Fourteen

In einer Stunde traf ich mich endlich mit Venora bei ihr zu Hause. Immer noch wusste sie nichts von den Aufnahmen, obwohl ihr Jahrestag längst vorüber war. Durch irgendwelche Vorwände schaffte sie nämlich, mich zu meiden- so als wisse sie genau, wieso ich sie zu Sprechen versuchte.

Ich war aber fest entschlossen, ihr heute alles zu beichten. Wenn es auch das Letzte war, was ich tat, sie würde am Ende des Tages über seine Affären Bescheid wissen und einsehen, dass sie mit der Entscheidung, ihm weiter zu vertrauen, einen gewaltigen Fehler machte.

Trotz der vielen Zeit hatte ich jedoch nach wie vor keine Ahnung, wie ich ihr dies schonend beibringen könnte. Ich war nicht gut darin, einfühlsam auf andere Menschen einzureden. Viel lieber sagte ich ihnen die Fakten knallhart ins Gesicht. Schließlich war das die schnellere Art.

Als wäre ich hierbei nicht planlos genug, wusste ich genauso wenig, wo das Accessoire meiner Khaki farbigen Cargohose abgeblieben war. Nicht, dass ich die Kette von der Hose nach Lust und Laune trennte, aber zum Waschen machte ich sie normalerweise ab. Und nun fand ich sie nicht.

Genervt darüber, nahm ich mir als Alternative einen x-beliebigen Gürtel und legte diesen mir an, damit die Hose nicht vollkommen langweilig wirkte. Anschließend suchte ich mir passenden Schmuck aus und packte meine Handtasche, als plötzlich von draußen Gitarrenklänge ertönten.

Ich lauschte aufmerksam, um herauszufinden, woher diese schöne Melodie kam. Zu meiner Überraschung erklang sie aus dem Nachbarzimmer, weswegen ich sofort meine Vorhänge aufriss und das gekippte Fenster ganz öffnete. Mein Gesicht hatte längst einen begeisterten Ausdruck angenommen.

Wie ich bereits vermutete, saß Cole auf seinem Bett und musizierte. Umso faszinierter war ich von diesem Anblick, als ich zudem bemerkte, wie vertraut er mit seiner Gitarre umging. Er machte einen friedlichen Eindruck, während er zu den Klängen seiner Saiten sang.

Glücklicherweise hatte er sowohl Fenster als auch die Balkontür offen, denn andernfalls wäre ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt die Töne des Instruments vernommen hätte. Und das war garantiert nichts, was ich mir hätte entgehen lassen wollen.

Ich konnte weder den Song genau entziffern noch erkannte ich seine Stimme klar und deutlich, doch das, was die Entfernung mir zukommen ließ, hörte sich so fantastisch an. Cole besaß definitiv ein Gespür für die Musik, was ihn in meinen Augen gleich so viel lieblicher machte.

Offenbar arbeitete er ebenso wie ich nicht grundlos in einem Musikgeschäft. Ich hätte mir eigentlich denken müssen, dass er dieses Instrument spielte, denn außer ihm, stimmte niemand die Gitarren bei uns im Butterfly's. Normalerweise kümmerte er sich allein um diese Abteilung.

Ein Schmunzeln stahl sich auf meine Lippen, als ich erkannte, dass er dabei die Augen geschlossen hielt. Ich musste nicht direkt bei ihm sein, um zu erkennen, dass er mit so viel Leidenschaft eins mit diesem Song wurde. Er erinnerte mich an mich.

An die Zeiten, in denen ich es noch genossen hatte, eins mit der Musik zu werden. An manchen Tagen half sie mir, den Kopf freizukriegen oder schwierige Entscheidungen zu treffen, indem ich mich nur an mein Klavier setzte und die Töne meines Lieblingssongs spielte.

Es wäre bestimmt bis heute noch so gewesen, wenn ich nicht unglaubliche Angst davor hätte, meinen Eltern und auch mir tieferen Kummer zu bereiten, bloß weil ich meiner Leidenschaft nachgehen wollte. Das Klavier sollte nicht ständig die Wunden unseres Verlustes aufreißen.

