Thirteen

Die Rückfahrt verlief angenehm schweigsam. Cole musste nach Hause, das Zeug seiner Großmutter bringen und wollte zudem nachsehen, wie es ihr den ganzen Tag über ergangen war, weswegen wir ausgemacht hatten, das Videoband später gemeinsam anzusehen.

Erschöpft schlenderte ich hinauf in mein Zimmer, legte meine Tasche beiseite und ließ mich blindlings auf mein Bett fallen. Mir hatten meine geliebten vier Wände gefehlt. Dank der ganzen Aufregung heute konnte ich mir erst jetzt ein wenig Ruhe gönnen.

Ich ließ den Tag in Revue passieren und fasste nicht, dass ich anhand des USB-Sticks in meiner Tasche, der toxischen Beziehung meiner besten Freundin jederzeit ein Ende setzen konnte. Es war eigenartig, zu wissen, dass man derartiges unter seiner eigenen Kontrolle hatte.

Erst vor einer Stunde hatte mich Venora gefragt, was sie Reece denn am besten schenken sollte. Anschließend bat sie mich um Rat bezüglich ihres Outfits. Mir wurde übel, sobald ich daran zurückdachte, wie sehr sich meine Süße auf ihr Dreijähriges mit ihrem Arschloch-Freund freute.

Der Jahrestag war in fünf Tagen, was hieß, dass ich entweder diesen verhindern würde, indem ich ihr so schnell wie möglich die Aufnahmen zeigte, auf der Reece mit einem anderen Mädchen turtelte, während sie ahnungslos am Arbeiten war oder ich ließ durch Zögern ihr Dreijähriges zu.

Welche Entscheidung ich auch treffen würde, letztendlich beichtete ich Venora sowieso die unerfreulichen Tatsachen. Sie musste erfahren, dass ihr- hoffentlich bald Ex-Freund- untreu war. Sie sollte keine weiteren Versuche in eine Liebe investieren, welche bloß einseitig existierte.

Ugh, ich war drauf und dran, eine Beziehung- wenn auch mit guten Absichten- zu ruinieren, die nicht einmal meine eigene war. Und das, obwohl Nora mir ausdrücklich gesagt hatte, dass Suela und ich uns nicht einmischen sollten. Sie würde mich sicherlich dafür hassen.

Diese Ironie; Obwohl Reece der Bösewicht in dieser Geschichte war, kam ich mir stattdessen wie ihr größter Feind vor. War das aber nicht schwachsinnig? Schließlich machte ich nichts falsch, indem ich Nora mit der bitteren Wahrheit konfrontierte.

Ich merkte, dass ich nicht mehr überzeugt von meinen Taten war, sondern diese anzweifelte. Das war überhaupt nicht typisch Celia. Immerhin war ich nie jemand gewesen, der sein Handeln im Nachhinein bereute. Ich stand sowohl zu meinen Fehlern als auch zu meinen Misserfolgen.

Doch heute war etwas anders- ich war anders. Ich hatte weder das eine noch das andere begangen und erlitten und trotzdem konnte ich meinen Triumph, den ich Reece gegenüber empfinden sollte, nicht genießen. Meine Gedanken an Venora hinderten mich nämlich dabei.

Jetzt wurde mir auch bewusst, dass ich eigensinnig gehandelt hatte. Dass ich diese Aktion ausführte, um Nora die Augen zu öffnen, war bloß ein Teil von dem, was ich mir eigentlich damit erhofft hatte. Denn insgeheim wollte ich Reece die ganze Zeit über nur eins auswischen.

Meine Abneigung, die sich mit dezentem Hass vermischt hatte, wuchs Tag für Tag immer mehr, allein nur weil ich von ihm hörte oder ihn sah. Seinetwegen hatte ich Venoras Gefühle weniger berücksichtigt, als nötig. Mir kam nie in den Sinn, dass sie als das vielleicht gar nicht wollte.

Dementsprechend dachte ich nur, sie sei einer ätzenden Naivität verfallen, somit ich ihr wegen meines Eigenwillens eine wichtige Entscheidung nahm, die sie hätte alleine treffen dürfen. Es war, als würde mein Gewissen schreien- mir lauter hässliche Vorwürfe machen. Was zur Hölle...

Das Klingeln meines iPhones bestätigte mir, dass ich nicht vollkommen gefangen in diesen selbstzerstörerischen Gedanken war und immer noch Dinge von außen wahrnehmen konnte. Seufzend rappelte ich mich auf, las Suelas Namen auf dem Display und nahm ab.

