33. Lauschen ✔

Loving you is like breathing... How can I stop

Song: One Call away – Charlie Puth

Ich schätze ich bin gespannter als ein Flitzebogen, so nervös wie ich auf dem Asphalt herum tripple, ohne mich wirklich von der Stelle zu bewegen.

Verdammt es ist eiskalt! Wo bleiben meine sogenannten besten Freunde? Wenn die Beiden noch länger brauchen, dann haben sie bald keine Dritte mehr im Bunde, sondern einen starren Eisklotz.

Es fühlt sich so an, als wäre es eine Ewigkeit her, seit wir zusammen etwas unternommen haben. Ich glaube das letzte Mal war vor eineinhalb Monaten. Wir waren bei Linda, haben uns in ihr Ein-Meter-Vierzig Bett gequetscht und eine Folge 'Vampire Diaries' nach der anderen geguckt, als wären es Drei Minuten MakeUp-Tutorials von YouTube. Ich erinnere mich, wie kaputt ich am nächsten Tag war und das nicht nur wegen Lindas Körper, der mich übel als Seitenschläferkissen missbraucht hat.

An diesem Abend haben wir festgestellt – zum einhunderttausendsten Mal, dass Ein-Meter-Vierzig viel zu klein für drei Menschen ist und Linda definitiv ein größeres Bett braucht.

Linda ist Candice und mir sowieso noch eine ganze Menge Erklärungen schuldig. Es fällt mir immer noch schwer nachzuvollziehen, wie Linda das mit Josh vor uns geheim halten konnte - oder gar wollte...

Vielleicht hat sie es gar nicht vor UNS, sondern nur vor mir geheim gehalten? Und vielleicht hat sie es mir gar nicht verschwiegen, sondern ich war zu beschäftigt mit mir selbst, um etwas zu bemerken oder habe Linda einmal vor den Kopf gestoßen, als sie mit mir darüber reden wollte? Oh Gott..

Ich schlucke hart. Bitte nicht! Mit einem Mal komme ich mir miserabel vor. In letzter Zeit war ich wirklich extrem egozentrisch... Gar nicht mal absichtlich.

In letzter Zeit war ich alles andere als eine gute Freundin. Heuchlerin...

Genau das passiert, wenn ich alleine hier draußen auf Linda und Candice warten muss. Ich habe Zeit über mein fragliches Verhalten nachzudenken. Gott... wie konnte ich es soweit kommen lassen. Am liebsten würde ich es Clive in seine Riesentreter schieben... - noch so etwas an ihm, dass nicht perfekt ist.

Unweigerlich muss ich bei dem Gedanken an Clives Füße grinsen. Ganz gleich, ob ich mich wegen meiner Freundinnen schlecht fühle.

„Denkst du an mich, oder warum grinst du so?"

Ertappt schrecke ich zusammen. Ich blicke ihn regelrecht panisch an und versuche so viel wie möglich von meinem Gesicht im Schal zu verstecken, aber Clive weiß sicher, dass die Farbe meiner Wangen mit roten Rosen nur zu gerne konkurriert.

Wieder schlucke ich, diesmal aber nicht wegen meines schlechten Gewissens, sondern weil er tatsächlich recht hat. Ich habe gerade wirklich seinetwegen gelächelt und das ist... eigenartig. 

Ein Schauder überkommt mich.

„Was? Nein, ich, ähm..."

„Schon klar... Sebastian?"

Eine Sekunde lang mustere ich Clives Ausdruck - er wirkt leer. „Genau!"

Dann grinst er spöttisch, aber der Spott erreicht nicht wie sonst seine Augen, vielleicht hat er ja doch so etwas wie Empathie dafür übrig - ihm geht es mit Maddie doch genauso.

Trotzdem könnte ich mich dafür ohrfeigen. Natürlich ist es mir lieber, wenn er glaubt ich würde Sebastian anschmachten, doch selbst das ist mir unangenehm. Ich schätze das wäre es jedem.

„Was machst du überhaupt hier, stalkst du mich?"

Clive verzieht eine Augenbraue und blinzelt mich misstrauisch an. „Versuchst du witzig zu sein?" Seine Stimme klingt ein wenig belustigt, aber vorsichtig, als wüsste er nicht, ob er mir trauen kann – wie ein scheues Reh.

Ich weiß selbst nicht, was mit mir los ist oder warum ich die letzten drei Worte ausgesprochen habe. Mein Verstand kämpft immer noch mit der Tatsache, dass ich an Clive gedacht und dabei gelächelt habe. Es waren keine alten Erinnerungen, Kindheitserinnerungen, sondern etwas Aktuelles und ich habe... gegrinst!