Beim Gedanken an Enzo zog sich meine Brust schmerzhaft zusammen, sodass ich instinktiv nach meiner Kette griff. Ich war so wütend auf ihn. So sehr, dass mir in diesem Augenblick nicht das Schmuckstück Kraft gab, das er mir übrig gelassen hatte, sondern Coles Erscheinungsbild.

Ihn spielen zu hören, half mir, mich zu beruhigen und solch einen schwierigen Moment der Schwäche zu überwältigen. Etwas, was mir so zuvor nie bekannt gewesen war, denn normalerweise könnte ich jeden und alles verabscheuen, der in mir diese Erinnerungen weckte.

Ich bemerkte, dass er zum Ende kam, woraufhin ich extra laut jubelte und klatschte, um seine Aufmerksamkeit zu erzielen. Sofort schellte Coles verwirrter Blick Richtung Fenster, bevor er die Gitarre beiseite legte und in der nächsten Sekunde heraustrat. "Hast du mich beobachtet?"

Eifrig nickte ich. "Und Cole, was ich gehört habe, war unglaublich!", gab ich aufgeregt zu, mit der Erwartung, dass er mir nun weiteres erzählen würde, doch der Lockenkopf machte nicht mehr, außer mich konfus anzustarren. Seltsam, mit dieser Reaktion rechnete ich absolut nicht.

"Willst du mir denn nicht sagen, welchen Song du da gerade gespielt und gesungen hast?", versuchte ich weiter, ihn zum Reden zu bringen, und lächelte ihm dabei sanft zu. "Sorry, Zuhörer bin ich nicht gewöhnt. Und den Gesang hast du dir nur eingebildet, ich habe nicht gesungen."

"Aber ich habe doch eben genau gesehen, wie du gesungen hast!", weigerte ich mich, seinen Worten Glauben zu schenken, denn ich war mir ziemlich sicher, dass mein Verstand mir keinen Streich gespielt hatte. Er verkaufte mich bloß für dumm. Ich kapierte nur den Grund dazu nicht.

"Nein, Celia. Du hast nur mitbekommen, wie ich Gitarre gespielt habe. Das soll zwar nicht böse gemeint sein, aber selbst das war eigentlich nur für meine Ohren bestimmt gewesen", sprach er eindringlich und mit fester Miene, so als müsse er mich einfach wie besessen davon überzeugen.

Dass mich sein unvermutet verschlossenes Verhalten ein wenig kränkte, konnte ich weder leugnen noch vor ihm verbergen. Dabei war es lächerlich von mir, schließlich waren wir uns an jenem Abend nicht unbedingt emotional, sondern körperlich näher gekommen.

Ich durfte also nicht erwarten, dass er mir jetzt zu allem eine Antwort gab und sich wie ein offenes Buch lesen ließ, nur weil wir seither ständig übereinander herfielen. Außerdem wollte ich das, was auch immer jetzt zwischen uns war, nicht wegen etwas belanglosem ruinieren.

"Mhm, ich habe mich wohl wirklich verhört. Verzeihung, ich wollte nicht stören", sagte ich demnach zerknirscht, trat zurück und zog anschließend mit einem letzten Blick die Vorhänge wieder zu. Sogleich rief er meinen Namen und dass ich warten solle, doch ich reagierte nicht.

Meine Gedanken waren wirr genug, Cole musste mich nicht auch noch durcheinander bringen. Die Situation mit meiner besten Freundin war jetzt ohnehin wichtiger, also konnte ich Ablenkung momentan am wenigsten gebrauchen. Sie war völlig fehl am Platz.

Auf einmal schlangen sich zwei Arme um meinen Bauch und zogen mich an eine muskulöse Brust, an die ich mich jetzt nur zu gerne anschmiegen wollte. Coles vertrauter Duft drang mir in die Nase und machte mir bewusst, dass er schon wieder herüber geklettert und mein Fenster als Eingang benutzt hatte.

"Du kannst nicht jedes Mal deine Vorhänge zuziehen, sobald du mich nicht mehr sehen möchtest", tadelte er spielerisch und deutete somit auch auf die letzten Wochen an, in denen ihm die ganze Zeit über klar gewesen war, dass ich die Sicht seinetwegen blockierte.

