Thirty one

C O L E

Ihr Anblick brachte mich durcheinander. Die Worte blieben in meiner Kehle stecken, die Gefühle vermischten sich und meine Sicht verschwamm für einen klitzekleinen Moment meiner bitteren Schwäche. Ich versteifte mich und betete, dass das weder Celia noch Amara auffiel.

Ich fühlte mich gar nicht gut, als ich damals von ihrem Anruf hörte, da hatte ich schon eine gewisse Vorahnung, wie ich die Rückkehr dieser Furie auffassen würde, sofern ich meinen Ort fand, an dem ich mich nicht länger in einer Hülle der äußerlichen Ruhe zu verstecken brauchte.

Sie blickte mich zurückhaltend, aber mit einem Lächeln auf den Lippen an, während sich in meinem Kopf allerlei Fragen bildeten. Hauptsächlich warum sie zurückgekommen war- jetzt wo ich wieder problemlos mein Leben weiterführte und sie als Teil meiner Vergangenheit ansah.

Nur weil sie ihre Heimatstadt besuchte, hieß das noch lange nicht, dass sie auch bei mir aufkreuzen durfte. Ich wollte nicht, dass die Erinnerungen aufkamen. Ich wollte nicht, dass mein Herz panisch gegen meine Brust hämmerte. Ich wollte sie verdammt nochmal nicht hier haben.

Es vergingen vermutlich nur ein paar Sekunden, aber für mich fühlte sich dieser verfluchte Augenblick wie in Zeitlupe an. Ich brauchte Halt. Meine Hand suchte Celia. Unmerklich nahm ich den Stoff ihres Pullovers zwischen die Finger und fixierte mich mehr auf ihre Anwesenheit.

"Amara." Fuck, klang das überhaupt fest? In meinen Ohren hatte sich das brüchig und rau angehört und dabei war es nur ihr Name gewesen. Das sollte keine Begrüßung sein. Nur eine unausgesprochene Frage, warum sie zum Teufels Willen im Butterfly's stand und uns störte.

"Cole." Wie lange war es nun her, dass ich hörte, wie sie meinen Namen sagte? Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Wenn ich früher noch wie ein Idiot die Tage ihres Fehlens gezählt hatte, hatte ich sie heute aber gänzlich vergessen. Mein Zeitgefühl geriet ins Schwanken. Mir wurde übel.

Wie verhielt man sich denn in der Gegenwart seiner Freundin, wenn plötzlich die Exfreundin auftauchte? Ich wollte nicht, dass Celia wusste, wer Amara war. Sie sollte nicht wissen, was zwischen uns vorgefallen war. Zumindest jetzt noch nicht. Ich war für dieses Gespräch nicht bereit.

Diese verfickte Situation stellte mit mir scheiß Dinge an, für die ich keine Nerven übrig hatte. Mir war das alles so unangenehm. Ich fand es einfach nur noch beschissen, in meiner eigenen Haut zu stecken. Jeder Atemzug schmerzte. Ich fühlte mich gedemütigt. Und unter Druck gesetzt.

Wie konnte sie sich nur trauen, mir vor Augen zu treten, nachdem sie mich mit einem fürchterlichen Abschiedsbrief verlassen und aus ihrem Leben ausgeschlossen hatte? Schämte sie sich denn nicht für das, was sie getan hatte? Genau deswegen war sie doch gegangen.

"Celia!", stellte sich diese wundervolle Frau absichtlich in den Mittelpunkt, weil das Schweigen erstickend wurde. "Ich bin Celia." Manchmal bedauerte ich es, dass sie nicht zu jedem gleich von Anhieb ihre biestige Seite zu spüren gab, als sie noch dazu Amara die Hand entgegenstreckte.

Ich zuckte kaum merklich zusammen, als sich für drei Sekunden ihre Hände berührten. "Woher kennt ihr euch?", erkundigte sich Celia neugierig und richtete ihre Frage vor allem an mich. Sämtliche Alarmglocken schrillten in mir. "Amara ist Grays Cousine. Daher kennen wir uns."

Die Lüge hinterließ einen bitteren Nachgeschmack auf meiner Zunge. Warum hatte ich das nur gesagt? Es gäbe unzählige andere Antworten, die als eine Halbwahrheit gelten könnten. Gray würde mich heute noch windelweich prügeln. Er hasste es zu lügen und nun war es seine Pflicht.

Amara suchte sofort meinen Blick, den ich streng erwiderte. Sie schien nicht zufrieden über meine Verleugnung. Es interessierte mich dennoch kein Stück, wie sie sich jetzt fühlte. Ihr war es schließlich genauso egal gewesen, wie ich empfinden würde, als sie mir mit Reece fremdgegangen war.

