28. Nach Hause ✔

You are ENOUGH!

Song: Electric Love – by Børns

„Wie viel hast du eigentlich am Samstag getrunken?" Meine Neugier zerfrisst mich allmählich, abgesehen von dem seltsamen Bauchgefühl nach dem Gespräch mit Benji...

Clive wirft mir einen knappen Seitenblick zu, seine Augen flammen schelmisch auf. „Was glaubst du denn?" Ich weiß, dass es eine Falle ist, egal wie unscheinbar die Frage ist.

Nervös knabbere ich auf meiner Unterlippe. „Ich weiß nicht, vielleicht einen Wodka-O und zwei ohne."

„Nicht schlecht, dafür, dass du so lange weg warst." Der klagende Unterton entgeht mir nicht, aber ich bin es leid schon wieder mit ihm darüber zu diskutieren.

Ich verstehe seinen Ärger oder, dass ich ein pärchenhafteres Verhalten an den Tag legen sollte, aber warum ist er darüber dermaßen erbost?

Es kostet mich Überwindung in deswegen nicht anzufahren, aber ich beiße mir auf die Zunge und atme einmal durch, so wie Grandma Joy mir das unzählige Male beigebracht hat.

„Warum fragst du?"

„Neugier."

„Rosie!"

Ich zögere. „Einfach so... du warst so... nicht Clive einfach."

„So nicht Clive?" Er amüsiert sich darüber, wie sollte ich es ihm auch verdenken. „Was genau bedeutet das?"

Ratlos zucke ich mit den Schultern. Ich weiß es ganz genau. 'Nicht-Clive' bedeutet alles, nur nicht arrogant, fies oder idiotisch.

„Du bist seltsam."

„Ich?"

„Ja, du."

„Warum?"

Schulterzucken. „Weil du so Rosie bist."

Ich sollte angefressen sein, aber das Grinsen durchbricht sämtliche Fassaden. Hastig senke ich meinen Kopf und drehe mich pseudohaft zum Fenster.

„Du grinst." Clives Stimme ist warm, nicht provokant oder belustigt, sondern ehrlich erheitert.

Gerne würde ich ihm widersprechen, aber das wäre gelogen und außerdem hat er Augen im Kopf. Selbst wenn ich mich von ihm wegdrehe, Clive kennt mich gut genug, um das zu wissen.

Also schweige ich und grinse ertappt weiter.

Und während ich hier völlig entspannt sitze, wird mir einmal mehr bewusst, wie traumhaft schön es ist, mit dem Auto in die Schule zu fahren. Man ist nicht dem lärmenden Mix aus jungen und alten Teenagern ausgesetzt, muss sich nicht Kopfhörer in die Ohren stopfen, um nicht völlig durchzudrehen und man kann frische Luft hereinlassen. Sogar Clive entpuppt sich allmählich als angenehmer Fahrer, wir reden, aber nicht immer. Im Grunde lauschen wir meistens der Musik und versinken in der verlockenden Stille.

Eine angenehme Ruhe...

Man könnte es glatt als Glück bezeichnen, dass Clive und ich immer zu den gleichen Zeiten Unterrichtsbeginn haben, lediglich die Schulenden sind unterschiedlich.

Montags und donnerstags, wenn ich Kunst habe, darf ich mit dem Bus nach Hause tuckern.

Wir biegen auf den Parkplatz ein.

Die Einfahrt war seither eine Kunst für sich. Man kann hier äußerst galant hereinschweben, oder man legt sich tiefer in die Kurve als ein Motorradfahrer in einer Ralley.

Clive scheint sich der Regeln und der Kunst mächtig. Ich bin schon mit Linda, Candice und meiner Mom oder Dad hier abgebogen, aber noch keiner hatte diese Kurve so geschmeidig genommen wie er. Nicht einmal ich selbst.

Ich mustere ihn einen Moment lang im Augenwinkel.

Etwas umgibt ihn, dass ihn wie einen Sonnenschein-Grinsemann wirken lässt, aber die wenigsten sehen vermutlich darunter – egal, ob positiv oder negativ.

Ob Maddie darunter sieht?

