32. Keine Ahnung ✔

We love because it's the only true adventure. - Nikki Giovanni

Song: Closer ~ The Chainsmokers feat. Halsey

Ich springe regelrecht aus dem Wagen, schultere meine Tasche energisch und stapfe davon.

Es ist mir egal, ob Clive meinen Namen ruft. Mir gefällt es nicht, wie er mich behandelt. Als wäre ich allein Schuld, sollte etwas schief gehen.

Wieso denkt er überhaupt darüber nach? Ich verstehe es nicht und noch viel weniger verstehe ich, weshalb er sich so sehr über meinen Nachmittag mit Sebastian ärgert.

Dieser Junge ist sein bester Freund, mein guter Freund und Teil unseres Planes, nämlich mein Ziel. Was ist sein verdammtes Problem, soll er sich doch mit Maddie treffen!

Mir werden die verstohlenen Blicke zu viel. Die Leute hier haben wohl kein interessanteres Thema als mich, nur weil ich vor meinem Freund davonlaufe.

Und einmal mehr fühle ich mich vollkommen bescheuert. Ich zweifle an meiner Zusage vor Monaten und bereue sie fast ein bisschen. Natürlich bin ich Sebastian nun näher, aber dieser Ärger und Stress im Moment sind wieder unerträglich schwer.

„Rose!"

Mitten im Flur stoppe ich und zwar so abrupt, dass ein junges Mädchen beinahe in mich hinein donnert, fast tut es mir leid, aber ich spüre eine unendliche Sehnsucht nach meiner besten Freundin.

Lindas runde Augen leuchten mich einladend an. Automatisch breitet sich ein Gefühl von Schuld in mir aus. Ich bin schlichtweg selbstsüchtig. Die paar Nachrichten, die wir ausgetauscht haben, nachdem mir JOSH von ihrer Beziehung erzählt hat, ersetzen nicht im Geringsten ein Gespräch. Gestern war ich viel zu nervös, als dass mir in den Sinn gekommen wäre, sie beiseite zu ziehen und mit ihr zu quatschen.

Für Candice gilt dasselbe.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren zieht Linda mich in ihre Arme. Sie weiß nicht einmal was los ist, was bedeutet, ich muss ziemlich kaputt aussehen.

Automatisch gleiten meine Augen zur Tür und ich wünsche mir, ich hätte sie einfach nur fest zugekniffen.

Zusammen mit Maddie, Seb und Azura – fraglich, wo der Rest der Truppe ist – und einem Lächeln auf den Lippen marschiert er herein. „Können wir hier weg?", flehe ich und fühle mich dermaßen erbärmlich... ich lasse mich von Clive herumscheuchen und fühle mich seinetwegen schlecht.

Linda fackelt keine Sekunde, sondern nimmt nickend meinen Arm und lotst mich gekonnt durch die Masse. Am liebsten würde ich heulen, aber ich kann nicht... es ist nur dieses Gefühl in meiner Brust.

***

„Kommst du auch?"

Candice nickt begeistert und strahlt mich warm an. Ich weiß, es sollte mein schlechtes Gewissen mindern, doch ihr gütiges Lächeln spornt es noch ein bisschen mehr an. Warum hatte ich mich so extrem von Clive und dieser Situation einnehmen lassen, wie konnte ich meine Freunde hinten anstellen?

Ihren Arm schlingt sie auf einmal unter meinen und sieht mich aufrichtig an. „Sag mal, Linda meinte heute Morgen war was?"

Ich schweige. Allmählich beginnt meine Unterlippe zu schmerzen, ich beiße den gesamten Vormittag schon darauf herum, in der Hoffnung, ich könnte eine plötzliche Erleuchtung haben, die mein Verhalten logisch erklären würde.

Und dann ist da noch Sebastian...

Hilflos zucke ich mit den Schultern, zumindest fühle ich mich so. Candice frägt mich trotzdem nach meinem Wohlbefinden, obwohl ich kaum da war in jüngster Zeit... aber ihre Frage ist nicht unbedingt einfach.

