Twenty three
Es gab da eine Angelegenheit, die mir auf der Arbeit sowohl missfiel als auch amüsierte. Nämlich unsere junge weibliche Kundschaft, die mit meinem herzallerliebsten Kollegen Cole flirteten und sich ihm mit aller Kraft aufdrängten. Ihre Herangehensweisen waren manchmal eine echte Lachnummer.
Selbstverständlich machte ich mir keine Sorgen, dass sie mir zur Konkurrenz werden könnten, denn zum einen musste ich mich nicht wie sie um diesen wundervollen Jungen bemühen, da ich ihn in gewisser Weise schon hatte und zum anderen machte er sich doch selbst darüber lustig.
Aber mit anzusehen, wie Cole spaßeshalber auf die Flirtversuche einging und diese Mädchen komplimentierte, brachte mich innerlich trotzdem zum Brodeln. Schließlich besuchten sie dann den Laden nach einigen Tage wieder, nur um ihn zu sehen, wobei sie auch noch mit Hoffnung erfüllt waren.
Das Weib vor ihm, das sich momentan mit ihm unterhielt, war eine der Nervigsten, die mir je unter die Augen gekommen war. Sie klemmte sich ihre Haarsträhne hinter das Ohr, biss sich auf die Unterlippe, lachte extra laut auf und gewährte ihm einen Blick auf ihren verfickten Ausschnitt.
In diesem Augenblick verlieh sie dem Wort geschmacklos eine völlig neue Definition. Sie war der verdammte Inbegriff davon. Niemand hätte es besser als sie demonstrieren können. Nein, Celia. Du regst dich nicht wegen dieser blöden Schnepfe auf. Sie war noch nicht einmal sein Typ.
Ich atmete tief durch, als ich sah, dass sie geradewegs auf mich zusteuerte. Cole hatte sich wohl von ihr verabschiedet, weil sie das offensichtlich nicht von sich selbst aus getan hätte, somit sie jetzt das Produkt bei mir an der Kasse bezahlen wollte. Eventuell begann nun der für mich spaßige Teil.
"Ich würde das gerne einpacken lassen. Es soll ein Geschenk sein", erklärte sie. Mir entging der desinteressierte Ton nicht. "Natürlich, welches Geschenkpapier soll es denn sein?", fragte ich gespielt höflich nach. Ob ich das Geschenk absichtlich hässlich einpacken sollte?
Sie wählte das lila farbige Papier aus und bezahlte nebenbei, woraufhin ich mich an die Arbeit machte. Mich machte es ganz irre, dass sie mit ihren schlecht gemachten Fingernägeln auf den Tresen klopfte, derweil ihr Blick nach Cole suchend umherwanderte. Mädchen, du bist für ihn uninteressant.
Wie gerne ich ihr das ins Gesicht sagen wollte, doch statt meinen Gedanken direkt auszusprechen, versuchte ich es anders. "Sind Sie denn zufrieden mit unseren Produkten und unserem Personal? Ich bekomme nämlich nicht das Gefühl los, Sie hier öfter anzutreffen."
Meine Finger rissen einen Tick aggressiver an dem Tesafilm, während ihre Augen erneut die meine trafen. "Oh ja, definitiv!", sagte sie, "du hast wirklich Glück, mit einem süßen Kerl wie ihm zusammenarbeiten zu dürfen. Und er riecht auch noch so gut!" Ach, so eine war sie also.
Es kam nicht das erste Mal vor, dass ich auf ihn angesprochen wurde, sobald sie bei mir angekommen waren. Normalerweise reagierte ich darauf auch ungern, aber irgendetwas an diesem Weib störte mich extrem, dass ich es bei ihr sogar bevorzugte, ihre Hoffnung zu nehmen.
Dass sie so schnell persönlich werden würde, hatte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Daher entschied ich, die Höflichkeiten ebenfalls aufzugeben. "Und das ist noch nicht alles", merkte ich unbeirrt an, wozu sie mich fragend musterte. "Du solltest erst mal spüren, wie gut er küsst."
Ihr klappte die Kinnlade herunter. Auch wenn sie den Mund so schnell wieder schloss wie er sich geöffnet hatte, blieben ihre dunklen Augen weiterhin aufgerissen. Sprachlosigkeit, Irritation, Schock, Entsetzen. Die perfekte Mischung einer bitteren Reaktion. Herrlich.
