Twenty one

Es war schon amüsierend, meiner besten Freundin dabei zuzusehen, wie sie panisch versuchte, etwas zum Anziehen zu finden. Sie hielt ein Kleidungsstück an ihren Körper, betrachtete sich von allen Seiten im Spiegel, bis sie das Teil nochmals missmutig auf den Stuhl neben sich schmiss.

Suela entfuhr anschließend ein frustriertes Seufzen, ehe sie sich entmutigt in meine Richtung drehte. Die Tatsache, dass ich mir gerade ein Lachen verkniff, statt ihr wie versprochen behilflich zu werden, würde mir garantiert nicht den Preis zur allerbesten Unterstützerin einbringen.

"Warum nochmal bin ich hergekommen?", sagte sie gereizt, gleich nachdem ich mir böse Blicke geerntet hatte. Gestern schlug ich ihr vor, dass sie sich bei mir im Zimmer für das erste Date mit Gray zurechtmachen könnte, zumal sie mich darum bat, ihr Haar und Make-Up zu machen.

"Weil du auf meinen Stil vertraust", erwiderte ich grinsend, was Suela sogleich dazu veranlagte, die Arme vor der Brust zu verschränken. Sie sah immer richtig niedlich aus, wenn sie versuchte, mich vorwurfsvoll anzusehen. "Ganz genau. Zwing mich also nicht, meine Entscheidung zu bereuen."

Diesmal konnte ich kein Lachen unterdrücken. Mir war bewusst, dass sie gleich einen Nervenzusammenbruch erleiden würde, wenn ich ihr nicht gleich Teilnahme und Elan vorwies. Aus diesem Grund stand ich von meinem Bett auf und schaute mir erneut ihre mitgebrachte Kleidung an.

"Eigentlich liegt deine Kleidungsauswahl nicht in meinem Aufgabenbereich. Du wolltest das selbst entscheiden", erinnerte ich sie nebenbei, derweil mir eine dunkelblaue Bluse unter die Augen kam. "Außerdem hast du all meine diesbezüglichen Vorschläge abgewiesen, Suela."

Wie sie vor wenigen Minuten zuvor hielt ich ein waldgrünes Langarmshirt an meinen Oberkörper, das mit Spitze verziert war, und legte gedanklich fest, dass ich mir dieses irgendwann stibitzen würde. Suela bemerkte wohl, was mir durch den Kopf ging, denn sie riss es mir aus den Händen.

"Du kannst später nachsehen, was du dir von meinem Zeug ausleihen willst." Ich seufzte. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, welche Hose die Blondine mit welchem Oberteil kombinieren könnte. Sie schien mit nichts zufrieden. Ich würde ihr doch nur das zeigen, was sie bereits gesehen hatte.

"Hat Gray dir erzählt, was er für heute Abend geplant hat?", erkundigte ich mich im nächsten Augenblick nachdenklich, denn wenn sie es wusste, könnte ich ihr leichter ein perfektes Outfit heraussuchen, das bestens geeignet war. Doch leider verneinte sie planlos. Ugh. Scheiße.

"Das Problem ist ja gerade, dass ich nicht einschätzen kann, wie ich mich anziehen soll. Komme ich nämlich zu overdressed, ist es peinlich. Komme ich aber zu underdressed, ist es wieder peinlich!" Suela ließ sich ächzend auf mein Bett fallen. "Ich hasse Überraschungen!"

"Dann müssen wir wohl improvisieren. Zieh einfach das an, was ich dir gleich aussuche", sprach ich selbst von dieser Idee nicht sonderlich begeistert, woraufhin ich mich vor meinen großen Kleiderschrank stellte. "Kann das nicht erst Plan.. keine Ahnung.. Z sein? Die letzte Option?"

Ich setzte einer Erwiderung an, dass ich bedauerlicherweise keine andere Idee hatte und suchte die Bluse, welche ich für sie im Sinn hatte, als mir plötzlich die Erleuchtung kam. Ein reiner Geistesblitz. "Suela, die Lösung für unser stressiges Problem wohnt gleich nebenan!"

Sofort schaute ich mich suchend nach meinem Handy um, das mir meine beste Freundin schließlich entgegen hielt. Scheinbar verstand sie, wonach ich aus war. Ohne weiteres wählte ich Coles Nummer, die ganz oben in der Aufrufliste stand. Irgendwie war das süß, wie oft wir uns anriefen.

