48. Lösungen ✔

Speak low, if you speak love.- William Shakespeare

Song: Dressed Up in White – by CAL

"Clive, ich muss dir was sagen." Durchatmen. Innerlich versuche ich mich auf seinen durchbohrenden Blick zu wappnen – was bescheuert ist, denn sobald er mich auf diese Art ansieht werde ich vermutlich innerlich zusammensacken. „Ich habe... also am Montag... bevor du gekommen bist, was Sebastian da und wir haben an unseren Projekten gemalt."

Atmen. Ich habe allmählich das Gefühl meine Lungen füllen sich nicht mit Luft, sondern scharfer Säure, die sich nach und nach meinen Hals hinaufätzt.

„Wir haben uns geküsst."

Es kostet mich alle Kraft – das Bisschen, dass ich noch habe – nicht meinen Wackelpudding-Knien nachzugeben oder dem Drang meinen Mageninhalt – ein halber Toast mit Moms Erdbeermarmelade – in die Toilette zu befördern.

Standhaft recke ich mein Kinn nach oben, doch es gleicht mehr dem Versuch eine Verspannung aus meinem Nacken zu lösen als einer selbstbewussten Geste.

Im Grunde ist an dieser Geschichte rein gar nichts, wofür ich selbstbewusst sein könnte. Ich sollte mich in Grund und Boden schämen.

Oh Gott! Und so fühle ich mich beim nackten Gedanken daran es Clive zu beichten. Ich kann mir das gerade so in den Spiegel, in mein Gesicht, krächzen und habe schon das Gefühl zu ersticken. Es ist NUR ein verdammter Spiegel; NUR meine Vorstellung seines Gesichts, nicht sein reales!

„Clive... am Montag, bevor du gekommen bist, war Sebastian da und wir haben uns geküsst."

Wieder wird mir speiübel.

Es ist jetzt beinahe eine Woche her und mit jedem Tag, jedem Blick zu ihm oder Sebastian wächst die Ranke meiner Schuldgefühle. Allmählich habe ich den Eindruck sie wäre höher und stärker als die von Hans und der Bohnranke.

Egal, wie ich es drehe und wende, am Ende fühle ich mich wie eine miese Betrügerin. Vielleicht fühlt sich das so in einer echten romantischen Beziehung an, wenn man einen dummen, dummen Fehler begangen hat.

Aber der Unterschied ist, dass Clive und ich keine echte Beziehung führen und es will nicht in meinen Kopf, weshalb mir dieser Kuss nun so dermaßen zusetzt.

Das Klopfen an der Badezimmertür lässt mich zusammenfahren.

Automatisch kralle ich mich an das kalte Porzellanwaschbecken. Mein Finger zittern trotzdem. „Rosemary?" Meine Mutter, ich hätte es auch an ihrem bloßen Klopfen erkannt. Dad hämmert immer ein wenig, selbst wenn er es sanft versucht – er kann nicht anders. „Bist du okay?"

Nein, Mom. Nichts ist okay!

Ich habe Sebastian geküsst, meinen Traumprinz und fühle mich deswegen hundsmiserabel, weil ich in einer Beziehung mit Clive stecke, die aber eigentlich auch gar nicht real ist, sondern nur ein riesengroßer Schwindel, um genau das zu erreichen.

Und ich traue mich jetzt nicht mal mehr Clive länger als drei Sekunden in die Augen zu blicken, ohne von einer Welle Schuldgefühle überrollt zu werden.

„Mhm, alles okay, ich brauche nur noch ein bisschen. Eyeliner und so."

„Clive wartet draußen."

„Schon?" Meine Stimme ist ein einziges Krächzen, vielleicht nicht mal.

„Mary, es ist halb acht... darf ich reinkommen?"

Ein Blick in den Spiegel und die klare Antwort sollte NEIN sein, aber ich kann nicht und meine Mutter nimmt das Schweigen wohl als JA.

Sobald ich ihr warmes Lächeln sehe zieht sich meine Brust ein wenig zusammen. Mir ist bewusst, dass sie sich eine Beziehung zwischen mir und Clive insgeheim wünscht und dass sie unsere neuerflammte Freundschaft unheimlich glücklich gemacht hat, aber ich kann ihr das alles einfach nicht erzählen. Es ist eine Lüge und ich will nicht den enttäuschten Ausdruck auf ihrem Gesicht sehen müssen.

Tonlos nimmt sie mich in den Arm und mit einem Schlag poltert die Last Stück für Stück von mir.

Natürlich ist das nur ein temporärer Zustand, aber in diesem Augenblick spüre ich, wie dringend ich eine Umarmung von meiner Mutter nötig hatte. Wir haben schon lange nicht mehr einen solchen Moment erlebt.

Ich weine nicht, obwohl mir danach ist.

„Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst?"

„Hmm."

„Und du weißt, dass ich mich für dich freue, egal was es ist und wenn es nur ein neuer Bleistift ist."