Cole wollte mich an meinem Hals küssen, aber dies verweigerte ich ihm, indem ich sofort meinen Kopf wegdrehte. Ich hörte ihn augenblicklich leise seufzen. "Entschuldige, ich wollte keinesfalls grob zu dir sein, aber ich bin da etwas empfindlich. Das verstehst du doch sicher."

Natürlich hatte ich Verständnis und ich zögerte auch nicht, dies ihm deutlich zu zeigen. "Ich mag es nur nicht, wenn man mich für dumm verkauft", erklärte ich anschließend schnippisch, derweil seine Hände meine Seiten entlang fuhren. "Kommt nicht nochmal vor, Kleeblättchen."

Das Versprechen war nicht mehr als ein Säuseln. Die dazugehörigen federleichten Küsse, die er auf meiner Haut platzierte, forderten mich auf, ihm ins Gesicht zu sehen. "Alles wieder gut?", murmelte er, als er meinen Blick auffing und lächelte sanft, sodass ich gezwungen war, jeglichen Widerstand aufzugeben.

Schmunzelnd bejahte ich, drehte mich vollkommen zu ihm und verschränkte hinterher meine Hände in seinem Nacken, während er mich an meiner Taille hielt. "Ja?", gab er erfreut zurück, woraufhin ich mich nickend mit meinem Gesicht an seins näherte.

"Ja", hauchte ich bestätigend, was Cole grinsend mit einem weiteren Kuss auf meinen Lippen begrüßte. "Wärst du jetzt so gut und erklärst mir bitte auch, wieso mir Alec vorhin schreibt, dass ich heute ohne dich arbeite und mir deswegen von dir den Ladenschlüssel borgen soll?"

Oh, stimmt. Ich vergaß völlig, ihm die Schlüssel zu überreichen und war echt erleichtert, dass Alec auch ihn darüber in Kenntnis gesetzt hatte. "Ich habe mir für heute freigenommen, weil es sonst niemals mit Venora funktioniert hätte. Die Gute hat nämlich noch andere Pläne."

Es war wahnsinnig nervig, dass sie viel anderes Zeug im Kopf hatte und dementsprechend nie sofort Zeit für uns fand. Hierbei verhielt sie sich wirklich ignorant, hingegen Suela und ich immer unsere Beschäftigung in den Hintergrund stellten, sobald sie uns dringend brauchte.

Cole verzog bei meiner Antwort missbilligend die Miene. "Das bedeutet, dass ich dich heute nur begrenzt in meiner Nähe haben werde", schlussfolgerte er, weshalb ich schmollend nickte. Ich wäre auch viel lieber bei ihm, statt in Kürze mit Nora ein ernstes Gespräch zu führen.

Er schien zu bemerken, dass es mir vor diesem Moment graute, denn als nächstes schloss er mich in eine innige Umarmung. "Mir gefällt es nicht, wie angespannt du wegen Reece bist", gab er zu. Allein sein Ton verdeutlichte mir, dass ihm weitaus andere Absichten im Sinn schwebten.

Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen, da ich diese nur zu gerne Willkommen hieß. Die Art von Ablenkung war keine, die ich jetzt unbedingt vermeiden würde. "Willst du dagegen nichts unternehmen?", fragte ich also begierig, wodurch ich ihm ein tiefes Auflachen entlockte.

"Nichts lieber als das", schob Cole rau nach, drückte mich anschließend sanft, aber bestimmt, in die Richtung meines Bettes und einen Herzschlag später spürte ich auch schon die weiche Matratze unter meinem Rücken, sodann er sich dicht über mir mit seinen Händen stützte.

Es war zwar nicht meine Art, Leute auf mich warten zu lassen, doch sobald Coles Hände auf Wanderschaft gingen, zudem mich seine Lippen verwöhnten, hielt ich es völlig für in Ordnung, unpünktlich vor Ort zu erscheinen. Zehn Minuten mehr machten keinen großen Unterschied.