"Celia, ich habe den Eindruck, dass etwas bei dir nicht stimmt", schimpfte sie auch schon, wahrscheinlich weil ich mich bei ihr nicht gemeldet hatte. Normalerweise schrieben wir uns nämlich oder riefen mindestens einmal an. Doch heute geschah weder das eine noch das andere.

Meine Vermutung bestätigte sich sogleich, als Suela fortfuhr. "Du hast nicht auf meine Nachricht von gestern reagiert, warst nicht auf Instagram aktiv und auf Snapchat wurde mein Snap immer noch nicht geöffnet. Und ich bekam auch keinen Anruf. Ich will Details, Mädchen."

"Dir auch Hallo, du Stalker!", begrüßte ich sie halbherzig lachend, zumal ich ihren Ärgernis für durchaus berechtigt hielt. "Deinetwegen bin ich beinahe vor Langweile gestorben!", jammerte sie theatralisch betroffen. "Deswegen solltest du mir jetzt ganz schnell von deinem Tag erzählen."

"Gott bewahre, sag so etwas doch nicht!", meinte ich sofort mahnend wegen ihres ersten Satzes, worauf sie bloß von sich einen gleichgültig gemeinten Laut gab. Ich hatte Suela nichts von all dem erzählt, da ich mich zuerst absichern wollte, also war sie genauso unwissend wie Venora.

Schuldbewusst, insbesondere weil ich mir ihre Reaktion gut vorstellen konnte, spielte ich nervös an dem Kleeblatt meiner Halskette. "Ich habe mich mit Cole, was sich aber nur aus Zufall ergeben hat, in Noras Beziehung eingemischt und kann jetzt beweisen, dass Reece ihr fremd geht."

Oh heilige Mutter Maria, tat es gut, endlich mit Suela darüber sprechen zu können. Es herrschte jedoch für mehrere Sekunden Stille am anderen Ende der Leitung, weswegen meine Verunsicherung anstieg. "Hallo?", fragte ich demnach kleinlaut.

Plötzlich piepte es zweimal, was bedeutete, dass sie auf Videochat umwechseln wollte. Auf der Stelle willigte ich ein. Mit finsterer Miene blickte die Blondine mir entgegen. Sie lag eingekuschelt und in ihrem süßen Pyjama, das mit Alpakas gemustert war, im Bett.

"Wie darf ich jetzt deinen Ärger verstehen?", entfuhr es mir zögerlich, bevor ich mich an das Kopfende meines Bettes gegen mein Kissen anlehnte. Hinterher stellte ich mein Handy üblicherweise in eine gute Position, um es nicht das ganze Gespräch über halten zu müssen.

Auf spanisch beleidigte sie mich als dummes Huhn, worauf ich scharf die Luft einzog. "Guck nicht so doof, du hast unsere Abmachung einfach vergessen", hielt sie mir eingeschnappt vor. Dafür konnte ich sie nicht einmal verurteilen. Es stimmte nämlich, das hatte ich.

"Warte, du bist nicht sauer, weil ich mich trotz Noras Verbot eingemischt habe?", bemerkte ich im selben Moment, wobei ich sie verwundert ansah. "Nö, ich bin angepisst, weil du dich mit Cole alleine darum gekümmert hast. Wir wollten Reece doch gemeinsam aus unserem Leben kicken!"

Huh, hier lief gewaltig etwas falsch. Wieso hatte ich ein schlechtes Gewissen, hingegen Suela, die eigentlich immer ein Moralapostel war, meine Taten für in Ordnung hielt? Anscheinend wollte sie Reece so sehr loswerden, dass es ihr schlichtweg egal war, wie wir vorgingen.

"Was ist los, Celia?", merkte Suela mir meine Zweifel an, ihr Ton wurde wieder hörbar sanfter. Besorgt musterte sie mich. "Ich bin mir nicht mehr sicher in dem, was ich getan habe. Schließlich habe ich Noras Beziehung gefährdet, falls sie Schluss machen, dann meinetwegen."

Sie schüttelte ihren Kopf. "Quatsch, die Beziehung ist sowieso zum Scheitern verurteilt. Was du getan hast, war richtig. Nora muss endlich sehen, mit was für einem Schwein sie zusammen ist. Es mag hart klingen, aber Reece liebt sie nicht so wie sie ihn liebt. Zeit, ihr das einzutrichtern."