Was sollte ich auch sagen? Ähm, ja, da war was. Clive hat mich verletzt, als er erfahren hat, dass ich gestern Nachmittag bei Sebastian war, weil er Angst hat, ich könnte unseren Plan gefährden, dann hat er mich...

Ja, das ist der Punkt: Was genau hat Clive eigentlich getan? Abgesehen von seiner verachtenden Stimme und dem Vorwurf, ich könnte alles zerstören, hat er nicht sonderlich viel gesagt. Ich könne anstarren wen ich will, mehr war es nicht.

„Clive?"

Dankbar nicke ich und wir stapfen schweigend weiter. Mir ist bewusst, dass sie Fragen hat und gerne Antworten hätte, aber genauso kenne ich sie und sie mich, sodass es okay ist. Sie weiß, dass ich es ihr irgendwann erzähle.

Womöglich wirft Clive mir jetzt gleich das nächste vor. Es ist zehn nach eins, die Mittagspause hat vor zehn Minuten angefangen und ich habe mit Candice herumgetrödelt, um die Letzten zu sein. Dementsprechend ausgestorben ist der Gang hier.

„Welchen Film wollen wir schauen?"

Meine Lungen lechzen danach die Erleichterung über den Themenwechsel auszustoßen, doch dieser eigenartige, fremde Druck lässt nicht mehr als ein unruhiges Seufzen zu.

Es klingt erbärmlich.

Selbst meine Stimme ist ein einziges Krächzen. Film... „Iron Man?" Ich sage es nicht für mich, sondern mehr für sie. Candice liebt Marvel und Linda und ich sind selten dazu aufgelegt uns durch zu quälen.

Ihre Lippen öffnen und schließen sich wieder, was mich irgendwie verwirrt, gleichzeitig spricht ihr Blick Bände. Ich ahne, dass ihr eine – nein, tausend – Fragen auf der Zunge liegen, aber sie genau weiß, dass ich keine einzige davon beantworten kann.

Ich habe absolut keine Ahnung weshalb mir diese ganze Situation so nahe geht, oder warum meine Gedanken sich fast pausenlos mit Clives Reaktion beschäftigen.

Vielleicht, weil ich nicht erwartet habe, dass er so impulsiv reagiert oder mich deswegen so verletzt. Andererseits hätte ich es wissen müssen, wir reden hier immer noch von Clive.

Dem Typen, der es mit zwölf lustig fand, mich wie ein Spielzeug auszusortieren und sie seinen neuen Freunden zu widmen. Ich war peinlich.

Allein der Gedanke daran löst noch immer dieses Ziehen in meiner Brust aus. Den Schmerz habe ich hinter mir, aber das bekomme ich schlichtweg nicht weg, womöglich auch, weil Clive mich täglich mit seiner Arroganz daran erinnert und nun alles wieder aufgerissen hat. Alles, was ich so schön begraben habe.

Aber noch viel mehr schmerzt es zu wissen, dass es ihm immer noch egal ist. Dass ihm unsere Freundschaft von damals nichts bedeutet hat und er auch keine mehr mit mir will.

Was habe ich erwartet? Dass er vor mir auf die Knie geht und um Entschuldigung bettelt?

Wie naiv!

„Rosie?"

Überrascht wende ich mich Candice zu. Seit wann nennt sie mich so?

Unschuldig hebt sie ihre schlanken Hände und schüttelt den Kopf, ihre Augen deuten unauffällig den Gang hinunter.

Das war nicht ihre Stimme...

Seine Schritte hallen durch den Gang. Irgendwie erleichtert es mich, dass Candice neben mir steht, ich bin mir sicher, in ihrer Gegenwart wird er nichts sagen.

„Rosie, wir müssen reden."

„Müssen wir?", stelle ich mich absichtlich dumm und ich kann in Clives Augen das altbekannte Funkeln sehen, gleichzeitig mischt sich Wut darunter. „Ja!", knurrt er leise und kommt vor mir, vor uns, zum Stehen.

„Ich warte in der Mensa."

Dafür bedenke ich Candice mit einem Todesblick. Diese Verräterin!