Hastig zucke ich mit den Schultern und versuche ihn möglichst neutral anzufunkeln. „Ich habe zuerst gefragt."

Gott, wie kindisch verhalte ich mich gerade? Was ist nur los mit mir?!

Clive mustert mich noch eine Sekunde, dann lächelt er ergeben und schüttelt seinen Kopf – vermutlich über mein dämliches Verhalten. „Ich musste Babysitten." Mit einer geschmeidigen Bewegung und Blick hinter sich, nehme ich endlich auch das Schauspiel dort wahr.

Benji kämpft mit einem Schwert aus Papprollen gegen einen ebenbürtigen Gegner.

Prompt entspannen sich meine Schultern und ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Benji sieht einfach zuckersüß aus. Ich weiß, er ist schon acht, aber das ändert nichts daran, dass ich ihn immer noch als kleinen Wonneproppen betrachte. Früher hatte er aschblondes Haar und dieses zahnlose Lächeln...

Jetzt stapft er in einer aufgebauschten marineblauen Jacke und schwarzen Jeans herum, die kleinen beigen Schuhe sind geziert von Dutzend Grasflecken und seine Mütze sitzt schiefer als der schiefe Turm von Pisa. Er sieht aus wie ein... Mini-Clive. 

„Oh..." Mehr bekomme ich nicht heraus. Peinlich!

Mir war bewusst, dass Clive nicht meinetwegen hier ist, aber ich hätte es nicht sagen sollen. Sobald ich den großen Jungen vor mir wieder ins Visier nehme zupfe ich automatisch an meinem Schal, zerre ihn tiefer in mein Gesicht.

„Ähm..." Ich räuspere mich krampfhaft. „Wo seid ihr gewesen?"

„Auf dem Spielplatz. Benni und Parker wollten unbedingt hin."

Hätte ich ihm das gesagt, dass ich auf einem Spielplatz war, hätte er es dankend als Vorlage genommen und mich verhöhnt: „Dann hättest du ja gleich dort bleiben können. Immerhin wären die Menschen dann größtenteils in deinem Alter - oder Größe."

Überrumpelt von diesem Gedanken vergesse ich, was ich kontern wollte und starre Clive stumm an. Meine verfluchten Wangen glimmen heller als Feuerglut. Clives Grinsen verrät mir, dass er es bemerkt und wohl ahnt, dass ich über ihn nachgedacht habe.

„Und ich dachte schon die wären wegen der Kälte so rot."

Seine Stimme hat diesen arroganten Tonfall, der mich seither zur Weißglut treibt, doch nicht dieses Mal. Stattdessen färbt sich das Rot noch tiefer. Ich habe ein wenig Angst, dass sie die Farbe in meine Haut frisst und nicht mehr verschwinden wird.

Linda, Candice, wo zur Hölle bleibt ihr?

Nervös verknote ich meine Hände in den Manteltaschen und weiche Clives amüsierten Blick aus.

Nachdem ich weiterhin stur schweige, habe ich das Gefühl sein Blick würde mich allmählich durchbohren. „Was ist denn los mit dir? Du bist so... so komisch. Warst du schon den ganzen Tag.", murmelt er plötzlich, sodass ich erschrocken die Luft anhalte.

Er hat das bemerkt? Okay, er wäre ein Idiot, wenn nicht. Also, ein richtiger Idiot-Idiot.

„Ich?", rufe ich gekünstelt und fange mir dafür einen Blick der Marke 'Dein Ernst?' ein.

Ich weiß genau was er meint...

*** Ein paar Stunden zuvor ***

„Wie wäre es mit Candy?"

„Oh nein, sonst fange ich mit ROH an!"

„NEIN, das ist ja noch schlimmer als Rosie.", stöhne ich entsetzt und wir müssen beide schallend lachen.

Der Umstand, dass die Gänge mal wieder leer sind, während Candice und ich Richtung Mensa trödeln, lässt unser Gelächter unvermeidlich wie eine Explosion erklingen.

Normalerweise würde mich das verstören und ich würde rot anlaufen, aber uns ist das schon so oft passiert und außerdem sind wir die einzigen weit und breit. Es ist schließlich Mittagspause.

Ich habe jetzt schon Clives entnervten Blick vor Augen. Er hasst es, wenn ich herumtrödle. Letztens meinte er: „Das wirkt so, als würde ich nicht auf dich warten wollen." Zu seiner Verteidigung – ausnahmsweise einmal – ich will nicht, dass er auf mich irgendwo wartet, er nervt mich sonst auch schon genug. Außerdem finde ich es übertrieben, wenn er von seinem Klassenzimmer durch das gesamte Schulhaus stapfen muss, um mich von meinem Saal abzuholen – nicht, dass er es nicht verdient hätte.

