Fight [39]


Changbins Telefon klingelte.
Er war gewillt es zu ignorieren, weil es wichtiger war Felix zu finden. Doch er ging ran.
"Hallo?", meldete er sich.
"Ich grüße Sie, Detective Seo."
Die Stimme war klar und nicht verfremdet. Der Schwarzhaarige bedeutete allen mit einer Handbewegung, still zu sein.
"Bravo, Changbin, bravo. Ich habe mich oft gefragt, ob mich Song Yuqi jemals wieder heimsuchen würde. Und siehe da, sie haben meine Identität herausgefunden."
Die Stimme von Hyo-jong klang, wie er sie von der Aufnahme kannte, doch der Tonfall und die Art und Weise, wie er sprach, hatten sich verändert. Aus ihm sprach eine widerliche Selbstgefälligkeit.
"Ich bin ans Licht getreten, um der ganzen Stadt, nein, dem ganzen Land zu zeigen, wie hinterlistig, wie abstoßend, wie heuchlerisch die ganzen Ausländer sind, die hier einmarschieren. Ich musste euch allen die Augen öffnen."
Changbin sah seine Reaktion in Chans und Minhos Augen. Der Australier wich einen Stück von ihm und wurde mit einem Mal sehr, sehr vorsichtig. Das überraschte Changbin nicht. Sein Blut wurde durchflutet von einem übermächtigen Bedürfnis zu morden, dass es ihm selbst die Sprache raubte. Sein Kopf war überfüllt von einem dröhnenden Brüllen, seine Augen brannten mit einer Wut, die die ganze Welt sprengen könnte.

Er hörte, wie das Telefon an jemandes Ohr gehalten wurde.
"C-Changbin?"
Binnen Sekunden durchfuhr ihn ein elektrisierneder Schlag. Es war Felix.
"Ich habe noch jemanden bei mir. Jemand jüngeres, der aber gerade durch einen Knebel nicht sprechen kann."
Der Schwarzhaarige sah sich fragend um. Wer sollte es sein? Seungmin war bei Hyunjin und Jisung war bei ihnen. Dann fehlte nur noch......Jeongin.
Changbin ertrank. Er war umgeben von Luft, doch er konnte nicht atmen. Die Zeit bewegte sich weiter, wie der Rhytmus seines Herzschlages. Es ist keine Angst, die er empfand, es war Entsetzen. Ein zerreißendes, erdrückendes, hysterisch, hohles Entsetzen. Der Schwarzhaarige war überrascht, dass seine Stimme so ruhig klang, als er sprach.
"Wo sind Sie, Hyo-jong?"
Er bat ihn nicht, den beiden etwas zu tun. Er würde ihm sowieso nicht glauben.
"Hier sind die Regeln, Detective. Ich bin in meinem Haus. Felix ist nackt und an mein Bett gefesselt. Der süße, liebe Jeongin sitzt an einer Wand. Gefesselt und geknebelt. Falls sie nicht in fünfundzwanzig Minuten hier sind, werde ich Felix töten und Jeongin danach. Sollte ich irgendjemanden von der Polizei oder von den SWAT-Teams sehen, töte ich beide auf der Stelle. Sie können ihr Team mitbringen, aber ansonsten ist das eine Sache zwischen Ihnen und mir. Verstanden?"
"Ja."
Er legte auf.

