Twenty six
Kalte Herbsttage waren echt eigen. Es war inmitten der dritten Jahreszeit. Die Bäume waren längst blätterlos und ihre kahlen Äste tanzten rhythmisch zu der Melodie des Windes. Nur wenige Sonnenstrahlen erharschten oben am Himmel einen Weg durch die dichten Wolken.
Bemerkenswert waren vor allem die Kastanien, die sich nach und nach verstreut an den Straßenrändern verteilten. Kleinkinder hoben diese fasziniert auf, um sie stolz ihren Eltern zu präsentieren. Oder freuten sich, wenn sie ein Eichhörnchen ausfindig machen konnten.
Der Herbst bot viele Möglichkeiten an, um sich zu erfreuen. Keine Frage. Beispielsweise konnte ich durch ihn Cole dabei beobachten, wie er sich beim Laubfegen quälte. Dank Nana Rose war er dazu verdonnert, endlich die Gartenarbeit zu erledigen, die er schon seit Tagen hinausgezögert hatte.
Seine Stirn glänzte durch den Schweiß und sein Blick schien überhaupt nicht begrüßenswert, als er mich auf der Fensterbank sitzend entdeckte. In meiner Hand hielt ich mein selbstgemachtes Getränk. "Celia, wieso beobachtest du mich ständig?", rief er mir anzweifelnd zu.
"Weil mich dein überforderter Anblick zufriedenstellt. Fast so sehr wie der Geschmack meiner leckeren Limonade. Aber nur fast! ", antwortete ich grinsend, worauf ich demonstrativ mein Trinkglas höher hob. Selbst von dieser Entfernung aus erkannte ich, wie er die Augen verdrehte.
Außerdem die dunklen Spuren auf seinen Wangen und an seiner Stirn, die wahrscheinlich durch den Staub und Dreck zustande gekommen waren. Auch seine graue Jogginghose hatte sichtlich etwas davon abgekriegt. Ganz zu schweigen von den schmutzigen Arbeitshandschuhen.
Drei große Laubsäcke waren bereits bis zum Anschlag gefüllt, während er gerade dabei war, den vierten und letzten zu füllen. Ich weigerte mich zu glauben, dass tatsächlich so viel Laub auf dem Boden verstreut lag. Er säuberte schon seit mehreren Stunden den gesamten Garten.
"Da sitzt sie einfach dort, trinkt gemütlich ihre Limonade, während sie- so biestig wie sie nun mal ist, auch noch pure Schadenfreude verspürt!", stieß Cole nach Sekunden des Schweigens gespielt empört aus. "Stattdessen könntest du runterkommen und deinem Freund helfen!"
Ich lachte absichtlich laut auf, um die Lächerlichkeit seiner Aussage zu heben. "Wenn ich das tue, würden wir doch in einem völlig falschen Film spielen. Lass uns also nicht die Richtigkeiten durcheinander bringen!", äußerte ich, worauf er extra laut aufseufzte.
Frech grinste ich ihm entgegen, ehe ich einen weiteren sauersüßen Schluck meines Getränks nahm. Dabei entging mir nicht, wie sehnsüchtig er mich währenddessen anstarrte. "Willst du etwa auch, Liebling? Eine saftige, frische, kalte Biolimonade. Ganz und gar nach deiner Vorliebe entsprechend!"
Ich verriet ihm nicht, dass nichts mehr übrig war, da meine Eltern den Rest meines Werkes bereits ausgetrunken hatten. Und warum ich so fies war, indem ich ihm regelrecht unter die Nase rieb, dass ich Freizeit hatte und er nicht, konnte ich mir auch nicht erklären.
"Ich kann dich gerade echt nicht ausstehen, Celia. Das weißt du hoffentlich", erwiderte Cole und funkelte mich verdeutlichend böse an, wodurch ich diesmal wirklich lachen musste. "Mhm, vielleicht sollte ich dich jetzt einfach in Ruhe deine Arbeit machen lassen."
"Das wäre wohl für jeden eine Bereicherung", meinte Cole trocken, doch ich konnte schwören, dass seine Mundwinkel zuckten. "Ha-ha. Wie witzig du immer bist." Nun lachte er belustigt auf und entblößte seine strahlend weißen Zähne. "Nicht schmollen, princesa. Trink du deine Limonade!"
