73. Liebe Mathematik ✔

You'r my magic movie

Song: Space for two - Mr. Probz

Rosemary P.o.V.

"Wird dieses unangekündigte Auftauchen jetzt eigentlich zur Gewohnheit?"

Ich kann spüren wie mein Herz in meiner Brust langsam versinkt, doch irgendwas hält es vor der kompletten Versenkung ab.

„Vielleicht sollte ich das auch mal versuchen?"

Meine Fingerspitzen kribbeln.

Verdammt, warum bin ich so nervös.

Ich glaube ich war noch nie in meinem Leben so unsicher und sicher zugleich. Gut möglich, dass mir genau das so eine ungeheure Angst einjagt.

Diesmal können Clives Augen mich nur schwer beruhigen. Es hilft nichts mir vorzustellen, dass es lediglich heiße Schokolade ist, die mich kritisch anstarrt – vorwurfsvoll, weil ich sie nicht trinke.

Gott, was wollte ich nochmal alles sagen...

Krampfhaft ringe ich mir ein Mundwinkelzucken ab.

Bewusst langsam zieht er eine einzelne Augenbraue nach oben, nimmt seine Brille ab und die heiße Schokolade verwandelt sich in blubberndes Kakao-Milch-Gemisch.

Er wartet auf eine Antwort.

Stimmt!

Meine Lippen reißen einen winzigen Spalt auf, dann scheinen sie wie eingefroren. In meinem Hals bäumen sich Dornen auf.

„Was willst du hier?"

„Ich... ich muss mit dir reden."

Atmen Rose, atmen.

Jetzt zieht er die zweite nach oben...

Am liebsten würde ich ihn anschreien, er solle endlich damit aufhören, aber ich kann nicht. Es macht mich verrückt.

Allerdings realisiere ich plötzlich etwas... ich weiß warum er so amüsiert dreinblickt. Natürlich! Es sind meine Worte. Warum sonst sollte ich hier vor seiner Türe auflaufen, wenn ich nicht mit ihm reden wollte.

„Oh, ähm..."

„Ja?"

Gemächlich lehnt er sich in den Türrahmen, mustert mein Gesicht ausgiebig. Er scheint nicht genug davon bekommen zu können.

Großartig, und ich laufe hier an wie eine überreife Tomate, die seit zwei Jahren darauf wartet, geerntet zu werden...

„Also... ich... also..."

Was hat Linda nochmal gesagt? Fakten aufzählen, die Situation im Kopf beschreiben und sich erstmal sammeln, der Rest kommt. Sie meinte auch, mir würde eine Sekunde lang übel werden und dann würden die Schmetterlinge in meinem Bauch wie bei „Molly, die Milchkuh" explodieren.

Okay...

Clive lehnt im Rahmen, er mustert mich, er wirkt amüsiert und interessiert. Das ist gut, er ist schon mal nicht wütend, wegen dem was an Silvester passiert ist. Also... nicht mehr.

Fakten... Fakten... puh!

Ich bin nervös und sicher.

Und unsicher.

Und ich sollte endlich meinen Mund aufbekommen, sonst geht er zuletzt noch rein, ohne, dass ich meinen Vorsatz umsetzen konnte.

„Ähm..."

„Das hast du glaube ich schon gesagt."

Er wirkt nicht genervt... ich schätze das ist gut.

„Oh, ja." Ich lache nervös.

Nervös... das hatte ich auch schon.

Ausatmen, einatmen. Ich schaffe das. Ich will das.

„Okay..." Ausatmen, einatmen. Meine Hände zittern immer noch. „Clive, ich... ich habe mich heute wieder mit Sebastian getroffen." Die Augenbrauen sinken, seine Schultern spannen sich an. „Und ich... wir haben uns... uns unterhalten und... ich habe ähm..."

Ich breche ab, suche nach neuen Worten, nach passenden. Irgendwas, das in die Lücke passt. In meinem Kopf sind unendlich viele davon. Ich könnte ganze Bücher füllen, aber nichts würde Sinn ergeben.

„Rosie, wenn du hier bist, um mir zu sagen, dass ihr ein Paar seid, dann ist das okay, wirklich."

„Was? Nein. Ich..."

Jetzt ist er verwirrt. Er kneift die Augenbrauen selten so sehr zusammen, Clive ist selten dermaßen verwirrt.

Einatmen.

„Ich habe die letzte Stunde damit verbracht drüber... drüber nachzudenken, was ich eigentlich will. Und ich... ich hab über so viel und so wenig nachgedacht und ich hatte Angst und irgendwie auch nicht und..." Ausatmen, einatmen. „Im Grunde konnte ich nur an dich denken."

„An mich?"

Seine Stimme ist wesentlich gedämpfter als noch vor wenigen Sekunden und in seinen Augen stürmt Es, als würde jemand seine Tasse heftig hin- und herschwenken.

„Ja..."

Ich bilde mir eine Uhr hören zu können, ihr dröhnendes Ticken. Jede Sekunde, die verstreicht, fühlt sich an wie eine kleine Ewigkeit, aber nicht unbedingt von der unerträglichen Sorte.