Wie sinnlich dieser Augenblick auch war, mein Gewissen gönnte es mir offenbar dennoch nicht und ließ mich Cole in seinem Tun unterbrechen, indem ich diesmal ihn fragte, wie ich es Nora denn jetzt beichten könnte. Er schaute verständnislos auf. "Celia, das ist nichts, woran du gerade denken solltest."

"Ja, ich weiß! Aber wie du siehst, kann ich es nicht genießen, wenn ich weiß, dass ich mich eigentlich um andere Dinge kümmern müsste", rechtfertigte ich mich, ehe ich nach einer ernsthaften Antwort verlangte. "Vielleicht könnten wir es aufregender gestalten." Wir?

Sofort wurde ich ganz Ohr, setzte mich vorsichtig auf und rutschte an das Kopfende. Cole tat mir nach, aber zog mich keine Sekunde später zu sich, sodass mein Hinterkopf an seiner Brust ruhte. Ich konnte mich nicht zurückhalten, umfasste seine Hände und spielte mit seinen Fingern.

"Du kannst ruhig weiterreden", erinnerte ich ihn, da Cole sich mir zwar nicht entzog, aber sichtlich über mein Anrühren ein wenig irritiert schien, zumal er es offensichtlich nicht erwartet hatte. Verstohlen lächelnd wartete ich auf die Ergänzung seines Vorschlags.

"Am Samstag schmeißt dieser Flachwichser eine Party, die nur so von Menschen wimmeln wird", fuhr er fort, mir entging der gehässige Unterton in seiner Stimme nicht. "Der perfekte Ort, um Venora die Aufnahmen zu zeigen und Reece für sein Vergehen büßen zu lassen."

Erwartungsvoll blickte ich zu ihm auf, denn ich wollte unbedingt mehr über das Unheil wissen, welches ihm gerade im Sinn schwebte. "Wir lassen statt das eigentliche Video, das dort sicherlich abgespielt wird, die Aufnahmen im Coffeshop spielen."

Meine Augen wurden ganz groß, ich begriff, worauf Cole andeutete. "Dann wird Venora und jeder einzelne dort sehen, was er seiner Freundin angetan hat, somit wir ihn öffentlich demütigen...", beendete ich seinen Gedankenzug und fasste zudem nicht, wie angetan ich von dieser Idee war.

Zugegeben hatte er mir weit voraus überlegt, denn bisher war es mir gleichgültig gewesen, ob oder wie wir es Reece am besten heimzahlen würden. "Überleg doch mal, Celia. Das ist die Win-Win-Situation! Wir wissen, was wir tun müssen und haben somit beide unsere Vorteile."

Er mochte Recht haben und ich konnte auch nicht leugnen, dass es mich reizte, die Party zu sabotieren, womit wir ebenfalls seinen guten Ruf schädigten, aber trotzdem plagten mich gewisse Bedenken. "Wie gerne ich das auch mit dir abziehen würde, es geht leider nicht."

Cole Gesicht nahm auf der Stelle einen verwunderten Ausdruck an. Er wurde nicht schlau aus meiner Antwort, weshalb ich fortsetzte. "Diese Aktion würde jeden denken lassen, dass Nora das arme, naive Mädchen ist, das von ihrem Freund betrogen wurde. Das kann ich ihr nicht antun."

Was für eine Freundin wäre ich, wenn ich Venora bewusst ins schlechte Licht rückte und sie somit meinetwegen wochenlang zum Gesprächsthema unserer Umgebung wurde. Nein, ich musste mir etwas anderes überlegen. Einfach drauf loszureden, wäre die einzig vernünftige Art.

Frustriert, weil sie letztlich so oder so darunter leiden würde, lehnte ich mich wieder gegen Coles Oberkörper und ließ zu, dass er seine Arme um mich legte. "Wenn was sein sollte, bin ich dir nur einen Anruf entfernt, Celia. Du schaffst das. Augen zu und durch."

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"Da bist du ja endlich!", begrüßte mich Nora zwanzig Minuten später an ihrer Haustür. Ich zwang mich zu einem Lächeln, trat ein und entledigte mich meiner Lederjacke. "Sorry, ich habe völlig die Zeit aus den Augen verloren. Habe ich dich etwa lange warten lassen?"