Das war schließlich der Moment, in dem mir bewusst wurde, dass diese Konversation sinnlos war und garantiert nicht zu Vorteilen im Leben verhalf. "Doch. Ich werde gehen und woanders weiter schmollen, einfach nur, weil ich will, dass du dir doof vorkommst", versprach ich ihm.
Cole nahm den Fächerbesen von der linken Hand in die Rechte, während er einverstanden nickte. "Du könntest auch später, nachdem ich hier fertig bin, zu mir herüberkommen und dort weiter schmollen. Ist nur ein Vorschlag, den du unbedingt annehmen musst!" Auf jeden Fall.
"Und wann genau soll das sein?", erkundigte ich mich und lächelte erfreut, da ich insgeheim genau das tun wollte. Mit ihm Zeit verbringen. Wir waren immerhin ständig zusammen, dass es sich schlichtweg merkwürdig anfühlte, wenn wir auch nur kurz getrennt voneinander waren.
Und das machte mich wohl zu der anhänglichen Freundin, die ich nie sein wollte. Das hätte mich jetzt eigentlich nachdenklich und etwas panisch gestimmt, aber da es ihm gleich erging, bestanden keinerlei Probleme.
Davon abgesehen hielt ich mich zuvor noch nie bei Cole zu Hause auf. Ich wusste demnach nur sehr grob, wie es von innen drin ausschaute. Außer das Bisschen, was ich durch die Fenster ausmachen konnte, kannte ich keinen weiteren Zentimeter seines Schlafzimmers. Ich war neugierig.
"Hm, mal sehen", er überlegte einen Augenblick lang und starrte derweil zum Boden. "Ich bin gleich fertig damit, den ganzen Mist hier zu beseitigen. Danach muss ich aber noch den Rasen mähen, was ebenfalls dauert... Komm am besten in etwa einer Stunde. Das sollte so passen."
Gott sei dank gingen sechzig Minuten schnell vorüber, sofern ich mich sinnvoll beschäftigte, denn nun hatte ich die Antwort, wieso ich ihm extra auf die Nerven ging. Mir war langweilig. So langweilig, dass ich nicht wusste, was ich sonst noch tun könnte, wozu ich nicht Cole brauchte.
"¡De acuerdo!", rief ich ihm zu und entfernte mich sogleich von dem Fenster, ohne auf eine Erwiderung seinerseits zu warten. Dann fiel mir jedoch wieder ein, dass er leider gar kein Spanisch verstand. Ich sollte endlich damit aufhören, diese Tatsache ständig zu vergessen.
"Mit was bist du einverstanden, Celia?", fragte mich plötzlich meine Mutter, die das Zimmer betrat. "Cole und ich haben nur abgemacht, uns später bei ihm zu treffen", erklärte ich ihr mit einem Schulterzucken, worauf sie die Augenbrauen zusammenzog. "Ist das etwa ein Problem?"
Mich verunsicherte ihre Mimik, denn sonderlich begeistert darüber schien sie nicht. Ich hoffte inständig, dass sie nicht aus heiterem Himmel Einwände gegen Cole hatte, denn jetzt wo wir endlich ein Paar waren, sollte sie ihn natürlich mögen. Was das betraf, pflegte ich nie Zweifel.
"Nur wenn du davor nicht die Wäsche gemacht und die Spülmaschine ausgeräumt hast", entgegnete Mamá und setzte ein Lächeln auf. Och nein. Diese ätzenden Pflichten zögerte ich schon seit heute Vormittag hinaus. Durch meine Demotivation hatte ich es ganz verdrängt. Ups.
In diesem Moment war ich äußerst froh darüber, dass Cole dieses Gespräch nicht mitbekam, da er sicherlich sofort einen Weg gefunden hätte, um mich damit aufzuziehen, bloß weil er sich für vorhin rächen wollte. Und zugegeben waren seine Neckereien manchmal um einiges fieser.
Wieder merkte ich, dass Karma kein Freund von mir war. Das bekam ich richtig zu spüren, während meine Mutter jedes Widerwort ablehnte und stur daran festhielt, dass ich dazu verdammt war, die Hausarbeiten zu erledigen. "Ach, und fege bitte noch den Flur unten!"