Obwohl... für ihn sind das sowieso keine Mühen, so viel wie er auf dem Feld rennt.

„Aber Candy klingt cool."

„Rose, es reicht, dass mein Bruder mich so nennt, fang du nicht auch noch damit an. Ich fühle mich sonst wie eine Dreijährige!" Candice lächelt mich flehend an und ich verziehe mein Gesicht zu einer Grimasse. „Okay, dann nicht, dann halt Di. Wie der Tod."

„Besser als Candy." Sie zuckt mit den Schultern.

Plötzlich verwandelt sich ihre Miene in die von Sherlock Holmes – ihre neue Lieblingsserie, die Linda und ich unbedingt demnächst mit ihr sehen müssen.

Das ist etwas, dass ich an Candice bewundere: Sie kann sich eine Serie zwei, drei, vier oder fünf Mal ansehen und hat noch nicht genug. Ich glaube die einzige Ausnahme bildet bisher „Two and a half Man", die Serie hasst sie – aber sie hat sie komplett durchgesuchtet.

Aber Sherlock Holmes... mit Benedict Cumberbatch...

Verwirrt kneife ich die Brauen zusammen und verlangsame meinen Schritt ebenfalls, dann höre ich es auch... ein leises Getuschel. Nein, kein Getuschel, es sind Stimmen, Lachen – ein hohes und ein tiefes.

Und das Tiefe... ich kenne es.

Clives!

Nur Clive kann so weich und rau zugleich lachen. 

Ob Candice ihn auch erkennt?

Und die andere Lache,... ob das... „... nein, quatsch. Hör auf! Du warst der Wahnsinn."

Madison, wer sonst...

Ich spüre wie sich meine Mundwinkel von selbst der Schwerkraft hingeben. Was macht er mit ihr und wo sind sie überhaupt?

Instinktiv greife ich flink nach Candice Arm und halte sie davon ab noch weiter zu laufen. Sie wirft mir einen fragenden Blick zu, doch ich schüttle nur den Kopf. Hoffentlich gelingt mir der leere Ausdruck. Ich will aus einem unerfindlichen Grund nicht, dass sie merkt wie sehr mich das gerade beschäftigt. Vielleicht denkt sie auch nur, dass ich neugierig bin.

Leise, wie eine Katze auf der Lauer, pirsche ich voran, Candice dicht neben mir.

Clive seufzt theatralisch und ich kann Maddie leise kichern hören. „Meinst du?" Er ist so ein guter Schauspieler.

Ich weiß genau worum es geht. Er hatte eben eine Präsentation über ein Gedicht von Edgar Allan Poe halten müssen. Unser Chatverlauf zeigt klar, wer von uns beiden eher Mathematik-begabt und wer der Literatur-Freak ist.

„Natürlich. Das war so gut. Du musst mir bei meinem helfen. Spenser ist fies."

Sie redet wie ein Kleinkind!

„Ich kann es gerne versuchen, aber ich schätze Poe liegt mir jetzt eher."

„Wenn du Poe kannst, kannst du alles. Mrs. Tanners Worte." Sie lacht.

„Hmm. Stimmt, hat lange gedauert bis ich es kapiert habe."

Er hat es wirklich verstanden?

Als ich am Dienstag bei ihm war hatte ich das Gefühl, er hätte mehr Interesse daran, dass ich ihm die Präsentation anfertige, als, dass er es verstehen möchte.

Vielleicht will er ihr nur imponieren?

Pff, bestimmt!

"Aber du hast es. Und das noch rechtzeitig. Lass mich bitte nicht ihm Stich. Du wärst mein absoluter Retter." Maddie lacht wie... wie diese Teeanger-Trullas eben lachen. Gott... wieso muss sie auch nett sein. Ich würde sie gerne als Schlange nennen..

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Hey Ho Sweeties

Na... wie steht ihr zu Literatur. 

Habt ihr Theorien für Rosies Verhalten oder für Clives?

***

N°36: Flugzeug oder Boot?

Definitiv Boot. Ich empfinde fliegen zwar als ziemlich aufregend, aber mulmig ist mir dabei trotzdem. Und Boot bzw. Schiff... na gut, wohl fühle ich mich auch nicht, aber solange es keine wilden Wellen sind ist es traumhaft.

XOXO Ane🧡

Ps. Folgt mir gerne auf Instagram: @sxmelittlestories

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