Talk [11]


"Was ist das für weißes Pulver auf deiner Hose?", fragte ihn Chan, als sich der Schwarzhaarige auf den Beifahrersitz hievte. Changbin sah kurzerhand an sich herunter und putzte sich das Mehl von seiner Kleidung. Heute schien nicht sein Tag zu werden. Allein die Tatsache, dass er dem Blondschopf aus dem Café wieder einmal begegnet war, ließ ihn stutzen. Das Schicksal schien es darauf anzulegen, dass sie sich näher kennenlernen sollten. Auch Changbins Reaktion, dem Jungen seine Visitenkarte in die Hand zu drücken, war eher ein Kurzschluss seines Gehirns anstatt die eines freiwilligen Ersuchens. Vielleicht hätte der Schwarzhaarige das nicht tun sollen. Normalerweise war er niemand, der schnelle spontane Entscheidungen traf. Er überdachte alles. Mehrfach sogar, um sicher zu gehen keine Fehler zu machen. Chan zog ihn deswegen immer auf. Er solle doch mehr Spaß im Leben haben.
"Willst du mir erzählen, was es mit dem Blonden aus dem Café auf sich hat?"
Changbin blickte ihn überrascht an.
"Denkst du ich lebe hinterm Mond? Er hat deinen Blick gemieden und seine ganze Aufmerksamkeit auf mich gelenkt, um dich ja nicht ansehen zu müssen."
Da war sie wieder. Die beobachtende Seite des Blonden. Der Australier lenkte sein Auto auf die Hauptstraße und verschwamm mit der bunten Masse aus fahrenden Kraftfahrzeugen. Manchmal benahm sich Chan wie eine Glucke. Es war eine Tatsache, die jeder, absolut jeder, in ihrem Polizeipräsidium nur bestätigen konnte. Wenn jemand sich an einem Tatort erbrechen musste, hatte Chan immer ein Taschentuch und Wasser parat. Wann immer jemand aufgrund des Grauens zu Tränen gerührt wurde: Chan hatte stets tröstende Worte für einen übrig. Changbin konnte sich noch deutlich an ihr erstes Treffen erinnern. Zur dieser Zeit war der Schwarzhaarige erst ein Neuling. Grün hinter den Ohren. Er hatte schnell bemerkt, dass man durch Filme ein völlig falschen Eindruck auf die Mentalität eines Menschen bekam, der in einem Mord ermittelte. Es war normal bei dem Anblick des Todes zurückzuschrecken, sich zu übergeben, oder gar Albträume zu bekommen. Aber keineswegs ohne Regung mit einer Schnitte dazustehen und zu essen. Changbin war beim Angesicht seines ersten Mordopfers würgend nach draußen gerannt und hatte sich auf das Gras erbrochen.

Das nannten sie die Einweihung. Der Punkt, an dem man zum ersten Mal in den Abgrund blickte, an dem man herausfand, dass die Monster im Schrank existierten oder sich all die Jahre unter dem Bett versteckten. Der Punkt, an dem man dem Böse zum ersten Mal gegenüberstand. Obwohl Changbin jünger war, wurde Chan ihm zugeteilt und an dem Tag, als sie einander begegnet waren, hatte der Australier ihm ebenfalls ein Taschentuch und eine Flasche Wasser gereicht. Auch privat besaß der Blonde einen wahrlichen Beschützerinstinkt. Er strahlte diese Stärke aus, die man an einem bestimmten Punkt einfach brauchte. Wortlos oder mit Taten. Chan war sofort in seinem Element. Genau wie jetzt. Changbin kam nicht drumherum.  Er wollte es auch gar nicht. Vielleicht hatte der Ältere Tipps für ihn mit dieser Situation umzugehen. Also atmete der Schwarzhaarige aus und starrte auf die rote Ampel vor ihnen, ehe er zu sprechen begann. Er erklärte ihm von der ersten Begegnung, von der Sache im Stray Kids und dem Treffen in dem Laden gerade eben.
Kurze Zeit herrschte ein angenehmes Schweigen in dem Wagen. Changbin schenkte seiner Aufmerksamkeit dem fahrenden Verkehr voraus. Die Mittagszeit hatte begonnen, weshalb sie nicht alleine auf den Straßen waren.
"Ich bin ehrlich. Das passt gar nicht zu dir. Spunghafte spontane Entscheidungen?"
Der Schwarzhaarige nickte. Das war ihm auch schon aufgefallen.
"Aber der Kleine wirkte in Ordnung. Du solltest dich in neues Gefilde wagen."
Das Lächeln, welches der Blonde ihm schenkte, war aufrichtig. Nur war Changbin nicht wirklich überzeugt. Die Situation erinnerte ihn an jemanden.
"Du denkst gerade wieder an Soo-Young, stimmt's?"
Soo-Young war seine Rettung. Seine Heilung. Seine Erlösung. Ein Wesen voller Güte und voller Liebe. Wenn Changbins Kälte andere verstummen ließ, leuchtete sie wie ein heller Sonnenstrahl. Ihr Gemüt erschien wie ein lauwarmer Frühlingstag. Ihre Seelen passten an den richtigen und wichtigen Stellen zusammen, an anderen waren sie dennoch Welten auseinander. Doch er hatte sie in jeglicher Hinsicht im Stich gelassen.
Sie war seine erste und letzte Beziehung gewesen.
"Das, was damals passiert ist....du hättest es nicht ändern können", murmelte der Australier. Das Schwarzhaarige wusste das. Allerdings half ihm das kein Stück.