Wenige Sekunden später erklärte mir zu meinem Pech eine mechanische Stimme, dass er im Moment nicht zu erreichen war. Dämliche Mailbox. Also ging ich auf unseren Chat und schickte ihm mehrere kurze Nachrichten, in denen ich sagte, dass ich ihn dringend sprechen musste.

"Verdammt", fluchte ich leise, als erstmals Funkstille zwischen ihm und mir entstand und starrte gebannt auf mein Display. Hoffentlich würde so schnell wie möglich eine Antwort kommen. "Du willst Cole doch etwa nicht fragen, was ich anziehen soll. Das wäre für mich noch peinlicher!"

"Natürlich nicht!", wies ich verständnislos zurück, worauf sie erleichtert aufatmete. Selbst wenn ich das im Sinn gehabt hätte- es wäre kein Fehler. Ich konnte mich schließlich auf seinen Modegeschmack verlassen. Er wusste sich attraktiv zu kleiden und wäre in diesem Fall zweifellos eine gute Hilfe. Außerdem war es manchmal echt tauglich, einen männlichen Rat anzunehmen.

Im selben Moment schrieb Cole mir zurück. Auf meine Frage, ob er möglicherweise raus auf seinen Balkon kommen könnte, antwortete er mir nun, dass ich mich ans Fenster stellen sollte. Es war deprimierend, förmlich die Unzufriedenheit in seiner Nachricht heraushören zu können.

Sein pechschwarzes Haar zeigte in alle Richtungen. Sie waren wirr und durcheinander. Er machte zudem einen müden Eindruck und rieb sich kurz über die Augen. Ich befürchtete, dass ich ihn vorhin aufgeweckt hatte. "Hast du etwa geschlafen?", versicherte ich mich zögerlich.

Cole schaute grimmig zu uns herüber, als er nickte. "Und ich hatte einen echt krassen Traum, bis du Hexe ihn mir genommen hast." Himmel, diese raue, schläfrige Stimme raubte mir irgendwann noch den Verstand. Wieso wirkte er gleich nach dem Aufwachen nur noch unwiderstehlicher?

Ich ließ mir trotzdem nicht anmerken, wie angetan ich von ihm war und schob diesen Gedanken rasch zur Seite. "Aber hör mal, immer bin ich für dich das Biest oder die Hexe", entgegnete ich gespielt beleidigt. "Wenn du mich schon mit einem märchenhaften Wesen assoziierst, dann bitte mit einer bildhübschen Prinzessin! Das gleicht mir nämlich mehr und ist mir auch würdig!"

Statt dem zuzustimmen, blieb seine Miene ausdruckslos. "Deine Taten beweisen da aber das Gegenteil, Celia." Empört schnappte ich hörbar nach Luft. Neben mir hörte ich Suela dezent genervt aufstöhnen. "Leute, es ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um zu flirten!"

Sofort zog sie zwei böse funkelnde Augenpaare auf sich. "Wir flirten nicht miteinander!", riefen Cole und ich synchron, bevor wir uns wieder zueinander wandten. "Wie kannst du überhaupt am helllichten Tag schlafen, wenn es hier draußen Leute gibt, die deine Hilfe brauchen?"

"Oh, das ist ganz einfach", erklärte er falsch lächelnd. "Ich mache nur die Augen zu und schon bin ich automatisch im -mir-ist-alles-scheißegal-Modus. Solltest du auch ausprobieren. Reduziert den Stressfaktor." Vor lauter Dreistigkeit fiel mir auf die Schnelle kein Konter ein.

Deswegen tat ich das, was ich jedes Mal tat, sobald ich meinem Gegenüber keine anständige Erwiderung geben konnte. "Eres un estúpido idiota!" Es war unfassbar erleichternd, dass mich meine Muttersprache immer in solchen Situationen rettete. Lang lebe die spanische Sprache.

Cole runzelte leicht die Stirn. "Ich habe zwar kein Wort von dem verstanden, aber ich meine, Idiot herausgehört zu haben. Schmeichelnd." Meine Freundin lachte amüsiert auf und bestätigte seine Vermutung mit einem Nicken. "Das war sogar noch nett!" Oh ja, das war sogar viel zu nett.