Grinsend schüttelte sie den Kopf. "Wie du siehst, bin ich nicht einmal fertig angezogen. Ich treffe mich mit Rana und Monique erst gegen Abend." Immer vergaß ich, dass sie an jedem dritten Freitag des Monats mit ihren beiden Arbeitskolleginnen ausging.

Verstehend nickte ich und folgte ihr ins Wohnzimmer. Allen Anschein nach waren ihre Eltern nicht zu Hause, was bedeutete, dass Venora mich später ziemlich laut anschreien konnte, ohne gleich die Aufmerksamkeit anderer zu wecken. Verdammt, ich war ihr schutzlos ausgeliefert.

"Ich muss dir etwas wirklich wichtiges geben", sagte ich direkt heraus, ohne Zeit zu schinden, denn je früher ich all das hinter mir hatte, umso besser würde ich mich wieder fühlen. Nora setzte sich neben mich auf das Sofa und blickte den USB-Stick in meiner Hand verblüfft an.

"Was ist da drauf?", wollte sie wissen. Ich schluckte, genau auf diese Frage hatte ich mich die letzten Tagen über kein einziges Mal vorbereiten können. "Hör zu, es ist dir überlassen, ob du es dir ansehen möchtest, aber lass mich dich zuerst vorwarnen, auf was du dich einstellen musst."

Stirnrunzelnd nahm sie mir den Stick ab. Derweil kam mir Coles hilfreicher Rat von vorhin in den Sinn; Augen zu und durch. "Ein Video, das Reece mit einem anderen Mädchen zeigt. Es tut mir unfassbar leid, aber diesmal ist es ziemlich sicher, dass er untreu ist. Er betrügt dich, Venora."

Ich befürchtete, dass ich sie damit in eine Schockstarre versetzt hatte, denn sie regte sich kein bisschen. Sofort brach eine unbehagliche Stille ein, die diesen Moment schrecklicher gestaltete, als sie es ohnehin schon war. Ihr Schweigen war schlimmer als jeder erdenkliche Wutausbruch.

"Sag doch bitte etwas", forderte ich flehend, meine Stimme zart wie ein Windhauch, während ich Noras Blick suchte. Instinktiv umfasste ich ihre Hände, die sich erschütternd eisig anfühlten. Das war definitiv kein gutes Zeichen, ihr ging es überhaupt nicht gut.

"Du kannst es nicht ertragen, oder?", brachte sie plötzlich kaum hörbar hervor, sodass ich mir beinahe nicht sicher sein konnte, ob sie eben diese Worte tatsächlich ausgesprochen hatte. Ich zuckte erschrocken zusammen, als sie mit einer raschen Bewegung von ihrem Platz aufsprang.

"Du kannst es einfach nicht ertragen, mich mit Reece glücklich zu sehen!" Nora funkelte mich wütend an, ihr linkes Auge zuckte gefährlich. Sie redete rein impulsiv, aufgrund dessen würde ich mich auch nicht wegen solch einer irrelevanten Anschuldigung beirren lassen.

"Beruhig dich, bitte. Du weißt nicht, was du da sagst", erwiderte ich bestimmt, was sie aber anscheinend nur noch weiter anregte, diesen Schwachsinn fortzuführen. "Nein, Celia. Ich bin mir durchaus im Klaren, was ich da von mir gebe. Du willst dir nur nicht die Wahrheit anhören."

"Welche Wahrheit, bitteschön?", gab ich verständnislos zurück. "Spiel jetzt bloß nicht die Unschuldige! Seit du wieder eingezogen bist, willst du doch nur, dass ich mich von ihm trenne. Dein Neid hat dich nämlich dazu angetrieben, ständig in meine Beziehung zu funken!"

Fassungslos riss ich nun anhand ihrer Vorwürfe weit die Augen auf, ehe ich ungläubig auflachte. "Bist du jetzt völlig übergeschnappt? Ich habe absolut keinen Grund, neidisch auf dich zu sein. Du bist meine beste Freundin! Neid existiert zwischen uns nicht. Das hat es auch noch nie..."