„Also... vielleicht..." Aus- und einatmen. „...vielleicht kann ichs dir mit Mathe erklären."

Clives rechter Mundwinkel zuckt flüchtig, aber nicht mehr.

„Stell dir Menschen als Punkt vor, in einem Koordinatensystem. Und jeden Tag zieht man Linien, radiert sie wieder aus und es entstehen Hoch- und Tiefpunkte." Mein Herz schlägt mir bis zum Hals.

Ich würde fast sagen, dass das hier peinlich ist. Ich versuche Clive, dem Mathe-Genie, etwas zu erklären – etwas mit Mathe erklären, etwas, das eigentlich überhaupt nichts mit Mathematik zu tun hat.

„Und mein Kopf ist das karierte Papier... jeden Tag versuch ich Gleichungen zu lösen und meistens schaff ich das, aber eine hat noch nie Sinn ergeben. Ich hab mich immer verrechnet und neu angefangen, so oft, dass ich ein eigenes Koordinatensystem angefangen habe... immer Fehler, Leichtsinnsfehler und falsche Ergebnisse..."

Ich schlucke. Seine Stirn liegt in Falten, wie sanfte Wellen.

„Und..." Verdammt, ist das schwer... „... und irgendwie... bist du diese Gleichung." Ich senke den Blick zu Boden.

TU ES!

Die Haare fallen mir ins Gesicht. Ein Vorhang, perfekt!

„Gut möglich, dass ich jetzt die Lösung gefunden habe..."

Ich spitzle durch die Strähnen – es hat etwas von einer Theateraufführung und ich bin der nervöse Schauspieler, der vor Beginn nervös durch den Vorhang linst, und dann noch verrückter wird, weil es so viele Zuschauer sind.

Der Unterschied zu diesem Moment hier ist, dass es kein Theater ist, es ist auch nur ein Zuschauer und ich bin nicht nervös, mein Herz zittert so stark, dass es meinen gesamten Körper durchschüttelt.

Wer hat eigentlich bestimmt, dass eine Liebeserklärung zu machen einen dermaßen physisch fordert?

„Rosie... ich weiß nicht... was ich sagen soll."

Ja.

Ehrlich gesagt habe ich damit gerechnet und ich habe mich bestmöglich darauf vorbereitet. Trotzdem fühlt sich dieser zähe Satz so an wie ein unerwarteter Schneeball mitten ins Gesicht.

Mir ist schlecht.

Tief einatmen, und wieder aus... geht nicht... Lippen sind zugeklebt und ich ziehe die Unterlippe dauernd durch meine Zähne, sauge an ihr, wie an einem Schnuller.

Himmel... ich glaube, ich habe mich eben eiskalt blamiert.

Wie konnte ich nur eine Sekunde lang glauben, mein Leben könnte ein Kathrine Heigl Film sein?

Was genau habe ich eigentlich erwartet?

Dass er mich stürmisch in seine Arme zieht, mir ein „Ich liebe dich auch" gegen die Lippen haucht und dann voller Liebe küsst?

Scheiße!

Ja, ich habe „Scheiß" gesagt. Okay, nicht laut, aber ich habe es laut in meinem Kopf gedacht. Ich weiß nicht, wie ich diesen Moment sonst beschreiben soll. Es ist einfach scheiße.

Ich habe mich hier eben zum Affen gemacht.

Ihm mehr oder minder meine Liebe gestanden und er... er sieht in mir nicht mehr als... als was?

Die kleine Rosie? Das süße Mädchen von nebenan? Das Mädchen, dem er einen Antrag als Kleinkind gemacht hat und mit dem er eine Fake-Beziehung geführt hat.

Gott... ich hätte nie „Ja" sagen sollen.

Woher hätte ich wissen können, dass ich mich in diesen... diesen Idioten verlieben würde?

Mir hat das keiner gesagt...

Okay, vielleicht haben es Linda und Candice geahnt.

Tja...

„Rosie... du bist... du bist für mich wie eine Schwester. Ich liebe dich und das weißt du... Maddie und ich..."

Etwas in mir lacht höhnisch auf.

Da ist es ja, das „Ich liebe dich". Nur leider nicht das richtige...

Mein Herz erstarrt. Das Espenlaub-Gezitter stoppt blitzartig. Seine Augen fühlen sich jetzt so an, als würden sie mir die kochend Schokolade mitten ins Gesicht schütten.

Ich schließe meine Augen, nicke langsam.

„Rosie..."

„Schon... schon gut. Niemand kann was dafür, wie er fühlt..."

„Ich... es tut mir so leid."

Meine Augen brennen.

„Blöder Wind...", lache ich herzlos und drehe mich ohne ein weiteres Wort um. Ich brauche ihm dann nicht auch noch die Show von Tränen geben.

Gott...

Autsch.

Das Geräusch, wenn Glas zersplittert, wenn ein Fußball durchs Fenster kracht... so hört es sich in meiner Brust an.