Es war mir zwar recht gleichgültig, dass ich ihn unsanft aus seinem Schlaf gerissen hatte, aber ich notierte mir dennoch in Gedanken, dies in Zukunft besser sein zu lassen. Schließlich war er im gereizten Zustand kein schönes Erlebnis und ich hasste es ungemein, wenn er so drauf war.

"Celia, wobei brauchst du jetzt meine Hilfe?", fragte Cole im nächsten Moment neutral nach. Ich war froh, dass wir uns alle wieder auf das Wesentliche konzentrieren konnten. "Du musst mir sagen, wohin Gray mit ihr hingehen wird. Bitte." Eww, das klang flehender als beabsichtigt.

Er neigte seinen Kopf etwas nach rechts, während er mich mit einem verständnislosen Blick musterte. Wollte er etwa, dass ich mir vorkam wie der letzte Idiot? "Ganz bestimmt nicht, wenn Suela gleich neben dran steht. Es hat wohl seinen Grund, warum Gray ihr nichts verraten hat."

Ich verdrehte die Augen, schob das Mädchen näher an mich und hielt ihr dann mit meinen Händen die Ohren zu. "Besser?" Coles Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen. Vermutlich weil er ebenso ihren missbilligen Ausdruck bemerkte. "Nah, nicht sicher genug, Ich schreibe es dir."

Als seine Nachricht kam, musste ich unwillkürlich lächeln, weil die Idee so süß klang. Der Plan war nämlich, dass sie zuerst in die Bowlinghalle fahren würden und später ein Restaurant besuchten. Beides waren Dinge, die sie viel zu gerne tat. Suela würde das Date garantiert lieben.

Ich merkte, wie sie versuchte, auf mein Handy zu schielen, weswegen ich es rasch beiseite legte. Durch mich sollte die Überraschung nicht platzen. "Perfekt, danke!", rief ich meinem reizenden Nachbar zu, welcher nur schmunzelnd abwinkte. Anschließend verabschiedete er sich von uns.

"Kommst du später bei mir vorbei?", rutschten mir diese Worte ohne jegliche Überlegung heraus, worauf ich mir auf die Unterlippe biss. Cole hatte bereits seine Hand an der Balkontür und wollte sie öffnen. Meine Frage schien ihm ersichtlich zu gefallen. "Wir sehen uns, Celia."

In Gedanken malte ich mir bereits aus, wie wir uns den Abend gemütlich gestalten könnten und lächelte vor mich hin, als mich Suela mit einem vielsagenden Räuspern zurück in die Gegenwart riss. "Was denn?", entkam es mir unschuldig. "Oh Mädchen, dich hat es echt erwischt."

•°

Es stellte sich heraus, dass sich der Rest wie von selbst ergab, nachdem man das einwandfreie Outfit herausgesucht hatte. Suela fühlte sich nun glücklicherweise umso wohler in dem, was sie trug und ich fand es echt erstaunlich, wie viel Kleidung und Mode sowohl ausmachen als auch beeinflussen konnte.

Dadurch, dass ich mich etwas zu sehr beeilt hatte, war ich frühzeitig mit ihrem Make-Up und ihrer Frisur fertig, weswegen wir die letzten dreißig Minuten im Wohnzimmer vor dem Fernseher verbrachten. Im Hintergrund liefen die Simpsons, aber das war uns momentan beiden gleichgültig.

"Bist du nervös?", erkundigte ich mich grinsend, um die Stille zu unterbrechen. Sie schaute von ihrem Handy auf und zögerte einen Moment, bis sie ehrlich bejahte. "Ich habe das Gefühl, dass ich vor lauter Aufregung und Angst kotzen muss. Ist das verrückt? Denn ich finde schon."

"Wovor hast du denn Angst?", entfuhr es mir verblüfft, zumal ich wahrheitsgemäß nicht wusste, was zwischen ihnen schiefgehen könnte. Gray schien mir viel zu anständig. Von ihm würden bestimmt keine Boshaftigkeiten kommen. Bei seinem besten Freund war ich mir dabei allerdings nicht so sicher.

