Die Magie eines Momentes
Die 'Runde' war Beiden wohl bekannt. Spazierengehen nach einem bekannten und gewachsenen Muster: Zuerst ums Haupthaus, dann durch den Park- hinunter zum Bootssteg. Dort war eine kleine und sehr unscheinbar wirkende Pforte, die nach rechts in Richtung Chatham auf einen schmalen, aber ausgetretenen Weg führte- vorbei an Schilffeldern. Man musste hier direkt am Grundstück immer darauf achten, wohin man trat. Viele kleine Vertiefungen waren derzeit mit Wasser aufgefüllt in dieser kleinen Fläche hinter der Bucht. Angenehmer ging es dann auf dem schmalen Uferweg weiter, der später auf einen Weg kam, den die Bauern für ihre Fahrzeuge nutzten. Man konnte von hier aus entscheiden, ob man weiter in Richtung Chatham gehen wollte, rechts zur Hauptstraße hin zu einem alten Haufen aus Steinen und über die Feldwege gegenüber- oder ob man einfach zurück ging zum 'Corbanian Anwesen'.
Frank Sutton ließ sich heute extrem viel Zeit beim Spazierengehen- so jedenfalls empfand es Melina. Er wirkte in Gedanken.
Melina Hargraves hoffte, dass die Angelegenheit mit dieser Anzügen- Bestellung Frank nicht zu sehr zusetzte.
Um seinen Kopf wieder hin zu bekommen, musste Frank Suttons Kopf auch frei sein- frei von Arbeit, frei von neuen Belastungen. Frank sollte sich an das Vergangene wieder erinnern können- mehr erhoffte sich Melina als seine Krankenschwester nicht.
Frank hatte die kleine Pforte aufgeschlossen und nun bahnten sie sich den Weg hintereinander durch das Schilf und die schlammigen Abschnitte am Uferweg.
Unter den Schuhen von Melina und Frank zog sich bei jedem Schritt Wasser zusammen.
Auch wenn man hierzulande die Wirkung der Gezeiten nur wenig bemerkte- für den Moment erschwerten sie ein Vorankommen. Jede Flut bahnte sich den Weg durch die breiten Schilffelder westlich von Chatham. Und dort, wo sich das Wasser der Nordsee und der Themsemündung gewogen sah, sich die Uferebenen zu erschließen, da nahm sich das Wasser diese Freiheiten.
Kurz vor dem ausgefahrenen Uferweg der Landwirte und einer Entscheidung – Chatham mit der Wetterstation, Steinhaufen an der Hauptstraße oder zurück- fiel, völlig unerwartet, eine ganz andere Entscheidung.
Hierbei spielte der Zufall, Wasser und ein Schlammloch am Weg eine nicht unbedeutende Rolle. Es war nur ein kurzer Moment des Missgeschicks, der jedoch andere Folgen nach sich ziehen konnte.
Frank ging voran.
Ebenso, wie Melina auch, war er darauf bedacht, seinen Weg durch das niedergetretene Gras hier unbeschadet zu finden.
Allerdings nicht effektiv genug: mit einem Fuß kam er auf der Graskante durch unbedachte Gefahr ins Abrutschen, so dass sein Sneaker am rechten Fuß so richtig wegrutschte- hinein in ein Gras und Schlamm- Wasser- Gemisch. Eine kurze Rutschspur des Schuhes zeigte sich ab.
„Ohoho?!", rief Frank noch heraus, während er sanft aber zunehmend in eines der Wasserlöcher abdriftete. „Mist. Mist. Mist!"
„Frank! Warte! Greif meine Hand!", rief Melina schnell. Sie hatte noch festen Tritt auf dem kleinen Weg.
Frank wollte ja, aber konnte nicht nach Melinas Hand suchen. Sein Blick war gebannt auf dem Schlamm und der sich abzeichnenden Rutschspur- ein sicheres Versinken seines rechten Fußes im Wasserbad bereits vor Augen.
Doch dies ließ Melina nicht zu.
Fest entschlossen, ihren Patienten zu retten und beizustehen, packte sie fest nach Franks suchender Hand und ergriff sie spontan.
Nur durch Melinas Einschreiten fand er den Halt, um dem sonst unausweichlichen Dilemma zu entkommen. Hastig zog er seinen Fuß zurück und brachte ihn im quasi letzten Moment zurück auf eine trockene Stelle des Wegs.
Frank prustete erleichtert auf.
