58. Schweben ✔
Love is never wrong. - Melissa Etheridge
Song: Slave to Love - Bryan Ferry
Clive P.o.V.
"Mariechen!"
Einmal mehr verpasst Rosie Adam um vielleicht zehn, fünfzehn... Meter. Okay, möglicherweise übertreibe ich ein wenig, aber Rosies Wurfkünste sind in etwa wie ihre Kochkünste: Absolut zum Vergessen.
Mister Playboy rauft sich natürlich vollkommen dramatisch durchs Haar, wirft ihr einen endlos seufzenden Blick zu und schüttelt anschließend seinen Kopf.
Meine Fresse, wo sind wir denn? Baywatch?
Kann er sich nicht wie ein normaler Mensch aufführen? Genervt Stöhnen und sie böse anfunkeln, weil er eine Niederlage nicht ertragen kann oder sie ironisch angrinsen und den Kopf wie ein langweiliger Student schütteln.
Nein, natürlich muss er hier seine Mackershow abziehen.
Und dann dieses Mariechen...
Benji zupft an dem Saum meiner Jacke herum. Fragend blinzle ich meinen kleinen Bruder an. „Warum schaust du ihn so böse an?" Das Grinsen auf seinen Lippen verrät mir, dass er längst eine Ahnung hat.
Ich schätze, ich will nicht wissen, was er sich denkt.
„Ich schau nicht böse.", versuche ich seinen Vorwurf – der eigentlich die Wahrheit ist – beiseite zu wischen. „Doch das tust du. Dein Kieferknochen spannt immer so, wenn du wütend auf Mom oder mich bist."
Fassungslos starre ich den kleinen Mann an. Für seine Acht Jahre ist er ein verdammt cleveres Kerlchen – mit einer unglaublichen Beobachtungsgabe. „Und auf Dad?"
„Clive!"
„Sorry, Kleiner..."
„Also?"
Ich blicke von ihm auf, zurück zum Player und Rosie. Natürlich nimmt er ihr genau in diesem Augenblick den Ball aus den Händen, hält ihre dabei noch einen Moment lang fest und lacht... mit ihr – vermutlich über einen dummen, sinnlosen Satz von ihm. „Ich hab böse geschaut?" Benji nickt bekräftigend und durchbohrt mich förmlich mit seinem Blick.
Ich habe böse geschaut... hmm...
Ob das wohl wegen dem tollen Adam sein könnte? Möglich.
Kein Stück besser als Sebastian... obwohl, doch... zumindest belügt er seine besten Freunde nicht oder macht sich an deren Freundinnen ran – soweit habe ich nie etwas von George gehört...
Vielleicht aber... spielt George auch nur ein falsches Spiel für seinen Bruder. Hätte er mir derlei Geschichten über Adam erzählt, hätte ich vielleicht mit Sebastian immer auf einem unguten Pfad gestanden.
„Magst du Mary noch?"
„Was?"
„Magst du sie noch..."
„Ähm... ja, sicher. Sie ist mir immer noch wichtig."
„Bist du eifersüchtig?"
„Eifersüchtig?"
„Ja."
Ich? Eifersüchtig? Auf Adam? Pff.
Mit einem Augenrollen und angestrengten Seufzer wuschle ich meinem Bruder durch die Haare. „Sagen wir einfach... ich mag Adam nicht sonderlich."
„Weil er mit Mary so gut befreundet ist?"
Meine Güte, seit wann stellt mein Bruder dermaßen nervige Fragen. „Nein, weil er einfach so... er ist so ein..." Wie kann ich Benji beibringen, dass Adam ein Player ist, der Rosie vielleicht nur eines Tages vögeln möchte. „Adam ist mir nicht ganz so sympathisch."
Der kleine Junge zieht kritisch eine Augenbraue nach oben, dann wendet er seine Aufmerksamkeit wieder auf Rosie und Adam. „Unsympathisch?"
„Unsympathisch!"