"Celia, der letzte Typ, mit dem ich aus war, hat am nächsten Tag so schnell das Weite gesucht, dass ich nicht einmal bis drei zählen konnte. Irgendetwas muss ich ja wohl falsch gemacht haben", erinnerte sie mich eine Spur ängstlicher. "Ich will, dass das mit Gray anders wird."

"Aber der letzte Typ war auch ein Idiot, der dich nicht wertgeschätzt hat. Ein pubertierendes Kleinkind. Vergiss das endlich!", erwiderte ich eindringlich. "Und mit Gray wird es auf jeden Fall anders sein, weil er schon im ersten Moment, als er dich gesehen hat, hin und weg war."

Im selben Augenblick klingelte es an der Haustür. "Scheiße, er ist da!", rutschte es ihr panisch heraus, ehe sie von ihrem Platz aufsprang. "Suela, bitte begrüß ihn nicht auf einer ähnlichen Art und Weise. Das verunsichert nämlich Menschen!", äußerte ich, als ich ihr rasch nachging.

Sie hatte ihre Boots bereits an, also half ich ihr in ihre Jacke rein und überreichte ihr die schwarze Tasche. "Falls etwas passieren sollte, rufst du mich sofort an! Ich komme dann und hole dich ab. Und am besten schreibst du mir jede Stunde, damit ich mich versichern kann, dass alles in Ordnung ist."

Dankbar nickte sie, bevor sie mich in eine innige Umarmung schloss. "Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun würde", murmelte meine Süße, was mich zum Lachen brachte. "Wahrscheinlich wärst du verzweifelt." Sie grinste, stimmte dem zu und betrachte sich hinterher ein letztes Mal im Spiegel.

Suela öffnete die Tür, während ich mich zurückhielt, sodass Gray mich nicht sehen konnte. Meine Drohungen, wenn er sie in irgendeiner Weise verletzen und enttäuschen würde, hatte ich ihm ohnehin schon aufgezählt, also blieb die einschüchternde Rede aus.

Ich wollte nur, dass sie jemanden fand, der sie glücklich machte. Ihre zukünftige Beziehung sollte kein bitteres Ende finden, bloß weil er sich nicht unter Kontrolle hatte. Sie durfte nicht dasselbe durchmachen wie Nora mit Reece. Das würde selbst ich kein weiteres Mal verkraften.

Im Wohnzimmer schaltete ich zufrieden den Fernseher wieder aus und nahm die Gläser von dem Tisch, um sie in die Küche zu stellen. Es vergingen keine fünf Minuten, da klingelte es nochmal überraschend an der Tür. Ich öffnete diese. "Hast du etwas vergessen?"

Ich hielt in meiner Bewegung inne, als ich nicht wie erwartet meine Freundin, sondern Cole persönlich vor Augen hatte. Peinlich. "Nein. Deine verführerische Einladung, hierherzukommen, war nicht schnell zu vergessen", entgegnete dieser grinsend, bevor er gemütlich hereintrat.

Leise lachte ich auf, während ich die schwere Tür ins Schloss schubste. "Entschuldige. Suela hat die nervige Angewohnheit, ihr Zeug zu vergessen." Begrüßend erlaubte ich, dass er mich enger an sich zog und verschränkte meine Arme hinter seinem Nacken. "Ich habe dich vermisst, Cole."

In den letzten Tagen sahen wir uns nur flüchtig in der Schule oder auf der Arbeit, wobei wir jedoch unser privates Verhältnis zueinander außen vor ließen. Er war viel anderweitig beschäftigt und half seiner Großmutter, wiederum ich Kleinigkeiten für meine Eltern erledigte.

"Ich dich auch, princesa." Er überbrückte den kleinen Abstand zwischen uns, indem er sich etwas zu mir herunterbeugte und verwickelte mich in einen süßen Kuss. Ich vertiefte diesen mit der Versuchung, ihm deutlich zu zeigen, dass ich meine vorherigen Worte sehr ernst gemeint hatte.

Jedes Mal, wenn er mich berührte, erwachte etwas anderes in mir zum Leben, was bisher tief und fest geschlummert hatte. Etwas magisches. Das Feuerwerk meiner Gefühle, das alles übermannte, was nötig war, um meinen klaren Verstand zu lenken.

