Fourty three

C E L I A

Ich spürte, dass der heutige Abend ein bereichernder Abend werden würde. Ich würde mich nicht in Selbstmitleid und Kummer versenken. Es war an der Zeit wieder die Kontrolle über meine Gefühle zu ergreifen und die Celia zu werden, die nichts und niemand nieder kriegen konnte.

Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich ganz und gar bereit dazu war, heute Spaß zu haben, ohne mich dabei bremsen zu lassen. Mir gefiel, was ich sah. Ich hatte die dunklen Schatten unter meinen Augen erfolgreich kaschiert und meinen schönsten roten Lippenstift aufgetragen.

Man merkte mir nicht mehr an, dass ich seit Tagen jeden Abend, wenn ich endlich alleine war, nur mit geschlossenen Jalousien im Bett lag. Ich heulte mich in meinem Plüschkissen aus, weil ich mich innerlich so zerbrochen fühlte und sehnte mich nach Cole.

Er verursachte zwar mein Leiden, doch war gleichzeitig der einzige Mensch, der mich wieder vollkommen fühlen lassen würde. Ich vermisste ihn schrecklich, aber konnte auch nicht seine Nähe ertragen. Also stieß ich ihn von mir. Es erschien mir sehr paradox, wenn ich darüber nachdachte.

Immer wenn ich ihn sah, spukten fürchterliche Vorstellungen von ihm und Amara in meinem Kopf herum. Ich hatte Bilder vor Augen, die mich auseinanderrissen. Ich malte mir unweigerlich aus, wie er sie damals geküsst und berührt oder geliebt haben musste. Ich verglich mich mit ihr.

Und dann kamen die schmerzhaften Fragen auf. Ich fragte mich, ob er sie mit denselben liebevollen Blicken angesehen hatte, mit welchen er mich immer ansah. Oder ob er ihre Haare am Abend auch zu einem Zopf geflochten hatte, weil sie ihr nur störend im Gesicht klebten.

Cole flocht mir die Haare mit der Begründung, dass sie sonst meine schönen Augen verdecken würden. Eine Herausforderung hatte er es genannt, meine wilden Locken zu bändigen. Ich hatte nur gelacht und er säuselte mir all die Kleinigkeiten ins Ohr, die er an mir wie verrückt liebte. 

Ich ertrug den Gedanken nicht, dass er solche kleinen Momente auch mit Amara geteilt hatte. Bisher hatte ich es nicht über mich gebracht, meinen Frieden damit zu schließen. Solange sich daran nichts änderte, würde ich ihm nicht für seine Fehler und Lügen vergeben können.

Aber heute sollte es nur um mich gehen. Alec gab eine Party und lud jeden ein, einschließlich Cole, doch ich war fest entschlossen, mich nicht von seiner Anwesenheit irritieren zu lassen. Ich würde alles, was mir nicht gut tat, außen vor lassen und mich nur auf mich selbst konzentrieren.

Ich griff nach meiner Tasche und meinen Autoschlüssel, bevor ich mit einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel meine Komfortzone verließ. Ich würde Cole beweisen, dass es mir auch ohne ihn gut ging. Er sollte merken, dass es mich nicht interessierte, wie er sich fühlte.

Mir gefiel es nicht, wie verletzlich ich mich ihm gezeigt hatte, als ich zu betrunken war, um selbstständig nach Hause zu finden. Wir hatten nicht über diesen Abend gesprochen und ich erinnerte mich nicht, was ich zu ihm alles gesagt hatte, aber ich war wohl sehr ehrlich gewesen.

Ich wollte ihm nie zeigen, wie es in mir drinnen wirklich aussah, seit wir auseinander geraten waren und das hätte auch so bleiben sollen, bis wir uns wieder versöhnten, doch nun musste ich uns beide daran erinnern, dass ich auch alleine stark war. Ich war weder verloren noch einsam.