Ihre Worte munterten mich ehrlich gesagt auf. Ihre Zustimmung zu bekommen, war schon immer mein Anhaltspunkt gewesen. Auch wenn ich manchmal- okay, so gut wie nie- auf sie hörte, lag mir nichts desto trotz ihre Meinung am Herzen.

"Wie kannst du denn überhaupt seinen Seitensprung beweisen?", erkundigte sie sich daraufhin neugierig. Ich fing an zu grinsen. "Cole hat sich in die Videokameras gehackt und uns so die Aufnahmen beschaffen. Frag mich nicht, wie er das hinbekommen hat. Keine Ahnung."

Sogleich weiteten sich überrascht ihre Augen, dicht gefolgt von einem ungläubigen Auflachen. "Ich muss zugeben, was ihr getan habt, war nicht unbedingt richtig, geschweige denn erlaubt, aber trotzdem bin ich froh, dass ihr überhaupt handfeste Beweise in eurem Besitz habt."

Na also, da war wieder die moralisch richtig handelnde Suela. Und doch neigte sie zu derselben Denkweise wie ich; Ein weiterer Grund, wieso unsere Freundschaft so gut funktionierte. "Das war der Plan gewesen. Und wie gesagt, ich hatte nie vor, Cole da einzumischen. Ich hätte nicht einmal erwartet, dass er mir seine Hilfe anbietet."

"War er etwa dabei, als du Reece beim Fremdgehen erwischt hast?", vermutete sie, was ich mit einem Nicken bestätigte. "Und weißt du, was der Knaller dabei ist? Reece ist sein Großcousin und die beiden Jungs hassen sich. So viele Zufälle auf einmal", erzählte ich ihr aufgeregt.

"¿Bromeas, verdad?", stieß Suela erstaunt aus, während sie sich instinktiv mit dem Gesicht der Kamera annäherte. "Nein, ich mache keine Witze. Cole war wirklich angepisst, so wütend habe ich ihn nicht mal dann erlebt, als dieser Miguel ihn meinetwegen vermöbelt hat."

Die Blondine nickte verstehend, ihr Gesicht hatte wegen meines letzten Satzes einen belustigten Ausdruck angenommen. "Ich merke, ihr versteht euch allmählich immer besser", lenkte sie anschließend das Thema in eine Richtung, von der ich mir nicht sicher war, ob ich in diese auch gehen wollte.

Trotzdem bejahte ich wahrheitsgemäß, wollte aber nicht mehr dazu sagen. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln. "Du findest Gefallen an ihm", stellte sie ruhig fest. Ich kam nicht gegen das Lächeln an, welches sich anhand ihrer Worte sofort auf meine Lippen stahl.

"Ich muss jetzt auflegen, Suela", weigerte ich mich jedoch weiterhin, genauer darauf einzugehen, zumal meine Mimik ohnehin schon zu viel verriet. Sie lachte amüsiert auf. "Gut, ich habe sowieso noch ein Date mit der fünfzehnten Staffel von Grey's Anatomy."

Allwissend nickte ich grinsend, weil sie sich schon seit Wochen darüber aufregte, dass sie keine Folge weiterschauen konnte. Jetzt wo sie endlich die Zeit dazu gefunden hatte, wollte ich dem nicht im Weg stehen. Da fiel mir ein, ich musste ebenfalls ordentlich an Folgen nachholen.

"Ach und Celia? Bevor du Nora alles erzählst, will ich auch die Aufnahmen sehen. Mach bitte nichts mehr, ohne mich zuerst einzuweihen." Das hatte ich sowieso vor, das nächste Mal würde ich ihr sofort Bescheid geben. "Natürlich, wir sprechen uns morgen wieder. Sei dir da sicher."

Mit einem deutlich besseren Gefühl, da ich dank ihr wieder überzeugt von der Richtigkeit meiner Tat war, lief ich wenig später frisch gekleidet nach unten in die Küche. Ich setzte heißes Wasser auf, weil ich Tee trinken wollte, lehnte mich anschließend gegen den Tisch und atmete aus.

Nach all dem, was heute geschehen war, war der Kräutertee das perfekte Mittel zur Entspannung. Meine Füße schmerzten immer noch, zumal Cole mich in London gezwungen hatte, von einer Ecke zur nächsten zu laufen- Ohne Pause. Nur, weil wir das Geschäft für Strickwaren nicht sofort fanden.

