kindern aus New York, die ihr Hausfrauendasein interessanter macht. Aber das würde doch auffallen, wenn so ein Typ mit Bart mit Frauenstimme spricht, oder?"

Frank Sutton, also dieser Nickelbrillen- Typ lachte.

„Ja. In der Basisversion war das noch so. Ich habe dann irgendwann Check- Definitoren- Programme gebastelt, die dann deine Stimme modulieren. Damit war auch das Problem erkannt und gelöst. Wir haben wirklich schon extrem viel verbessert, um die virtuelle Welt immer besser zu machen. Aber das zeige ich Dir nachher in der letzten modifizierten Version. Jetzt komm erst einmal aus deinem Häuschen heraus. Einfach rausscrollen nach vorn."

Melina tat, wie ihr gesagt. Frank ging vorsichtshalber gleich zur Seite, denn Melina machte einen kleinen Einsteiger- Fehler: sie scrollte zu hastig, was sie binnen zweier Sekunden an Franks Avatar vorbei zur Straße schießen lies.

„Upps? Das hat aber eben im Haus besser geklappt.", entschuldigte sich Melina.

„Kein Problem. Die Geschwindigkeiten 'in- door' und 'out- door' unterscheiden sich, damit man sich besser und an Distanzen weiter bewegen kann. Wenn Du einen Job hast, wirst du dort abgeholt, wo du gerade stehst. Der Service wartet eine virtuelle Stunde. Gehst du nicht auf Arbeit bekommst du keine Coins. Dreimal in Folge gefehlt? Jobverlust."

Franks Avatar zeigte die Straße entlang, wo es einen Hang hinauf ging.

„Wollen wir?"

Melina musste sich erst an die Scroll- Modalitäten gewöhnen. Nur zum Spaß scrollte sie auch zwei Mal schneller, um Frank Sutton zu ärgern. Doch Frank Sutton schien von fast stoischer Ruhe und Gelassenheit.

Melina besah sich ihr kleines farbenfrohes Häuschen. Daneben war ein zwei Etagen- Haus, dann ein Bungalow. Auf dem Hügel eine Villa, die auch virtuell sehr eindrucksvoll wirkte.

„Und hier wohnen überall Leute?"

„Ja. Zumeist KI's, also künstlich geschaffene Avatare, mit denen Du aber in Dialoge gehen kannst. Ich bin hier über eine Support- Hintertür der einzige weitere echte Mensch hinter einem Avatar. Das war in der Basisversion halt so. Manche Häuser stehen auch leer. Wenn Du also im Game genug Coins gesammelt hast, kannst du ein leeres Haus kaufen und dein Haus verkaufen. Und bei der Umgestaltung oder dem Ausbau von Häusern gibt es nur eine Grenze- dein Grundstücksfeld ist begrenzt."

„Cool. Nichts altert, alles bleibt chic? Das hat was.", freute sich Melina.

„Naja, so einfach haben wir es nicht gemacht. Du musst natürlich dein Haus pflegen, deine Blumenrabatten gießen und so weiter. Kann auch sein, dass dir die Spielwelt anzeigt, dass deine Waschmaschine kaputt ist oder die Couch durchgesessen ist. Dann lass es von KI's reparieren oder verkaufe es und hol dir ein neues Gerät."

„Also ist es eine Anscheins- Realwelt, die Unmengen Möglichkeiten bietet?"

„So war der Plan. Wie findest Du es?", fragte Frank.

„Wirklich beeindruckend echt. Ich kann meine Finger ansehen, die anderen Leute, deren Häuser. Wirkt sehr real auf mich. Und wie kommen wir hier heraus?"

„Zurück in mein Arbeitszimmer- ich meine real? Du ziehst kurz am Handschuh, als wolltest Du ihn abstreifen. Dann bekommst du eine Anzeige und kannst speichern. Das machen wir aber nicht, wir legen einfach ab. Okay?", erklärte Frank.

„Okay."

Melina rüttelte etwas mit der linken Hand am Handschuh herum. Und tatsächlich- eine unaufdringliche anzeige fragte, ob sie den Spielstand speichern wolle. Wie ihr geraten legte sie den Handschuh ab und zog sich vorsichtig die VR- Brille vom Kopf.

Frank wartete schon. Er saß auf einem Drehstuhl am Schreibtisch in der anderen Ecke des Raumes.

„Da wären wir wieder. Reicht dies für den ersten Kontakt? Oder darf es noch ein wenig intensiver werden?", fragte er herüber.

„Nein. Ich denke, es reicht fürs Erste. Aber, wir könnten das irgendwann einmal wiederholen. Da ist dir wirklich eine perfekte Illusion gelungen."

„Danke. Gut, dann würde ich sagen: ein kleiner Spaziergang im Park? Um Abstand zu gewinnen? Coin Dreamer- Erfahrungen hallen zumeist sehr stark nach. Lenken wir uns ab. Spazieren gehen und etwas Sport.", schlug Frank Sutton vor.

„Guter Plan. Könnte von mir sein."

Damit war die Neugierde Melinas erst einmal gestillt. Also das war er, der 'Coin Dreamer'. Eine tolle Sache, wenn man über das nötige Kleingeld verfügt. Und wenn dies die Einstiegs- Minimalversion war- wie würden dann die aktuellen Versionen gestaltet sein?

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