Ich schaute sie genervt an, worüber sie lediglich schmunzelte. Danach kam mir die Idee, mich bei ihr einzuschleimen, damit sie wenigstens etwas Nachsicht mit mir zeigte. Augenblicklich umarmte ich sie feste. "Habe ich dir schon gesagt, wie schön dein neuer Haarschnitt aussieht?"
"Das ist sehr lieb, Schätzchen, aber so kommst du auch nicht drum herum", erwiderte Mamá und tätschelte meinen Kopf. Ich kapitulierte und gab mich geschlagen. Jetzt merkte ich noch stärker, dass meine Eltern nach ihrer einwöchigen Reise schließlich wieder zu Hause waren.
Also machte ich mich im Badezimmer an die frische Wäsche zu schaffen, indem ich diese aus der Waschmaschine in den Wäschekorb schmiss. Seufzend rappelte ich mich damit auf und lief im Anschluss ins Wohnzimmer, derweil ich missbilligt den feuchten Inhalt des Korbes musterte.
Statt vorsichtig voranzugehen, ließ ich den Wäschekorb achtlos zu Boden fallen, wodurch ich sofort die Aufmerksamkeit meines Vaters erzielte, der auf der Couch saß und seine Zeitung studierte. Bevor er mich überhaupt ansprechen konnte, ging ich den Wäscheständer holen.
Auf ähnlicher Art stellte ich diesen ab und spürte währenddessen, wie mich Papá genauestens beobachtete. "Celia, ¿está todo bien?", erkundigte er sich und ich glaubte, Belustigung in seinem Ton zu hören. "Ich muss mich um die Wäsche kümmern, obwohl ich anderes tun könnte. Denkst du wirklich, alles ist in Ordnung?"
"Nicht doch, Celia. Mit dieser Einstellung wirst du bis zum Abend nicht fertig", trat auch noch meine Mutter herein, wobei ich gerade sorgfältig eines ihrer Pullover an den Wäscheständer hing. Wir beide schauten zu ihr. Sie wollte nur ihre Utensilien von dem Tisch räumen.
Ich schüttelte augenverdrehend den Kopf, weil ihr vorgetäuschter Optimismus meine Laune nicht sonderlich verbesserte. "Ich weiß, dass du deine Augen verdreht hast. Und was haben wir darüber nochmal vereinbart?", sprach sie mahnend, sodass ich seufzend die Antwort gab, die sie hören wollte.
"Genau, kein Augenverdrehen in meiner Gegenwart." Zufrieden verließ sie nach diesen Worten das Wohnzimmer, ohne dass ich oder Papá einer Erwiderung ansetzen konnten und verschwand scheinbar in ihrem Schlafzimmer. Ich schaute schmollend zu ihm. "Immer hat sie das Sagen."
Er lachte auf, breitete die Zeitung erneut auf seinem Schoß aus und nickte. "Glaub mir, das weiß ich schon seit über zwanzig Jahren." Manchmal fragte ich mich, wie er es so lange mit ihr an seiner Seite aushalten konnte. Dann fiel mir aber wieder ein, dass er sie liebte und ich hörte auf, mir solche Fragen zu stellen. "Aber hattest du denn andere Pläne?"
"Oh ja, die hatte sie. Statt produktive Arbeit zu tun, wollte sie sich eigentlich in ihrem Zimmer einschließen. Dort hätte sie sich dann so lange für ihren Freund herausgeputzt, bis die Stunde um ist und sie zu ihm herüber gehen kann." Auf der Stelle starrte ich entsetzt Mamá an, die nochmal wegen ihrem Handy hereingekommen war.
"Entschuldigung?", gab ich empört zurück, zumal ich bemerkte, wie mein Vater anhand ihrer Worte grinsen musste. Das stimmte nicht einmal. Zumindest war mein Plan gewesen, mich ansehnlicher als jetzt zu gestalten, aber nicht so heftig, wie es meine Mutter dargestellt hatte.
