3. So eine Cap...✔

I wish time had a better timing for you an me.

Lied ~ "Call me maybe" by Carly Rae Jepson

Um ehrlich zu sein sieht so nahezu jeder Tag aus.

Ich schmachte Sebastian aus der Ferne an, hoffe, dass er mich irgendwie einmal bemerk und sich natürlich unsterblich in mich verliebt. Oder mich zumindest als echte Frau, nicht nur die schüchterne, kleine Sitznachbarin in Kunst. 

Sebastian hat auch diesen göttlichen braunen Teint... als würde er tagelang nichts anderes tun als selig in der Sonne zu lungern, sie aufzusaugen und vielleicht nebenbei oberkörperfrei ein Bild zu malen. Nicht einen einzigen weißen Streifen findet man auf seiner Haut - obwohl, vielleicht an Stellen, die ich nicht zu Gesicht bekomme, wenn er sich das Trikot vom Leib reißt.

Meine Gedanken driften zu Azura, dieser Helena. Mein Vergleich ärgert mich, wieso musste ich ausgerechnet an dieser Stelle im Geschichtsunterricht aufpassen. Griechische Mythologie ist nicht einmal Stoff, Mr. Bentley hat sich einfach verquatsch, so wie er das immer tut und plötzlich fand er sich im antiken Griechenland wieder und faselte etwas von der schönsten Frau der Welt: Helena. Und ich habe Azura gerade diesen Titel zugeschrieben.

Würde ich Azura sagen, wie hübsch ich sie finde - hübsch ist eine Untertreibung, aber hey... - würde sie mir kein arrogantes Lächeln schenken oder argwöhnisch mit den Augenrollen, frei nach dem Motto, was mir kleinem Niemand einfällt mit ihr zu reden. Nein, Azura Sachs würde mich womöglich in die leicht definierten Arme schließen und sich unendlich über mein Kompliment freuen. Sie würde mich mustern und etwas an mir finden, dass ihr mindestens genauso gut gefällt, es mir sagen und ich würde ihr verfallen.

So war das vor einem Jahr mit Linda. Ich weiß bis heute nicht, was meine beste Freundin sich dabei dachte, als sie Azura zur Schulschönheit adelte, aber während Candice und ich in gebührender Entfernung dabei zugesehen haben, löschte sich ein weiterer Punkt auf der Seite mit den "Dingen, die Azura unsympathisch machen". 

Und dennoch: Sie sieht nicht wie Sebastian sie anhimmelt. Wie kann ein Mensch nur so blind sein? Seine Augen so verschließen WOLLEN?

Vielleicht sollte ich aufhören über die beiden nachzudenken und mich lieber auf mein Projekt konzentrieren. 

Kunst, was sonst... 

Es ist im Grunde ein Traum für jeden Kunstschüler: Ein Schuljahr-lang Zeit haben für ein perfektes Gemälde und dazu siebzig Prozent seiner Note abzudecken. Ganz zu Schweigen von der Ehre, dass das Beste in der Eingangshalle ausgehängt wird - vergrößert, versteht sich.

Nur, wie soll ich mich auf etwas fokussieren, dass mich immer wieder an ihn denken lässt. In diesem Licht erscheinen mir die Argumente meiner Freundinnen äußerst logisch. 

Andererseits ist der bloße Gedanke an Kunst eine Aufforderung für mein Gehirn an IHN zu denken. Er sitzt neben mir, er malt neben mir und es ist unvermeidlich seinen Geruch aufzusaugen. Tatsächlich ist das für mich Nebensache, denn ich bin meistens gebannt von seiner Finesse beim Zeichnen.

Mit einem tiefen Seufzer, der hoffentlich all den Fantasien Angst einjagt und sie verscheucht, krame ich aus der Tiefe meiner Schreibtischschublade JENES Foto. Natürlich habe ich es ausdrucken lassen, ich konnte nicht riskieren, dass Candice es jemals löschen könnte und ich davon nichts handfestes habe.

Das Foto strahlt nur so vor Freude und Glück. Jedes einzelne Lächeln der Spieler wirkt wie ein Oscar. Und Sebastian thront über allen...

Naja und Clive.

Clive!

Prompt steigt mein Puls und ich muss an gestern denken. Zerknirscht umklammere ich meinen Bleistift fester und würde ihn am liebsten zerbrechen. 