Als erstes bemerkte ich sein fehlendes Auto, nachdem ich aus der Haustür trat. Er musste schon losgefahren sein. Die kühle Brise wehte mir entgegen, während ich mein Auto entriegelte. Ich setzte mich ans Lenkrad und konnte mir nicht verkneifen, mich im Rückspiegel zu betrachten.

In mir machte sich eine leichte Nervosität bemerkbar, denn ich kaute auf meiner Unterlippe, aber ich ließ nicht zu, dass sie mich übermannte. Ich wollte mir nicht den Lippenstift ruinieren. Ich freute mich bereits auf den sehnsüchtigen Blick von Cole, wenn er mich sehen würde.

Bewusst hatte ich diese Farbe gewählt und mich gewagter angezogen. Er sollte schmerzlich zu spüren bekommen, dass er das, was er einst allein begehren durfte, nicht länger verdiente. Ich wollte ihm weh tun. Ihn dort treffen, wo er am sensibelsten war.

Ich hatte mir keine Grenzen gesetzt. Ich wollte rücksichtslos und egoistisch sein, wenn ich tat, was ihn verletzte. Ich war in einem Rausch gefangen und der Impuls war stärker als meine Vernunft. Ich brauchte bloß diesen Ausgleich, damit ich mich wieder besser fühlen könnte.

Es war so falsch, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte, aber ich hatte es so satt, wie selbstsicher er davon ausging, dass ich jetzt nur ein wenig trauerte und dann die Sache abhakte und zu ihm zurückkehrte. Leider vergaß er, dass ich nichts auf mir sitzen ließ, wenn mir weh getan wurde.

Ich hatte eine Nachricht von Suela erhalten, in der stand, dass sie auf mich vor dem Eingang der Bar warten würde. Ich fuhr los und beeilte mich, da ich mir zu Hause reichlich viel Zeit gelassen hatte und sie meinetwegen nicht noch länger in der Kälte stehen sollte. Sie hasste eisiges Wetter.

Es wunderte mich nicht, dass ich mir zuerst eine Suela- typische Standpauke anhören durfte, bevor sie mich richtig begrüßte, als ich endlich bei ihr ankam. Sie trug ein babyblaues Kleid, das ähnlich wie meines geschnitten war, während ihr Make-up das Dezente an ihr bereicherte.

"Du siehst so schön aus", sagte ich zu ihr und verwickelte sie in eine Umarmung. Sie war durch und durch eine Augenweide, ganz gleich wie sie sich auch kleidete oder schminkte. "Danke", erwiderte sie fröhlich. "Und du siehst gefährlich heiß aus. Woran das wohl liegt." Sie grinste.

Natürlich wusste sie, dass ich mich nur wegen Cole in dieses kurze, figurbetonte rote Kleid reingezwängt hatte. Es war für uns alle kein Geheimnis mehr, dass Rot an mir ihn schwächte. "Ich dachte mir, dass ich endlich mal dem Zweck dieses Kleides gerecht werden sollte."

Sie lachte über meinen süßen Schwindel. "Oder du dachtest dir, du zahlst es jemanden ganz bestimmtes heim." Ich lächelte verstohlen. "Du kannst jemandem leichter die Hölle bereiten, wenn du dabei auch teuflisch gut aussiehst", entgegnete ich frech und sie nickte wohlwissend.

Ich hakte mich bei ihr unter und gemeinsam liefen wir hinein. Die laute Musik erwartete uns bereits und die Luft war stickig und warm. "Es ist okay, wenn du ihn heute ein wenig quälen willst, aber übertreib es nicht, Celia", raunte sie mir zu. "Tu nichts, was du später bereust."

Ich konnte nicht unterscheiden, ob das von ihr ein gut gemeinter Rat oder doch eine Warnung für mich war, aber das war auch nicht wichtig. Ich folgte meinem eigenen Kopf und der Abend würde mir schon zeigen, was er für mich bereit hielt. Auf jeden Fall würde ich mir nichts erzwingen.