Während er mit der linken Hand noch fest in Melinas griff war, tat er mit seiner rechten Hand sinnbildlich so, als würde er sich den Angstschweiß von der Stirn wischen und den Schweiß in das hohe Gras abschlagen wollen.
Er lächelte seine Retterin – belustigt über den peinlichen Moment und froh über Melinas Hilfestellung- lang und erleichtert an.
Was sich aber nicht ergab: Melinas ursprünglich fester Griff lockerte sich zwar und verharrte schließlich und endlich in einem weichen Handgriff- aber weder Frank noch Melina schienen auch nur eine Sekunde daran denken zu wollen, die Hände voneinander lösen zu wollen. Zumindest wirkte es auf potentielle Dritte vielleicht so, als wenn Beide in dieser Stellung einfach so zu verweilen suchten.
Letztlich war es Melina, die dann doch- wohl erschrocken über diesen für sie peinlichen Moment der Nähe zu Frank- ihre Hand wieder lockerte und losließ, um sodann beide Hände vor ihr Gesicht zu halten.
Frank sollte ihr Entsetzen über diesen Moment körperlicher Nähe nicht missverstehen, so verbarg sie für einen Moment ihr ganzes Gesicht hinter den beiden eigenen Handflächen. Danach hielt sie nur noch die linke Hand vor ihren Mund, als müsse sie sich selbst das Reden verbieten.
„Alles gut?", fragte Melina hinter ihrer Hand hervor.
Auch Frank schien für den Moment in einem Zustand zwischen Unfall, Entsetzen und einer Vielzahl von auf ihn selbst einströmenden Gefühlen irritiert. Man sah es seinem Gesicht an. Seine Stirn lag in Falten und große Augen suchten den Moment zu bewerten.
„Ja? Ich denke schon?", sprach Frank Sutton- sich fast beim Reden verhaspelnd. „Nur Schlamm! Der Fuß ist – Gott sei Dank- trocken geblieben. Dank Dir."
In Franks Gehirn spielten die Gedanken ein nicht zu ordnendes Durcheinander.
Melina ging es ebenso.
Was war hier gerade geschehen? Und wie nun weiter?
Frank löste das Problem.
Er löste das Problem für sie Beide- in dieser –offensichtlich verfahrenen- Situation: Langsam und dennoch entschlossen, näherte sich seine linke Hand erneut Melinas rechter Hand.
Auch wenn es dieses Mal keinen äußeren Anlass oder Auslöser gab- seine Hand suchte Melinas Hand erneut. Er suchte den nahen- und damit auch erneuten körperlichen Kontakt zu Melina.
Langsam und vorsichtig griffen beide Hände- fast wie eingespielt aufeinander- erneut zu und verschlangen mit sich eine wohl offenbar vorhandene Sympathie zueinander in einem schlichten Händchen halten.
Melina hatte sich fast von selbst an Franks 'Problemlösung' angepasst- es schien auch für Melina die normalste Sache der Welt zu sein, mit Frank einfach nur Händchen zu halten.
'Verrückt! Einfach nur verrückt! ', dachte sich Melina. 'Was passiert hier grade? '
Frank wurde von ähnlichen Gedanken umgetrieben.
Wie vollkommen aus ihren eigenen Leben entwurzelt und hier nebeneinander neu verpflanzt standen diese zwei Menschen voreinander. Und hielten Händchen.
Und keiner wollte diesen Moment beenden. Es war einfach nur angenehm- ja es fühlte sich vertraut an und zugleich noch nach viel mehr. Es war einfach nur schön, die Hand des anderen zu halten.
Und zugleich waren beide von sich selbst überrascht und erschrocken.
„Ich habe da zwar nicht so viel Erfahrung drin, aber wenn es Dir nicht unangenehm ist?", fragte Frank.
Melina fiel kein passendes Wort ein, dass all ihre Gefühle in dieser Situation hätte beschreiben können.
„Nein? Es ist mir angenehm- so glaube ich jedenfalls. Ich habe da auch noch so gar keine Erfahrungen drinnen. Da sind wir wohl nun zu zweit- mit unseren überraschten Gefühlen?", antworte Melina. Schon im nächsten Moment bereute sie ihre Worte. 'Bestimmt waren sie falsch gewählt! Oder etwa nicht? Ach verdammt! ', dachte sie nur.