Hastig schlucke ich die Gefühlsdusseligkeit und Nostalgie von eben hinunter, jetzt bloß keine Schwäche zeigen. Herausfordernd erwidere ich seinen Blick. Ein feines Lächeln bildet sich auf seinen Lippen ab.

Ich bin verwirrt.

Wut, dieses arrogante Funkeln und ein Lächeln.

Was ist los mit Clive?

"Willst du das wirklich HIER klären?", fauche ich, als hinter uns Stimmen ertönen. Ich brauche mich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass es eine Gruppe Mädchen ist. Es werden nicht die letzten sein, wir befinden uns in unmittelbarer Mensa-Nähe.

Clive greift so unvermittelt nach meiner Hand, dass ich viel zu perplex bin, um sie ihm zu entziehen. "Nein, aber ich will nicht, dass du vor mir weg läufst." Seine Stimme klingt wie aufgeraute Wolle, widerspenstig, und doch irgendwie warm.

Er verschwendet keine Zeit, sondern zieht mich tonlos an dem Trio vorbei. „Was genau wird das?"

„Clive!"

Der Junge ignoriert mich.

Plötzlich biegt er ab und drückt den erstbesten Türgriff hinunter. Kurz darauf schließt sich die Tür hinter mir und ich frage mich ernsthaft, was mit mir los ist. Wieso wehre ich mich nicht oder zicke ihn an, dass er so nicht mit mir umgehen kann nach heute Morgen?

Abwartend mustere ich ihn und löse meine Hand endlich von seiner. Ich will nicht, dass er merkt wie nervös mich das Ganze macht. Ich gestehe es mir schließlich nicht einmal selbst ein.

Seine Augen sind nach draußen gerichtet, ich ahne, dass ihn etwas beschäftigt.

Gleichzeitig verfluche ich mich dafür. Wieso kenne ich ihn so gut?

Manche Dinge ändern sich eben nie.

„Clive, was genau soll das?"

„Reden."

Ich kneife die Augenbrauen zusammen und verschränke die Arme vor der Brust, ehe ich mich gegen das Pult lehne.

Irgendwie ist es mir schrecklich unangenehm hier zu sein. Nicht wegen ihm, sondern wegen des Klassenzimmers, vielleicht bin ich deswegen nervös – weil es eigentlich unerlaubt ist, sich während der Mittagspause in einem der Zimmer aufzuhalten.

Bestimmt, deswegen.

„Dann rede."

Jetzt sieht er zu mir. Endlich! Seine Augen wirken mit einem Schlag müde und Funkeln nicht mehr wie eben im Gang. Ich kann den Ausdruck darin nicht ganz deuten, aber müsste ich raten, würde ich fast behaupten, es wäre Reue.

Clive rauft sich unruhig die Haare, was mich wiederum noch mehr anstachelt nervös mit dem Zeigefinger auf meinen Oberarm zu klopfen – eine alberne Macke, die ich seit Jahren hege, mir aber äußerst selten auffällt. Er atmet schwer aus und saugt schier die gesamte Luft aus dem Raum. Als er immer noch nicht spricht, reicht es mir – Nervosität hin oder her. „Clive, was ist los? Wieso hast du dich heute Morgen aufgeführt wie ein... Idiot! Ein richtiger Idiot!"

Meine Stimme klingt stärker als erwartet, weswegen ich mich sogar ein winziges Bisschen entspanne.

Seine braunen Augen verhaken sich ganz automatisch mit meinen, jetzt gibt es kein Zurück mehr. „Ich weiß auch nicht... es-" Wieder fährt er sich durch die Haare. „Es tut mir leid."

„Was genau?", hake ich nach. Es ist fies von mir, das weiß ich, denn mir ist bewusst, dass er sich für sein aufbrausendes Verhalten entschuldigt, und mir vorgeworfen hat, ICH würde alles kaputt machen.

Aber etwas in mir möchte es von ihm hören, ganz gleich, wie überrascht ich bin, dass er es überhaupt tut.

„Dass ich mich wie ein Idiot-Idiot verhalten habe."