Sie führte uns zu Gray, als sie ihn in der Menge entdeckte und natürlich stand Cole dicht bei ihm. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass er nicht gut aussah. Tadellos perfekt in meinen Augen. Ich unterdrückte die leise Stimme in mir, die mir zurief, diese weichen Lippen zu küssen.

Etwas sah an ihm jedoch anders aus. Er hatte sich einen Dreitagebart wachsen gelassen, welcher ihn ein wenig älter und reifer erschienen ließ. Unweigerlich stellte ich mir das Kitzeln seiner kurzen Bartstoppeln vor, wenn er entlang meines Körpers meine empfindlichsten Stellen liebkoste.

Mir wurde noch heißer, als sich unsere Blicke trafen. Er trug eine dunkle Hose und ein weinrotes Hemd, das seiner kräftigen Brust schmeichelte. Die obersten Knöpfe lagen frei. Mir blieb die Luft weg. Wieder einmal bestätigte sich mir, wie meisterhaft wir miteinander im Einklang waren.

Genau vor so etwas wollte ich mich nicht irritieren lassen. Ich musste nun gefasst und klar bei Sinnen rüberkommen, sonst hatte ich verloren, bevor überhaupt der Spaß begonnen hatte. "Celia." Mein Name klang am schönsten, wenn er mit seiner Stimme ausgesprochen wurde.

Plötzlich nahm ich nur noch ihn und mich wahr. Vergessen waren die ganzen Leute um uns herum. "Cole", gab ich im selben Tonfall zurück. Ich glaubte den Anflug eines Lächelns zu erkennen. "Du siehst atemberaubend aus", raunte er mir ins Ohr und erreichte damit mein erschöpftes Herz.

"Wieso erzählst du mir nichts neues?", erwiderte ich und merkte, dass ich mich einfach nicht von diesen gewittergrauen Augen lösen konnte. Es war so lange her, seit ich Cole das letzte Mal so wirklich angesehen hatte. Wieder spürte ich, wie sehr ich ihn und unsere Albernheiten vermisste.

"Ich bin ehrlich gesagt sehr glücklich darüber, dass ich dich heute in meiner Nähe haben kann, ohne dass du direkten Kontakt zu mir haben musst", offenbarte er mir und seine nächsten Worte versetzten mir einen leichten Stich in die Brust. "Ich verstehe gut, warum du dich mir entziehst."

Er brauchte nicht laut zu reden, den Schmerz in seiner Stimme vernahm ich auch in seinem Wispern. Wenn er doch nur erkennen würde, dass ich das gar nicht tun wollte. Dass ich jetzt viel lieber in seinen tröstlichen Armen liegen und die Zeit um uns herum vergessen wollte.

In einer anderen Realität würden wir das wieder tun können, aber in dieser jetzigen erschien mir das noch so fern. Ich musste dringend von ihm weg. "Da ist Alec. Ich sollte ihm Hallo sagen." Cole nickte. "Natürlich. Falls du mich vielleicht suchen solltest, weißt du wie du mich findest."

Ich fand es verdammt traurig, dass wir nun Gelegenheiten oder bestimmte Gründe haben mussten, um einander zu treffen. Früher kam er ungefragt durch das Fenster in mein Zimmer, sobald er mich sehen wollte und heute scheuten wir uns davor, dicht beinander zu stehen.

Schuld daran trugen wohl wir zusammen. Er war zu schwach gewesen, um mir die Wahrheit zu erzählen, als er von seinen Dämonen eingeholt wurde, und ich war nicht stark genug, um ihm das zu verzeihen. Es war für keinen fair. Uns beiden entglitt etwas, woran wir festhalten wollten.

"Celia, schön dich zu sehen!" Alec strahlte über das gesamte Gesicht. Er zog mich in eine Umarmung. "Wir haben uns erst vorgestern gesehen", meinte ich lachend. "Es ist immer eine Freude, dich zu sehen, Kleine." Ich verdrehte die Augen, doch schmunzelte über seine Worte.