„Naja? Ich weiß ja nicht, wie es Dir damit geht? Ich- und meine überraschten Gefühle- finden es... okay? Fühlt sich irgendwie richtig an. Findest Du nicht auch?", versuchte Frank sich zu rechtfertigen. Immerhin war er es ja, der diesen 'ersten Schritt' gewagt hatte. Er beobachtete Melina, die immer noch so keine Anstalten unternahm, sich dem 'Hände halten- Problem' entziehen zu wollen.
Melina wollte keinen Rückzieher- oder Abstand, wenn Frank dies damit andeuten wollte.
Und sie hatte auch irgendwie kein Interesse daran, etwas zur 'Entkräftung' dieser nun bestehenden Verbindung über die Hände zwischen Frank und ihr selbst gegenzusteuern.
„Ja?", wagte sich Melina hinter ihrer Deckung sehr vorsichtig hervor. „Ja? Es fühlt sich ... gut an."
„Und? Kann es dann erstmal ... so bleiben? Wäre das Okay für Dich?"
„Ja? Ich denke, es wäre vollkommen okay. Erstmal?"
„Gut. Dann spricht nichts dagegen, es erstmal.." – und Frank betonte das „erstmal" sehr deutlich- „erstmal so zu belassen? Vielleicht erstmal bis zur Wetterstation von Chatham?"
„Ja? Das wäre erstmal ...okay.", ging Melina mit.
„Gut. Dann erstmal so- gemeinsam- bis zur Wetterstation? Wollen wir das mal versuchen? So hier?", Frank deutete auf die ineinander verschlungenen Hände.
„Ja?! Können wir versuchen. Erstmal zur Wetterstation."
Beide nahmen die letzten Meter bis zum ausgefahrenen Schotterweg so in Angriff.
Auf dem Weg hielten sie inne und Beide betrachteten ihre ineinander verschlungenen Hände, die sich sanft und noch vorsichtig hielten.
Frank scherzte zuerst. Melina war darüber nicht traurig- im Gegenteil.
„Naja. Bis hierher haben sie sich ja dann doch schon einmal ganz gut vertragen- die Zwei."
„Ja. Schauen wir mal, wie sie sich bis zur Wetterstation so machen?", spaßte Melina- die beiden verschlungenen Hände meinend.
„Ja. Schauen wir mal. Wenngleich ich anmerken möchte, dass es meiner Hand wohl augenscheinlich ganz gut gefällt- zumindest hat sie mir da ganz eindeutige Signale gegeben. Und den Schreck von eben habe ich auch schon fast vergessen- irgendwie.", scherzte Frank.
„Als Krankenschwester muss ich sagen, dass es wohl eine Medizin ist, die in beide Richtungen wohltuend wirkt. Ein echtes Paradoxon. So etwas habe ich auch noch nicht erlebt. Auch nicht von meiner Hand." Auch Melina scherzte herum- wusste gar nicht, warum sie mit einem Mal so gelöst und irgendwie froh und befreit war.
Sie gingen weiter. Auch wenn die zwei Fahrspuren, in denen sie nebeneinander liefen, doch recht weit auseinanderlagen, so wollten diese zwei Hände nicht voneinander lassen.
Die vor diesem –als magisch zu bezeichneten- besonderen Moment vorhandenen Distanzen zueinander waren jetzt wie verschwunden. Keine Kluft, kein „Ich bin aber", kein arm oder reich.
Das Einzige, was Frank Sutton und Melina Hargraves jetzt auf diesem Weg wichtig erschien, war dieser gemeinsame Wille und Wunsch einer Annäherung auf ein „Wir". Wille und Wunsch auf ein „Gemeinsam", ein „Zusammen"- mehr nicht. Und diesem Willen und Wunsch jedes Einzelnen gaben beide gleichermaßen nach und zeigten dies durch den Wunsch, am Anderen und dessen Hand festzuhalten- egal, wie weit diese Fahrspuren aus Schotter und Gras nun auch auseinanderliegen mögen.
Da bedurfte es nicht der vielen Worte. Beide genossen sie diese überraschende Vertrautheit und den Körperkontakt zur Hand des Anderen.
Sie kamen so bis zur Wetterstation von Chatham.
Immer noch hielten sie aneinander fest. Als Paar standen sie nun hier- begafften kurz die Wetterstation und bestaunten die Schönheit des Ausblickes auf die weite Themse- Mündung und die doch ruhig wirkende Nordsee.
Jeder lächelte in sich hinein, war mit sich und der Situation, die sich ergeben hatte, zufrieden und mehr als glücklich. Und ein Gefühl von Stolz war Beiden anzusehen. Sie waren stolz darauf, diesen Weg gemeinsam zurückgelegt zu haben- und Händchen haltend. Ohne Reue! Ohne sich die Frage zu stellen, was danach werden wird.
