69. Reis und Silvester ✔

Love is a better master than duty. - Albert Einstein

Song: Out of nowhere - Seafret

Ich verhungere.

Zumindest glaube ich, dass ich bald verhungere. Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass ich mit Clive vor vier Stunden eine Reispfanne gezaubert habe.

Allerdings ist das eben schon VIER Stunden her und zweitens muss ich mich nochmal selbst loben. Clive hat mich angewiesen – und gezwungen – den Reis zu kochen, während er vermutlich zehn Chilischoten und drei Päckchen Currypulver zusammengemischt hat. Und der Reis ist nicht angebrannt!

Ich konnte es gar nicht wirklich glauben.

Es mag albern klingen, aber für mich ist das ein riesengroßer Fortschritt. Clive hat mich natürlich ausgelacht, als ich mich darüber gefreut habe, aber in seinen Augen lag dieser Glanz, es war kein bösartiges Auslachen.

Die Kritik kam dann beim Essen selbst.

„Naja, deine Kinder bekommen immerhin schon mal etwas harten Reis..."

„Ich lad dich öfter mal ein, dann darfst du kochen."

„Mhm, solang ich nicht abspülen muss."

„Deal!"

Ich ertappe mich beim Grinsen.

Clive tut mir überraschend gut. Ich hätte nie erwartet, dass wir nochmal so gute Freunde würden. Ehrlich gesagt... ich hatte fast damit gerechnet, dass nach unserer „Beziehung" die Schienen wieder so plötzlich enden, wie sie in der Wiese aufgetaucht sind.

Mein Magen knurrt.

Gott, ich sollte aufhören zu denken und mir etwas suchen. Andererseits... vielleicht sollte ich versuchen zu schlafen. Wir haben halb zwei nachts und... ich bin wirklich hoffnungslos wach.

Würde mir jemand sagen, man hätte mir heimlich Energy-Drink verabreicht, ich würde es glatt glauben.

Mandarine!

Ich hab noch eine Mandarine hier. Clive hat sie mit nach oben genommen und als Football missbraucht.

Es ist ihr Glück – und jetzt auch meines -, dass ich mich standhaft geweigert habe, Fänger zu sein und nur Clive zugepasst habe... der Junge kann so gut fangen wie Adam Mädchen um den Finger wickeln.

Adam...

Beim Gedanken an den Geschmack von Mandarinenstückchen knurrt mein Magen nochmal.

Ich könnte Adam schreiben.

Rasch angle ich mir den provisorischen Football und beginne die Schale abzurupfen. Dieser Geruch... hmm... lecker.

Ja, sobald ich sie abgeschält habe schreibe ich Adam. Er ist sicher noch wach. Als würde er vor drei Uhr ins Bett gehen, wenn er am nächsten Tag keine Verpflichtungen hat.

Himmel, ich hasse diese weißen Streifen, Haut oder was auch immer das ist. Ich sollte mal herausfinden wie man das überhaupt nennt. Diese Fäden... ekelhaft. Clive isst sie komplett, ihn stört das nicht, aber ich bekomme die Krise.

Mein Herz schlägt plötzlich lauter.

Erschrocken von mir selbst lasse ich mich auf mein Bett fallen, presse die eine Hand gegen meine Brust, in der anderen beschütze ich meine Mandarinen.

Okay, das war komisch.

Habe ich so Hunger, dass es mein Herz angreift?

Mein Blick fällt auf meinen Zeichenblock. Ich habe ihn auf meine Staffelei gestellt. Es fühlt sich fast so an, als würde Clive mich angrinsen. Er ist mir so leicht von der Hand gegangen, es war gruselig.

Noch gruseliger ist die Tatsache, dass ich ihn vorhin als einzige Figur bunt gemacht habe. Sebastian hat noch nicht einmal sein Gesicht und ein paar vermissen sehnsüchtig ihre Helme.

Noch so ein weißer Faden...

Hastig schüttle ich meinen Kopf, die Gänsehaut wird vergehen, vielleicht ist mir nur kalt?

Bestimmt.

Ich taste das Bett hinter mir ab. Wo ist mein Handy schon wieder? Nie ist es da, wo ich es haben will oder denke, es gelassen zu haben... ergibt das Sinn? Nein, egal. Es ist spät.

DA!

Unter meinem Kopfkissen. Oh je...

'Hey, bist du noch wach?'

Der Mandarine hat es jedenfalls nicht geschadet, dass sie ein Football war.

Ich schließe einen Augenblick meine Augen, dann reißt mich das Vibrieren in meiner Hand aus den Genussträumen.

„Rosemariechen. Dass du noch wach bist, ich bin überrascht!"

Ein – offenbar – putzmunterer Adam lacht schallend am anderen Ende. Ich kann im Hintergrund Will Smith schreien hören. Hmm, ich würde auf „Men in Black I" tippen, die Anfangsszene: Will jagt einen Mann/Alien.

„Dein Lieblingsfilm?"