Hastig schiebe ich diesen eigenartigen Gedanken beiseite und konzentriere mich lieber auf das Auto neben uns. Ein bronzefarbener Ford Focus... und Clive parkt zwischen ihm und einem anderen so graziös ein, dass ich mich zurückhalten muss ihm nicht eine professionelle Rennfahrer-Karriere ans Herz zu legen. Eins muss ich ihm lassen, Auto-fahren kann er einsame Spitze.

Plötzlich nehme ich eine Bewegung im inneren des Fords wahr und ein schwarz-brauner Haarschopf taucht im Fenster auf.

Es spielt sich gefühlt in Zeitlupe vor meinen Augen ab: Der Kopf dreht sich und dreht sich und dann strahlen mich ihre traumhaften braunen Augen an.

Einen Augenblick lang zweifle ich – wie jedes Mal – ob sie Kontaktlinsen trägt, denn dieser einzigartige Ton wirkt wie aus einem Magazin geschnitten und aufgeklebt – eine Mischung aus Bernstein und flüssigem Karamell, die von der Sonne angestrahlt wird und frisch funkelt. Selbst Azuras, Elizas oder Sebastians sehen dagegen öde aus, fast schon langweilig.

Madisons Lippen verziehen sich zu einem freudigen Lächeln. Damit schwingt ihre Tür vorsichtig aus, sie schlüpft elegant hinaus und mir ist bewusst, dass sie auf uns warten wird.

Meine Augen gleiten automatisch zu Clive. Irgendwas in meiner Brust stockt, denn mein Atem ist ungewöhnlich flach. Ich schlucke. Clives Blick wendet sich von mir ab, genauer genommen von meinem Fensterblick, Maddie ist schließlich nicht mehr da...

Er steigt aus, während ich mir noch ein paar Sekunden genehmige, ehe ich es ihm und der Bernsteinkönigin gleichtue. Die synchrone Verriegelung und das amüsiert-peinliche Grinsen der beiden reißt mich aus meinen wirren Gedanken.

In meinem Mund herrscht eine ungewöhnliche Trockenheit, doch dann umschließt Clives Hand wie von selbst die meine. Ich spüre Madisons flüchtigen Blick, aber meinem 'Freund' entgeht es.

Sein Fokus liegt auf etwas am Schuleingang, genauer gesagt jemandem neben den Türen.

Händchenhaltend und dicht beieinander stehen sie zwischen Sebastian und Leroy, gegenüber grinst sich Candice zu Tode und Cole kann noch so genervt schauspielern, ab und an blitzt ein Grinsen durch, wenn er zu ihnen sieht. Mir geht es nicht anders, nur, dass ich meine Freude keineswegs verstecke. Mein Herz pumpt das Blut wie wild – nicht wegen Sebastian. Am liebsten würde ich Linda überschwänglich um den Hals fallen und gratulieren, aber ich beherrsche mich, zum Schluss würde ich nur als Tomate herumwandern.

Die Art und Weise, wie fest sie ihre Finger ineinander verschlingen, wie ihre Schultern sich innig berühren und wie sich Lindas oder Joshs Kopf gelegentlich zum jeweils anderen drehen...

Genau das ist es, was sich wohl ein jeder wünscht:

Einen Menschen, bei dem diese winzigen Gesten sich anfühlen wie ein stundenlanges Feuerwerk und unendlich vielen Schmetterlingen im Bauch. Einer, bei dem so ein zarter, beiläufiger Blick die Welt bedeutet und der sagt: „Keine Ahnung, was da noch auf uns zukommt, aber ich bin bei dir."

Mein Gefühl sagt mir, dass Linda und Josh genau das füreinander empfinden. Vielleicht täusche ich mich auch, aber mein Gespür will mir das andere lieber verkaufen.

„Oh mein Gott, nein, wie süß!", quietscht Maddie auf eine so zuckersüße Art, dass man darüber nicht höhnisch Schnauben kann. Man kann daraus die Freude für die beiden hören.

Warum ich überhaupt höhnisch Schnauben wollte weiß ich nicht genau, jedenfalls grinse ich breiter als ein Honigdachs.

Trotzdem bin nicht ich es, die ihr antwortet. „Seit Samstag." Eine Antwort auf eine Aussage... Clive ist... Clive.