Frank drehte sich ein wenig zu Melina hin.
„Das hat doch erfreulich geklappt, oder? Was meinst Du?"
Melina nickte zustimmend.
„Ja. Hat geklappt. Sie haben sich doch recht gut vertragen."
„Und Melina? Bereit für den nächsten Schritt?", fragte Frank offenheraus.
Während Melina sich spontan Sorgen darüber machte, was Frank wohl unter „dem nächsten Schritt" verstehen könnte, war Franks neues Angebot dann doch sehr nahe an dem, was sie sich als einen nächsten Schritt vielleicht auch vorstellen konnte.
„Wir haben ja nun erlebt- und fühlen uns bestätigt darin, dass sich deine rechte Hand und meine linke Hand augenscheinlich ganz gut vertragen und miteinander auskommen können. Lass uns nun auf dem Rückweg vielleicht einmal etwas Neues probieren- nur, wenn Du das auch okay findest: Ich nehme jetzt mal meine rechte Hand- und Du deine Linke. Und wir schauen dann mal, ob diese zwei sich auch so gut vertragen, wie die anderen zwei Hände. Kann ja sein, dass sich diese Zwei dann auch so gut verstehen? Wollen wir das mal probieren?"
Melina musste lächeln.
„Ja. Das machen wir mal. Wir werfen die zwei einfach Mal in das Haifischbecken. Mal sehen, was passiert. Ich würde mir ja wünschen, dass sie auch miteinander auskommen. Aber mal sehen?"
„Ja. Mal sehen.", witzelte Frank wie ein experimentierfreudiges Kind. Und schon hielt er seine rechte Hand hin, um gemeinsam den Weg zurück zu gehen.
Melina ergriff sie belustigt.
„Ja? Im ersten Moment... eine gute Reaktion. Glaube ich."
„Ja. Sehe ich auch so. Keine zuckenden Blitze. Keine Unterkühlungen- ich spüre eher etwas wie... deutliche Zuneigung? Kann ich das so deuten? Was meinst Du, Melina?"
„Zuneigung. Eindeutige Zuneigung zueinander."
„Und tiefe Zufriedenheit."
Wie scherzende Kinder auf einem Gruppenausflug- frei und ungezwungen fühlten sich Melina und Frank.
Wieder unterhielten sie sich nur wenig- und zumeist nur über die irritierende neue Situation. Beide hatten sich wohl damit angefreundet, vielleicht ein Wir bilden zu können. Und falls da doch noch Bedenken waren, die in der Kürze des Weges noch nicht geklärt werden konnten- sie wählten den längeren Weg zu den alten Steinen, die an der Straße aufgeschichtet waren. Mal sehen, was noch passierte. Aber es geschah nichts, was Beide hätte beeinflussen oder umstimmen können.
So gingen wie denn zu ersten Mal eine neue Route- vom Steinhaufen dieses erste Mal nach links, über die Wiese, die neben dem Radweg an der Hauptstraße lag.
Frank brach das Schweigen der Zufriedenheit.
„Wer hätte das gedacht. Du und ich. Ich meine, so ab und an habe ich ja schon darüber nachgedacht, was wäre wenn. Aber meine Gedanken sind ja derzeit ab und an so ... unklar? Aber jetzt? Jetzt wirkt dies alles hier so, naja, irgendwie so vorherbestimmt. Täusche ich mich da, oder geht es dir ähnlich?"
„Mir geht es auch so. Man kann es nicht so eindeutig und klar erfassen, wie man es vielleicht von sich selbst gewohnt ist. Du als mein Patient damals? Und jetzt so etwas. Ich kann es noch gar nicht so richtig begreifen."
„Geht mir auch so. Aber ein Stück von Seelenverwandtschaft war eigentlich schon immer irgendwo im Hintergrund. So denke ich es mir jedenfalls. Und egal, wie es vielleicht weitergeht: Das hier und jetzt, das werde ich nie bereuen. Es fühlt sich unglaublich gut an, dich so zu sehen und zu spüren.", gestand Frank sich mit deutlichen Worten vor Melina ein.