Ich verkniff mir ein triumphierendes Grinsen, während ich den letzten dünnen Klebestreifen auf das Geschenkpapier befestigte. Daraufhin schob ich es ihr bereit entgegen. "Du bist mit ihm... Ihr seid? Oh mein Gott!", quasselte sie wirres Zeug, wobei ich sie nur seelenruhig betrachtete.
"Tut mir so schrecklich leid!", setzte das Mädchen weniger aufgelöst noch einmal zu Sprechen an. Dennoch wirkte sie neben der Spur. "Ich wusste nicht, dass du seine.. Du weißt schon, Freundin bist." Ich hatte ihr nichts falsches verraten, es war lediglich ihre Interpretation meiner Worte.
Zudem hatte ich keinerlei Gewissensbisse, als ich sie absichtlich in diesem Glauben ließ, indem ich bloß schweigend nickte. Sollte das Weib doch denken, dass ich Coles Freundin war. Schließlich brachte mir diese Situation ein gutes Gefühl ein und ihr ein vor Scham gerötetes Gesicht.
In diesem Moment erschien Cole wieder auf der Bildfläche. Das Mädchen schaute automatisch weg, als er sie anschaute, griff nach ihrem Geschenk und verabschiedete sich von mir mit einem leisen 'schönen Tag noch', ehe sie das Butterfly's mit schnellen Schritten verlassen hatte.
Cole hatte ihre Eile natürlich bemerkt, weshalb er auf mich zu lief und vor der Kasse stoppte. "Es ist mehrmals vorgekommen, dass ein Mädchen, das so angetan von mir war, mit hochrotem Kopf den Laden verlässt, weil sie mich wiedergesehen hat. Das sechste Mal, um genau zu sein."
"Du zählst das etwa?", gab ich anzweifelnd zurück. "Wie jämmerlich." Sogleich zuckten seine Mundwinkel. Er gönnte mir jedoch kein richtiges Lächeln. "Was für biestige Dinge erzählst du ihnen?", wollte er anschließend verschwörerisch wissen und stützte sich mit den Händen an der Oberfläche ab.
Theatralisch griff ich mir an die Brust, derweil ich einen bestürzten Eindruck machte. "Cole, du wirfst mir gerade zu Unrecht vor, dass ich damit etwas zu tun hätte. MIR! Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass dein Charme vielleicht nicht mehr als ein paar Sekunden anhält?"
"Nah, das ist keine Sekundensache, weil ich weiß, dass du mir permanent verfallen bist", erwiderte er völlig gelassen. "Und ich werfe dir nichts vor, denn es stimmt." Ich schmunzelte. "Wenn das so ist, brauchst du keine weiteren Fragen zu stellen. Du kennst die Antwort bereits."
Er nickte langsam, bevor er sich richtig dazu äußerte. "Es ist nichts verwerfliches daran, es nochmal aus deinem Mund hören zu wollen." Nun tat ich ihm nach, indem ich meine Hände ebenfalls auf den Tresen platzierte. "Hm, diesen Wunsch kann ich dir aber leider nicht erfüllen."
"Du bist einfach unglaublich", hauchte er. Seine grauen Augen blickten währenddessen tief in meine, fesselten und verzauberten mich wie noch nie zuvor. "Das weiß ich. Deswegen bist du auch ganz verrückt nach mir", entgegnete ich frech, "ist jedoch für mich nichts ungewöhnliches."
In seinen Augen blitzte plötzlich etwas auf, als meine provokativen Worte fielen. "Ich vergesse immer wieder, dass unsere männliche Kundschaft ständig mit dir flirtet. Vorwände, um dir nahe zu kommen. Hinterlassung von Visitenkarten. Wöchentliche Besuche. All dieses lächerliche Zeug eben."
Meine Lippen verzogen sich zu einem dreisten Grinsen. "Schön, dir ist das aufgefallen. Jetzt muss dir sicherlich bewusst sein, dass du massive Konkurrenz hast." Wie ich es liebte, ihn zu reizen. Davon abgesehen wollte ich zu gerne hören, was er darauf nun erwidern würde.
"Die habe ich nicht", wies er trocken zurück. Ich hob die rechte Augenbraue in die Höhe. "Es lässt dich nämlich kalt, wenn ein anderer versucht, dir zu schmeicheln. Dir dabei sagt, wie schön du bist. Dein Temperament und deine Willensstärke erkennt. Dich mit allem, was du hast, bewundert."
Mein Herz fing an, schneller zu schlagen, als ich bemerkte, was aus seinem Mund kam. Es ging absolut nicht um die anderen Kerle, sondern um uns. Er zählte auf, was er von mir dachte und ließ mich wissen, wie er mich all die Zeit über wahrgenommen hatte. Mir wurde ganz warm.