Ich schalte ab. Am liebsten würde ich mich hierwegbeamen oder zu meinen Freundinnen, aber so, muss ich das verschwommene Geschwätz zwischen Maddie und Clive ertragen. Was ist nur los mit mir?

Selbst bei der Begrüßungsrunde und Maddies Freudenbekundung gegenüber den neusten Turteltauben schaffe ich es nicht, mir die anständige Portion Aufmerksamkeit abzuringen. Es ist nicht so, als wären tausend Gedanken in meinem Kopf, die nach ihrem rechtmäßigen Platz suchen. Nein, viel mehr ist es in meinem Stübchen oben leere, leerer als in einer Ruine aus dem Jahr fünfzehnhundertzehn.

Vielleicht schwirren ein paar Bienchen herum, aber nichts, von besonderem Erregen.

Erst als mein Name fällt und die Aufmerksamkeit offenbar auf mir liegt werde ich wieder wach.

„So versunken?", lacht Josh und ich frage mich, ob ich mir eben nur eingebildet habe, dass Sebastian meinen Namen gesagt hat und es in Wahrheit Josh war...

Neugierig linse ich zu ihm, er sieht mich erwartungsvoll an, aber das tun sie alle. „Tschuldigung, was war?", murmle ich und die Hitze wandert erbarmungslos durch meine Adern in meine Wangen.

„Alles gut... ich hab gefragt, ob ich dich Heim fahren soll? Wir haben gleich aus.", meint er und mein Herz stolpert über ein paar Drähte, die Bomben in meiner Brust zünden.

Hat Sebastian Voules mich gerade wirklich gefragt, ob er mich nach Hause fahren soll?

Gut möglich, dass ich in diesem Augenblick dem „Schrei" von Edvard Munch gleiche, nur ohne die Hände an den Ohren. Innerlich lechze ich förmlich danach, dieses Kunstwerk nachzustellen.

Unmöglich. Nein! Das habe ich mir eingebildet, wie eine fiese Fata Morgana.

Hastig schlucke ich trocken.

Es ist nicht das erste Mal, dass wir gleichzeitig aushaben, aber das erste Mal, dass er mich frägt. Normalerweise würde ich mit dem Bus nach Hause fahren, oder Clive wartet tatsächlich – etwas, das mich ehrlich fasziniert hat und wofür ich unfassbar dankbar war.

„Ähm, ja..." Meine Zähne verkeilen sich automatisch in meiner Unterlippe. „Klar, dann... äh, dann musst du nicht warten.", wende ich mich gegen Ende hin noch an Clive.

Sein Blick ist undurchdringlich, irgendetwas liegt darin, dass ich nicht zu deuten vermag.

„Ja... sicher."

Es klingt nicht sonderlich begeistert, aber... ich meine, was soll daran auch schon begeisternd sein? Sebastian fährt mich nach Hause...

Für mich ist das wie... Weihnachten und Silvester an einem Tag, für Clive wie eine Bootstour auf einem abgelegenen See, die er schon zig Male gemacht hat.

„Okay."

Danach schalte ich wieder auf Stumm. Meine Gedanken überschlagen sich, im Grunde gleicht das, was in meinem Kopf vor sich geht, einem einzigen Tornado. In meiner Brust herrscht ein Erdbeben der Stufe Neun Komma Fünf.

Sebastian Voules fährt mich heute nach Hause. ER FÄHRT MICH NACH HAUSE!

Es fällt mir ehrlich gesagt schwer, meine Atmung ruhig zu halten oder meine Gesichtsmuskulatur locker zu lassen, um nicht wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen.

***

Das Schicksal glaubt wohl heute wäre mein Geburtstag.

Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Tag noch schöner werden könnte, nachdem Sebastian mir angeboten hat, mich mitzunehmen – mich nach Hause zu fahren...

Aber das wird er, und zwar genau in diesem Augenblick.

Etwas ungläubig starre ich auf das helle Display und kann gar nicht oft genug blinzeln. Das muss ein Systemfehler sein.

Doch das ist es nicht.

