Gehackt und Hintergangen?
Auf 'Corbanian House' war nach mehreren Tagen intensiver Bau- und Aufräumarbeiten wieder ein normal wirkender Ruhezustand eingetreten.
Frank Sutton machte seinem Gehilfen Mark Monroe keinen Vorwurf wegen des angerichteten Chaos. Vielmehr war Frank sogar der Auffassung, dass dies ihm auch hätte passieren können. Wenn sich 'Marilyn' schon so in die Arbeit stürzte, wie Frank Sutton es von ihm erhofft hatte, dann sollte man ihm nicht noch deswegen rügen. Und schließlich hätte so ein Unfall auch ihm selbst geschehen können- Mark 'Marilyn' Monroe war halt nur derjenige, der eben zufällig das Pech in der besagten Situation hatte.
Die Aufräumarbeiten waren auch nicht das große Problem gewesen. Die eigentliche Sorge von Frank bestand in der Beschaffung der neuen Ersatztechnik und in deren Verbau in seinem Arbeitsbereich.
Nun jedoch war wieder alles gesäubert von Löschschaum- Restern und auch die Technik war wieder auf dem Stand verbaut, wie es vorher war.
Die Unruhe hatte damit wohl gelegt.
Mark Monroe hatte sich in der Zeit verordneten Nichtstun- Könnens verschiedene Neuerungen überlegt, mit welchen er nun seine Experimente fortsetzte. Hierbei gab er sich auch erkennbar große Mühen- wohl auch, um Frank Sutton ein wenig zu beeindrucken. Diesen Anspruch hatte er nun an sich selbst, da er sich Frank nach all dem Desaster verpflichtet fühlte.
All die mürrischen Verhaltensweisen, welche Mark Monroe noch vor dem nächtlichen Arbeitsunfall gezeigt hatte, schienen zudem irgendwie nicht mehr ganz so extrem herauszustechen.
Mark machte seinen Job. Sicher, er setzte sich immer noch unter übermäßigen Red- Bull und Cola- Einfluss, um davon angestachelt wie besessen arbeiten zu können. 'Marilyn' konnte wohl nur unter hohem Zuckerspiegel zur Höchstleistung auflaufen.
Allerdings wurden nun keine Diskussionen mehr über die alten Geschichten bei S&B Coin Dreamer aufgewärmt und in epischer Breite am Mittagstisch zwischen Frank Sutton und 'Marilyn' zum Leid der anderen Anwesenden ausgetragen. Es wirkte alles ein wenig ruhiger und gefasster- ja fast schon freundlich und familiär, wenn Frau Singh alle zu Tisch rief.
Frank Sutton konnte indessen nach Melinas Terminabsprachen neue Untersuchungen hinter sich bringen, was ihm sehr gelegen erschien.
Franks Unzufriedenheit über seine Koma- Folgen schien nicht mehr ganz so stark zu sein. Die Fortschritte- wohl auch durch die intensiven Gedächtnisübungen ließen ihn hoffen.
Die Untersuchungen am 'St. Martins' Hospital ließen keine weiteren Folgeschädigungen erkennen. Tapfer hatte es Frank sogar ertragen, sich für zwei Nächte im Krankenbett im 'St. Martins' auszuharren.
Für Melina Hargraves waren die positiven Entwicklungen, welche die Ärzte bescheinigten, eine Bestätigung ihrer guten Arbeit. Die Entscheidungen, welche Melina immer mit den Ärzten abgestimmt hatte, waren zwar individuell nur auf Frank Sutton- ihrem Patienten Nummer 1- zugeschnitten, jedoch bekam sie für den eingeschlagenen Weg hier und dort lobende Worte.
Um es Frank so angenehm wie möglich zu machen, hatte Melina ihm das große Einzelzimmer besorgt. Bis zum Abend blieb Melina zumeist bei Frank und verfiel wieder in 'alte aber bewährte Muster'- sie las Frank Sutton aus Romanen vor.
Für diese Tage in der Klinik war Frank von anderen Einflüssen abgeschottet und entrückt- sogar von seiner geliebten Technik. Einzig sein Handy hatte man ihm überlassen.
Mit der Rückkehr aus der Klinik hätte sich Frank in einem ausgewogenen Ruhezustand befinden können.
Hätte, denn eine Mail brachte Frank auf die Palme.
Die Mail benachrichtige Frank beiläufig darüber, dass durch S&B Coin Dreamer eine Bestellung für 80.000 Coin Dreamer- Sensibility Ganzkörperanzüge ausgelöst worden war, wofür sich die Firma Specter Enterprises bei Frank Sutton ausdrücklich bedankte und eine fristgerechte Auslieferung in drei Monaten in Aussicht stellte.
Da sich das Gesamtvolumen des Auftrages auf 320 Millionen Dollar belief, erbat die amerikanische Firma allerdings eine Anzahlung in Höhe von 100 Millionen Dollar, um Materialeinkäufe zu besichern und in Vorleistung gehen zu können.
Frank Sutton störte nicht zwingend die Höhe des Auftrages oder die letztliche Endsumme der Sensibility Ganzkörperanzüge.
Frank störte sich aber zum einen daran, dass er bei der Auslösung des Auftrages als noch eingesetzter Chef von S&B Coin Dreamer schlichtweg übergangen wurde. Und zum Zweiten war Frank Sutton durch die Bestellung klargeworden, dass man ihn entweder seitens der S&B gehackt hatte oder irgendwie aus der Firma an seine persönlichen Datenbänke gekommen war.
Und dies brachte Frank Sutton dann doch in Rage.