"Ziemlich selbstsicher, was du da von dir gibst, Cole", entfuhr es mir und ihm war klar, dass ich mich damit nur auf ersteres bezog. Der Junge, der mich in diesem Moment vollkommen verrückt machte, lehnte sich weiter zu mir herüber. Wir waren uns nah genug, aber immer noch zu fern.
"Du weißt doch, Celia. Ich sage nichts, wovon ich nicht hundert Prozent Gewissheit habe", raunte er, worauf ein charmantes Lächeln seine Lippen umspielte. Das reichte definitiv, um mich aus der Reserve zu locken. "Vielleicht bin ich dir auch aus diesem Grund längst verfallen."
Sein Gesichtsausdruck bestätigte, wie sehr ihm diese Antwort gefiel. "Sehr schön. Dann nehme ich jetzt an, dass du deine Worte bezüglich der Konkurrenz zurücknimmst, Kleeblättchen." Er entlockte mir ein leises Auflachen. "Du hast mich aber nicht vollständig überzeugt, mi amor."
Er nickte verstehend, hielt einen Herzschlag lang inne und umrundete dann mit einem fast schon quälend langsamen Tempo den Tresen, bis er bei mir angekommen war. Ich roch sein Parfum aus dieser Nähe noch intensiver, aber es störte mich nicht im Geringsten. Sein Duft war einzigartig.
"Du kennst nur noch nicht den ausschlaggebendsten Punkt", sprach er, somit eine gewisse Neugierde von mir Besitz ergriff. "Stimmt, verrate ihn mir." Auf einmal spürte ich, wie er seine warme Hand auf meinen Rücken platzierte. Ich erzitterte unter seiner unerwarteten Berührung.
"Ich könnte dir jetzt dein hübsches Kleid ausziehen", Coles Finger strichen begleitend zu seinen Worten über den metallischen Reißverschluss, wodurch ich leise aufwimmerte, "und mit dir atemberaubende Dinge anstellen, wofür alle anderen Flachwichser nicht die Erlaubnis haben."
Die Hitze, die ich plötzlich verspürte, schien das Feuer zu sein, das durch seine lasziven Worte aufgeflammt geworden war. Wenn allein die Vorstellung unfassbar meine Sinne berauschte, würde die Realität erst noch viel magischeres mit mir anstellten, wovon ich bisher nicht die leiseste Ahnung hatte.
"Ich sollte mich besser wieder meiner Arbeit widmen", murmelte ich entschieden, bevor ich ihn noch weiterreden ließ und somit möglicherweise meinen Anstand und die Kontrolle verlor. "Dir ist aber schon klar, dass wir in fünf Minuten Feierabend haben?", merkte Cole fragend an.
Scheiße, die Uhrzeit hatte ich ganz vergessen. "Na und? Schon mal etwas von Überstunden gehört?!", rief ich ihm aufgekratzt zu, während ich blitzartig davonlief. Er lachte laut und amüsiert auf. "Das will ich sehen, dass du freiwillig Überstunden machst!" Ich verdrehte bloß die Augen.
In unserem Mehrzwecksraum traf ich überraschenderweise auf Alec. Ich dachte, dass er längst gegangen wäre, aber anscheinend erledigte er noch irgendwelchen Papierkram. Er blickte sofort auf und fing an zu grinsen, als er mich einige Sekunden lang nur beäugt hatte. "Was ist denn mit dir los?"
"Gar nichts?", entgegnete ich, während ich aus dem Schließfach meine Sachen herausholte. "Du bist gerade wie eine Irre hereingestürmt. Das sieht nicht nach gar nichts aus", meinte Alec lachend. "Bist du etwa wieder vor jemandem Bestimmtes geflüchtet?" Er kannte mich zu gut.
"Würdest du mitbekommen, was dieser bestimmte Jemand am Tag sagt und tut, würdest du auch ständig flüchten wollen, weil es einen schlichtweg durcheinander bringt", sprudelte all das schneller aus mir heraus, als es mir lieb gewesen war. "Im positiven Sinne, natürlich."
"Ich würde gerne nachfragen, was das zwischen euch eigentlich ist, aber dazu fehlt mir das nötige Interesse", behauptete Alec und im selben Moment wurde mir ein weiteres Mal bewusst, dass ich ohnehin nicht die klare Antwort auf diese eine Frage kannte. Was für ein Schwachsinn.