Er ist ein Idiot, aber heute war er ein... ja, Idiot-Idiot. Am liebsten würde ich diesen 'Streit' mit einem „Schon gut" abhaken, doch im Moment herrscht mein Stolz vor. Allerdings ist meine Stimme um einiges sanfter als zu Beginn. „Okay, und warum?" Ich seufze. „Ich versteh nicht, warum du so... ich weiß nicht, ausgerastet bist?"

Clive zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung, schätze, weil es bei euch so gut läuft und Maddie und ich... keine Ahnung."

Schlagartig erweiche ich. Er tut mir nicht leid, aber ich verstehe ihn und weiß genau, wie er sich fühlt. Unsicher nage ich auf meiner Unterlippe herum, ehe ich mich zusammenreiße und zwei Schritte auf ihn zu gehe, sodass uns noch eine halbe Armlänge trennt. Nah, aber nicht, zu nah. „Viel keine Ahnung... huh?", murmle ich und Clive weicht mir urplötzlich aus.

Wieder zuckt er mit den Schultern. Trotz seiner gelangweilten Miene spüre ich, dass es ihm näher geht, als er zugeben will.

„Clive... das wird schon, irgendwann. Ich meine, wir sind ja noch am Anfang... es tut mir leid, wenn ich dir das mit Seb auf die Nase gebunden habe oder so. Ich... also ich will auf keinen Fall, dass jemand an unserer 'Beziehung' zweifelt."

Wieso kann jetzt niemand hereinplatzen und mein hilfloses Gestotter unterbrechen? Ich habe absolut keine Ahnung, was ich zu Clive sagen soll, geschweige denn, wie man jemanden in so einem Moment aufbaut.

„Du brauchst dich nicht entschuldigen, ich war... ich war einfach nur frustriert." Er rauft sich das Haar.

„Trefft ihr euch wenigstens?"

„Letzten Freitag, nach dem Training. Wir haben zusammen gelernt."

„Na siehst du, das ist doch was."

„Mhm.", brummt er und linst mich durch ein paar hervorgefallene Strähnchen an.

Ich frage mich, wo die Wut und die Zweifel von vorhin verschwunden sind. In solchen Augenblicken fühle ich mich Clive unglaublich nahe, als hätten wir die Freundschaft nie an den Nagel gehängt, aber mir ist bewusst, dass es so nicht bleiben wird.

Das hier ist rar. Clive so zu erleben ist eine Besonderheit, die mir vermutlich oft genug wiederfährt und ich weiß noch immer nicht genau weshalb.

Clive und mich als Freunde zu bezeichnen ist zu viel, schätze ich, aber ehemalige Freunde, die sich wieder annähern... das könnte ganz gut passen.

Ehemalige Freunde, von denen ein Partner es nicht ertragen kann, den anderen dermaßen niedergeschlagen zu erleben und die zweifelnden Gedanken einfach so über Bord werfen kann... toll! Ob Clive das Gleiche für mich tun würde oder sogar tut?

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Hey Ho 🏵

Seid ihr auch impulsive Menschen oder eher zurückhaltend wie Rosie?

Wie findet ihr meine kleine Rosemary bis jetzt, ach nein, stopp, ab jetzt ist es ja auch eure Rosie.

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💌N°35: Dies oder Das: Strandurlaub oder Berghütte?

Hmm, schwere Frage, aber ich schätze ich würde die Berghütte nehmen. Wandern ist so etwas Schönes, ich mache es viel zu selten und lasse mich gerne von meinen Gedanken abschrecken, dass allein gehen blöd ist. Ich weiß, ein bisschen Arbeit an meinem Selbstbewusstsein würde mir nicht schaden, aber ja... leichter gesagt als getan.

Wie dem auch sei, ich sage Berghütte mit gemütlichem Kaminfeuer und flauschigem Teppich, obwohl Sonne, Strand und Meer mit Sonnenaufgang und -untergang auch ziemlich verlocken klingt.

Wie seht ihr das?

XOXO Maggie 🧡

Ps. Ich würde mich freuen, wenn ihr mal bei meiner Insta-Page vorbeischaut: @sxmelittlestories (wie hier auf Wattpad). Dort findet ihr alles rund um Bücher & co.📖✒

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