41. Fake-Faktor ✔
Song: In case you don't live forever – Ben Platt
Blut rauscht durch meine Ohren, meine Fingerspitzen kribbeln wie Brausepulver im Wasser.
Schwerelos lasse ich meine Finger durch seine Haare wandern. Ich spüre seine Hände an meinen Wangen, seine Daumen, die vorsichtig über meine Knochen kreisen und wie ich mich immer tiefer in den Kuss fallen lasse.
Meine Lungen brennen vom Sauerstoffentzug, aber es scheint völlig bedeutungslos, solange ich Sebastians Lippen spüre. Solange seine Zunge meine umspielt und ...
Es ist nur ein winziges bisschen Luft, ein minimaler Platz zwischen unseren feurigen Lippen, doch es scheint, als genüge er, um uns beide mit einem tosenden Donnerschlag auseinander zu bringen.
Stück für Stück entfernen wir uns.
Ich frage mich, ob auch er so lange wie möglich wartet, die Augen zu öffnen, weil der Anblick des anderen bedeutet, dass nun alles zusammenbricht.
Wir wissen beide, dass jetzt alles einstürzt.
Woher ich dieses Gefühl habe ist mir ein Rätsel. Ich weiß nicht einmal, warum mir plötzlich so anders ist. Ich hatte immer geglaubt, Sebastian zu küssen wäre ein Feuerwerk – war es auch –, aber das, was danach kommt, das Gefühl von Flügeln, bleibt aus.
Stattdessen macht sich ein riesiger Klotz schlechtes Gewissen in mir breit. Ich habe Clive nicht betrogen, nicht direkt...
Dieser Kuss hat unsere Vereinbarung versunken und ich weiß nicht, ob ich genug Atem habe sie wieder herauf zu tauchen. Ich fühle mich... paralysiert, als könnte ich jede Sekunde in Tränen ausbrechen. In mir tobt ein Kampf zwischen Freude und Glück, dass ich endlich nach so langer Zeit Sebastian geküsst habe und den Kuss genossen habe, aber gleichzeitig wird mir diese Last bewusst.
Es ist eine Last, von der ich nicht gewusst habe, dass sie existiert.
Aber irgendwann muss ich die Augen öffnen.
Ich lasse mich zurück auf meine Fersen sinken.
Meine Lippen pulsieren unbändig, sodass ich nicht anders kann als mit dem Zeigefinger darüber zu fahren und stumm auf den Block auf meinem Schoß zu starren.
Dieser Kuss war so anders, als die ganzen Küsse mit Clive. Kein Vergleich. Es war unfassbar schön Sebastian zu küssen, gut. Nicht, dass Clive nicht küssen kann – bei Gott, das kann er genial – aber dieses Gefühl in meiner Brust...
„Rose, ich..."
Ich blinzle hastig und blicke endlich zu ihm auf.
Er schluckt, dann erwidert er meinen Blick mit großen Augen und ich kann die Reue darin ablesen, ich frage mich, ob meine genauso aussehen, oder ob er die Freude darüber... dahinter... sehen kann.
„Es... es tut mir so leid.", flüstert er tief und ich kann nicht anders, als den Kopf zu schütteln. Zuerst stockend, dann immer schneller, bis ich beschließe meine Hand auf seine zu legen. „Nein, nein, sag das nicht. Ich.... Ich wollte es genauso und..." Am liebsten würde ich ihm jetzt alles beichten. Ihm eröffnen, dass die Beziehung von Clive und mir nur ein riesengroßer Schwindel ist und wir eigentlich nur Freunde sind, die damit ein größeres Ziel erreichen wollen.
Aber ich schweige... ich breche meinen eigenen Satz ab.
Ich darf es nicht sagen.
Ich...
Scheiße! Was habe ich mir gerade dabei gedacht?
Das hier war gerade so ziemlich alles, was ich wollte, nur... anders.
Ich wollte nicht mit Clive in einer Fake-Beziehung stecken, ich wollte keine Schuldgefühle danach bekommen, weil ich nun möglicherweise Clives Pläne zerstört habe oder seine Gefühle.
Das hier...
Ich bin immer noch die Freundin seines besten Freundes und ich bezweifle, dass Clive erfreut darüber ist, dass ich Sebastian geküsst habe, Fake-Faktor hin oder her.
Clive wird sauer auf Sebastian sein...
Vorausgesetzt... ich erzähle es ihm – wir erzählen es ihm.
„Nein, wir hätten das nicht..."
„Du wolltest es, oder?", unterbreche ich ihn wispernd und zwinge mich erneut ihm in die Augen zu sehen.
Ich hätte nie gedacht, dass das einmal schwer würde.
„Ja..." Er nickt mechanisch.
„Ich auch..."
Unglaube strahlt mir entgegen.
„Ich auch...", wiederhole ich und nicke dabei fest.
Schwer zu sagen, was ich gerade fühle. Glück, Freude, Schuld, Hilflosigkeit und ich habe absolut keine Ahnung, was ich jetzt tun soll, wie ich damit umgehen soll.
Ich weiß nicht, was man nach so einer Situation macht. Was machen andere, nachdem sie ihren Schwarm geküsst haben, obwohl man selbst in einer Beziehung ist, die aber eigentlich nur eine Lüge ist, um besagtem Schwarm näher zu kommen?
Überspielt man das einfach? Beichtet man dem Partner alles und riskiert, dass er und sein bester Kumpel sich in die Haare kriegen, obwohl alles sowieso erst auf einer riesigen Lüge aufgebaut ist?
Wie gehe ich mit Sebastian um? Wäre es besser ihn nach Hause zu schicken, weiter zu malen, etwas essen?