„Ich weiß, Mom."

„Ich liebe dich Mary."

„Ich dich auch."

Wir verweilen noch eine Weile in dieser Position, ehe ich mich sachte aus ihren Armen schäle und ihr tief in die Augen blicke. Ihr verdanke ich meine eisblaue Farbe.

„Hör zu, egal was los ist. Du bist ein Mensch, mit Ecken und Kanten, aber ich finde ich perfekt genauso. Was du getan hast oder nicht, was jemand dir angetan hat, es gibt eine Lösung. Das tut es immer, versprochen."

„Ich habe etwas Dummes getan..."

„Er wird dir verzeihen."

Perplex blinzle ich sie an, doch meine Mom schenkt mir nur ein gütiges Lächeln und streicht mir einmal sanft über die Wange. „Ich bin deine Mutter. Selbst wenn du nichts sagst, merke ich es."

„Aber..."

„Das wird schon, es tut jetzt gerade weh und fühlt sich unmöglich an, aber du kannst das."

Ich glaube nicht, dass meine Mutter über die Details Bescheid weiß, aber ich bin davon überzeugt, dass das nicht nötig ist.

„Und jetzt geh, sonst zerfleischen dein Dad und Clive sich, wegen des Chiefs Spiels gestern."

***

„Ich kann nicht fassen, dass dein Dad sich ein neues Mahomes Trikot gekauft hat! Wie lange wird er noch bei denen bleiben, huh? Vielleicht ein oder zwei Jahre... und zu mir sagt er, ich sei verrückt, weil ich mir ein Prescott Shirt zulegen will?"

Clives Augen funkeln mich zwischendurch immer wieder voller Enthusiasmus an. Es ist einer jener Moment, wenn die Leidenschaft sämtlich Barrieren durchbricht.

„Und er fand die gestern echt gut. Ich mein, sie haben verloren!"

„Haben die Cowboys das nicht auch?"

„Rosie! Es geht jetzt gerade nicht um die Cowboys, sondern die Chiefs und was für eine unfassbare Geschmacksverirrung dein Vater hat."

Wir halten an einer roten Ampel und ich sehe Clive bereits seit sechs geschlagenen Sekunden in die braunen Augen. Nussbraun, nein, eher Noisette. Mein Herz pocht schallend in meiner Brust, aber die Säure steigt nicht weiter an. Es wäre der perfekte Augenblick.

Vielleicht nicht perfekt... aber bestmöglich.

„Clive, ich muss dir was sagen...", platze ich hervor und seine Stirn verzieht sich verwirrt. Diese kleine Falte...

Luft holen, Augen zu – nein, AUF! – und „...-"

Ein krachendes Gekreische brach neben uns auf dem Gehsteig aus.

Warum zum Teufel hatte Clive auch das Fenster geöffnet, es ist bitterkalt draußen und...

„Wow, was zur Hölle...-" Und in diesem Moment sackt mein Herz in die Hose. Der Mut, den mir meine Mutter eingeflößt hatte, war mit einem Mal verpufft. Ich folge seinem Blick.

Zwei kleine Mädchen umklammern jeweils ihre Puppen mit der einen Hand, die andere ist verschlungen mit der ihrer Mütter.

„Okay, wir waren nicht so, oder?"

„Ich hoffe nicht."

Grün.

Und vorbei!

Plötzlich fallen mir die Worte meiner besten Freundinnen ein: Mit Sebastian reden.

Natürlich! Ich hatte ihm versprochen nichts zu sagen und alles worum sich meine Gedanken in den letzten sechs Tagen gedreht haben war, wie ich diesen ganzen Schlamassel Clive beichten könnte.

Dabei hatte ich vollkommen dieses Versprechen vergessen.

„Sorry, was wolltest du sagen?"

Sechs Sekunden.

„Ich, ähm..."

Zwei Sekunden.

„Ich..."

Straße.

„Nicht so wichtig. Es, ähm, ich wollte nur sagen, dass ich das Spiel mit meinem Dad gesehen habe."

Eine Sekunde, Straße, noch eine Sekunde und seinem Gesicht entglitten die Züge. „Bitte!" Ich nicke zögerlich. „Du hast ernsthaft das Spiel gesehen, ohne mich?!"

Er schnappt beleidigt nach Luft. „Du schaust niemals Football und dann ohne mich? Rosemary Laurel Adams!"

„Also..."

„Nein! Dafür gibt es keine Entschuldigung!"

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HeyHo

wie gefällt euch Rosies Mom? Findet ihr sie passt zu Rose?

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💌N°51: Dies oder Das: Liebe Unsichtbar sein oder Fliegen können?

Fliegen können!

Fliegen bedeutet für mich Freiheit.

XOXO MAGGIE 🧡

Ps. Folgt mir gerne auf Instagram: @sxmelittlestories

Gleicher Name wie hier auf Wattpad, dort gibt es alles rund um meine Lieblingsbücher, oder allgemein BÜCHER. 😏

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