"Vergiss es einfach, ist auch nicht sonderlich wichtig", winkte ich ab, weil ich dieses Thema nicht weiter vertiefen wollte. Schließlich würde ich mir dann nur den Kopf darüber zerbrechen und anfangen Dinge zu reimen, die zwar nicht stimmten, die ich mir aber einreden würde, bis ich fest davon überzeugt war.
"Ich bin trotztem da, wenn du ernsthaft reden willst", versicherte mir Alec, was ich mit einem dankbaren Lächeln erwiderte. "So, aber jetzt ab nach Hause mit dir! Gib dem Idioten Bescheid, dass ich euch hiermit entlasse", kam es von ihm im Anschluss, was jedoch nicht nur ich hörte.
"Der Idiot hat sowieso jetzt vor, nach Hause zu gehen. Danke." Cole betrat den Raum und ging zu Alec, bevor sich die Beiden grinsend mit einem Handschlag verabschiedeten. Zwischen ihnen lag eine reinste Hass-Liebe, die ich immer noch nicht vollkommen entschlüsseln konnte.
Ich wusste lediglich, dass Cole tief in seiner Schuld stand und ihn wie einen älteren Bruder ansah. Das war Alec in gewisser Weise auch. Es glich zwar nicht nach der engen Freundschaft, die er mit Gray führte, aber diese hier war auf ihrer eigenen Art genauso aufrichtig und rein.
Nachdem ich mir meinen Mantel angezogen hatte, nahm ich Coles Sachen und wollte sie ihm geben. "Du kommst später vorbei, oder?", fragte dieser im selben Augenblick erwartungsvoll, was mich etwas neugierig stimmte. Alec nickte lachend. "Ich habe es dir doch versprochen."
Ich überreichte Cole wortlos seine Jacke, da ich es nicht für angebracht hielt, mich in das Gespräch einzumischen. Er nahm sie mir ab und währenddessen überlegte ich, ob er mir von irgendwelchen Plänen erzählt hatte. Mir fiel nichts ein. Musste wohl ein Männerabend sein.
Daher war ich umso überraschter, als kurz danach Cole und ich vor meiner Haustür standen und er Anstalten machte, mit mir gemeinsam hereinzutreten. "Triffst du dich nicht mit den Jungs?", fragte ich und runzelte die Stirn. "Ich meine, musst du dich nicht dafür fertig machen oder so?"
"Das ist erst in zwei Stunden. Ich verbringe doch keine zwei Stunden damit, mich fertig zu machen. Ich bin nicht du ", erwiderte er, " außerdem wohne ich gefühlte fünf Schritte von dir entfernt. Da macht es keinen Unterschied, ob ich bis dahin bei mir zu Hause oder bei dir chille."
"Das ist ein Argument", sagte ich überzeugt, während wir hereingingen. Ich legte meinen Schlüssel beiseite und entledigte mich meinem Mantel, bevor ich diesen ordentlich aufhing. Anschließend bemerkte ich, dass ich Durst bekommen hatte. "Cole, willst du auch etwas trinken?"
Er bejahte freundlich, worauf ich in der Küche zwei Gläser und zwei Flaschen auf die Arbeitsfläche stellte. Ich wusste, dass er Sprudelwasser bevorzugte, also schenkte ich ihm das ein und mir normales Wasser. Im Wohnzimmer fand ich ihn dann nicht wie erwartet auf dem Sofa vor.
Cole stand vor der Vitrine neben unserem Fernseher, worin einige Familienfotos aufgestellt waren. Auf einem war auch Enzo zu sehen. Dieses Foto war vor zwei Jahren entstanden, als wir auf Bali unterwegs waren. Er hatte diesen Ort ausgesucht. Unser letzter Familienurlaub.
Schweigend stellte ich mich neben ihn, nachdem ich unsere Gläser auf den Tisch gesetzt hatte. Komischerweise war es das erste Mal seit Langem, dass ich mir die Fotos näher anschaute. "Du hast dasselbe Lächeln wie dein Bruder", murmelte Cole nachdenklich. "Das erscheint dir nur so."
Im Augenwinkel erkannte ich, wie er nach meiner Erwiderung zu mir aufschaute. "So hatte immer unsere Antwort gelautet, wenn uns gesagt wurde, dass wir uns ähnlich sehen würden", fuhr ich erklärend fort. "Dabei hatten sie Recht. Wir waren uns in vieler Hinsicht sehr ähnlich."
Nur dass er dagegen ein herzensguter Mensch gewesen war, der niemals jemandem geschadet hätte. Enzo hatte schon bei den kleinsten Dingen Schuldgefühle bekommen. Er war viel zu nett, weshalb er auch nie die Schattenseiten sehen wollte. Er hatte nur an das Gute geglaubt.