Davon abgesehen kümmerte es mich nicht mehr, wie ich nun in Coles Nähe ausschaute. Er hatte mich an meinen besten und an meinen schlechtesten Tagen getroffen, vor allem weil er oft unangemeldet an der Haustür klingelte. Doch mit beiden Varianten fühlte ich mich bei ihm wohl.
"Ach, sie ist jetzt also offiziell mit dem Nachbarjungen zusammen?", kam es von Papá positiv überrascht, worauf seine Ehefrau eifrig nickte. "Und du hast auch noch gewettet, dass es länger dauern würde. Du hättest auf mein Gespür vertrauen sollen, Ramiro", ergänzte sie tadelnd.
War ich verrückt oder hatten meine Eltern tatsächlich darüber diskutiert, wie lange es noch dauern würde, bis Cole und ich miteinander eine Beziehung eingehen würden? "Mein Fehler, mi hermosa", lachte mein Vater, während ich einfach nur sprachlos dastand. Das war nicht zu fassen.
Als beide amüsiert zu mir schauten, schüttelte ich einmal kräftig meine Jeans aus, bis ich sie an den Wäscheständer hing. "Ich finde es gar nicht gut, dass ihr Wetten über mein Liebesleben abschließt. Außerdem will ich mit euch sicherlich nicht darüber sprechen!", stellte ich schnippisch klar.
"Entschuldige uns bitte", fing Papá an, sogleich Mamá seinen Satz beendete. "Es ist nun mal schwer, über das Offensichtliche nicht zu reden." Er nickte zustimmend und lächelte mich danach unschuldig an, wozu ich verächtlich schnaubte. "Für mich ist jetzt diese Unterhaltung beendet!"
Der Wäschekorb war so gut wie leer, weswegen ich schnell die letzten beiden Kleidungsstücke zum Trocknen an dem Ständer verfestigte, damit ich mich nicht länger mit ihnen im selben Raum aufhalten musste und hob letztlich den Korb auf, um endlich aus dem Raum verschwinden zu können.
"Lade ihn und Mrs Carver doch mal zum Abendessen ein!", riefen sie mir synchron hinterher, was ich zwar gekonnt ignorierte, aber worüber ich auch ernsthaft nachdachte. Das wäre absolut keine schlechte Idee. So könnte ich mich bei Nana Rose revanchieren, da sie mich während der Abwesenheit meiner Eltern ständig zum Essen gerufen hatte.
Ich wusste nicht, wie ich das geschafft hatte, aber sie mochte mich seit wir hierher gezogen waren. Ich hatte diese Frau wahnsinnig lieb gewonnen, allein schon wegen ihrer positiven Ausstrahlung und der selbstlosen Art. Sie kümmerte sich immer um einen, ohne Gegenleistung zu erwarten. So auch um mich, als ich mir furchtbar die Grippe eingefangen hatte, jedoch meine Eltern wieder nicht zu Hause waren.
Das war eines der Dinge, die sie zwar als Kleinigkeit ansah, die ich aber zutiefst schätzte und niemals vergessen würde. Es war schließlich nicht selbstverständlich, dass sie sich Zeit für mich nahm, sobald ich irgendwelche Probleme hatte, die sie mir anmerkte und meistens auch zu lösen wusste.
Ich stellte den Wäschekorb an den Platz, als ich im selben Moment hörte, wie im Nachbargarten der Rasenmäher angeschaltet wurde. Anscheinend kam Cole erst jetzt dazu. Es war nichts besonderes und trotzdem wollte ich ihm zu gerne dabei zuschauen, denn alles, was er tat, wirkte ungemein attraktiv und faszinierend. Beinahe auch schon sein Atmen.
Ich wusste mir nicht mehr zu helfen, war ihm komplett verfallen. Schutzlos und unbewaffnet. Längst war ich nicht mehr fähig, meine Gefühle für ihn zu unterdrückten oder zu kontrollieren. Alles geschah ganz willkürlich, ich hatte keine Macht mehr darüber. Jede Faser von mir hatte sich nämlich an ihn gewöhnt. Ohne Cole wäre nichts mehr dasselbe.