Meine Augen warnten sie, dass sie besser mitspielen sollte. Zu ihrem Glück und meiner Erleichterung schluckte sie es mit einem Schmunzeln runter und nickte unbeirrt. "Wir sind Kindheitsfreunde. Bevor ich wegzog, gab es uns nur im Dreierpack." Das war nicht gelogen.

Reece hatte auch zu dieser Freundesclique gehört. Er war mein bester Kumpel gewesen, wir waren so eng miteinander. Bis er mir knallhart in den Rücken fiel. Damals war ich zu naiv und erkannte nicht, dass er und Amara schon immer eine gewisse Schwäche füreinander hatten.

Der Gesichtsausdruck meiner Freundin wies kein Misstrauen oder Skepsis vor, wofür ich unglaublich dankbar war. Eifersüchtig wirkte sie auch nicht. Andererseits war sie Celia. Wenn sie wollte, könnte sie ihre wahren Emotionen gut verbergen und ihre Mitmenschen täuschen.

Diese Frau könnte es gewittern lassen und jeden, den sie nicht würdigte, die Hölle auf Erden bereiten. Vielleicht war es gar nicht so abwegig, ihr zu vermitteln, dass Amara ihre Sympathie und Achtung kein bisschen verdiente. Sie würde es schaffen, sie auf ewig von mir fernzuhalten.

War ich bescheuert? Celias klingelndes Handy riss mich augenblicklich zurück in die Gegenwart und vertrieb jeden doch so lächerlichen Gedanken, bevor es sich verschlimmern konnte. Reiß dich zusammen, Mann. "Entschuldigt mich kurz." Ihr Pullover entriss sich mir und ich schluckte.

Amara kam mir in selber Sekunde einen Schritt näher, als hätte sie bloß sehnsüchtig auf Celias Abgang gewartet. Ihr Haar war kürzer, ihre Haut blässer. Und sie trug denselben Duft, den ich an ihr geliebt hatte. Ihre Präsenz, ihre Aura beeinflusste widerstandslos weiter meinen Körper.

"Du siehst verändert aus." Ich antwortete nicht. "Kommt es mir nur so vor, oder hast du trainiert?" Sie ignorierte die bedrückende Spannung zwischen uns, als wären wir immer noch die besten Kindheitsfreunde. Ihre Hand betatschte nur kurz meinen Oberarm und ich reagierte.

Ich wies sie ohne zu zögern grob zurück. Sie zuckte zusammen. "Was willst du hier?" Die Stelle, die ihre Finger berührt hatten, brannte unangenehm. Und doch hatte ihre Unverfrorenheit einen Schalter in mir umgelegt. Der Nebel in meinem Kopf verzog sich. Ich konnte rationaler denken.

"Ist das nicht offensichtlich?", erwiderte sie- nicht mehr ganz so munter wie noch vor einigen Sekunden. Im Gegenteil. Sie klang enttäuscht. "Ich will mich dir erklären. Was damals..." Ich fiel ihr auf der Stelle ins Wort, weil ich nicht aus ihrem Mund hören wollte, was geschehen war.

"Lass es gut sein, Amara." Es interessierte mich nicht, was sie jetzt noch zu mir zu sagen hatte. Dieser Zug war abgelaufen. Ich suchte keine Antworten mehr. Ihre Beweggründe für unsere Trennung wurden nach und nach unwichtiger, bis sie mir gänzlich gleichgültig wurden.

Etwas spiegelte sich in ihren braunen Augen. Ich kannte diesen Ausdruck. Sie war kurz davor, Tränen zu vergießen. "Ich will, dass du verschwindest." Die erste Träne folgte und ließ mich kalt. "Geh!", forderte ich nachdrücklich, als sie noch immer keine Anstalten machte, fortzugehen.

Amara nickte langsam. "Wie du wünscht, Cole." Sie schulterte ihre Tasche und straffte wieder die Schultern. "Ich verlasse vielleicht den Laden, aber nicht die Stadt. Ich gehe nirgendwohin, bis du dir angehört hast, was ich zu sagen habe. So einfach gebe ich dich nicht auf. Das verspreche ich."

Ich starrte ihr lange nach, obwohl sie längst gegangen war. Ihre Worte hallten unaufhörlich in meinem Kopf, trieben mich in den Wahnsinn. Ihr verdammter Duft lag weiter in der Luft, dass ich mich zwingen musste, den Raum zu wechseln. Ich war wütend, hilflos und planlos zugleich.