All das konnte ich von mir nicht behaupten, weil ich nun mal nicht so war. Ich war provokativ, vorlaut, stellte gerne meine eigenen Regeln auf und brach wiederum andere, während ich mir nichts gefallen lassen wollte. So war Enzo nie gewesen. Unhöflichkeiten lagen ihm nicht.
Vielleicht war er auch deswegen beliebter gewesen. Gerade weil er sich so benahm, wie die Gesellschaft- unsere Mitmenschen- es sich wünschten. Ich wusste nicht warum, aber seit der Begegnung mit Nora dachte ich intensiv über mein Verhalten nach. Bisher hatte ich jedoch keinen festen Entschluss gefasst.
"Denkst du, er hätte mich gemocht?", wollte Cole auf einmal wissen, nachdem er einige Sekunden lang bloß geschwiegen hatte. Zugegeben hatte ich nie darüber nachgedacht, was Enzo von ihm halten würde, doch trotzdem fiel mir die Antwort dazu leicht. "Ganz bestimmt."
Er sagte nichts, stattdessen sprach für ihn das sanfte Lächeln, dass augenblicklich seine Lippen umspielte. Wieder richtete er den Blick auf die Fotos. Dieses Mal auf eines, worauf ich allein mit meinen Eltern abgebildet war. Mir entging nicht, wie er dieses sorgsamer und länger musterte.
"Vermisst du manchmal deine Eltern?", flüsterte ich zögerlich, zumal wir seit dem Moment im Park kein weiteres Mal über dieses sensible Thema gesprochen hatten. Cole reagierte darauf erstaunlich ruhig. "Ich kann keine Menschen vermissen, die ich nicht persönlich kenne."
Ich merkte, wie traurig es mich stimmte, dass seine Eltern nie in seinem Leben präsent gewesen waren. "Das bedeutet aber nicht, dass ich mich nicht nach ihnen sehne", hauchte er betrübt. "Ich hätte sie fürchterlich gerne bei mir gewusst, Celia."
Irgendetwas verriet mir, dass er das nicht jedem offenbarte. Vielleicht war es der Tonfall seiner Stimme. Oder der Schimmer in seinen Augen. Wortlos schloss ich ihn in eine innige Umarmung, die er keine Sekunde später erwiderte. Jetzt gerade schien mir das, das Richtige zu sein.
Ich wusste nicht, wie lange wir so verweilten, aber es wirkte wie eine vorübergehende Heilung gegen all das Negative, was unser beider Leben beeinträchtigte. Das war eines dieser Moment, in denen ich glücklich darüber war, dass Cole und ich uns gegenseitig eine Chance gegeben hatten.
Ich war selbst der Anziehung dankbar, die uns von jenem Augenblick an ständig zusammengeführt hatte. Die Begegnungen auf den diverseren Hafen, bis hin zu dem Tag, an dem wir uns das erste Mal im vertrauten Butterfly's wieder trafen. Das alles schien mir als kein Zufall mehr. Er war es nämlich. Er war der Mensch, der mir immer gefehlt hatte.
"Deine Eltern wären wahnsinnig stolz auf dich", wisperte ich an seinem Ohr. Ich lächelte sanft, als Cole Abstand nahm, um mir wieder in die Augen zu sehen. "Aus dir ist auch ohne ihren Einfluss ein wundervoller, selbstständiger und bewundernswerter junger Mann geworden."
"Findest du?", gab er zweifelnd von sich und das allererste Mal fiel mir richtig auf, dass Cole gar nicht so selbstbewusst war, wie er immer vorgab zu sein. Er hatte genauso mit seinen Dämonen zu kämpfen wie ich. Oder wie jeder andere auch. Nur das er sehr gut darin war, diese vor seinen Mitmenschen zu verbergen.
"Natürlich, Liebling! Deine Großmutter hat dich zwar großgezogen, dich alles gelehrt, aber du bist letztendlich deinen eigenen Weg gegangen. Du hast dich weiterentwickelt und für dich selbst herausgefunden, was dich besonders glücklich macht und was dir missfällt."
Cole schien plötzlich so gerührt von meinen ehrlichen Worten, dass sich allmählich seine Augen mit Tränen füllten. Zaghaft verschränkte er unsere Finger miteinander, bevor er mir einen liebevollen Kuss auf die Stirn hauchte. "Du machst mich glücklich, Celia. So unfassbar glücklich."
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