„Okay."
„Okay?"
„Ja, okay."
„Okay.", stottere etwas verwirrt als er auch noch mit den Schultern zuckt.
Zugegeben, es macht mich ein wenig neugierig, was Benji wohl gerade durch den kleinen Wuschelkopf geht, aber gleichzeitig wird meine – fast- ganze Aufmerksamkeit von „Mariechen" und dem Player beansprucht...
Ich weiß nicht genau wie lange wir hier stehen und in unseren Zweier-Grüppchen verweilen. Allerdings weiß ich, dass meine Laune ihren absoluten Nullpunkt erreicht hat und meine Lust weiterzuspielen gegen Minus unendlich strebt.
Rosie lacht plötzlich. Warum lacht sie? Was hat er gesagt...
***
„Clive, Schatz, kommst du mal eben?"
Am liebsten hätte ich meiner Mom ein entnervtes „Was ist denn?" entgegen gepfeffert, doch ich halte mich zurück. Ich hätte wissen müssen, dass ich nicht ohne irgendwas eine Schüssel Müsli holen kann.
Betont langsam schlurfe ich zurück in die Küche und schenke ihr einen fragenden Blick – mehr genervt, als fragend.
Dieser Tag war einfach nur schrecklich. Ich will gar nicht daran denken wie Rosie mich immer wieder angeschielt hat – vermeintlich heimlich. Und noch weniger will ich wissen, warum ich am liebsten mit ihr über alles gesprochen hätte und ihr trotzdem die kalte Schulter gezeigt habe. Wann ist mein Ego dermaßen ekelhaft geworden?
Und Adam... dieser Idiot. Er ist gefühlt dauerhaft an ihr geklebt. Vielleicht hätte ich ihm Sekundenkleber leihen sollen oder noch besser stählerne Handschellen und den Schlüssel im Hudson versenken.
„Dein Vater und ich waren doch gestern bei Grandma..." Sie legt ihre Brille beiseite. Gut möglich, dass die Arroganz von ihrer Seite stammt, die Brille trägt sie nur zuhause, wenn sie weiß, dass wirklich garantiert kein Mensch zu Besuch kommt. Und wenn doch, dann lässt sie es sich nicht nehmen entweder blind herumzustaksen oder nach oben zu huschen und die Linsen einzusetzen.
Es langweilt mich, trotzdem nicke ich.
Mom schiebt den Stuhl zurück und steht allmählich vom Esstisch auf. Vielleicht ist das Ganze hier doch nicht so langweilig...
Misstrauisch beobachte ich sie dabei. Mir gefällt nicht, wie sie mich ansieht.
„Wir haben über Weihnachten gesprochen und Grandma würde sehr gerne nach Frankreich über die Feiertage."
„Ja?"
„Mit uns."
„Mit uns?"
„Ja, nach Frankreich."
Frankreich bedeutet fliegen. Fliegen bedeutet Flugzeug und Luft und...
Und ich kann spüren, wie die Luft in meinem Hals dünner wird, wie er sich langsam, aber sicher abschnürt. Mein Herz rast allein bei dem Gedanken an diese Teufelsteile schneller als Tyreek Hill übers Feld sprintet.
„Clive, bitte, überleg dir das. Wenn du nicht... kannst, dann ist das okay, dann bleiben wir hier. Aber vielleicht ist es ja besser geworden."
„Besser? Mom, ich saß zuletzt vor einem Jahr im Flugzeug und bin wieder raus."
Dieser Moment war gekrönt von purer Peinlichkeit, obwohl mir das damals egal war. Alles was zählte war, dass ich raus kam und dann...
„Okay, das war nur eine Idee."
„Eine Idee, die ziemlich sehnsüchtig klingt."
„Naja... Grandma war lange nicht drüben, wegen deinem Großvater und jetzt..."
„Jetzt wo er tot ist könnte sie und will natürlich ihre Familie mitnehmen.", beende ich ihre Aussage monoton.