Mir entwich ein überraschter Laut. Meine Füße berührten nicht länger den sicheren Boden, während mein Rücken mit der harten Wand konfrontiert wurde. Intuitiv schlang ich meine Beine um seine Hüften und versuchte besseren Halt zu finden. Seine Frisur musste nun dran glauben.

Mir war heiß und kalt zugleich. Das Kribbeln blieb weiterhin dort, wo er mich eben noch ausgiebig geküsst hatte, als seine Lippen meinen Hals fanden. Mein Atem ging flacher. Zuvor hatte mich kein Mann in binnen Sekunden auf so hohe Touren gebracht. Das schien mir biologisch nie möglich.

"Sollten wir nicht die Abwesenheit deiner Eltern nutzen?", murmelte Cole, dabei spürte ich ihn grinsen, bevor er mir tatsächlich wieder in die Augen sah. Sie waren aus geschäftlichen Gründen, die sie mir hektisch und unverständlich erklärt hatten, bis nächste Woche Freitag nicht zu Hause.

Für mich sprach nichts dagegen, das hier in mein Schlafzimmer zu verlagern. Demnach legte ich diesmal meine Hände an seinen Nacken und nickte fieberhaft. "Gut, du hast mir nämlich noch einen versprochenen Wunsch zu erfüllen. Erinnerst du dich? Wir beide tun das, wonach mir ist."

Ich spürte, wie seine rechte Hand verschwand und sah anschließend im Augenwinkel, dass er nach etwas griff, was an der Wand gehangen hatte. Mit ziemlicher Sicherheit nach meinem Autoschlüssel, der als einziger am Halter hing. In der nächsten Sekunde ließ er mich runter.

Irritiert stellte ich fest, dass ihm etwas völlig anderes im Sinn schwebte und machte mir bewusst, dass wir an einen anderen Ort fahren würden. Inzwischen hatte Cole mir den kalten Schlüssel in die Hand gedrückt und hielt mir meine Sneaker hin. Schweigend zog ich diese mir an.

Während er mich dabei mit voller Vorfreude beobachtete, schien ich endlich zu verstehen, wie er sich immer fühlte, sobald ich absichtlich gegen seine Regeln spielte. Es war, als wäre ich eben von der Wolke, die aus meinen vielen Erwartungen und Hoffnungen bestand, heruntergefallen.

Scheiße, ich bekam nun all die unanständigen Gedanken nicht aus meinem Kopf. Das selbstgefällige Grinsen auf seinem Gesicht bestätigte mir, dass Cole dies genau wusste und das dämpfte kein bisschen die Peinlichkeit ab. Diesmal war ich schutzlos auf ihn hereingefallen.

Er scheuchte mich beinahe schon nach draußen, wodurch ich mir nicht einmal eine Jacke überziehen durfte. Es war wirklich ungewohnt, ihn auf dem Beifahrersitz zu sehen, weil er normalerweise gegen meinen Willen fuhr und ich mich darüber unaufhörlich beschwerte.

Während ich den Schlüssel ins Zündschloss steckte, ergriff ich wieder das Wort und erkundigte mich interessiert, was wir nun tun würden. "Wir, meine Liebe, werden uns ein venezuelanisches Gericht nach meiner Wahl kochen. Für die Zutaten müssen wir zuerst in den Supermarkt fahren."

"Du willst was?", entfuhr es mir verblüfft. Von allen Dingen, die er sich hätte wünschen können, hatte ich das am wenigsten erwartet. "Du hast mich schon verstanden, Celia. Ich will, dass du für mich kochst. Ich werde dir nur assistieren." Allmählich zuckten meine Mundwinkel nach oben.

"Warum ausgerechnet etwas Venezuelanisches?" Ich biss mir auf die Unterlippe, um irgendwie gegen das verräterische Grinsen anzukommen. Die Vorstellung seiner Idee ließ mein Herz höher schlagen. "Weil das Essen auch Teil deiner Kultur ist und ich diese näher kennenlernen will."

Cole lächelte mich warm an. Ich konnte gar nicht anders, außer einen begeisterten Ausdruck zu machen. "Ich denke, du hast es dir ab sofort verdient, dass ich dich als wundervoll betrachte", gab ich entzückt von mir, was er sofort mit einem Lachen quittierte. "Ich bin mehr als nur wundervoll!"