Wie er dabei gegrinst hat. Argh! Ich könnte ihn erwürgen und....

"Mary! Ich bin wieder da."

Meine Mom hat einen siebten Sinn dafür, wann sie früher zuhause sein soll oder wann ich eine Prise Ablenkung nötig habe..

In Sekundenschnelle knalle ich den Stift auf den Tisch, bereue es im nächsten Moment - die gute Miene...-, springe aber letztlich doch auf und sause wie ein Wirbelwind nach unten.

"Mom? Kann ich das Auto haben. Ich wollte noch ein paar Sachen besorgen."

Meine Mutter hängt soeben ihren schwarzen Blazer auf einen Bügel und zieht fragend eine Augenbraue nach oben. "Ein paar Sachen?"

Unwillkürlich wandern meine Augen zu den Schulterpolstern und ich verziehe einen Mundwinkel. Ich hasse diese Polster. Fraglich, woher ich diese abscheuliche Abneigung dagegen habe, aber Schulterpolster sind für mich wie Clive.

Mom quittiert das mit einem amüsierten Seufzer und zieht eine Augenbraue in die Höhe. Ach ja, ihre Frage...

Hastig setze ich ein süßliches Lächeln aus, dass förmlich schreit: Ich hab dich lieb. "Ich wollte mir neue Stifte kaufen. Mein sind so kurz wie Grandmas Fingernägel."

Ihr roten Lippen verziehen sich zu einem verstehenden Lächeln. "So kurz?" Ein, zwei, drei Sekunden vergehen, während sie mich mit diesem eindringlichen Blick mustert, als müsste sie mit sich ringen, mir einmal wieder zu erlauben Malsachen zu kaufen. Andere kaufen Schuhe oder Bücher am Laufenden Band, ich investiere pausenlos in Kunst - egal ob Leinwände, Blöcke oder Acrylfarben. "Okay, aber kannst du vielleicht gleich noch für die nächsten Tage einkaufen gehen? Ich bin nicht mehr dazu gekommen und hätte es morgen gemacht, aber wenn du schon fährst, dann...", sie wackelt mit den Augenbrauen und klimpert mit dem Autoschlüssel.

"Mom!"

"Mary!"

Ergeben seufze ich und fange geschickt die herüber fliegenden Schlüssel, mit einer Hand wohl gemerkt.

"Danke Mäuschen. Ziehst du dich noch um, oder?"

"Was ist an mir so schlimm?" Ich weiß genau was so schlimm ist.

Demonstrativ zupfe ich an dem schwarzen Teil, sogar von Nike. Ich schätze das gute Stück ist seit fünf Jahren in meinem Besitz. Ich liebe es und das sieht man leider auch.

Meine Mom prustet wie ein junges Mädchen und lässt ihre Augen vielsagend über meine Malerkluft wandern. 

Okay... der Hoodie ist wirklich eine Nummer für sich. Er schillerte einst in weinrot und ist mittlerweile übersät von diversen Farbflecken und -sprenkeln. Von hellblau, mint und gelb bis zu flieder, gold und silber, es ist alles dabei und in jeglicher Größe. Manche Flecken überlappen sich und bilden eine riesige Pfütze. Ich trage ihn eigentlich immer, wenn ich mit Acryl herum tobe.

"Das interessiert doch keinen."

"Ist das so?"

"Ja, der Laden ist für Künstlerbedarf und das bin ich schließlich. Irgendwie..."

Sie nickt nur kopfschüttelnd und greift nach ihre creme-weißen Handtasche, um darin herum zu wühlen. 

Noch so ein Rätsel für mich, wie kann dieser tägliche Begleiter von ihr nur so sauber sein. Es ist weiß! Sie hat die Tasche seit gut zwei Jahren und sieht aus wie neu. 

Bei mir würde das keine zwei Minuten gut gehen - Weiß, meine ich.

"Du gehst aber auch noch in einen Supermarkt, da sind schätze ich nicht so viele Künstler unterwegs wie du.", murmelt sie währenddessen mit einem liebevollen Lächeln. Ich liebe meine Mutter, aber manchmal... Sie versteht nicht, wie egal mir das im Augenblick ist. 