"Was zur Höllle ist los?", wollte Chan wissen.
Changbin antwortete nicht. Er sah den Blonden nur an. Seine Augen waren ernst, besorgt, bereit. Chan war schon immer bereit. Insbesondere, wenn es darum ging, sich als Freund zu erweisen. Der Schwarzhaarige spürte seinen eigenen Atem. Ein und aus. Ein und aus. Eine innere, distanzierende Ruhe erfasste ihn. Er hörte dieses Rauschen, wie, wenn man sein Ohr an eine Muschel hielt. War das der Schock?
Changbin blickte abwechselnd zu Jisung und Chan.
"Hört zu. Ich muss euch etwas sagen, etwas Schlimmes. Aber ihr müsst euch zusammenreißen, versteht ihr?"
Beide sagten keinen Ton. Es stand ihnen in den Augen, die einsetzende Erkenntnis. Das Begreifen.
"Er hat Felix und Jeongin."
Der Schwarzhaarige sah wie die Muskeln von Chan sich verkrampften, wie sein ganzer Leib einmal erschauderte.
"Er will nur mit mir reden. Wir fahren jetzt hin und wir töten ihn."
Er wandte sich an Jisung.
"Wir retten alle beide", sagte er.
Jisung zog eine Waffe, die er von wem auch immer hatte, überprüfte das Magazin und setzte sich Richtung Wagen in Bewegung.
"Fahren wir", knurrte Chan.
Den Weg zu dem Haus verbrachten sie schweigend. Nach fünfzehn Minuten erreichten sie die Auffahrt. Nett und still, der Inbegriff einer Vorstadtidylle. Als Changbin den Motor abstellte, ertönte sein Handy.
"Sie sind vor der Zeit eingetroffen, Detective. Grandios! Nun werde ich Ihnen sagen, wie es abläuft. Sie treten durch die Vordertür herein. Ihr Team bleibt draußen. Dann kommen Sie jetzt! "
Ihm blieb keine Zeit zu antworten, da wurde die Leitung schon unterbrochen. Der Schwarzhaarige zog seine Pistole, überprüfte sie und ließ sie in seiner Hand. Er spürte die Schwere, er spürte das Summen. Sie war bereit. Genau wie er.
"Ich gehe rein. Ihr bleibt draußen. Das sind die Regeln."
"Ich will den Scheiß nicht hören! Das sind meine Freunde da drin!", grollte Jisung. Verzweiflung machte seine Stimme schrill. Sein Gesicht war grimmig entschlossen und hilflos, ein Widerstreit, und voller rasender Wut. Minho legte eine Hand auf Jisungs Schulter. Er beruhigte sich ein wenig.
"Schieß nicht vorbei."
Er nickte Chan und Minho zu.