Er lebte hier zwar viel länger als ich, aber trotzdem war Orientierung keins seiner Stärken. Denn letztlich entdeckte ich den gesuchten Ort, worauf ich mir jedoch zu meinem Leidwesen seine Rechtfertigungen anhören musste, von wegen er hätte bloß die Adresse vergessen.

Unter anderem entwickelte sich daher auch meine schlechte Laune, die Cole aber ein kleines bisschen wieder heben konnte, indem er mir einen Kaffee spendierte. Der Kerl war eben schlau genug, um zu merken, dass ich, ohne den Koffein intus, zu einer launischen Zicke mutierte.

Im selben Moment erhielt ich von ihm eine unerwartete Nachricht, in der er fragte, ob er wegen des Videos noch rüberkommen sollte oder es bereits zu spät dafür war. Wenn man schon lächelnd vom Teufel denkt. Es war erst neunzehn Uhr, draußen war es noch nicht einmal dunkel.

"Komm rüber", antwortete ich deshalb kurz und knapp, und konnte dabei nicht leugnen, dass mich sein Besuch insgeheim freute. Mir würde nicht langweilig werden, so viel stand fest. Bevor er kam, bereitete ich meinen Tee vor und stellte auf dem Handy einen Timer für die Ziehzeit.

Ich sah nach meinen Eltern, um sicherzugehen, ob ich das Haus für mich alleine hatte oder nicht. Mamá entdeckte ich im Wohnzimmer, sie schaute sich die Folgen ihrer spanischen Liebeskomödie im Internet nach, also nahm sie alles andere um sich nicht wahr.

Da wunderte es mich nicht im Geringsten, dass mein Vater nirgends zu sehen war. Sein Auto stand nicht geparkt im Vorhof, also musste er unterwegs sein. Der Tatsachen nach würde also keiner mitbekommen, dass ich Cole zu Besuch hatte.

Nicht, dass das verboten war, aber ich wollte mir die Fragen meiner Eltern wirklich ersparen. Insbesondere die von meiner Mutter. Schließlich spielte sie in meiner Nähe jedes Mal auf den- ich zitierte- hübschen Nachbarsjungen an, seit Cole und ich miteinander mehr unternahmen.

Die Tür klingelte, rasch eilte ich dorthin und blickte anschließend in seine grauen Augen, die förmlich strahlten. Kein Wunder, immerhin stand ich vor ihm. "Wieso die Chips und die Salzstangen?", wollte ich die Stirn runzelnd wissen, bevor ich ihn eintreten ließ.

"Wir werden es brauchen, vertrau mir", erwiderte Cole in bester Laune, während er sich die Schuhe auszog. Ich musterte ihn genauer und merkte, dass er seine Kleidung in etwas gemütlicheres umgetauscht hatte. Er trug wie ich eine schlichte Jogginghose mit einem einfarbigen Hoodie.

Ich wollte weiter nachhaken, doch Coles Gesicht nahm sofort einen komischen Ausdruck an, als er mich anschaute. "Ist was?", fragte ich verunsichert, und fasste nicht, wie schnell er mich anhand nur eines Blickes aus meiner selbstsicheren Fassung bringen konnte.

"Du siehst verändert aus", behauptete er nachdenklich, wozu ich die Augenbrauen enger zusammenzog. "Verändert? Du hast mich doch erst vor einer Stunde zuletzt gesehen." Cole nickte eifrig. "Aber da hat nichts an dir gefehlt. Jetzt siehst du so... nicht komplett aus."

Für einen klitzekleinen Moment ließen mich seine Worte stutzen, zumal ich absolut nicht raffte, was er mir zu sagen versuchen wollte, bis ich wie aus dem nichts herzlich anfing zu lachen. "Nicht komplett?", hinterfragte ich sein- überaus einfallsloses- Vokabular.

Auch Cole merkte, wie bescheuert das klang, weshalb er grinste und über meine Reaktion, oder über sich selbst, den Kopf schüttelte. Im selben Augenblick klingelte der Timer für mein Tee. "Bin gleich zurück. Überleg du schon mal, was an mir so anders ist, ich will es nämlich wissen."

Daraufhin dirigierte ich ihn hinauf in mein Zimmer, mit den Worten, einmal geradeaus und dann links, ehe ich in die Küche lief, um meine Teetasse zu holen. Ich konnte es nicht lassen und musste einfach überlegen, was er eben gemeint haben könnte. Inwiefern sah ich verändert aus?