Ich rolle mit den Augen, was sie hasst, aber im Augenblick zum Glück nicht sieht. "Mom, warum willst du mir das jetzt ausreden.", nörgle ich leidend.

Ihr Blick hebt sich und sie schenkt mir den klassischen 'Ich-liebe-dich-Schätzchen-aber-du-solltest-wirklich-aufpassen'. "Will ich nicht, ich wollte nur, dass du dir sicher bist, wie du gekleidet bist." 

"Ja, danke. Ich geh dann mal."

Hastig schnappe ich mir den Geldbeutel und pflücke ihr den zerknitterten Zettel aus der Hand, schlüpfe in meine schwarzen Vans und "Fahr vorsichtig."

"Mach ich. Bis später."

***

Manchmal wäre es schön, wenn ich die Dinge vorhersehen könnte...

Zufrieden schob ich den Einkaufswagen vor mir her, fügte ab und an Lebensmittel hinzu und summte selig "Can't help falling in love". 

Ich weiß, schlimm.

Meine neuen Stifte warteten neben funkelnden Acrylfarben und zwei Leinwänden im Auto. Und ehe mich jemand zu verurteilen wagen würde, wie verschwenderisch ich mit dem Geld meiner Eltern umginge, für mein Hobby, würde ich entgegnen, dass meine Mutter selbst mich um ein Bild gebeten hat: "Grandmas Esszimmer sieht so kahl aus."

Müsli, Müsli, Müsli... Welches denn? Meine Eltern haben da einen anderen Geschmack als ich und ich kann schlecht irgendeins mitnehmen. Obwohl...

Kritisch betrachtete ich die breite Regalwand, das war viel zu viel Auswahl für mich. Mit einer Hand in die Hüfte gestemmt, das Gewicht auf jenen Fuß gelagert, ließ ich meinen hoffnungslos verlorenen Blick bis zum Mittelgang schweifen. Gerade als ich ihn wieder zurück springen lassen wollte, wie eine gespannte Feder, erregte ein unverkennbares Gesicht meine Aufmerksamkeit. 

Nein! Oh nein, nicht nur meine 'normale Aufmerksamkeit', sondern meine gesamte. 

Männerstimmen, mehrere. Nichts besonderes, eigentlich... 

Aber nicht irgendwelche. Und es waren auch nicht irgendwelche dunkelbraunen Augen, die meinen Blick auffingen und wegen denen ich mich blitzschnell hinter dem Einkaufswagen verstecke und bete, dass sie weiter gehen.

Eine Weile harrte ich so aus, bis sich ein leichter Schatten über mich warf.

"Was genau machst du das Rosie?", ertönte eine mir verhasste Stimme, aus der man allein hätte das spöttische Grinsen hören können. Wieso schaue ich überhaupt auf...

Tick Tack... "Müsli! Ich suche Müsli!", plapperte ich drauf los, bedacht, so genervt wie nur irgend möglich zu klingen. "Und du sollst mich nicht so nennen. Rose oder Mary, ist das so schwer?" Willkürlich fischte ich eine erreichbare Packung aus dem Teich von Regal. Hauptsache Clive kauft es mir ab...

"Warum bist du dann so schnell zum Müslisuchen herunter getaucht, als du mich gesehen hast?" Pure Arroganz. Sein bescheuertes Lachen und dieses eingebildete Funkeln in seinen Augen, die objektiv gesehen leider tatsächlich schön sind - ich hasse sie trotzdem.

Glaubt Clive ernsthaft ich wäre seinetwegen wie ein gestörtes Huhn abgetaucht? Wegen ihm? Oh Gott, ich glaube ich muss entweder schrecklich lachen oder mich ganz schrecklich übergeben. 

"Wegen dir?", entfuhr es mir noch abfälliger, als es in meinem Kopf klang und ich konnte das Grinsen beim besten Willen nicht unterdrücken.  

Nein, nicht wegen ihm... 

Im nächsten Augenblick wollte ich mich mehr denn je Ohrfeigen. Mir eine eiskalte Backpfeife verpassen, dass meine Wange glühen würde und pochen. Nicht wegen ihm!

Denn, so abgrundtief wie ich Clive verabscheue und so wunderschön unser Desinteresse am jeweils anderen Leben ist, dumm ist er nicht mal im Ansatz. Clive hatte schon immer gute Noten. Einser in Mathe, Sport, Englisch, Naturkunde und wie sie alle heißen.