„Apropos: Wer hätte das gedacht? Frau Singh! Frau Singh hätte sich so etwas schon vor einigen Wochen gedacht. Sie hat es mir einmal eingestanden. Aber da hatte ich wirklich noch nicht so richtig selbst daran gedacht. Sie schon. Offenbar hat sie ein 'drittes allsehendes Auge', wie man so sagt." Melina sagte all dies aus ihrem Herzen heraus. Die ganze Wahrheit jedoch wollte sie noch für sich behalten. Sollte sich wirklich mehr ergeben, konnte sie ja immer noch dann auch mehr von sich preisgeben, als es vielleicht jetzt angemessen und angebracht war.
Auch Frank versuchte, sich wieder mit dem Jetzt und Hier auseinander zu setzen.
„Frau Singh? Hmm, ja. Das ist denkbar. Sie hat, so glaube ich, eine Gabe, mich zu durchschauen. Das war schon immer so. Aber mal was Anderes, was wir nicht so richtig ignorieren können oder sollten: Macht es Dir viel aus, wenn wir 'Das' hier, das gewisse Neue mit Uns, wenn wir das erst einmal nur für Uns behalten? Wenn wir Gelegenheiten in Ruhe haben oder Uns gemeinsam danach ist, dann sollten wir in jedem Fall dann immer Stück für Stück an einem „Wir" weiterarbeiten. Doch ich würde mich wohler fühle, wenn wir es noch nicht offiziell machen würden. Dieses „Wir" ist mir echt wichtig. Aber lass Uns dies gemeinsam vorsichtig angehen. Wäre das in Ordnung? Beziehungen sind für mich echtes Neuland."
„Okay? Dann mit Vorsicht? Angemessener Abstand, wo es geboten scheint?", hinterfragte Melina. So schön es sich anfühlte, dieses neue Wir- Empfinden, auch sie hatte etwas Angst davor. Nicht vor Frank- da hatte sie keine Angst. Aber vor dem Ungewissen.
Irgendwie kam Melina dieses Bild von Prinzessin Diana ins Gedächtnis, als die Presse über Diana einfach so herfiel und sie überall belagerte. Diana konnte mit all dem Wirbel um ihre Person damals kaum fertig werden. Und Frank stand ja auch im Fokus der Medien und der Presse. Melina hatte keine große Lust darauf, in einem High- Society- Magazin auf Seite Eins zu stehen mit der Schlagzeile „Will sich die kleine Krankenschwester die Milliarden krallen? Oder ist da doch vielleicht Liebe im Spiel? Oder gibt es sogar echte Gefühle?"- nein. Soweit sollte es besser noch nicht gehen.
„Nein. Vorsichtiges und behutsames Herangehen. Das klingt schon okay. Aber bitte: Immer mit Offenheit. Das muss ich einfach von Dir verlangen.", gestand Melina ein und ergriff nun beide Hände von Frank für einen Moment.
Frank sah, dass es Melina ernst war mit dieser Bitte.
„Okay. Offenheit. Ich denke, bislang sind wir ja damit auch eigentlich ganz gut klargekommen. Im Übrigen: Auch das Zusammenspiel von allen vier Händen scheint hier gerade gut ausgegangen zu sein. Das gibt zusätzliche Hoffnung. Nein, mal Scherz beiseite: Offenheit, so wie bisher. Und sag mir bitte immer deine Meinung. Das ist mir wirklich wichtig. Wenn Dich etwas umtreibt, dass sag es mir ruhig oder frag mich einfach danach."
Melina nickte. „Klingt wie ein guter Einstieg. Aber ich werde jetzt nicht mit Fragen kommen und mit der Tür ins Haus fallen. Für hier und heute bin ich einfach nur mal eben glücklich mit Händchen halten und Blickkontakt."
„Blickkontakt! Total wichtig. Übrigens, um ehrlich zu sein: Deine Augen finde ich total faszinierend."
Händchenhaltend gingen sie nun von der Wiese wieder nach links, wo der Schotterweg wieder auf die Hauptstraße kam. So würden sie dann unten wieder zur Wetterstation Chatham gelangen- schon wieder, aber in keinem Fall weniger glücklich als vorhin.
„Ich merke schon, wohin das führt. Du willst mein Herz sofort im Sturm erobern. Aber Komplimente allein reichen dafür nicht aus. Du musst Dich beweisen!", forderte Melina belustigt.
„Gut. Ich beweise mich. Irgendwann. Aber ich weiß auch, wohin das führt: Zur Wetterstation zurück und dann zum Haus? Ich muss dann wirklich langsam mal zurück. Abseits von Uns Zweien- hier zusammen und wunderschön für diesen trüben Tag- ist da noch so das eine und andere Problemchen."