Ich sollte mich glatt dafür schlagen, dass ich mir wegen so einem irrelevanten Kommentar, den Kopf zerbrach, nur weil Cole diesen geäußert hatte. Mein Haar verdeckte mein klares Sichtfeld, weswegen ich sie seufzend nach hinten strich. Ohne mein Haarband waren sie nie zu bändigen.

Ich spürte unter meinen Fingern nur meine Locken, statt das übliche Stoff, das ich immer außerhalb trug. Jetzt wusste ich auch, wieso ich in seinen Augen anders gewirkt hatte. Er kannte mich gar nicht ohne, denn für gewöhnlich legte ich erst zu Hause mein ganzes Accessoire ab.

Mit meiner Teetasse machte ich mich ebenfalls auf den Weg nach oben, wo ich von Cole mit meinem dunkelblau farbigen Haarband in seiner Hand begrüßt wurde. Demonstrativ hob er das Teil, das ich während unseres Plans getragen hatte, in die Höhe. "Das war es, was gefehlt hat!"

"Ich weiß nicht, ob ich es beleidigend aufnehmen soll, dass du zuerst das Haarband sehen musstest, um dich wieder an die Antwort erinnern zu können", erwiderte ich, nahm einen Schluck von meinem, bereits lauwarmen, Tee und schloss anschließend die Tür hinter mir zu.

"Wieso denn? Dass ich überhaupt bemerkt habe, dass an dir etwas anders ist, beweist nur, wie sehr ich dich beachte", entgegnete Cole verschmitzt lächelnd, wodurch er mir einen überraschten Laut entlockte. "Was heißt hier überhaupt?", wollte ich wissen.

Langsam bewegte er sich auf mich zu, ich konnte von dieser Nähe aus sein Parfum riechen, das ich anfangs unerträglich fand. "Normalerweise können sich die Frauen überhaupt glücklich schätzen, dass ich mich noch an ihren Namen erinnern kann. Manchmal funktioniert selbst das nicht mehr."

"Charmant", äußerte ich trocken. Aus irgendeinem Grund blendete ich, wenn auch für eine kurze Zeit, diese Arroganz an ihm aus. Aber ob mich diese Aussage verblüffte? Ganz und gar nicht. Diese Antwort war eine, die sowohl zu Cole als auch umgekehrt zu mir passte.

"Du erwartest jetzt bestimmt, dass ich mich nun besonders fühle, weil du meine ausmachenden Details als Menschen bemerkt und im Kopf behalten hast", setzte ich erneut zu Sprechen an, trank seelenruhig aus meinem Tee und wartete auf eine Reaktion seinerseits. "Ich gehe davon aus, ja."

Abfällig lachte ich auf, was er mit einem fragenden Blick kommentierte. "Das ist doch nichts beeindruckendes, sondern Selbstverständlichkeit. Schließlich bin ich eine junge Frau, dessen Name und Anblick in aller Köpfe der Männer präsent bleibt. Und du, Cole, bist der lebende Beweis dafür."

Ich liebte den sprachlosen Anschein, den er gerade wegen meiner Worte machte. Er hatte sicherlich die gleiche Ansicht hierbei, dass es wirklich vorteilhaft war, dass wir fast schon dieselbe Schlagfertigkeit und Arroganz teilten, denn nur so blieben unsere Gespräche weiterhin reizvoll.

Es war für mich von Anfang an klar gewesen, dass Cole niemand war, der einem Honig ums Maul schmierte, um die Person für sich zu gewinnen. Er drückte sich klar, ehrlich und wie er selbst aus. Das war es, was mich an ihm faszinierte und beeindruckte. Das sagte ich ihm nur nicht.

Wie als hätte ich ihn eben nicht aus seinem Konzept gebracht, fragte ich anschließend neutral nach, ob er mir nicht mein Haarband zurückgeben wollte. "Nein", antwortete Cole dreist. Sofort starrte ich ihn völlig verdattert an. "Wenn du es zurück willst, musst du es dir schon verdienen."

"Bist du doof oder so? Gib mir auf der Stelle mein Haarband zurück!", versuchte ich es aus seiner Hand zu entreißen, aber reflexartig hob Cole seinen Arm in die Höhe, somit ich erst recht nicht heran kam und entfernte sich von mir. Dieser verdammte...Qué mierda!