Mit dem Klang meiner Aussage habe ich ihm die Materialien gegeben, eine Brücke zu bauen. Während mein Kopf versuchte das zu verarbeiten, wandelte sich seine süffisanter Ausdruck zu blanker Erkenntnis, als hätte er die Erleuchtung. 

Er hat mich oft genug beim Starren erwischt und sogar einmal, als ich mit Sebastian aus dem Kursraum gegangen bin und ihn von der Seite verträumt angelächelt habe, ehe ich Clive einen Todesblick geschenkt habe.

"Okay Rosemary. Das wird wohl das einzige Mal sein, dass ich dich bitte, zu sagen, dass ich mich irre!", stöhnte er verzweifelt und seine Mundwinkel zuckten bedrohlich.

Wie eine Verrückte umklammerte ich mein Müsli, sodass der Karton verdächtig knautschte. "Klappe!" Mit schmalen Schlitzaugen funkelte ich ihn an. Allmählich wurden meine Beine schwer und ich linste durch das kalte Gitter des Einkaufswagen. 

Erleichtert atmete ich aus und richtete mich wieder evolutionär korrekt auf. 

Ihn auf Augenhöhe so anzufunkeln wäre um einiges eindrucksvoller gewesen...

Blöd nur, dass Clive so groß wie Sebastian ist und damit volle 15 Zentimeter größer als ich. Mit all meinem Hass auf ihn gifteten mein Augen im entgegen. 

In Afrika gibt es Stämme, die ihre Pfeilspitzen mit dem Gift des Pfeilgiftfrosches - daher der Name - einreiben, um ihre Beute zu lähmen... Wie gerne würde ich das mit Clive tun...

Sein Blick lag allerdings nicht auf meinem Gesicht oder meinen Augen, sondern fuhren meinen Körper, mein Outfit, ab. Und das war einer jener prägenden Moment, in denen mir einmal mehr bewusst wurde, dass ich öfters auf meine liebe Mama hören sollte.

Drohend löste ich eine Hand von den... Lillifee-Loops  - Oh Gott, was habe ich mir da nur geangelt - und deutete an, meinen Zeigefinger in seine Brust zu bohren.  "Wehe du lachst!", fauchte ich scharf. Mit einem Auge schenkte ich ihm Hass, mit dem anderen schielte ich stets zum Gang.

Wie genau konnte er sich eigentlich unbemerkt von seinen Freunden spalten?

"Du siehst echt..." Sein Lachen unterbrach meine Gedanken und ich trat ihm bestmöglich auf den Fuß. "...besonders aus.", grinste er süffisant, scheinbar ohne den Tritt überhaupt gespürt zu haben. 

Bin ich so schwach?

"Ich hasse dich!", zischte ich und pfefferte das Müsli in den Wagen.

"Gleichfalls, Rosie. Und du stehst echt auf ...."

"Clive?", schallte sein Name um unser Ohren, schon ziemlich aus der Nähe. Das ist Sebastians Stimme. 

"Den?", beendete er seinen stumpfsinnigen Satz und ich funklte ihn wieder an. Einmal mehr... wenn Blicke töten könnten, Clive würde längst unter der Erde liegen.

"Nein.", wehrte ich mich kläglich, obwohl ich wusst, dass Clive es längst erraten hatte.

"Clive, wo steckst du?" Das war ein anderer. Eine Frage der Zeit, bis sie hier aufkreuzen und ihren ach so tollen Kumpel finden würden, mit mir... 

Langsam strömte so etwas wie Panik durch meinen schmächtigen Körper. Ich wollte keinesfalls, dass Sebastian mich in meinem 'besonderen' Outfit zu sehen bekam. So müssen sich wohl Mäuse in einer Falle fühlen. Verführt vom Müsli, gefangen vom selbstverliebten Idiot.

Mein Blick wechselte zwischen dem Gang und Clive, der Gang, der immer näher rücken zu schien. Plötzlich fielen mir die Sonnenbrille an seinem Ausschnitt und die schwarze Cap auf seinem Kopf auf.

Danke für diesen Geistesblitz. 