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Nachdem jedes Besteck, jedes Glas sowie jeder Teller nach und nach seinen Platz fand, der untere Flur gefegt wurde und somit alle Punkte auf meiner imaginären To-do-Liste abgehakt waren, blieb mir nur noch wenige Zeit für mich übrig, die ich mit Musik, Social Media und Zurechtmachen totgeschlagen hatte.
Ich gab meinen Eltern Bescheid, dass ich gehen und vor dem Abend vermutlich nicht nach Hause kommen würde, bevor ich mit voller Vorfreude durch die Haustür nach draußen trat. Keine Ahnung, ob Cole seine Gartenarbeit beenden konnte, aber der abgemachte Zeitpunkt war gekommen. Daher hatte ich nun vor, nach meinem Freund zu sehen.
Lange musste ich nicht suchen, denn er kam mir entgegen. Seinem Äußeren nach zu urteilen war er noch nicht dazugekommen, das Haus zu betreten. Er sah nach wie vor so aus wie ich ihn zuletzt gesehen hatte. "Es tut mir leid, hat doch länger gedauert, als erwartet. Eigentlich sollte ich schon geduscht haben und müsste auf dich warten."
"Ist doch kein Problem. Dann duscht du eben schnell, während ich auf dich in deinem Zimmer warte", schlug ich grinsend vor, womit er sich lachend einverstanden gab und uns im nächsten Moment die Haustür öffnete. Drinnen war es verräterisch still. "Ist deine Großmutter nicht da?", erkundigte ich mich neugierig, derweil wir die Stufen heraufstiegen.
"Sie ist einkaufen", antwortete Cole, worauf ich verstehend nickte. In seinem Zimmer angekommen staunte ich nicht schlecht. Es war ordentlich und sauber gehalten und machte den Anschein, als hätte alles seinen speziellen Platz. Die Einrichtung war genauso stilvoll wie er, man merkte wirklich, dass es sein eigenes kleines Reich war.
"So, ich springe kurz unter die Dusche. Du kannst hier machen, was du willst, solange du nichts kaputt machst", erlaubte er mir, wofür ich mich spielerisch gerührt bedankte und daraufhin anmerkte, wie freundlich er doch sei. Cole machte Anstalten, seinen großen Kleiderschrank öffnen zu wollen, aber sofort kam ich ihm zuvor. "Darf ich dir etwas zum Anziehen heraussuchen?", fragte ich begeistert.
Er schien sichtlich überrascht über meine Bitte. Verständlich, wenn man bedachte, dass das nicht sonderlich oft vorkommend war. "Hätte ich gewusst, dass du so scharf darauf bist, mir an die Wäsche zu gehen, hätte ich das schon eher in die Wege geleitet", entfuhr es ihm anschließend frech und zwinkernd. Ich starrte ihn bloß unbeeindruckt an.
"Meinetwegen kannst du mir meine Kleidung heraussuchen. Solange es dich glücklich macht", verbesserte er sich und schien sich ein Schmunzeln nicht verkneifen zu können, als ich freudig nickte und rasant die Schranktür öffnete. Sofort strömte mir sein vertrauter Geruch entgegen. Es war äußerst fraglich, wie stark ich einfach davon angetan war.
Ich hörte auf, bewusst seinen wundervollen Duft zu inhalieren, da sonst die Gefahr bestand, dass ich den Verstand verlor und mich peinlich aufführte. Stattdessen stöberte ich entzückt seine Kleidung durch und musste feststellen, dass er mir vieles vorenthalten hatte. Das Meiste davon hatte er sicher kaum getragen, dafür wirkten sie erschreckend neu.
"Warum ziehst du das nie an?", holte ich einen Hoodie heraus, der zwar gemustert war und das Logo einer bekannten Marke besaß, jedoch immer noch schlicht ausschaute. Cole zuckte mit den Schultern. "Die Auswahl ist zu groß, weshalb ich vieles davon unbeabsichtigt außer Betracht lasse." Irgendwie kam mir das fürchterlich bekannt vor.
"Oh, Cole, habe ich gerade etwa eine weitere Macke von dir entdeckt?", rief ich mit einer extra Portion Begeisterung aus. Er grinste schief. "Dass ich mir ständig irgendwelche Kleidung kaufe oder bestelle, obwohl ich es nicht nötig habe? Bitte. Daraus mache ich kein Geheimnis", erwiderte er. "Du bist genauso." Bedauerlicherweise behielt er damit sogar Recht.