Meine danach folgenden schwachen Versuche, zumal ich darauf achtete, nicht meinen Tee zu verschütten, brachten nichts, denn er war mir immer einen Schritt voraus. So als wären ihm meine Bewegungen bereits vorhersehbar. "Cole, mach mich nicht wütend", zischte ich.

"Ich merke schon, bei deinen Haarbändern hört bei dir der Spaß auf", äußerte sich der Idiot belustigt. Bestätigend nickte ich, streckte erneut fordernd meine Hand aus, aber er weigerte sich weiterhin stur und gab das Ding einfach nicht her. "Schön, wie du willst", atmete ich gereizt aus.

Erwartungsvoll sah er mir dabei zu, wie ich die Tasse neben die Snacks auf den Schreibtisch stellte. "Wir müssen uns noch das Video ansehen, also habe ich den ganzen Abend Zeit, um das zu nehmen, was mir gehört", sprach ich, die Augen zu Schlitzen verengt, wobei mir Cole grinsend Recht gab.

Mit dem USB-Stick und meinem Laptop bewaffnet, gesellte ich mich zu ihm auf das Bett. Er hatte sich seitlich hingelegt und stützte sich auf seinem Ellbogen. Mit der anderen Hand spielte er wie ein Vollidiot mit meinem Haarband, indem er es wie eine Fahne in der Luft schwang. Hinterher bewunderte er das Muster.

Ohne seiner Absicht Beachtung zu schenken, steckte ich den Stick ein und versuchte, die Videodatei zu öffnen. "Ist der ganze Zeitraum drauf, in der Reece im Coffeeshop war?", konzentrierte ich mich schließlich wieder auf das eigentliche Problem. "Ja, alles, was wir dort nicht sehen konnten."

Etwas nervös ließ ich schließlich die Aufnahme laufen. Wie gebannt starrten wir beide den Bildschirm an, nur um festzustellen, dass in den ersten Minuten absolut nichts relevantes passierte. "Lass uns vorspulen", beschloss Cole und bediente sogleich die Tatstatur des Laptops.

"Stopp, stopp, stopp!", unterbrach ich ihn wenige Sekunden danach energisch, weil ich glaubte, Reece und das Mädchen in einer Abstellkammer gesehen zu haben. Ich irrte mich nicht, denn als das Video wieder seine normale Wiedergabegeschwindigkeit annahm, hatten wir genau das vor Augen.

"Oh Mann, nicht sein scheiß Ernst. Er bringt wirklich die Abstellkammer-Nummer?", äußerte sich Cole als erstes dazu und schien unbeeindruckt, hingegen mich viel mehr störte, dass Reece überhaupt an diesem Weib rumfummelte. Es spielte doch absolut keine Rolle, wo er es tat.

"Ehrlich jetzt? Darauf achtest du?", erwiderte ich demnach verständnislos. "Dieses Arschloch betrügt da gerade meine beste Freundin!" Cole nickte eifrig. "In einer Abstellkammer von einem Coffeeshop! Das ist geschmacklos und absolut nicht mein Ding", ergänzte er genauso entsetzt.

Ich warf ihm einen Seitenblick zu. "Entschuldige, ich vergaß, dass du für derartige Momente Schiff- und Bootshäfen bevorzugst", brachte ich spottend hervor, wofür ich mir soeben einen abschätzigen Blick erntete. Ein schadenfrohes Grinsen schlich sich auf meine Lippen.

"Halt's Maul, Celia." Ohne die Augen erneut vom Bildschirm zu nehmen, gab ich ihm einen Schlag auf den Hinterkopf. "Rede anständig mit mir!", mahnte ich, augenblicklich äffte er diesen Satz ziemlich kindisch nach. Erst dann folgte sein schmerzerfülltes Stöhnen.

"Wieso müsst ihr Latinas immer so grob zu uns sein?", fragte Cole grimmig, während er sich den Hinterkopf rieb. Ich entschied, darauf nicht einzugehen. "Davon abgesehen, solltest du nicht den Ort ins Lächerliche ziehen, an dem wir unseren ersten Kuss hatten. Der ist magisch..."

Rasch schaute ich erneut zu ihm, wollte dazu etwas erwidern, aber hielt mitten in meiner Bewegung inne, als ich Zeuge davon wurde, wie er völlig dreist mein Haarschmuck um seinen Kopf wickelte und zuband. Scheiße, Cole sah mit meinem Bandana so unglaublich heiß aus.