"Clive, ich bitte dich vermutlich ein einziges Mal um etwas und das ist jetzt! Bitte gib mir deine Cap und die Sonnenbrille." Ich gab mir größte Mühe freundlich zu klingen und nett, aber Clive brachte einfach schon immer meine schlechtesten Seiten zum Vorschein. 

"Gibst du es zu?" Das Einzige, was fehlte, war sein arrogantes Augenbrauengewackel. Jedes Mal, wenn er es macht, flammen in meinem Kopf Fantasien auf, wie ich sie ihm heimlich abrasiere und er sich voller entsetzen in der Früh im Spiegel entdeckt...

"Clive.", klang ich schon etwas flehender und wurde immer nervöser.  Ich zog meinen Haargummi aus den Haaren. Eine Mischung aus - ironisch - Rosen und Meersalz webte um meine Nase. Ein Glück habe ich zumindest das geschafft.

"Also?" Da ist es. 

"Ja." Ich war so jämmerlich.  "Ja tue ich und jetzt gibs mir." 

Oh je, wie falsch hat sich das nur angehört. Seine Augen funkelten nur so vor Belustigung und Spott. Er prustete hemmungslos, krümmte sich schier, nahm aber endlich die Cap ab und sobald er sich beruhigt hatte, setzte er sie mir auf den Kopf. Natürlich zog er sie mir ein Stück zu tief ins Gesicht, mit Absicht. 

Mit einem undefinierbaren Blick betrachtete er mich, während ich schamlos nach der Brille griff und sie mir auf die Nase schob. 

"Ich hab was gut bei dir."

Genervt darüber rollte ich mit den Augen und er konnte es leider nicht sehen. "Ja ja. Jetzt hau endlich ab. Ich will nicht, dass er mich so sieht." 

Schneller als Domenic Toretto sein Auto, wendete ich meinen Wagen und war drauf und dran den Gang hinunter zu hechten, hätte mich nicht eine Stimme festgehalten. "Wir gehen jetzt zur Kasse, also ... Ciao Rosie.", flüsterte er leise und schadenfroh in mein Ohr, bevor ich seinen Namen noch einmal direkt hinter mir vernahm.

"Clive!" Sebastian. "Was zur Hölle machst du?" Ich glaube das war David? Oder Dean, oh  je, als ob ich mir die ganzen Namen merken würde.

Ein bemühtes Räuspern. "Ich hab meiner kleinen Nachbarin kurz Hallo gesagt. Sie ist grad zur Kasse.", log Clive ziemlich überzeugend und ich seufzte im Stillen. Das erste und einzige Mal, das ich ihm wohl wieder dankbar sein würde. Gleichzeitig kribbelte meine Handfläche gefährlich. "Klein" eine Anspielung auf meine Größe... Wie ich ihn hasse..

Mit jedem Schritt weiter von ihm weg wuchs mein Groll auf mich selbst. Na toll, das Letzte, was ich heute wollte, war Clive einen Gefallen zu schulden und ihm zu verraten, dass ich etwas für Sebastian übrig habe. 

Verdammt! Das war so peinlich! Einfach nur peinlich! 

Ich ließ die Worte nochmal in meinem Kopf Revue passieren und hatte das tiefe Bedürfnis mich zu schlagen - und Clive natürlich auch. Dieser Fiesling hat meine Notlage eiskalt ausgenutzt. 

Frust hin oder her, ich musste noch einkaufen. Ich griff in meine Hosentasche -erstaunlicherweise besaß meine schwarz-bunte Leggings sowas vorne- und zerrte den Einkaufszettel heraus.

Dümmer konnte ich mich gerade nicht fühlen, als ich durch die dunklen Scheiben die Schrift meiner Mutter entzifferte. In einem super belichteten Supermarkt dackelte ich mit ziemlich tief herein gezogener schwarzer Cap und verspiegelten Sonnenbrille herum...

Ein neuer Tiefpunkt in meinem Leben... Nicht nur die Cap oder die Sonnenbrille, sonder auch dieser lästige Gefallen.

Bananen, Äpfel, ... Kiwi! Ein Blick in den Wagen und wow... Kiwi fehlte sogar noch. 

Müde von allem trottete ich zum zweiten Mal die Obstabteilung entlang. Der Wagen musste solange bei den süßen Kirschtomaten auf mich warten. 

Dummer, dummer Clive...

Wham! 