Ich startete den Motor, bevor ich den Rückwärtsgang einlegte. "Ja klar, du bist auch ein mieser Nachbar, weil du immer dann deine Musik laut aufdrehst, wenn ich versuche, Hausaufgaben zu machen. Aber ein noch mieserer Fahrer. Allgemein ein sehr miesepetriger Kerl, der ständig..."

Cole ließ natürlich erst gar nicht zu, dass ich weiter sprach und meinen Satz beendete. "Celia, deine Wortwahl verläuft in eine äußerst falsche Richtung. Wie auch die Wegrichtung. Zum Supermarkt geht es nicht hier entlang. Wer von uns beiden ist denn jetzt der miese Fahrer?"

Mich regte es auf, wie gut er darin war, geschickt die Themen so zu wechseln, dass es mir wieder unangenehm wurde. Ganz zu schweigen von seiner Selbstgefälligkeit. "Das ist nicht der falsche Weg, sondern nur eine Umleitung", rechtfertigte ich mich sofort. "Die Straßen sind gesperrt."

Er schüttelte verneinend den Kopf, was meine Befürchtung stärkte. Ich hatte gehofft, dass ich nicht falsch liegen würde, da ich mit meiner Rechtfertigung unsicher war. "Die Strecke ist seit letzter Woche wieder erlaubt. Ein guter Fahrer müsste darüber eigentlich Bescheid wissen."

"Cole, hör auf zu reden und informiere dich im Internet, welche Zutaten wir für dein Essen kaufen müssen", verlangte ich genervt, während ich die Spur wechselte. Amüsiert brachte er sein Handy zum Vorschein. "Über deinen Fahrstil kann ich mich auch später auskotzen."

Für ein paar Sekunden schenkte ich ihm einen bösen Blick, zumal ich überhaupt nicht verstand, was er daran auszusetzen hatte. Im Gegensatz zu ihm fuhr ich nicht rücksichtslos, sondern mit jeder Menge Achtung und Aufmerksamkeit. Er konnte sich ruhig ein Beispiel von mir nehmen.

Als der Laden in Sichtweite war und wir vor einer roten Ampel standen, zeigte Cole mir das Gericht, für welches er sich entschieden hatte. "Das kochen wir." Ich schaute es mir genauer an und zugegeben überraschte mich seine Wahl überhaupt nicht. Das kam echt vorhersehbar.

"Dich machen die Arepas mit Steak nur an, weil es Ähnlichkeiten mit einem Hamburger hat", erwiderte ich belustigt, worauf er eifrig nickte. Was denn auch sonst. "Und dazu möchte ich diese gefüllten Teigtaschen, dessen Namen ich nicht aussprechen kann. Empa- irgendwas."

"Empanadas", korrigierte ich, bevor ich zum Bemängeln überging. "Liebling, die Arepas machen schon so richtig satt. Daneben reichen Pommes völlig aus. Die Teigtaschen können wir aber ein anderes Mal machen", schlug ich eine Alternative vor, die ihn sichtlich ein wenig enttäuschte.

Ich merkte, dass sich vor mir die Autos bewegten, weswegen ich meine Aufmerksamkeit wieder der Straße widmete. Nebenbei hörte ich mir Coles Frage an, ob ich das Essen überhaupt richtig zubereiten konnte. Wenn ich über meine Kochkünste nachdachte, war diese zu Unrecht gestellt.

"Hast du etwa vor einer Lebensmittelvergiftung Angst oder wie kann ich deinen Argwohn verstehen?" Cole verneinte grinsend. "Die nehme ich furchtlos in Kauf, keine Sorge. Ich habe aber Angst davor, dass wir mit dir vorm Lenkrad draufgehen. Nur damit es gesagt ist..."

Völlig empört über seine Bemerkung schlug ich auf der Stelle gegen seinen Oberarm. "Das sagst du nur, weil ich dich ständig hierbei kritisiert habe!" Er lächelte mir falsch zu. "Nein, das sage ich, weil du komisch fährst. Nämlich verkrampft. Die Straße frisst dich schon nicht auf, Celia!"

"Das ist absoluter Schwachsinn!" Wir kamen am Parkplatz des Supermarkts an und glücklicherweise fand ich sofort eine geeignete Parklücke. "Ist es nicht. Du bist bloß kritikunfähig", meinte Cole lachend, bevor er die Autotür öffnete. Und er war ein Idiot.