"Das stimmt nicht! Ich habe keine Kleidersucht", nuschelte ich zum Ende hin verlegen, während ich mich wieder seinem Kleiderschrank zuwandte. "Deine Zalando-Pakete, die der Postbote oftmals bei uns abgibt, beweisen das Gegenteil, Kleeblatt." Gott, ich musste unserem coolen Postboten Henry sagen, dass er lieber damit aufhören sollte. Er verriet mich.
"Wolltest du nicht duschen?", gab ich trocken zurück. Cole legte Tadel ausdrückend den Kopf schief. "Würde ich ja, wenn du mir endlich etwas lockeres zum Anziehen geben würdest! Langsam fühle ich mich so echt unwohl." Wortlos überreichte ich ihm ein einfarbiges Shirt, da er sich speziell das gewünscht hatte. Zudem eine gemütliche schwarze Hose und Unterwäsche suchte er sich selbst aus.
Als er schließlich das Zimmer wegen seines Vorhabens verließ, nutzte ich diese Chance um mich umzusehen. Hier und da entdeckte ich Fotos, hauptsächlich mit seiner Großmutter oder seinem besten Freund. Eines bildete jedoch einen Mann und eine Frau ab. Sie hielt ein Baby in ihren Armen, während er sie liebevoll umschlugen hielt.
Seine Eltern wirkten herzerwärmend glücklich in diesem Schnappschuss. Mir kam unwillkürlich der Gedanke, was für eine schöne Familie sie gewesen wären, wenn der Schicksalsschlag niemals passiert wäre. Doch ich glaubte fest daran, dass alles mit einem Grund geschah, den Gott früher oder später erläutern würde. Mochten sie in Frieden ruhen.
Bevor mich noch eine gewisse Traurigkeit übermannen konnte, entfernte ich mich von dem Foto, um anderes ins Visier zu nehmen. Lange suchte ich nicht, da stach mir schon Coles Gitarre ins Auge. Einzelne kleine Aufkleber waren sichtbar, dessen Bedeutungen wohl weitgehend tiefer waren, als ich mir vorstellen konnte. Sie war ihm so heilig und wertvoll, weil es einst seinem Vater gehörte.
Plötzlich bemerkte ich ein dunkelblaues, mit Schnörkeln verziertes Band, das am länglichen Gitarrenständer befestigt wurde. Zweifellos handelte es sich um mein Haarband, welches er mir vor unserem zweiten Kuss stibitzt hatte. Es rührte mich unglaublich, dass er das tatsächlich behalten und an einem sichtbaren, gar besonderen Ort aufgehängt hatte.
Ich ließ den vertrauten Stoff kurz durch meine Finger gleiten, bevor ich lächelnd davon abließ. Da mir nichts interessantes mehr auffiel, setzte ich mich an die Kante seines großen Bettes und holte mein iPhone heraus. Bis Cole kam, könnte ich Instagram abchecken, doch zuerst antwortete ich auf Suelas Nachricht, die sie mir vor fünf Minuten schickte.
"Celia, der Inbegriff deines Glücks ist erschienen. Freu dich!", trat er Minuten später gut gelaunt herein, während ich mir einen unlustigen Witz durchlas. Meine Hoffnung, dass er wie in Filmen nur mit einem Handtuch bekleidet zurückkam, somit ich einen Blick auf seinen trainierten Oberkörper erhaschen konnte, hatte sich in Luft ausgelöst, als mein Freund komplett angezogen neben mir Platz nahm.
Coles Haare wirkten ungemein fluffig, dass ich im Moment stark gegen das Verlangen ankämpfte, sie nicht durchzuwuscheln. "Ich freue mich", erwiderte ich lachend, was er mit einem Grinsen begrüßte. "Jetzt komm her", murmelte er, bevor er mich sanft an sich zog und mich auf den Mund küsste. Selbst das hatte mir in den letzten zwölf Stunden gefehlt.
