1.2

Barbie

Wie in alten Zeiten schlenderten wir zu dritt durch das Schulgelände. Nur mit dem Unterschied, dass eine unangenehme Stille herrschte. Keine wusste, was sie sagen sollte. Normalerweise ging uns nie der Gesprächsstoff aus, aber jetzt?
Haben wir uns über die Sommerferien wirklich so verändert? Natürlich abgesehen von der verrückten Entscheidung zum Kopftuch.

Ich meine, wie kann man bloß so etwas freiwillig machen wollen? Oder wurde sie dazu gezwungen? Ich wusste bloß, dass sie die sechs Wochen in der Türkei verbracht hatte. Vielleicht hat ihre Familie dort ihr eine Gehirnwäsche verpasst, denn alles andere machte doch kein Sinn.

Unser Ziel einmal zu den Beliebten zu gehören und von ihnen auch wie gleichwertige Menschen angesehen zu werden, könnte wegen ihrer dummen Entscheidung in Luft aufgelöst werden.

Denn schon jetzt hörte man das Gemurmel um uns herum und als sogar einer der beliebtesten Schüler unserer Stufe Moritz Lutze uns sah, sagte er laut genug, dass wir es hören konnten: „ Wer is'n diese Kopftuchschlampe neben Barbie und Schlitzauge?"

Na toll, dieses Schuljahr fing ja schon mal super an! Dabei waren wir vor den Sommerferien doch auf den besten Weg nicht mehr die Außenseiter zu sein. Jetzt wurden all mein Hoffnungen wegen Kopftuchschlampe zerstört.

Eigentlich war sie meine Brücke zu den Beliebten, denn sie wurde von den Beliebten nie so schlimm behandelt wie Schlitzauge und ich.

Immer dachte ich, wenn Kopftuchschlampe es irgendwann schaffe zu den Beliebten zu gehören, dann wurden Schlitzauge und ich es auch indirekt, weil wir mit ihr befreundet waren. 

Naja, das dachte ich natürlich vor den Sommerferien, aber jetzt müssten wir uns wohl eine andere Taktik erfinden, denn ihr blödes Kopftuch hat unserem Ziel ein riesengroßes Stein auf den Weg gelegt, den man unmöglich umgehen konnte. Verflucht sei dieses Stück Stoff!

Könnte sie dieses Ding nicht einfach wieder ablegen? Ich würde sie sogar lieb darum bitten.

„Hey Barbie!" tippte mich Kopftuchschlampe von der Seite an, nachdem wir uns im Klassenzimmer in die erste Reihe gesetzt hatten, da die hinteren schon voll besetzt waren.

Ihr nicht antwortend packte ich meine Schulsachen aus meiner Tasche aus und legte sie ordentlich auf den oberen rechten Eck des Tisches.
„Ich weiß, dass das ein großer Schock für euch beide sein muss und dass ich es euch auch früher hätte sagen soll, aber ich bin immer noch ich, also ich bin genauso eure Freundin wie vor den Ferien nur mit dem Unterschied, dass ich meine Haare nicht mehr offen zeige", erklärte sie mir und legte ihre Hand freundschaftlich auf meine Schulter, die ich sofort abwimmelte.

„Das ist es ja...", antwortete ich ihr nur, woraufhin sie mich verwirrt ansah. „Also denkst du, dass ich mich komplett verändert habe nur weil ein Tuch um mein Kopf binde?", fragend sah sie und auch Schlitzauge, die unser Gespräch mitverfolgte, mich an.

„Nein natürlich nicht! Aber...aber dein Kopftuch wird uns bloß Probleme bereiten. Kannst du dich etwa nicht mehr daran erinnern, dass wir dieses Jahr keine Mobbingopfer mehr sein wollten?", stellte ich ihr die Frage, die schon eine ganze Weile auf meiner Zunge brannte.

„Und was hat ihr Kopftuch mit unserem Ziel zu tun?", sprang Schlitzauge für Kopftuchschlampe ein.

„Bemerkt ihr den nicht die Blicke der anderen? Besonders auf ihr Kopftuch. Kopftuchschlampe war doch immer diejenige von uns, die am besten mit den anderen zurechtkam und wenn sie jetzt dieses Ding auf ihrem Kopf hat, verpassen wir die Chance, dass sie sich mit den anderen anfreundet" entgegnete ich bloß.

Wir schwiegen, was anscheinend das Beste war, was man in so einer Situation machten konnte. Alle schienen in Gedanken vertieft zu sein. Ich hoffe für sie, dass sie sich ein Plan B ausdachten, den zumindest ich suchte nach Alternativen. Bis jetzt beschränkten sich meine Alternativen nur auf Schulwechsel und bis ans Lebensende ein Opfer bleiben. Wie verlockend!

Kurz vor Unterrichtsbeginn schlug die Tür weit auf und eine Schar Jungen kamen ins Klassenzimmer. Nicht nur irgendwelche Jungen, sondern DIE Jungen. Die beliebtesten Jungen aus meiner Schule, angeführt von Moritz Lutze.

Alle Mädchen aus meiner Klasse schienen die Luft auszugehen, als sie ihn sah, denn er war echt ein Augenschmaus was sein Aussehen betraf. Seine karamellblonden Haare und sein attraktives Gesicht konnten jedes Mädchen verführen. Er war einfach eine Schönheit! Sein Charakter war...naja semi-gut, denn er war es, der mir und Schlitzauge diese Namen verpasst hatte.

Der blonde Schönling schaute sich im Klassenzimmer um, bestimmt um nach einem Sitzplatz zu suchen, jedoch stoppte sein Blick bei uns.

„Na sie mal einer ein! Der Club der Jungfrauen ist wohl zum Salafismus konventiert", kommentierte er mit einem diabolischem Lächeln, woraufhin alle in der Klasse lachten. Dieses Gelächter brannte sich in meinem Gehirn ein wie ein Lied auf einer CD.

Club der Jungfrauen? Seit wann nannte man uns so? Ein bedrückendes Gefühl verbreitete sich in meiner Brust aus, je lauter die Mitschüler lachten, desto schlimmer wurde es. Mir kam es so vor als hätten sie und stundenlang ausgelacht.  Es war erniedrigend.

Am liebsten hätte ich mich unter dem Tisch versteckt und einfach vergessen, dass man mich und meine Freundinnen als Club der Jungfrauen bezeichnet.
War es etwa verwerflich noch Jungfrau zu sein? Galt ich als verklemmt oder zu kindisch? War es normal mit 16 noch Jungfrau zu sein?

War unsere Jungfräulichkeit etwa der Grund wieso wir die Außenseiter sind?

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An alle die wegen der Namen der Hauptcharaktere verwirrt sind, glaubt mir, alles wird Sinn machen.

Ich hoffe ihr würdet dieser Geschichte eine Chance geben🥰

Wenn ihr Fehler findet oder mir Tipps geben wollt, könnt ihr gerne ein Kommentar dalassen

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