Was würde nur mit mir geschehen, wenn ich Amara ständig über den Weg laufen würde? Ich fürchtete mich davor, dass vergessene Gefühle aufkamen. Gefühle, von denen ich geglaubt hatte, sie nie wieder für diese Frau empfinden zu müssen. Fuck. Ich bin sowas von am Arsch.

"Liebling, wir müssen das Essen leider ausfallen lassen", kam mir plötzlich Celia hysterisch entgegen. Scheiße, nun meldete sich auch mein schlechtes Gewissen wieder. Noch drängender und stärker als zuvor. "Suela braucht meine Hilfe. Ich fahre jetzt los und melde mich später."

Sie gab mir einen kurzen Abschiedskuss auf die Lippen, während sie mir den Ladenschlüssel in die Hand drückte. Danach war sie weg. Ich hatte mir geschworen, Celia nie wieder anzulügen. Und vorhin hatte ich ihr wegen einer anderen Frau diese widerliche Lüge aufgetischt. "Fuck!"

Gray. Ich musste Gray treffen. Jetzt sofort. Nachdem ich eilig meine Sachen gesammelt, alle Lichter ausgeschaltet und das Butterfly's abgeschlossen hatte, stieg ich in meinen Wagen ein. Ich fuhr mit rasender Geschwindigkeit die Straßen entlang, bis ich an seiner Wohnung ankam.

"Ich habe dich schon beim ersten Klopfen gehört, kein Grund die beschissene Haustür zu demolieren!" Und im selben Moment fiel mir wieder ein, dass ich den Ersatzschlüssel für sein Zuhause besaß. "Cole, du siehst so aus, als hättest du einen verdammten Geist gesehen!"

Ich bekam das Gefühl, als könnte ich erst jetzt aufatmen, so als wäre ich die ganze Zeit über unter Wasser gewesen und hätte nach qualvoller Zeit die Oberfläche wieder erreicht. Denn hier war nicht die Furie Amara, die mich dazu gebracht hatte, meine Beziehung aufs Spiel zu setzen.

Mein bester Freund sah mich drinnen verwirrt und erschrocken an. Zuletzt hatte er mich so aufgelöst erlebt, als ich ihren Teufelsbrief auf meinem Bett vorgefunden hatte. Ich wollte hieraus keine Raterunde machen, weswegen ich sofort mit den Fakten herausrückte. "Sie ist zurück."

Es brauchte nicht die Erwähnung ihres Namens, er wusste sofort, wen ich meinte. "Bist du dir sicher? Vielleicht hast du sie nur verwechselt." Ich schüttelte energisch mit dem Kopf. Ich wünschte, es wäre nur Einbildung gewesen, denn das hätte nicht so unerträglich wehgetan.

Ich benötigte einen starken Drink. So wie immer, wenn ich nicht wusste, wohin mit meinen Emotionen und Gefühlen. In diesem Moment war ich dankbar dafür, dass Gray bei sich zu Hause diese bewundernswerte kleine Bar hatte. Dort stand alles, was mich bestens betäuben könnte.

"Hast du sie gesprochen?", wollte er anschließend wissen, merklich überfordert mit meiner Information. Ich nickte, während ich mir in ein Glas etwas von dem Zeug einschenkte. "Sie war im Butterfly's und wollte, dass ich sie anhöre, aber ich habe sie weggeschickt. Es ging nicht."

Gray atmete hörbar aus und drehte Kreise, bevor er seine nächste Frage aussprach. Ob Celia dabei war. Das veranlasste mich wiederum dazu, das Glas in einem Zug auszuleeren. Es hinterließ ein Brennen in meiner Kehle, spülte jedoch nicht den beschissenen Schmerz weg.

"Sie hat Amara kennengelernt", schlussfolgerte Gray, somit ich ungemein erleichtert war, weil er keine weiteren Erklärungen benötigte. Meine Finger umfassten das Whiskyglas stärker, als mir wieder bewusst wurde, dass ich ihm auch meinen Fehler offenbaren musste. "Als deine Cousine."

Er machte keinen fragenden Ausdruck, sondern schien ernsthaft verärgert, was bedeutete, dass er begriff, was ich getan hatte. "Willst du mich eigentlich verarschen?" Das Brennen in meiner Kehle würde gleich nicht das Einzige sein, was ich physisch spüren würde. "Schon wieder?!"

Ich trat einen Schritt zurück und hob abwehrend die Arme. "Ich hatte Panik und wollte nicht, dass Celia auf dieser Weise von meiner verkorksten Vergangenheit mit Amara erfährt!" Mir war bewusst, dass das keine Rechtfertigung war. "Ach, du hast sie also auch noch extra angelogen?"