Neben ihm bemerkte ich einen Mann, der einen Kopf größer war als er. Das musste wohl sein Freund sein. Er reichte mir die Hand, die ich begrüßend ergriff. "Chase, richtig?", tippte ich und er bestätigte es grinsend mit einem Nicken. "Wie gut, dass wir uns endlich auch kennenlernen."

Immer wenn sich die Möglichkeit geboten hatte, ihn kennenzulernen, war ich nicht im Butterfly's anwesend gewesen. Daher war es eine Erleichterung endlich den Mann zu treffen, der meinen lieben Alec glücklich machte. Die beiden passten zueinander wahrlich wie Tag und Nacht.

"Ja, stimmt", erwiderte ich fröhlich. "Möchtest du etwas zum Trinken, Celia? Ich kann dir gerne etwas bringen", bot Chase mir im nächsten Augenblick freundlich an. "Dann ein Ginger Ale bitte." Auf den verdammten Alkohol konnte ich gut verzichten. Der brachte mir doch nur Probleme ein.

Chase drückte Alec einen Kuss auf die Schläfe und lief in die Richtung der Bar. Alec grinste bis über beide Ohren. "Er ist toll, ich weiß", gab er schwärmend von sich und ich lachte leise auf. "Solange er auch so toll bleibt, finde ich ihn in Ordnung", meinte ich. "Dir soll es nur gut gehen."

"Und wie geht es dir?", erkundigte er sich vorsichtig. Seit Cole und ich irgendwie getrennt waren, gingen die meisten meiner Freunde und sogar meine Eltern sorgsam mit mir um. Das nervte sehr. Ich wollte mir Cole aus dem Kopf schlagen, und sie machten mir das partout unmöglich.

"Mir geht es besser", sagte ich ehrlich, doch Alec zog prüfend die Augenbraue in die Höhe. Ich seufzte. Er hörte nicht auf, mich auf dieser Art zu mustern. "Wirklich!", schob ich daher beteuernd nach und ehe er etwas dazu sagen konnte, kam Chase mit meinem Getränk zurück.

Zu meiner Erleichterung befreite er mich aus diesem Moment. "Ein Ginger Ale für die junge Dame!", reichte er mir damit mein Glas und ich bedankte mich bei ihm lachend. Irgendwie war die Art und Weise, wie er das gesagt hatte, witzig gewesen. Er wirkte so unbeschwert und locker.

Es war erstaunlich, dass ich über die laute Musik hinweg spürte, wie mein Handy in meiner Tasche vibrierte. Ich nahm es in die Hand und las Elijahs Namen auf dem Display. Mist. Mit ihm wollte ich jetzt ungern reden. Allerdings fand heute auch die Veranstaltung seines Vaters statt.

Wir hatten es gemeinsam organisiert, also vielleicht bestand dort ein Problem und er musste es mich wissen lassen. Anders konnte ich mir nicht erklären, wieso er mich um dieser Uhrzeit anrufen sollte, wenn er doch eigentlich seinem Vater an diesem wichtigen Tag zur Seite stand.

"Entschuldigt mich bitte", rief ich Chase und Alec zu, die bereits wieder in ihrer eigenen kleinen Welt zu sein schienen und bahnte mir in dieser Menschenmenge einen Weg zu den Toiletten. Dort müsste es um einiges ruhiger sein. Plötzlich prallte ich gegen eine harte Brust.

"Woah, langsam hübsche Lady!" Gerade noch so bewahrte ich meine Kleidung und die Kleidung des 1,90 Zentimeter großen Fremden vor klebriger Flüssigkeit. Etwas vom Ginger Ale landete auf dem Boden. Ich schaute hinauf und blaue Augen blickten in meine. Das hatte ich nicht erwartet.