"Ich bitte dich, Celia. Jeder hier weiß von deinen Bindungsängsten. Wegen ihr bist du unfähig, eine langjährige Beziehung zu führen und beneidest mich darum, weil ich durchaus im Stande dafür bin! Dich stört es nämlich immer, sobald jemand etwas hat, was du nicht besitzen kannst."

Vor lauter Entsetzen starrte ich sie mehrere Sekunden über sprachlos an. Hörte sie überhaupt, was da aus ihrem Mund kam? Merkte sie nicht, dass sie gerade meinen sensibelsten Punkt gegen mich verwendete? Ich konnte nicht glauben, welche hässlichen Worte zwischen uns fielen.

Im nächsten Moment standen wir auf Augenhöhe voreinander. Ich hatte nicht vor, laut zu werden, zumal ich schon immer der Ansicht gewesen war, dass gegenseitiges Anschreien in einem Konfliktfall nichts nützte. Viel mehr tat ich das, was mein Gegenüber am wenigsten erwartete.

"Du hast Recht, ich habe meine Bindungsstörungen", gestand ich dies ein, "scheiße ja, ich wache daher auch viel lieber in fremden Betten auf und flüchte dann sofort, statt etwas Ernstes einzugehen. Aber deswegen darfst du doch nicht denken, dass ich deinem Glück im Weg stehen will!"

Etwas regte sich in Noras Miene. Sie sagte zwar nichts, aber ich wusste, dass sie darüber nachdachte. "Venora, ich habe nur ständig auf eure Trennung bestanden, weil dir die Beziehung zu Reece einfach nicht gut tut. Merkst du denn nicht, wie sehr er dich psychisch beeinträchtigt?"

Sichtlich versteifte sich ihr ganzer Körper, zudem ballte sie die Hände zu Fäusten. Ich wusste nicht, ob sie Einsicht zeigen würde. "Es tut mir leid, aber ich kann echt nicht nachvollziehen, weshalb du dich so sehr wegen eines Widerlings wie ihm unterkriegen lässt. Das ist lächerlich."

Noras Gesicht nahm plötzlich einen gehässigen Ausdruck an, der mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte. "Wenigstens spreize ich nicht wie eine dämliche Schlampe bei jedem Kerl die Beine, nur weil der verstorbene Bruder eine Leere hinterlassen hat, die man verzweifelt zu füllen versucht."

Bevor ich mich überhaupt unter Kontrolle halten konnte, landete meine Hand klatschend an ihrer Wange. Meine Augen füllten sich sofort mit Tränen, mein Herz raste. "Lass dich bloß nicht mehr bei mir blicken, Venora!" Wutschnaubend griff ich nach meinen mitgebrachten Sachen.

"Die Ohrfeige wird dir noch unheimlich leid tun, Celia!", hörte ich sie mir nachrufen, aber ihrer Drohung keinerlei Beachtung schenkend, verließ ich schnellstens das große Haus, in das ich so schnell nicht wieder eintreten würde und steuerte geradewegs zu meinem Audi.

Das Nächste, woran ich denken konnte, war Coles Nummer auf meinem Handy zu wählen. Ich musste ihn dringend sprechen, auch wenn die Chance, ihn jetzt telefonisch zu erreichen, gering war. Schließlich war er am Arbeiten und bis zu seinem Schichtende dauerte es noch ein wenig.

Zu meiner tiefen Erleichterung nahm er jedoch beim ersten Piepen ab, so als hätte er diesen Anruf bereits erwartet. In gleicher Sekunde hörte ich auf, mit meinen Fingernägeln ungeduldig auf das Lenkrad zu klopfen. Er ahnte ja nicht, wie froh ich darüber war, seine Stimme zu hören.

"Cole, ich will es auf deine Art machen. Lass uns gemeinsam die Party sabotieren", beschloss ich fest entschieden, denn nicht länger brauchte ich Acht auf Noras Gefühle zu nehmen. "Scheint so, als sei mein Kleeblatt auf Chaos aus." Ein diabolisches Grinsen schlich sich auf meine Lippen.

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