„Yep."

Dann stellt er stumm und lacht wieder – diesmal nicht über mich, sondern über den Film.

„Was treibst du so spät noch?"

Gute Frage... was hält mich eigentlich wach? Ich bin um acht Uhr aufgestanden, war beim Einkaufen und habe mich mit Clive herumgeschlagen – okay, es war nicht so anstrengend, aber er ist immer noch Clive.

„Mandarine essen?"

„Du isst? Jetzt? Eine Mandarine?"

„Ja?"

Lachen.

„Gott, Rosemary, du machst mich fertig."

„Danke?"

„Hör auf damit."

„Womit?"

„So... süß zu sein. Das ist wirklich schlimm, verstehst du das? Obwohl... ich glaube, ich habe mich deswegen noch nie an dich rangemacht."

„Weil ich süß bin?" Jetzt muss ich glucksen.

„Das und irgendwie... du weckst in mir diesen Instinkt jeden Vollidioten aus dem Weg zu räumen, der dich nur blöd ansieht."

„Hast du was getrunken?"

„Ich?"

„Ja, du, ADAM!"

„Vielleicht ein oder zwei Bier. George war vorhin da."

„So, aha."

„Du und dein dummes Aha."

„Lass mich."

Ich kann Adams Grinsen vor mir sehen. Er hat auch seinen klassischen Blick, schmale Augen, ein paar Strähnen in der Stirn und Schmollmund. Wenn er so dreinblickt... ich müsste lügen, würde ich behaupten es wäre nicht attraktiv, aber irgendwie... ich muss jedes Mal an Flynn Ryder aus „Rapunzel – Neu verföhnt" denken.

Ich kann ihn dann einfach nicht ernst nehmen.

„Okay, also. Was gibt's? Was brennt dir auf dem Herzen, Mariechen?"

„Kann ich dich nicht einfach so anrufen?"

„Kannst du, aber nicht um diese Uhrzeit."

Punkt für Zapaty.

„Also?"

Antworten, stimmt.

„Ich weiß nicht... ich schätze Sebastian beschäftigt mich."

Das ist die halbe Wahrheit.

Wenn ich ehrlich bin, ich denke mehr über Clive nach und wie das mit unserer Freundschaft wohl weitergeht... aber, nichts desto trotz, ich grüble auch über Sebastian nach.

Ich muss unbedingt mit ihm reden.

Herausfinden, was das zwischen uns eigentlich ist.

„Inwiefern."

Und dann erzähle ich Adam alles... alles, was die letzten Tage passiert ist. Ich lasse alles herausplätschern, bis nichts mehr da ist, nicht ein einziger Tropfen.

Als ich fertig bin kann ich seinen platten Atem hören.

Er hat vielleicht mit ein paar lustigen Geschichten von den Feiertagen gerechnet, aber nicht damit.

„Mariechen..."

„Adam."

„Mariechen..."

„Adam..." Ich werde unsicherer.

„Wow, einfach nur wow."

„Wow gut oder wow schlecht?"

„Wow, ich habe keine Ahnung."

„Okay, wow."

Er lacht leise.

„Mensch, Mary. Was machst du denn, und dann auch noch ohne mich? Ich bin echt überrascht von dir..."

Ich weiß nicht was ich sagen soll, andererseits ist das auch gut so... ich habe gerade eben ziemlich viel geplappert.

„Magst du ihn?"

„Wen?"

„Sebastian."

„Schon... ja."

„Und Clive?"

„Natürlich."

„Aha."

„Was aha?"

„Nur aha."

„Nein, nichts nur aha. Das war eines von meinen Ahas."

Er seufzt. „Ich sag dir das jetzt nicht. Rosemary, es ist deine- ähm... du magst beide."

„Ja, ich mag beide. Clive ist sowas wie mein bester Freund, glaube ich und Sebastian... ich hab die letzten zwei Jahre darauf gewartet."

„Das mein ich nicht. Ich meinte, ob du Clive so magst wie Seb."

„Wie... wie kommst du da drauf?"

„Rosemary, so wie du von Clive sprichst..."

„Ja?"

„Man könnte meinen du..."

„Was? Nein, nein. Nein! Ich... nein." Atmen. Ich sitze kerzengerade in meinem Bett, das letzte Mandarinenstück – mit weißen Fäden – liegt neben meinem Kopfkissen. „Clive und ich sind... wir sind nur Freunde. Ich... also klar, ich fühle mich bei ihm echt wohl, aber also freundschaftlich... und Seb... ich bin die letzten Jahre doch in ihn verliebt... nein."

Schweigen. Zu gerne würde ich jetzt Will Smith im Hintergrund hören.

„Adam... nein." Ich lache – halb hysterisch, halb verzweifelt. Linda und Candice haben auch einmal darauf angespielt... „Nein, ich... ich will wirklich nichts von Clive. Glaub mir."