Changbin wandte sich von ihnen ab, die Ziehhand an der Seite und ging den Weg zum Haus von Hyo-jong hinauf. Er legte die linke Hand auf den Türknauf und drehte ihn. Das Herz hämmerte ihm bis zum Hals, und das Blut rauschte durch seine Adern. Er spürte auf verstörende Weise Angst und Vorfreude zugleich.
"Kommen Sie nach oben!", hörte er Hyo-jong rufen. Er schritt langsam die Treppen nach oben. Schweißperlen tanzten über seinen Rücken. Er ging in das Schlafzimmer, die Pistole schussbereit. Was er sah, ließ ihn erschaudern, ließ ihn vor Angst erstarren.
Felix war ans Bett gefesselt. Er war nackt, Hände und Füße waren gebunden. Übelkeit stieg in ihm auf, als Changbin sah, dass Hyo-jong bereits mit einem Messer an ihm zugange gewesen war. Er hat mehrere Schnitte an der Haut seines Bauches vollführt. Es war ein Meer aus Blut, welches auf die weißen Laken tropfte und ran. Er hatte ihm weitere Schnitte oberhalb der Brust zugefügt. Der Schwarzhaarige suchte die Augen des Blonden, was er dort erkannte, erfüllte ihn mit Erleichterung. Felix hatte Todesangst, aber er war immer noch trotzig. Lebendig. Voller Wut. Er würde nicht sterben, nicht ohne zu kämpfen.
Hyo-jong saß neben Felix, eine Pistole in der rechten Hand. Changbin sah nach links und entdeckte Jeongin an der Wand gelehnt. Er schien auf den ersten Blick unverletzt, auch wenn die Tränen und seine Augen etwas anderes sagten.
"Es überrascht mich, dass Sie nicht sofort losschießen. Ich habe gehört, Sie seien ein Naturtalent. Sie schießen nie daneben."
Changbin schnaubte. Er starrte auf das Knie seines Gegenübers. Er könnte es zerschießen, alle beide, in einem Sekundenbruchteil. Waffe hoch. Peng peng. Und ein Kopfschuss, um ihm den Rest zu geben. Dann wäre es vorbei.
"Wissen Sie, warum ich all diese Ausländer verabscheue?"
Er machte eine kurze Pause. Changbin sah zu Felix, Felix sah zu ihm. Alles wird gut, sprachen sie.
"Weil sie am Anfang immer vorgeben nett zu sein! Sie tun alles, um dir zu gefallen, damit man ihnen alles gibt, was man hat. Und dann? DANN BRECHEN SIE EINEM DAS HERZ!"
Seine Stimme war ein Kreischen. Ein unwirklicher, fremder Laut in seinen Ohren. Jeongin zuckte zusammen, genau wie Felix, als Hyo-jong mit seiner Pistole herumfuchtelte.
"Felix ist genauso jemand. Er ist nett und zuvorkommend und dann ignoriert er sie. Weil er jemand anderes gefunden hat, und wissen sie, wer es ist? SIE! ES SIND SIE, DETECTIVE! ER LIEBT SIE. NUR SIE!"
Auf Felix' Gesicht glitzerten Tränen. Changbin spürte Panik in sich aufsteigen. Sie ritt in einer langsamen, dunklen Welle heran, wie an einem nächtlichen Strand. Dann ertönte plötzlich ein Klingeln. Nein, es war kein Klingeln, es war eine Stimme. Soo-youngs Stimme. Sie war weit entfernt und schwach. Mit Entsetzen bemerkte der Schwarzhaarige, dass er im Begriff war, den Verstand zu verlieren. Gleich hier an Ort und Stelle. Genau, in diesem Augenblick, wo er am meisten gebraucht wurde. Scheiße.
Er sah erneut zu Felix. Seine Augen waren voller Vertrauen. Voller Liebe.
Er räusperte sich. Zwang seine Stimme zur Vernunft.
"Was wollen Sie?"
"Sie. Ich möchte, dass Sie leiden. Sie haben schon einmal die Liebe ihres Lebens verloren. Genau wie ich. Deswegen muss es Ihnen erneut passieren!"
Hyo-jong schnaufte aufgeregt.
"WEIL SIE NICHT WIEDER GLÜCKLICH SEIN DÜRFEN!", brüllte er.
Changbin begann auf zwei Ebenen zu existieren. Ein Teil von ihm lauschte den Worten von Hyo-jong. Der andere Teil strengte sich an, strengte sich an, um Soo-youngs Stimme zu verstehen. Minuten vergingen. Ein Blickduell entfachte sich.
"Ich werde ihn töten. Ich werde sein Gesicht verunstalten, bis zu Unkenntlichkeit."
Endlich konnte er die Stimme hören.
Changbin.
Hör mir zu, Changbin. Du kannst es schaffen. Es ist okay.
Lass mich ziehen. Sei für Felix da. Rette ihn!
Etwas in ihm wurde ganz leer. Ganz, still, still, still.
Soo-youngs Geist breitete sich in seinen Verstand aus. Aber es war Felix, der seine Seele erfüllte. Alles Schöne an ihm stieg in seiner Erinnerung hoch. Alles auf einmal. Jeder Moment, in dem er ihn Lächeln sah, in dem er sich an ihn gedrückt hatte, und sein Haar roch. Jede Träne, die er wegwischte. Diese vielen Erinnerungen an ihn waren jetzt tausend Mal lebendiger. Ob es an der derzeitigen Situation lag, vermochte er nicht zu überdenken.
"Kommen Sie, Detective. Ich zähle bis zehn."
Ein Tosen, dass die Welt zu verschlingen droht, begann. Innerlich hämmerte er mit Fäusten gegen seinen Schädel. Er liebte Felix, das war ihm klar, aber er liebte auch Soo-Young.
Binnie! Es ist okay! Erinnere dich an etwas. An etwas ganz, ganz Wichtiges.
Ein Schmerz durchzuckte ihn. Absoluter unendlicher Schmerz. Er tauchte ins Nichts hinab.
"Fünf."
Nein, Changbin. Erinnere dich, erinnere dich an unsere Liebe. Und erinnere dich an seine Liebe.
Es war so, als hätte jemand Pause gedrückt. All der Schmerz endete. Sie hatte Recht, wie immer.
Es tut mir leid, dass ich dich gehen lasse, sagte er in Gedanken.
Es ist in Ordnung. Es wird Zeit. Er wartet auf dich.
Ein Stück Zeit verging und der Schwarzhaarige sah, wie der Kopf der Pistole auf Felix gerichtet wurde. Er sah, wie Jeongin unter dem Knebel schrie und weinte. Er sah das Grinsen in Hyo-jongs Gesicht.
Das Rauschen verwandelt sich. Das Tosen, welches sich in ihm aufbäumte, endete. Seine Hand hörte endlich auf zu zittern.
Changbin hob die Waffe und drückte den Abzug, ohne bewusst darüber nachzudenken. Der Schwarzhaarige hörte den Schuss nicht, sondern beobachtete lediglich, wie in einem Stummfilm, dass Felix das Gesicht zur Seite drehte, als Hyo-jongs Kopf explodierte.

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Ich glaube, dieses Kapitel hat mich emotional zerstört xd
Es war viel Arbeit und ich habe es unglaublich genossen zu schreiben. Vor allem die Szene mit Soo-young und Changbin hat mich wirklich berührt.

Ich hoffe, ihr empfindet genauso wie ich!

Das vorletzte Kapitel ist es schon. Wow. Wie die Zeit verfliegt.

Feel free to comment!

Erin🌸

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