Ich lächelte automatisch in unseren Kuss hinein, den wir weiter vertieften und legte währenddessen meine Arme um seine Schulter. Nur am Rande bekam ich mit, wie wir mehr auf das Bett rutschten, bis ich durch die Kissen gestützt halb auf der Matratze lag und spürte, wie er sich über mich beugte.
Wir nutzten die eingelegte Pause, um uns in die Augen zu schauen. Er strich mit der rechten Hand die störenden Strähnen aus meinem Gesicht, wodurch er mir wie so oft das Sehen erleichterte. Schweigend vereinigten wir erneut unsere Lippen, da Worte momentan nicht ausreichten. Unsere Zuneigung zueinander war merklich zu spüren und ich wusste, dass ich davon nie genug kriegen würde.
Coles Finger fuhren unter meinen hellen Pullover. Ich erschauderte, als die Kälte meine nackte Haut berührte. Er wanderte nach oben und wieder runter, malte Kreise und kraulte mich angenehm, wodurch ich mich benebelt fühlte. "Celia...", nuschelte er dicht an meinen Lippen und beinahe hätte ich ihm sogar die kleine Unterbrechung übel genommen.
Er benetzte mich auch an anderen Stellen mit Küssen, während ich die Augen geschlossen hielt und murmelnd nachfragte, was er mir sagen wollte. Ich spürte ihn daraufhin an meinem Hals grinsen und wäre ich nicht so von seinen Berührungen berauscht gewesen, hätte ich mir sicherlich denken können, dass er etwas völlig absurdes im Sinn hatte.
"Ich habe wahnsinnige Lust auf Limonade." Cole erhob sich ein wenig und starrte mir erneut in die Augen, als ich meine rasant aufschlug. "Was?", entfuhr es mir perplex und mit einem Male befand ich mich wieder auf dem Boden der Realität. "Machst du mir bitte dieselbe Limonade, die du heute selber getrunken hast?"
"Habe ich dich etwa so sehr damit gereizt, dass du seither nur noch die Limonade im Kopf hast?", wollte ich von ihm langsam wissen, so als würde ich mit einem Kleinkind reden, woraufhin Cole dementsprechend schmollend nickte. "Das war echt doof von dir. Du musst das wieder gutmachen." Dieses Riesenbaby war einfach nur unvergleichlich.
Seufzend bejahte ich einverstanden, aber konnte in der nächsten Sekunde nicht verhindern, dass sich ein Schmunzeln auf meine Lippen legte, zumal er ziemlich glücklich über meine Einwilligung schien. Viel brauchte es dazu offenbar nicht.
Mein Liebling führte mich an der Hand herunter in die Küche. Dort holte er die Zutaten heraus, die ich ihm aufzählte und legte sie auf die Arbeitsfläche. Nachdem er mir alles Nötige bereit gestellt hatte, setzte ich schließlich seinen Wunsch in die Tat um.
Im Augenwinkel bemerkte ich, wie ich indessen von Cole gemustert wurde und ein Blick verriet mir, dass er dabei verräterisch zufrieden lächelte. "Wieso siehst du mich denn so an?", wollte ich neugierig wissen, während ich den Ingwer schälte und hackte.
"Fragst du mich das extra, damit ich jetzt irgendetwas kitschiges heraushaue, wie es normalerweise in Liebesschnulzen üblich ist?", entgegnete Cole neckisch, worauf ich kurz auflachte. "Jetzt frage ich mich doch eher, warum dir das so gut bekannt ist."
"Vielleicht weil du mich in letzter Zeit nur für solche Filme gezwungen hast?" Ich schaute ihn anhand seiner unwahren Aussage mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Natürlich, daran liegt es ganz bestimmt", äußerte ich ironisch und schüttelte den Kopf.
"Apropos Filme. Ich wähle heute aus, was wir uns ansehen", lenkte er munter das Thema in eine Richtung, dessen Endziel mir mehr als nur missfiel. "Du hast letztes Mal schon ausgewählt. Ich bin jetzt an der Reihe!", erinnerte ich ihn. "Erhoff dir also nichts."
Cole schnaubte verächtlich, derweil ich das mit Ingwer und Zucker gefüllte Wasser aufkochen ließ. "Aber deine Auswahl ist genauso schlecht und langweilig wie dein Fahrstil! Was denkst du, wieso ich immer bei der Hälfte einpenne, Celia?"