„Wenn du das sagst... ich versteh nur nicht ganz, warum du dann jetzt über Seb nachdenkst? Für mich hört sich das eher an, als würdest du über Clive grübeln."

„Also... irgendwie, ja. Nein, also... das hängt ja miteinander zusammen. Ich denke an Clive und meine Freundschaft und was damit passiert, wenn Sebastian und ich... also, wenn wir mehr werden würden..."

„Willst du mehr mit ihm?"

„Ich denke schon?"

„Frägst du mich das gerade wirklich?"

„Nein, ich will das schon, glaube ich."

„Du glaubst?"

„Adam!"

„Sorry, aber ich will dir nur helfen. Deswegen hast du angerufen, oder? Dass ich dir helfe?"

„Ja..."

„Gut, also?"

„Ich weiß es nicht sicher, ich will einfach mit Sebastian reden, wie er dazu steht. Ich will das jetzt nicht wollen, wenn er es dann nicht will, dann..."

„Dann bist du enttäuscht?"

„Ja."

„Rosemary, wenn du es willst, dann geh auf ihn zu, red mit ihm. Du hast mir doch eben gesagt, dass Sebastian dir gebeichtet hat, er hätte schon seit längerem ein Auge auf dich geworfen. Warum sollte er jetzt plötzlich anders denken? Trau dich, wenn du es wirklich willst."

„Meinst du?" Ich weiß, dass er recht hat.

„Ja, das meine ich."

Was habe ich eigentlich zu verlieren? Mehr als mich abweisen kann er nicht.

„Okay..."

„Gut... und jetzt zu anderen Dingen: Was machst du an Silvester?"

***

Nach zwanzig Minuten harter und eiskalter Diskussion, in der auch die ein oder andere Brechstange zum Einsatz kam, habe ich endlich gewonnen.

Zufrieden betrachte ich mich im Spiegel. Abgesehen von ein bisschen Wimperntusche und erdbeerroten Lippen sehe ich haargenau so aus, wie ich vor einer Stunde durch die Tür getreten bin: eisblaue Jeans, mein geliebter weißer Kuschelpullover und die Haare in offenen Naturwellen.

„Rose..."

„Nein."

Eines der wenigen Male, dass ich mich hartnäckig gegen etwas stelle – beziehungsweise gegen jemanden.

Maddie, Azura und Candice haben sich gerade die Zähne daran ausgebissen, mich zu überzeugen, eines von Azuras todschicken Kleidchen zu tragen.

Unglücklicherweise haben wir dieselbe Kleidergröße...

Und noch tragischer ist, mir gefallen zwar ihre Kleider, aber nicht an mir. Das regenbogenfarbene Paillettenkleid sieht an ihr sicher wesentlich besser aus und so ist es auch mit dem apfelroten Glitzerfummel oder dem royalblauen Traum, dessen Rücken tiefer ist als erlaubt.

Die Einzige, die meine Entscheidung – Jeans und Pulli zu tragen – akzeptiert und befürwortet hat, war Linda.

Danke!

Sie hat sich selbst in einen schlichten schwarzen Jumpsuit geschält und darüber einen grünen Oversize-Pullover geworfen. Und sie sieht aus wie frisch vom Laufsteg.

Nur... bei ihr haben die drei Mädels es nicht einmal versucht, sie zu einem Kleid zu bewegen. Linda ist sturer als Zement.

„Du verpasst was..."

„Ich fühle mich ganze wohl.", wehre ich Candice Versuche ab.

Den ganzen Abend in einem so kurzen Teil zu verbringen stelle ich mir schlichtweg anstrengend vor. Es ist Silvester, ja, aber das heißt nicht, dass ich deswegen wie ein Stock auf dem Sofa sitzen möchte, mich nicht bewegen kann, weil sonst etwas verrutscht. Oder, dass ich dauernd am Saum herum zupfe, ihn tiefer ziehe.

Ich glaube, die Jungs, Becca und Roni werden es mir verzeihen – besonders Becca. Sie hasst mich glaube ich ohnehin.

Becca und Mary würden sich sicherlich prima verstehen.

Ich muss grinsen.

Im Spiegel beobachte ich Maddie, wie sie ihre Pseudo-Hochsteckfrisur löst, nachdem Linda ihr den Reißverschluss hochgezogen hat.

Ein Traum in weinrotem Samt.

Aber ich kann nicht bei ihr stoppen... Azura sieht in ihrem Lederrock und Goldglitzertop genauso umwerfend aus und Maddie...

Es klingelt.

„Fertig?"

„Fertig."

Noch etwas Gutes, dass aus Clives und meiner Beziehung entstanden ist... Maddie und Azura sind verdammt gute Freundinnen.

____________________________

Hello

***

💌N°74: Euer Mood?

XX Ane

Ps. Folgt mir gerne auf Instagram: @sxmelittlestories

Gleicher Name wie hier auf Wattpad, dort gibt es alles rund um Wattpad und co. u allgemein BÜCHER. 😏

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top