Als wäre heute nicht schon genug passiert, rumpelt ich mit jemandem zusammen. Die harten Ränder der Cap drückten sich in mein Gesicht, definitiv zu breit für einen Kopf, also war ich gegen eine Brust gelaufen.

Hastig rückte ich sie wieder zurecht und versuchte ein Gesicht zu finden. 

Ich wollte eben zum reden ansetzen, als mir die Worte im Hals stecken blieben und ich erstmal kräftig schlucken musste. 

Sebastian. 

Selbst durch die dunklen Gläser konnte ich sein traumhaftes Gesicht bestens erkennen. Sein Ausdruck war verwirrt und gleichzeitig entschuldigend. Seine wunderschönen Lippen öffneten sich, während seine Augen mein Gesicht einen Moment lang musterten. Sie suchten einen Anhaltspunkt, ob er mich kennen könnte. 

Wie gerne hätte ich mir die beiden Teile herunter gerissen und ihn angestrahlt, aber dafür bin ich erstens Welten zu schüchtern und zweitens würde ich nicht umsonst Clive etwas schulden.

"Entschuldige, ich war gerade total auf mein Handy fixiert. Alles gut?"

REDE, schrie ich mich innerlich energisch an und versetzte mir einen gedanklichen Arschtritt. Er erkannte mich nicht, zum Glück.

Mein Herz schmolz wie flüssiges Karamell. Jeder andere hätte mich sicher angemeckert, ich solle doch aufpassen, aber nicht er. Sebastians Herz ist so gütig und weich... und ich klinge wie ein verliebtes kleines Mädchen.

"Äh, ja, ja. Alles gut, danke, danke. Mir, ähm, tuts auch leid, ich hab dich nicht gesehen.", murmelte ich laut genug, dass er es verstehen konnte und löste mich endlich von seinem Gesicht. Ich wollte es nicht provozieren, dass er mich nun doch erkannte.

Ein Lachen ertönte und mir gefror alles, es war so schön.

"Mit 1,90 kann man mich schon übersehen." 

Gänsehaut. Diese Stimme.

Ich musste widerwillig kichern. "Ja, du hättest wohl ein bisschen mehr wachsen müssen."

Dumm! Da rede ich mal außerhalb der Schule mit Sebastian und dann das! 

Ich stand im Supermarkt beim Obst vor ihm, bin zu alldem vorher in ihn hinrein gerannt  und sage nun auch noch sowas. Dazu trug ich meinen 'Maler-Hoodie', eine alte, verranzte Leggings mit diversen Klecksen und Löchern, Clives Cap und Sonnenbrille - in einem Supermarkt! 

"Im nächsten Leben.", lachte er, tatsächlich belustigt. "Sag mal woher ist die Cap eigentlich. Ein Kumpel von mir hat genau die gleiche. Die hab ich sonst noch nie gesehen."

"Die? Ähm..., aus Alaska. Souvenir.", stammelte ich und vermied weiterhin stur den Blick nach oben. Alaska... Warum nicht gleich Grönland oder die Galapagosinseln? Ich bin so ein Trottel. Wieso kann ich mich nicht einmal wie ein normaler Mensch in seiner Gegenwart benehmen oder mir zumindest eine logische Erklärung einfallen lassen

Eine Cap aus Alaska... 

"Oh okay. Sorry, dass ich dich aufgehalten habe. Ciao ...", er ließ Platz für meinen Namen, aber ich konnte ihm das ja schlecht verraten, weswegen ich nur ein Tschüss nuschelte und mich unhöflich wie nie an ihm vorbei quetschte. 

Verflucht!


__________

UPS! Aufgeflogen

Meint ihr Clive wird sie verraten oder wird Sebastian das Puzzle doch noch zusammenfügen können? Was glaubt ihr?

***

💌 N°4 & 5 : Was ist euer Lieblingsfilm? & Bevorzugtes Genre?

Lieblingsfilm... puh, schwer, ich liebe sehr viele Filme, aber am liebsten mag ich "Charlie und die Schokoladenfabrik". Johnny Depp erfüllt für mich die Rolle des Willy Wonka vollkommen, ich liebe ihn einfach. 

Es ist eigentlich etwas komplett anderes, als mein Lieblingsgenre: Action & Romanzen. 

XX Ane

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