"Was guckst du so verstört? Deinetwegen muss ich jetzt meinen Kopf schonen!", dramatisierte er absichtlich diesen leichten Schlag, statt zu merken, dass mich gerade völlig andere Gedanken beschäftigten. In diesem Augenblick war mir selbst sein provozierendes Gerede egal.

Die Erinnerungen an Bristol und die dazugehörigen Gefühle waren mit einem Mal wieder präsent. Mit ziemlicher Sicherheit verursacht durch seine Worte und der jetzigen Situation. Ganz gleich wie- Fakt war, dass es mir half, mir bei etwas wichtigem bewusst zu werden.

Schließlich verlor selbst das Video an Relevanz, denn alles, was ich jetzt tun wollte, war Cole näher zukommen. Ich hatte das starke Verlangen danach, meine Hände in seinen Locken zu vergraben, derweil wir unseren Kuss an diesem magischen Ort wiederholten.

Dem ging ich nach, da mein Verstand die Kontrolle meinem Herzen abgegeben hatte. Es war vielleicht nicht richtig, geschweige denn vernünftig, mit einem Kuss unsere Anziehungskraft zueinander zu bestärken, aber es war das, was ich insgeheim die ganze Zeit über wollte.

"Celia, ich weiß zwar nicht, was dir momentan durch den Kopf geht, aber es verunsichert mich", sprach der Schönling zögernd, derweil er sich sachte aufsetzte. Zur Antwort schenkte ich ihm nur ein warmes Lächeln, ehe ich näher an ihn heranrückte.

Ich war mir selbst nicht im Klaren, was mir sonst noch da oben herumschwirrte. Wie von selbst fanden meine Hände den Weg zu seinen Haaren. Ein wenig spielte ich mit seinen Locken, zog unter anderem das Bandana zurecht, weil er sich dieses unordentlich angelegt hatte.

Coles Augen wurden dunkler, er sah mich innig an, als er mich plötzlich auf seinen Schoß zog. Überrascht quietschte ich kurz auf, was er mit einem leichten Grinsen quittierte. Von der Zögerung war nichts mehr übrig geblieben. Er war sich wieder sicher bei dem, was er tat.

"Erleidest du gerade eine Kurzschlussreaktion? Denn eigentlich dachte ich, dass du eine gewisse Distanz einhalten wolltest", sprach er heiser. Schmunzelnd verschränkte ich meine Arme hinter seinem Nacken, während er seine Hände an meiner Taille platzierte.

"Und ich dachte, du hättest längst bemerkt, dass ich mittlerweile ganz andere Absichten habe. Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns innerhalb dieser Tage so nahe sind", erwiderte ich gedämpft und spürte, wie er zart den Stoff meines Hoodies hoch schob.

Er neigte den Kopf zur Seite. "War wohl nicht offensichtlich genug", flüsterte er dicht an meinem Ohr, bevor er dahinter einen sanften Kuss hauchte. Genießerisch schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf das wohlige Gefühl, das er mir anhand seiner Berührungen bescherte.

"Ich hoffe aber, dass du nicht auf dieser Weise versuchst, dein Haarband zurückzubekommen. Falls doch, spielst du mit wirklich unfairen Mitteln", gab er anschließend lasziv zu- dabei strichen mir seine Finger diesmal das Haar aus dem Gesicht, wofür ich ihm überaus dankbar war.

"Fairness und ich haben uns noch nie verstanden", entgegnete ich frech, denn wozu gerecht sein, wenn es auch anders funktionierte. Er schmunzelte. "Du bist wie das lodernde Feuer, Celia. Faszinierend schön, und doch so gefährlich. Genau das macht dich in meinen Augen unfassbar anziehend."

Wenige Zentimeter trennten uns, mein Herz klopfte wie verrückt, dass ich befürchtete, er könnte es schlagen hören. "Feuer kann kein anderes Feuer verbrennen, mi amor. Sie vereinigen sich und werden zusammen noch gefährlicher", ergänzte ich fieberhaft zu seiner wundervollen Metapher.

Coles ehrliches Lächeln war mein Stichwort, meine Finger in seinen Locken zu vergraben und endlich das zu tun, wonach ich mich ungemein seit unserer ersten Begegnung sehnte. Jegliche Distanz verschwand zwischen uns, als ich meine Lippen verlangend auf die seine legte.

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