"Du bist doch in mich hineingelaufen", sagte ich und schaute ihn herausfordernd an. Aus irgendeinem Grund glaubte ich, dass dieser Typ ideal für meine Gunsten handeln würde. Ich kannte meine Wirkung auf Männer gut genug, um zu wissen, dass er jetzt schon angetan von mir war.

"Das war keine Absicht, entschuldige, doch jetzt bin ich schon ein wenig froh darüber. Wäre schließlich schade, wenn du mir entgangen wärst." Er war eingebildet und fest entschlossen, mich zu kriegen. Pech für ihn, würde ich sagen, denn ich war garantiert nicht an ihm interessiert.

Allerdings könnte er mir heute Abend jede Menge Spaß bereiten. Er war der perfekte Mann, um mich abzulenken, während sich ein anderer wiederum seinetwegen vollkommen beschissen fühlen würde. "Hm, wenn du es schaffst, mich nochmal zu finden, darfst du mich kennenlernen."

Damit ließ ich ihn stehen und blieb einige Sekunden später vor den Toiletten stehen. Ich rief sofort Elijah zurück, welcher nach dem ersten Piepen schon abnahm. "Ist alles in Ordnung?", fragte ich. "Ja, ich- Bist du auf einer Party? Oder warum scheint es bei dir so laut zu sein?"

Doppelter Mist. Ich hatte Elijah für heute abgesagt mit der Begründung, dass ich einen gemütlichen Abend mit meinen Freunden haben würde und dieser Plan schon seit Wochen stand. "Ähm, ja, wir haben uns umentschieden", log ich. "Warum rufst du mich denn an?"

"Ehrlich gesagt wollte ich dich fragen, ob du vielleicht doch noch Lust hast, vorbeizukommen. Immerhin ist es auch dein Verdienst, dass die Feier gerade ziemlich erfolgreich verläuft. Ich könnte dich auch abholen kommen, egal du bist!" Auweia, da hatte jemand große Hoffnungen.

Ich enttäuschte ihn nur ungern, aber ich musste höflich verneinen. "Tut mir leid, ich kann jetzt nicht einfach die anderen verlassen. Das verstehst du sicher." Elijahs Antwort kam resigniert. Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen. "Wir können uns aber für morgen verabreden."

Wieso zur Hölle hatte ich das nur gesagt? Das letzte, was ich wollte, war mich mit Elijah privat und ohne jeglichen Grund zu treffen. "Morgen?", entgegnete er sogleich viel fröhlicher. "Klar. Ich muss morgen erst nachmittags arbeiten. Also könnten wir uns doch zum Mittagessen treffen."

Natürlich gab er sich damit einverstanden. So glücklich hatte ich ihn schon länger nicht mehr reden gehört. Seine Freude hätte er wenigstens verbergen können. Wir vereinbarten noch die Details und beendeten das Telefonat. Ich seufzte tief und nahm einen Schluck von meinem Glas.

"Gefunden." Der Fremde von eben erschien vor mir. Um Elijah konnte ich mir ruhig auch später Gedanken machen. Vielleicht sollte ich diesen Kerl nicht nur dafür nutzen, um Cole zu quälen, sondern auch damit er mir ihn und alles andere für eine bestimmte Zeit aus dem Kopf schlug.

Nun nahm ich mir auch einige Sekunden, um meine neue Bekanntschaft zu mustern. Er hatte wilde dunkelblonde Haare, blaue Augen, war muskulös gebaut, auch einige Köpfe größer als ich, aber absolut nicht meinen Geschmack treffend. Zu ihm würde ich keine Bindung aufbauen können.

"Dann muss ich wohl mein Versprechen halten, oder nicht?", gab ich zurück und stieß mich langsam von der Wand ab. Seine strahlend weißen Zähne kamen zum Vorschein, als er mir frech entgegen grinste. Ich bemerkte das Tattoo an seiner Brust, da es aus seinem Hemd herausstach.