Melina zog ihre Hand zurück.
„So? Das fängt ja gut an. Du denkst immer nur an die Arbeit!"
Doch Frank merkte ihr sofort an, dass es ihr damit nicht ernst war.
„Ach ja? Wer überwacht mich denn hier – metaphorisch und medizinisch gesehen? Und jetzt noch so etwas! Wer denkt da jetzt an seine Arbeit? Na?"
Frank angelte sich Melinas linke Hand zurück in seine rechte Hand- so, wie er es für diesen Magischen Moment sehr gern wiederhätte.
Sarkastisch miteinander scherzend gingen sie weiter. Hand in Hand.
Melina konterte. „Und wer sagt mir, dass Du mich nicht nur wegen meines Geldes nimmst? He?"
Frank war beleidigt. „Wunder Punkt. Ganz wunder Punkt. Ich glaube, Du hast mir meine wahren Absichten gerade wie einen Spiegel vors Gesicht gehalten. Aber wenn dir Das jetzt schon klar ist- wer sagt mir denn nicht, dass Du mich nicht nur wegen meines extrem männlichen Körpers begehrst? Na? Was sagt das junge Fräulein dazu? He?"
„Oh ja. Extrem männlich. Ich hatte mich zwischen Dwayne 'The Rock' und Dir zu entscheiden. Natürlich viel meine Wahl da auf Dich.", antwortete Melina belustigt.
„Ja genau. Und danke für die Ehrlichkeit. Und wo wir gerade dabei sind: Ich brauche dein vieles Geld nicht. Ich kann schon für mich selbst sorgen." Frank entzog Melina kurz seine Hand, um vor seinen Körper beide Hände kurz zur Demonstration auszustrecken. „Und zwar mit diesen Händen! Mit dieser Hände Arbeit sorge ich für mich selbst!"
Dann nahm er Melinas Hand wieder zum Halten und weitergehen.
Nach kurzem Überlegen spann Melina das Hin und Her von katastrophalen Vorhaltungen weiter. Wer den Witz in der Situation der beiden Scherzenden nicht verstand, hätte hier vielleicht sogar einen kleinen Disput erkennen können.
„Natürlich!", antwortete Melina. „Es müssen ja auch diese zwei Hände sein! Das Hirn ist es ja augenscheinlich nicht." Dabei verlor sie sich in einem kaum abschwellen wollenden Lachkrampf.
Frank blieb augenblicklich auf der Stelle stehen. Er ließ Melinas Hand los, schien fast versteinert.
Mit ganz ernster Mimik und festem ernsten Gesicht antwortete er auf diese Vorhaltung. „Also das war jetzt wirklich nicht nett. Bösartig war das."
Für einen Moment unterbrach Melina ihren Lachkrampf. War sie etwa wirklich zu weit gegangen? Melina wurde ernst. War Frank jetzt wirklich so tief gekränkt?
Doch Franks Starre und feste Mimik hielt nicht an. Er hatte diese Phase wohl offenbar nur benutzt, um Melina zu verunsichern. Nun ergriff er langsam wieder Melinas Hand.
„Bösartig war das!" Dann verfiel er wieder in den lachenden Modus und spielte das augenscheinliche Worte zurückschlagen weiter. „So bösartig, wie Deine Mutter!"
Jetzt drehte Melina den Spieß um. Nun spielte sie die getroffene Mimose. „Nein, nein. Meine Mutter lass bitte aus dem Spiel."
„Oh! Entschuldige. Ich dachte nur..."
Nun war es wieder an Melina zu kontern.
Und das tat sie dann auch, so dass sich der seltsame Spaß beim Gehen bis zur Wetterstation fortsetzte.
Erst hier wurden Melina und Frank wieder ernst- wohl auch, weil ein Fahrradfahrer mit seinem Hund auf dem Weg daherkam. Man wollte sich weitere Peinlichkeiten lieber sparen, hielt nur noch Händchen und tat verschämt.
Der Radfahrer würdigte das Paar nur kurz. Dann fuhr er den Weg in Richtung Chatham weiter.
„Er schien irritiert.", sprach Melina.
„Ja. So wie wir von Uns auch noch irritiert sind."
„Ja."
„Gehen wir zurück?", fragte Frank.
„Ja. So langsam es eben geht. Ich möchte noch ein wenig deine Hand halten. Das tut so gut."
Melina wirkte irgendwie kuschelig, als sie dies eingestand.
Frank nickte. „Tut es. Mir auch."
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