Er fühlte sich hintergangen, ausgespäht- ja fast gedanklich vergewaltigt.
Und dafür wollte Frank dann auch Köpfe bei S&B Coin Dreamer rollen sehen, denn dieser Missbrauch des Vertrauens war zu groß.
Melina Hargraves hatte Frank in all der Zeit als seine betreuende Krankenschwester noch nie so niedergeschlagen und aufgebracht zugleich erlebt. Frank so betroffen und hilflos zugleich zu sehen, machte Melina fast ratlos. Dennoch gelang es Melina, Frank in dieser Situation durch kluge Ratschläge zur Seite zu stehen.
Melina mahnte Frank zur Ruhe und Besonnenheit.
„Wenn Du Dir sicher bist, dass Dich S&B gehackt hat, dann müssten sie doch eine Datenspur hinterlassen haben. Solche Genies wie Mark und Du? Ihr solltet dieser sache doch auf die Spur kommen können? Vielleicht könnt ihr sogar die Quelle lokalisieren?"
Frank Sutton sah Melina mit großen Augen an. Eine solche Sachkunde hatte er wohl Melina letztlich nicht zugetraut. Noch mehr staunte er, als Melina ihm eine weitre Zugangstür aufzeigte.
„Und Du hast doch sicher einen Kontakt bei dieser amerikanischen Firma, oder? Sprich die Amerikaner doch einfach mal an, um vielleicht die Hintergründe zu erfahren."
Frank atmete lange durch. Dies geschah meistens dann, wenn er sich herunterfahren wollte, oder sich zu konzentrieren gedachte.
„Ja. Das klingt Beides zumindest gut und plausibel. 'Marilyn'? Kannst Du einfach mal versuchen, den Hack aufzuspüren? Ich denke, Du bekommst das hin. Und ich? Ich sprech mal mit Michael Shaw. Der ist bei der Entwicklungsabteilung von Specter Enterprises. Ich habe denen damals die Vorgaben gemacht für den Anzug. Vielleicht kann mir Shaw sagen, wer da was bei Specter Enterprises ausgelöst hat. Ich denke, wir haben spätestens heute Nachmittag schon eine Antwort. Danke Melina."
Mark Monroe klang auch zuversichtlich.
„Ich bekomme das schon hin. Wenn sie hier einen Hack gesetzt haben, dann finde ich ihn. Versprochen. Allerdings brauche ich vielleicht etwas Zeit dafür. Da sind eine Menge Hürden zu überwinden, auch wenn es hier dein Haus- System ist. Das was vielleicht nicht autark läuft könnte mit S&B gekoppelt sein. Da werde ich zuerst nachschauen."
Frank verfiel nochmals in ein kurzes Dilemma zurück.
„Oh Mann. Der Anzug ist de facto noch nicht reif für die Serie und damit den Markt. Er ist einfach nur ein Experiment zurzeit- um zu sehen und zu probieren, was vielleicht in Zukunft geht. Da hat aber jemand wirklich großen Mist verbockt."
Dann bat Frank nur noch Melina Hargraves um einen Gefallen.
„Melina? Ich denke, bevor ich mich mit den Amis unterhalte- können wir noch Mal ein kleines Stück am Sund spazieren gehen? Ich glaube, ich brauche das gerade. Um mich etwas runter zu bringen. Dann bin ich hinterher Besonnener. Nicht, dass ich den Amis Vorhaltungen mache, die vielleicht nicht angemessen sind."
„Ja. Das machen wir. Ich kann Dir wohl ansonsten heute nur wenig von Nutzen sein. Aber egal, wie es sich anlässt: Du hast morgen den Termin mit Doc Francis! Da musst Du privat einmal vor diese Katastrophe stellen, Frank. Schaffst Du das?"
„Schaffe ich. Ich denke, zumindest wäre das treffen mit dem Doc schon wichtig. Ich merke ja auch, dass es mir hilft."
Frau Singh meldete sich in dem Punkt. Gestützt auf das bestätigende Kopfnicken ihres Mannes stärkten Beide Melinas Absichten und Ansinnen.
„Melina hat vollkommen Recht. Und übrigens: Ich finde es gut, dass ihr noch einen Spaziergang macht. Es ist gut so, wie du es sagst- es bringt dich runter! Mich wundert, dass Du dir mittlerweile selbst diese Zeit zugestehst. Da hat Melina wirklich gut mit dir gearbeitet."
Die Frauen waren sich also wieder einmal einig, wie es schien. Auch Herr Singh war ihrer Meinung. Gut nur, dass Frank selbst den Vorschlag mit dem Spaziergang unterbreitet hatte. So bekam er Bestätigung aus allen Richtungen.
Nur 'Marilyn' schien es egal zu sein. Er nahm sich eine Palette mit Red Bull unter den Arm und verabschiedete sich. „Also? Ich leg dann schon einmal los. Wenn ich etwas brauche, dann melde ich mich schon."
Mark 'Marilyn' Monroe war soundso im Echtleben nicht der Mann, der Frauen und deren Verhalten zu verstehen suchte. Die Frau für ihn musste wohl erst noch geboren werden- oder vielmehr zumindest ebenso ein Nerd wie er selbst sein, Technik lieben und in einer eigenen Welt virtuell mit ihm leben können.
Frank stand vom Frühstückstisch auf, ging in den Flur und zog sich seine Sneaker an.
„Also? Wollen wir?", fragte er zu Melinas Überraschung.
So viel Enthusiasmus und fokussierte Energie auf die eigene Gesundheit wollte Melina natürlich nicht ungenutzt verstreichen lassen.
„Klar! Ich bin bereit. Gehen wir!"
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