So nervös wie Mom auf ihrer Unterlippe kaut, hatte sie mit meiner Reaktion wohl schon gerechnet. Ich weiß, dass sie mir kein schlechtes Gewissen wegen der Flugangst machen möchte, aber genau das hat sie damit erreicht.
Eine sehr gute Frage, woher diese Panik rührt, sie verfolgt mich seit ich acht Jahre alt bin – damals wollten wir zum ersten Mal fliegen, nach Miami. Das einzige Problem war meine Panikattacke, nur wenige Sekunden bevor wir die Treppe in den Flieger nehmen wollten. Danach sind wir in Boise geblieben und anschließend wieder nach Hause.
Und jetzt möchte meine Grandma ihre noch lebenden Geschwister und wohlweißlich deren Familien treffen, ihre eigene noch mitbringen und dem im Wege stehe nur noch ich mit meiner beschissenen Flugangst.
Vor wenigen Minuten dachte ich noch, dieser Tag könnte nicht ekelhafter werden, aber siehe da: schlechtes Gewissen steht noch auf der Agenda.
„Clive, es ist okay, das war nur ein Vorschlag. Vielleicht fliegt sie auch allein, wir wissen es noch nicht, wir haben nur ein bisschen herumgesponnen und wollten dich fragen, ob du..."
Ich hebe meine Hand. „Mom, schon gut. Ich lass mir das durch den Kopf gehen, okay?"
Sie nickt.
Im Grunde wissen wir beide längst die Antwort: Ich kann nicht.
***
Rosie P.o.V.
Warum zum Geier konnte er mich nicht anschauen?
Ich werde wahnsinnig.
Vielleicht hätte ich einfach lügen sollen und behaupten Adam und ich hätten keine Zeit gehabt, vielleicht würden meine Gefühle und Ängste dann jetzt nicht wie auf einer Wildwasserachterbahn herumtoben und meine Gedanken wären kein sinnloser Haufen Salat.
Unentschlossen zwinge ich mich vor meinem Spiegel stehen zu bleiben. Ich blicke mir fest in die Augen, aber nichts.
Keine Erleuchtung, keine Klarheit... nichts.
Nur diese tausend Bilder und Worte in meinem Kopf. Ich will Sebastian... ja, aber ich will deswegen Clive nicht verlieren. Andererseits bedeutet das, dass mir Clive wichtiger ist als Sebastian. Und ich bin Clive auch unendlich wichtig, Familie, das hat er selbst gesagt.
Aber wie können wir Familie sein, wenn er sich so... so... unheimlich kalt benimmt. Nur ein einziger Blick. Mir hätte auch ein halbherziges Lächeln genügt, aber nichts.
Höchstens an Benji gewandt hat er gelacht.
Wann ist mir Clive wichtig geworden?
Seit wann rasen meine Gedanken um ihn? Seit dem Streit, dem Schulhofvorfall? Gut möglich.
Ich hasse dieses machtlose Gefühl.
Das ist wie... wie fliegen – jenes Fliegen, wenn man vom zehn Meter-Brett springt oder in der Luft schwebt und keine Ahnung hat wann der Aufprall kommt. Zuerst ist man aufgeregt und Adrenalin pumpt durch die Adern, dann beweist man Mut und springt und sobald man schwebt fragt man sich und bangt, wann dich wohl das Wasser auffrisst.
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Hey Hey
Wer hat noch Flugangst? Könnt ihr Clive verstehen?
Ganz schöner Absacker was? Habt ihr schon Theorien fürs nächste Kapitel?
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💌N°61: Eure liebste Instagramseite?
Puh, etwas seltsam, aber @NFL (Football) 🤭
XOXO Maggie🧡
Ps. Folgt mir gerne auf Instagram: @sxmelittlestories
Gleicher Name wie hier auf Wattpad, dort gibt es alles rund um meine Lieblingsbücher, oder allgemein BÜCHER. 😏
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