Stück für Stück reißt ein...

Die Zeit ist um. Ich war zu spät.

So läuft es bei jedem Mathetest. Der Lehrer sagt: „Stifte weg" und mir fällt die Lösung ein. Wie immer habe ich die Warnung, es wären noch fünf Minuten, nicht wahrgenommen. Ich war so konzentriert auf diese Gleichung und auf zehntausend andere...

Naja, immerhin habe ich die Sebastian-Gleichung gelöst und erkannt, dass es nichts als heiße Luft war.

„Rosie?"

„Hmm?" Eine Träne läuft über meine Wange.

Hastig wische ich sie mit dem Ärmel beiseite und zwinge mich den Wasserhahn zuzudrehen, koste es was es wolle – und sei es drum, dass ich später innerlich explodiere.

Ich bin vielleicht noch einen Meter vom sicheren Gehsteig entfernt und Clive... uns trennen zwei, drei Meter.

Nicht mehr lange... was hat er vor?

Er stößt sich völlig lässig vom Türrahmen und kommt immer näher. Berührt ihn das alles gar nicht? Warum tut er plötzlich so cool?

„Darf ich dich noch was fragen?"

Wieder schlucke ich, aber ich nicke.

„Hast du mir das gerade geglaubt?"

Meine Gesichtszüge erfrieren. Mit aufgerissenen Augen starre ich ihn an. „W-was?"

„Ob du mir das eben abgekauft hast?"

„Was... was abgekauft?"

„Alles." Er lacht, als hätte ich eben einen unfassbar lustigen Witz gerissen.

Fassungslos starre ich den Jungen vor mir an.

Er steht so dicht vor mir, dass ich sein herbes Parfüm lieben, äh riechen kann. Riechen!

„Wie meinst du das...?", stammle ich.

„Gott, Rosie. Du bist so... so..." Er stößt die Luft aus, holt frische. „Fuck, ich hab keine Ahnung was du bist. Chaotisch perfekt?"

Noch ein Schritt.

„Ich weiß... es hat verdammt lang gedauert und ich habe Maddie gebraucht, um mir das klar zu machen, aber... ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr und so lange schon, dass ich es glaube ich nicht wahrhaben wollte."

„Clive... was... was..."

„Jetzt bist du still." Er lacht und fährt sich durchs Haar. Dann nickt er. „Ich liebe deine eigenartige Schüchternheit und dass du immer so rot anläufst, wenn dir was peinlich ist. Wenn ich dich einen Tag mal nicht sehe, dein Lächeln oder genervtes Seufzen höre, dann keine Ahnung... ich fühl mich scheiße. Diese paar Monate Beziehung mit dir waren... waren so herrlich unperfekt-perfekt. Und ich war damals so sauer, weil ich... ja..., weil ich eifersüchtig war."

Ich kann nicht anders als ihn einfach nur sprachlos anzublinzeln.

Nein... das bilde ich mir alles nur ein. Ich muss mir das einbilden. Vielleicht habe ich zu wenig getrunken oder ich träume noch. Ja, ganz bestimmt.

Wieder lacht er.

„Ich liebe dich."

Und dann... dann spüre ich urplötzlich seine Lippen auf meinen, seine Hände auf meinem Rücken, die mich näher zu ihm ziehen und meine Füße die bereitwillig in diese Richtung stolpern.

Die herausgebrochenen Stückchen in meiner Brust kehren magisch an ihren alten Platz zurück. Mein Herz glänzt wie neu, als wäre niemals etwas damit passiert, aber es zittert noch immer.

„Aber... aber... du... du hast gesagt, ich wäre...", stottere ich gegen seine Lippen und blinzle ihn noch immer nicht vollkommen überzeugt an.

Das kann doch nicht wahr sein.

Clive grinst mich altbekannt-arrogant an.

„Ja... ich sag viel und ich war noch ein bisschen sauer, weil du bei ihm heute warst."

Ich sauge die Luft ein. „Was! Deswegen hast du mich... deswegen hast du..." Ich trommle mit meinen Fäusten auf seine Brust, solange, bis er sie lachend festhält. „Du... du... du bist so ein Fiesling und ein... ein..."

„Idiot, ich weiß. Und du darfst mich gerne so lange ich lebe Idiot nennen, solange ich DEIN Idiot bin."

Ich muss lachen. „Fragst du mich gerade, ob ich deine Freundin sein will?"

„Meine ECHTE Freundin, mit allem drum und dran und jedem blöden Kitsch."

„Aber du hasst Kitsch."

„Ich hasse vieles."

„Idiot." Ich muss lachen.

„Das nehme ich als Ja."

Hmm, ob sich seine Lippen schon immer so gut angefühlt haben?

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Hello <3

Zu viel Kitsch?

XX eure Ane

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Und alle die nicht genug bekommen - schaut bei "Reese's Sarcasm" vorbei <3.

https://www.wattpad.com/story/325974178-reese%27s-sarcasm

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