Sollte ich weiter mit ihm rummachen? Nochmal küssen?
Er wollte?
Die Worte erreichen im Grunde erst jetzt meinen Verstand und die Schwere wird mir sehr spät bewusst. Moment! Wenn er das auch wollte... dann... dann bedeutet das, dass ich... ich bedeute ihm etwas? Oder nicht?
Man küsst doch keinen, der einem egal wäre, sondern jemanden, den man... mag... den man gut findet.
Oh...
Wie gerne würde ich ihn jetzt genau das fragen: Du magst mich? Oder: Magst du mich?
Aber natürlich frage ich das nicht, meine Lippen sind wie versiegelt.
„Ich... verdammt..."
Er fährt sich durch die Haare.
„Fühl dich nicht schlecht..."
„Ich... sollte, oder? Aber, ich... verdammt, Rose, weißt du eigentlich, wie lange ich dich schon küssen wollte?"
Luft dringt durch meine Lippen, aber kein Ton. Ich spüre, wie sich die Muskeln um meinen Nacken in feine Bewegung setzen. Hin, her...
Sebastian lächelt mich halbherzig, mehr schwach, an. „So lange... aber ich dachte du willst nur ihn und..." Er schüttelt den Kopf, schielt an mir vorbei. „... ich hatte recht... ich bin so ein Idiot."
„Bist du nicht."
„Rose..."
„Nein, du bist kein Idiot. Ich wollte das hier auch."
„Du bist mit Clive zusammen. Ich bin sein bester Freund und du seine Freundin, das... oh Gott."
Plötzlich springt er auf und läuft nervös auf und ab.
„Sebastian..."
Er hört nicht.
„Seb!" Energisch erhebe ich mich und greife zielstrebig nach seinem Arm. Es kostet mich einiges an Kraft ihn festzuhalten. „Hör mir zu." Ich kann die Zweifel in seinen Augen ablesen. „Du bist kein schlechter Mensch und außerdem... ist das genauso mein... meine Schuld."
Beinahe hätte ich Fehler gesagt, aber das wäre falsch, das war kein Fehler, nicht wirklich. Es war vielleicht nicht richtig, aber...
Verdammt, Clive!
Er wollte es so lange schon? Und...
Oh nein!
Nein, nein, nein!
Wie konnte ich so blind sein?!
Wie konnte ich das nicht sehen?
„Hast du nie mit Clive gesprochen?", platzt es urplötzlich aus mir.
„Nein... er... ich wusste wie viel du ihm bedeutest."
„Ich habe ihm bis vor kurzem nicht sonderlich viel bedeutet.", zische ich finster.
„Doch... immer schon. Seit ich ihn kenne will er auf dich aufpassen. Ich weiß nicht was zwischen euch passiert ist, er hat nie darüber gesprochen, aber er hat jedem Typ an unserer Schule klargemacht – auf die ein oder andere Weise - , dass er Probleme mit ihm bekommt, wenn er dir zu nahe kommt, oder dich..."
„Was?"
Sebastian lacht verzweifelt auf. „Ich bin so ein..."
„Sebastian, nein. Ich... ich wusste nicht, dass Clive so... war."
Ich weiß nicht, ob es genügt zu sagen, dass ich schockiert bin, denn ich... ich kann nicht fassen, dass Clive so war.
Aber wieso sollte Sebastian sich so etwas ausdenken?
Das, das ist nicht möglich.
„Wieso hast du nie was zu mir gesagt, oder zu ihm?"
Seine blauen Augen lächeln mich schwermütig an, als würde ich ihn quälen. „Ich wollte... aber ich habe mich nicht getraut. Ich... keine Ahnung, vielleicht hatte ich auch Angst vor dir, dass du mir eine Abfuhr erteilst."
An dieser Stelle sollte ich womöglich sagen: „Was? Nein, auf keinen Fall, das könnte ich nie. Ich habe das hier alles nur für dich getan, damit wir uns näherkommen."
Aber das tue ich nicht.
Ich fühle mich im Augenblick einfach nur vollkommen dämlich. Zu dumm, um irgendwas zu kapieren? Konnte ich wirklich so blind sein?
Habe ich das gerade alles gerade richtig verstanden, das ist keine Einbildung?
Seine Worte über Clive versuchen immer wieder Oberhand zu gewinnen, aber ich verdränge sie entschlossen, dafür habe ich später Zeit. Im Moment zählt er und wie ich mit dieser Situation umgehe, mit dem Kuss, mit seinem Geständnis.
Und wie ich mit mir selbst umgehe.
„Ich sollte gehen."
„Ich wollte es auch."
Sebastian kommt noch einen Schritt auf mich zu. Seine Hand streicht über meine Wange, dann lächelt er. „Wir reden ein andermal... das ist besser, glaub mir. Ich bin ein Idiot und... wenn du es ihm sagen willst, dann tu es. Du hast Glück verdient, Rose."
Mit diesen Worten lässt er mich stehen und ist schneller weg, als ich „Halt" hätte sagen können.
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Hey Ho
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💌N°44: Dies oder Das: Planung oder Spontan?
Dilemma. Ich bin ein spontaner Mensch, der gerne plant und es liebt, Listen zu schreiben.
Es gibt nichts schöneres als Listen und gleichzeitig könntet ihr mich jetzt anrufen und vorschlagen ins Freibad zu fahren, ich würde ja sagen.
XOXO MAGGIE 🧡
Ps. Folgt mir gerne auf Instagram: @sxmelittlestories
Gleicher Name wie hier auf Wattpad, dort gibt es alles rund um meine Lieblingsbücher, oder allgemein BÜCHER. 😏
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