"Ich bin Blake", stellte sich der Fremde vor. Seinen Namen würde ich nach einigen Minuten ohnehin wieder vergessen. "Wieso gehen wir nicht an die Bar?" Ich ergriff seine Hand und hoffte, dass Cole irgendwo in der Nähe war und uns sah. Das ist so falsch, was ich gerade vorhatte.

Als wir an meinem Zielort ankamen, entdeckte ich ihn tatsächlich an einen der naheliegenden Tischen. Da wo die Bar war, war Cole nicht weit entfernt. Wie konnte ich das nur vergessen. "Du hast mir immer noch nicht deinen Namen verraten", sagte Blake auffordernd. "Ich bin Celia."

Wie klug es war, ihm meinen echten Namen zu sagen, würde sich im Laufe des Gesprächs zeigen. Normalerweise gab ich meinen sogenannten Ablenkungen immer falsche Namen, doch Coles Anblick, wie er sich lachend mit Gray unterhielt, hatte mich aus dem Konzept gebracht.

Noch hatte er uns nicht erblickt, aber dafür würde es sowieso nicht lange brauchen. "Bist du alleine hier, Celia?", erkundigte sich der Blonde. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, einige meiner Freunde sind auch hier. Und du?" Er gab mir dieselbe Antwort. "Aber die sind momentan unauffindbar."

Blake gab dem Barkeeper ein Zeichen. "Oh, ich habe schon etwas zum Trinken", warnte ich ihn vor. "Du musst mir nichts ausgeben." Er nickte bloß und bestellte für sich auch ein Glas Ginger Ale. Ich hätte ihn für einen Whiskey-Typ gehalten. Er schien auch einige Jahre älter als ich zu sein.

Zu seiner Zeit war ich genau in Betten von solchen Typen aufgewacht. Ich hatte mir Männer ausgesucht, die außer ihr gutes Aussehen nichts zu bieten hatten, weil ich so garantiert nicht Gefahr lief, mich ihnen auch emotional zu binden, sobald es zu ein paar Küsse mehr kam.

Ich war überrascht darüber, wie erfrischend gut es sich anfühlte, die Blicke eines anderen auf mir zu spüren. Wenn ich Blake in die Augen sah, während er mich sogar zum Lachen brachte, verband ich das Blau in ihnen nicht mit schmerzlichen Erinnerungen. Er war so anders als Cole.

Es wehte mit Blake ein völlig anderer Wind und es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass mich seine Anwesenheit nicht zufrieden stimmte. Ich vergaß in dieser kurzen Zeit, warum ich mich überhaupt mit ihm an die Bar gesetzt hatte. Sein erster Eindruck hatte mich getäuscht.

"Warte, du hast da was im Haar", sagte er plötzlich. Bevor ich überhaupt reagieren konnte, nahm er eine Strähne zwischen seine Finger. Ich war wie erstarrt, als er mir das, was auch immer es war, aus der Locke entfernte. "So, weg ist es." Er lächelte mir zu. "Du gefällst mir sehr, Celia."

Es wäre nicht richtig, wenn ich erwidern würde, dass er mir auch gefiel. Obwohl es so war. "Du bist seit langem wieder die erste Frau, die mich bereits im ersten Moment fasziniert hat." Er lachte verlegen. "Das hörst du sicher oft, entschuldige." Ich schüttelte den Kopf. "Nein, rede weiter."

"Das soll sich nicht so anhören, als würde ich dich nur ins Bett kriegen wollen, denn das will ich keinesfalls, aber würdest du mich an einen ruhigeren Ort begleiten?" Diese Frage hatte ich schon erwartet. Wir hatten uns in dieser letzten halben Stunden unheimlich gut verstanden.

"Etwa zu dir nach Hause?", gab ich fragend zurück. Ich stellte mich nur ein wenig dumm, denn die Antwort war von vornherein klar gewesen. Er nickte langsam. "Ich würde dich gerne besser kennenlernen. Ohne die ganzen Menschen um uns herum." Seine Hand legte sich um meine.