Zutiefst getroffen durch die ungerechte Beleidigung schnappte ich hörbar nach Luft. "Ach ja? Und deine Orientierung nach den richtigen Worten ist genauso miserabel wie deine Orientierung im Straßenverkehr. Selbst auf dem Fußgängerweg verirrst du dich!"
Sein Gesicht nahm auf der Stelle einen entsetzten Ausdruck an, der mir zu verstehen gab, dass mein Konter ordentlich gesessen hatte. Wenn es etwas gab, was er ungemein hasste, dann dass man seinen schwachen Orientierungssinn derartig ansprach.
"Jetzt werd aber mal nicht frech, ja? Du hast keinen Grund, deinen Frust wegen deiner nicht vorhanden Fahrkunst an mir herauszulassen. Steh doch einfach dazu, Celia." Irgendwann würde ich seinetwegen noch an Aggressionsprobleme leiden. Ganz gewiss.
"Cole, du bist aber derjenige, der beschissen fährt!", erwiderte ich dennoch gefasst und konnte nicht glauben, wie oft wir nun diese Diskussion führten. "Komischerweise bist du die Einzige, die das so empfindet." Eindeutig strapazierte er meine Nerven.
Ich hätte liebend gerne etwas anderes darauf entgegnet, doch da ich wusste, dass das nur die Diskussion weiter ins Rollen bringen würde und wir beide zu stur waren, um nachzugeben, änderte ich die Worte in meinem Kopf in die friedlichere Variante um.
"Scheiße nochmal, ich hätte einfach bejahen sollen, als du mich vorhin fragtest, ob ich irgendetwas kitschiges hören möchte." Auf einen Schlag lockerte sich spürbar die Stimmung zwischen uns. Coles Miene erhellte sich und unmittelbar nahm er mir alles aus der Hand.
Ich ließ wehrlos zu, dass er mich zu sich drehte und mich an meiner Taille festhielt. "Was soll das denn jetzt werden?", fragte ich argwöhnisch, aber auch erwartungsvoll nach und blendete das leise blubbernde Geräusch des kochenden Wassers vollkommen aus.
"Psh, lass deine Augen für dich reden", raunte er mir extra verführerisch zu, woraufhin ich mir das Lachen verkneifen musste, um den Moment nicht zu verderben. Das war definitiv nicht sein Ernst, was das Ganze umso besser machte. Wie ich das liebte.
"Wenn du vor mir stehst, bekommt jede unbekannte Melodie meines Herzens einen Namen", fuhr Cole absolut seriös fort, ohne aus seiner Rolle zu kommen. "Ich sehe dich an und fühle mich genauso wohl wie wenn mein Lieblingslied im Radio läuft."
Mir fiel es immer schwerer, mein Lachen zurückzuhalten, denn jetzt griff sich der Idiot auch noch an die Brust und verlieh seinem Ton einen gewissen Hauch von Dramatik. "Verstehe doch meine herzallerliebste, Celia! Ohne dich verstummt in meinem Leben jedes einzelne Lied."
Grinsend schlang ich meine Arme um seinen Bauch und ging auf die Zehenspitzen, weil er leider ein kleines bisschen zu groß für mich war. "Das alles klang dermaßen schnulzig, dass ich kotzen könnte, aber weil du es bist, ist es vollkommen in Ordnung."
Nun beendete er sein kleines Schauspiel und wandelte sich von dem dramatischen Romantiker in meinen Cole um, indem er lediglich auflachte. "Ich wusste, dir würde das gefallen. Belohne mich dafür jetzt mit einem Kuss und ich bin wunschlos zufrieden."
Schweigend küsste ich ihn hingebungsvoll, weil mir die Worte fehlten. Unterbrochen wurden wir jedoch von einem Räuspern. Nana Rose stand im Türrahmen. Ich befürchtete, dass sie mehr von unserem gesamten Gespräch gehört hatte, als wir es für gut befinden würden. "Ihr beide seid wirklich ein chaotisches Duo."
Ich widme es ladychocolade , weil sie zu mir meinte, dass unnötige Kapitel ein Buch schmücken. I hope you liked it.
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