Schweigend dazustehen war nicht meine beste Lösung. "Cole, du warst völlig fertig, als du Celia das erste Mal angelogen hast." Es war so scheiße ätzend, dass mich dieser Kerl immer in solchen Situationen an die Momente in meinem Leben erinnerte, die ich am liebsten vergessen wollte.

"Stell dir doch vor, was passieren wird, wenn du diese Lüge auch noch wochenlang durchziehen musst. Das wird dich und deine Beziehung zu Celia ruinieren." Er sollte bitte nicht das laut aussprechen, was ich mir noch nicht eingestehen wollte. "Nein, ruiniert wird hier gar nichts!"

"Warum? Hast du etwa jetzt gleich vor, ihr sofort die Wahrheit zu erzählen, bevor es überhaupt eskalieren kann?", entgegnete Gray trocken und ich ertappte mich dabei, wie ich das Gegenteil davon vorhatte. "Das habe ich nicht sagen wollen...", murmelte ich und mied den Blick zu ihm.

Als ich ihm nicht mehr ausweichen konnte, landete seine Hand für Millisekunden klatschend an meinem Nacken und ich war ihm für diesen Schlag äußerst dankbar. Anders verdiente ich es nicht. "Scheiße Mann, ich kenne Celia nicht gut genug, aber das wird sie gar nicht erfreuen."

Wenn sie mitbekam, dass ich sie absichtlich angelogen hatte, nur um ihr meine Exfreundin zu verschweigen, würde sie es mich büßen lassen. Eine andere- genauer gesagt friedliche Reaktion erwartete ich gar nicht. Und trotzdem hatte ich mich ins Feuer gestürzt. War ich etwa lebensmüde?

"Gut, ich weiß, dass ich einiges falsch gemacht habe, aber bitte spiel mit. Wenn irgendjemand fragt- völlig egal, ob es Celia oder Suela ist-, sagst du ihnen, dass Amara nur deine Cousine ist", setzte ich schließlich wieder zu Sprechen an und schluckte schwer. "Lass den Rest meine Sorge sein."

Gray blinzelte perplex mit den Augen, so als könnte er nicht nachvollziehen, was ich da von mir gab. "Du erwartest von mir, dass ich für dich meine Freundin belüge?", mit dieser Reaktion hatte ich schon gerechnet. "Ist dir klar, dass du mich damit ebenso in eine schwierige Situation bringst?"

Aber auch nur, weil er ein miserabler Lügner war. Wenn er log, endete es immer damit, dass er aufflog, denn sein nervöses Gebrabbel und seine schwitzige Haut verrieten ihn. Ich begriff nicht mal, warum ich ihn anflehte. Gray mochte sauer sein, doch er würde mich nie im Stich lassen.

"Ganz ehrlich, jegliche Scheiße in meinem Leben, die passiert oder passieren wird, habe ich nur dir zu verdanken", seufzte er im nächsten Augenblick ergeben aus, was mir verdeutlichte, dass ich auf ihn auch dieses Mal zählen konnte. Ich grinste. "Und trotzdem liebst du mich abgöttisch."

"Jetzt gerade will ich die Scheidung, du Arschloch", erwiderte er grimmig, was mich dazu veranlasste, laut aufzulachen. "Deinetwegen muss ich jetzt so tun, als würde ich diese Furie mögen." Ich verstand seinen Ärger, das tat ich wirklich. An seiner Stelle wäre ich ebenfalls angepisst.

"Nicht, wenn wir sie als deine verhasste Cousine darstellen", versuchte ich es schön zu reden, doch Gray blieb unbeeindruckt. "Nicht hilfreich." Ich nickte und wir beide wurden wieder ernster. "Versprochen, gib mir nur ein wenig Zeit und ich bringe das alles hier in Ordnung."

Er legte die Hand auf meine Schulter. "Daran zweifle ich doch gar nicht." Das sanfte Lächeln dauerte nicht lange an. "Aber ich weiß, was Amara mit dir anstellen kann. Daher möchte ich, dass du in ihrer Gegenwart bloß nicht unüberlegt handelst. Sonst leidest wieder nur du, mein Freund."

Gray hatte verdammt nochmal Recht mit seinen Worten und ich musste auf ihn hören. Es war pure Vorsicht geboten. Wenn ich nämlich nicht aufpasste, lag zwischen mir und meiner Celia schon bald ein unsichtbarer Countdown, der die Tage zählte, bis sie mich endgültig verließ.

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