"Ich habe beschlossen, dass du nach Hause laufen wirst, wenn du ja so große Angst hast!", informierte ich ihn völlig trocken, nachdem ich ihn erreichte und wir zum Eingang des Ladens zusteuerten. "Das bezweifle ich." Plötzlich entriss er mir in frecher Weise den Autoschlüssel.

"Hey, das ist unfair!", rief ich und versuchte automatisch, diesen zurückzuerlangen. Wie ich das hasste. "Immer wenn du mir etwas wegnimmst, kriege ich es nur ganz schwer wieder!" Belustigt darüber, blockte er nebenbei mühelos meine Hände ab. "Schön, dass du das begriffen hast."

Während unseres Einkaufs konnte ich es nicht lassen und probierte weiterhin den Schlüssel zu bekommen, weshalb wir förmlich aneinander klebten. Gleichzeitig musste ich mir von Cole anhören, dass ich mich benehmen sollte. Er achtete darauf, dass wir nicht sonderlich auffielen.

An der Gemüseabteilung fiel mir auf, dass es Spaß machte, ihm in der Öffentlichkeit auf die Nerven zu gehen, da er offenbar sehr viel Wert darauf legte, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Mich kümmerte es dagegen herzlich wenig, was fremde Menschen von mir hielten.

"Jetzt hör doch auf!", befahl er mir teils lachend und teils verzweifelt, was wiederum mich zum Lachen brachte. Damit ich nicht weiter intensiv an ihm herumfummeln konnte, drückte er mir eine gereifte Avocado in die Hand. Das hinderte mich absolut nicht.

Überfordert, da er gleichzeitig auf sein Handy schauen und mich abweisen musste, atmete er gereizt aus. "Wir brauchen noch Tomaten." Ich legte eine kurze Pause ein, weil ich ihm behilflich sein wollte und nahm uns eine Packung Tomaten mit. "Oh wow, die Dame kann ja auch ernst sein."

"Ich kann sogar noch ernster werden, wenn du mir meinen Schlüssel gibst", entgegnete ich süß lächelnd, aber mein Gegenüber blieb nach wie vor stur. "Geh und hol uns noch Limettensaft." Seufzend leistete ich seiner Aufforderung Folge.

Im Einkaufswagen hatte sich bereits vieles angesammelt, als wir bei den Gewürzen ankamen. Dort schoss mir erneut die schreckliche Vorstellung durch den Kopf, wie er mein geliebtes Auto steuerte. "Cole, bitte gib es mir zurück", säuselte ich dicht an seinem Ohr, während ich seinen linken Arm umklammerte.

"Das kannst du vergessen, Celia." Er würdigte mich keines Blickes, weswegen er bloß das Regal anstarrte und somit meinen Schmollmund nicht bemerkte. Also schön, er ließ mir keine andere Wahl. Wenn andauerndes Flehen und Bitten nichts brachte, musste ich wohl anders vorgehen.

Ich ergriff die Initiative, drückte ihn bestimmend gegen das Regal vor uns und legte fordernd meine Lippen auf seine. Seine Muskel lockerten sich, derweil mich nun seine Hände festhielten. Ich liebte es, wie er sofort alles andere um sich herum vergaß und bloß mich allein wahrnahm.

Jetzt sogar noch mehr, weil es mir regelrecht gelegen kam. Beinahe hätte ich mich sogar selbst in unserem reizvollen Kuss verloren und meine eigentliche Absicht missachtet, aber ich hielt die Beherrschung aufrecht und hatte als Resultat endlich meinen vertrauten Schlüssel wiedererlangt.

Er schien nicht sofort zu kapieren, dass ich gewonnen hatte, denn er blickte mir vollkommen perplex in die Augen. Bevor ich überhaupt meinen Autoschlüssel triumphierend vor seiner Nase baumeln lassen konnte, unterbrach uns bedauerlicherweise eine bekannte tiefe Stimme.

"Ich sagte dir doch, dass zwischen Cole und Celia etwas läuft!" Erschrocken schauten wir beide nach rechts und konnten kaum glauben, wen wir vor uns stehen hatten. Es war Reece, der zu Venora sprach. Diese hatte sich bei ihm eingehakt und hielt seine Hand fest. Was zur Hölle?

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