Ich erzitterte unmerklich unter seiner Berührung. Im selben Moment bemerkte ich, dass uns Cole beobachtete. Seine grauen Augen bohrten sich regelrecht in meine Seele. Seine Miene war steinhart, seine Finger umklammerten fest das Glas. Er hielt sich nur schwer unter Kontrolle.

Ich löste meinen Blick von ihm und wandte mich zurück an die Person, mit der ich eigentlich gar nicht reden sollte. Mir wurde auf einmal bewusst, dass das, was ich von Anfang an bezwecken wollte, nicht das war, was mich besser fühlen lassen würde. Ich konnte Cole nicht hintergehen.

Blake schaute mich immer noch erwartungsvoll an. Ich entzog allmählich meine Hand aus seiner und umfasste mit ihr stattdessen meine Tasche. "Ich kann nicht", entfuhr es mir entschlossen. Ich sah ihm an, dass ihn die Antwort überraschte. "Aber warum nicht?", gab er perplex zurück.

Die Person, die ich eigentlich meiden und verdrängen wollte, baute sich wie ein großer Schatten hinter ihm auf. Ich blickte nicht Blake, sondern ihm tief in die Augen, während ich meine nächsten Worte aussprach. "Du bist nicht Cole."

"Wer ist Cole?", brachte Blake nun völlig verdutzt von sich und ein schwaches Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Der Besagte stellte sich neben mich. "Ich bin Cole. Und du Kumpel hast deine Abfuhr bekommen, also zisch endlich ab." Blake runzelte tief die Stirn. "Ihr seid doch verrückt."

Daraufhin stand er ohne zu zögern auf und mischte sich unter die Menschenmenge. "Hat er dich belästigt?" Ich wurde mit zwei besorgten Augen angeschaut. "Nein, hat er nicht. Er war einfach nur nicht du." Ich sollte endlich aufhören, mir etwas vorzumachen. "Oh, Kleeblatt", hauchte Cole.

Ich sagte nichts mehr, sondern suchte den Weg zum Ausgang. Ich fühlte mich wieder am Boden. Anscheinend hatte ich mich geirrt, bevor ich das Haus verlassen hatte. Ich war mir dermaßen sicher gewesen, dass es an diesem Abend anders sein würde. Mir ging es sogar dreckiger als zuvor.

Alles war während der Autofahrt nach Hause an mir vorbei geschlichen. In meinem Kopf war es laut und unerträglich, ich besaß Gedanken, die mich von innen auffraßen und dieser Druck in meiner Brust bereitete mir physische Schmerzen. Ich hatte mir selber die bittere Hölle bereitet.

Den ganzen Abend lang redete ich mir ein, dass ich ihn nicht bräuchte und er mir egal wäre. Wie besessen hatte ich versucht, mich davon zu überzeugen, dass ich auch ohne ihn gut auskommen würde. Dabei war er alles, was ich brauchte. Er ließ mich frei und vollkommen fühlen.

Wieder lag ich alleine in diesen vier Wänden auf meinem Bett, von der Außenwelt entlegen und weinte. Mein Körper war vergruben unter der Daunendecke, die Jalousien waren geschlossen- und mir wurde klar, dass meine Versuche, ihn aus dem Kopf zu schlagen, kläglich scheiterten.

Meine Gedanken kreisten nach wie vor unaufhörlich um ihn. In Wahrheit wollte ich immer noch wissen, ob er gerade alleine war. Wie wohl sein Tag ablief, mit wem er diesen verbracht hatte. Ob es ihm gut ging. Nur er sollte diese Fragen beantworten, denn nur seine Antworten zählten.

Ich fing an zu realisieren, dass ich nicht länger vor ihm flüchten konnte. Er würde mich immer finden. Es spielte keine Rolle, welche Taten ich begehen würde, um ihn verletzen zu können. Letztendlich schmerzte nämlich mein Inneres. Ich verbrannte mich an seinen lodernden Flammen.

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