"Gibt es Ergebnisse zu dem Hautfetzen von Minghaos Nagel?"
Hyunjin sah von seinem Blatt auf und schüttelte den Kopf.
"Es ist nur ein Teilstück. Wenn wir keine Vergleichsmöglichkeiten haben, können wir niemanden überführen."
"Verdammt", fluchte Changbin und nahm an seinem Tisch platz.
Minho betrat den Raum mit der Miene von sieben Tagen Regenwetter. Unter dem Arm hatte er ein großes A4 Blatt.
"Der Freund von Minghao hat sich mit dem Zeichner zusammengesetzt. Hier ist das Ergebnis."
Der Mann hatte ein Allerweltsgesicht. Zu unauffällig, zu normal, zu durchschnittlich. Seine Augen hatten etwas düsteres, wie ein Schatten in einer dunklen Gasse. Changbin war sich nicht sicher, wie er es schaffte, persönliche Dinge von den Opfern herauszufinden. Normalerweise sagte man einem Fremden nicht, dass man erst hergezogen war. Allgemein erzählte man sowas niemanden.
"Vielleicht", fing Hyunjin an, aber schüttelte den Kopf und spielte mit seinem Kugelschreiber. Der Schwarzhaarige ermutigte ihn zu sprechen.
"Ich habe nur gerade überlegt, vielleicht tut er so, als könne er kein koreanisch, um herauszufinden, ob jemand aus dem Ausland kommt."
Nachdenklich nickte Chan, rollte mit seinem Drehstuhl zu ihnen rüber und griff in eine Schüssel neben Minho. Das war ihr Aufbewahrungsort für Bonbons und diverse Süßigkeiten, die die meiste Zeit jedoch nur von Chan und Hyunjin gegessen wurden. Nervennahrung für anstrengende Tage.
"Aber es gibt auch Koreaner, die sehr gut Englisch können, ohne das sie aus dem Ausland stammen", entgegnete Changbin und starrte auf das Whiteboard, welches mittlerweile einige Fakten und Bilder enthielt.
"Stimmt auch wieder", seufzte Hyunjin mürrisch. Keine zwei Sekunden später griff er in die Schüssel, welche zuvor auch Chans Hand beherbergt hatte.
"Sollten wir die Presse mit einbeziehen?", fragte Minho und richtete seinen Blick auf die Zeichnung.
"Keine schlechte Idee. Tausend Augen sehen mehr als nur acht", bestätigte Chan aufgeregt.
"Zuerst müssen wir den Chef sprechen. Er muss Zusagen, ansonsten können wir die Medien nicht involvieren", entgegnete der Schwarzhaarige. Die Medien hatte eine Reichweite. Riskant war es dennoch. Der Mörder könnte durchdrehen und seine pendantische Vorgehensweise über Bord werfen. Sich willkürlich Opfer suchen und töten, töten, töten.

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Einen wunderschönen guten Abend meine lieben Leser und Leserinnen!
Weiter geht's! Diesmal ein wenig Interaktion zwischen Chan und Changbin, um ihre Freundschaft mehr in den Vordergrund zu bringen.
Und eine Person aus der Vergangenheit spielt später noch eine größere Rolle.

Hyunjin

Oben sieht man Minho

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Erin🌸

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