Zwischen den bunten Rechtecken unseres Stundenplans leuchtet mich – und jeden anderen Schüler an dieser Schule – ein dickes rotes Feld an mit der Inschrift: Lehrerkonferenz

Das bedeutet, dass für alle die achte Stunde entfällt. Das bedeutet auch, dass Sebastian und ich zusammen eine Freistunde vor Kunst haben, denn wir gehören nicht zu denen, die nach der achten Stunde Schulschluss haben – wie Clive, Maddie oder Azura.

Früher hätte ich sicherlich ein „leider" in meinen Gedanken platziert, aber heute... ich muss mich beherrschen, nicht lauthals los zu kreischen. EINE ganze Freistunde mit Sebastian... Rebecca wird sich wohl kaum zu uns gesellen, schließlich ist Jason noch da und außerdem habe ich das Gefühl, sie hasst mich.

Vielleicht täusche ich mich auch einfach nur...

Achte Stunde, wir haben momentan die sechste, das heißt noch eine Stunde Mr. Huckle ertragen und dann...

„Meine Lieblings-Sandy, wo hast du die Löckchen und Lederhosen gelassen?" Justins Grinsen hat die exakte Prise Anzüglichkeit, ehe es zu viel wird. Trotzdem genügt sogar diese winzige Dosis, um meinen Teint in ein Flammenmeer zu verwandeln.

Es ist mir nicht einmal wirklich unangenehm, sondern viel mehr befremdlich, dass ich am Samstag tatsächlich so dort aufgekreuzt bin. Und das alles nur wegen Clive, weil er mich provoziert hat.

„Faszinierend, wie man dich mit so kleinen Dingen in Verlegenheit bringen kann.", grinst er weiter und lässt sich auf seinem Stuhl nieder.

Er mustert mich eingehend, mit einem Interesse, als wäre ich ein Zootier, dass gerade etwas völlig Außergewöhnliches vollbracht hat.

Ich zwinge mich das Gefühl herunter zu schlucken und ihn anzulächeln, womöglich strahlt mein Lächeln Schüchternheit pur aus... immerhin schaffe ich es. „Das ist fies."

Wie gerne würde ich manchmal auf einen Knopf drücken, sodass alles um mich herum zum Stillstand kommt und ich mir nichts dir nichts verschwinden kann. Oder ein Knopf, der die Zeit um eine Minute zurückspult. Irgendwas, von mir aus auch ein Erdloch zum Versinken.

Justin zieht eine Braue nach oben und funkelt mich belustigt an.

„Fies?"

Hitze... verdammt ist das warm hier...

„Ja.", piepse ich tapfer.

Und zum ersten Mal bin ich heilfroh, dass Mister Huckle wie der geborene Yeti mit oranger Krawatte ins Klassenzimmer stapft und Justin den ersten Blick des Tages schenkt. Es ist eine Warnung: Ein falsches Wort, eine Unaufmerksamkeit und Hucks würde austicken... mal wieder.

Noch eine Stunde, dann...

„Mister Backman, würden Sie die Güte erweisen und aufhören Miss Adams anzuschmachten? Hat man Ihnen nicht gesagt, dass vergebene Frauen Tabu sind?" Ein höhnisches Grinsen liegt auf seinen Lippen.

Das eben abgeflossenen Blut schießt zurück in meine Wangen. Sämtliche Augenpaare richten sich auf mich und Justin und ich beiße mir auf die Unterlippe. Oh Gott, ist das peinlich!

Ich glaube ich werde wahnsinnig, seit wann interessieren sich Lehrer... nein, seit wann interessiert sich Mister Huckle für Schüler? Für Schüler wie mich und Clive?

Es ist nicht so, als würden Clive und ich aneinanderkleben und bei jeder freien Minute an den Spinden lehnen und uns regelrecht auffressen – so wie das gewisse andere Paare gerne tun. Ein harmloses Händchenhalten hier und da, ein Küsschen beim Footballtraining oder in der Mensa.

Flurfunk...

Natürlich was sonst!

„Aber Mister Huckle! Ich würde doch niemals Rosemary anschmachten, höchstens anbeten. Sehen Sie sich doch ihre wunderschönen Augen an und das glänzende Haar und..."

Nun steigt auch in Hucks Gesicht Röte, aber nicht aus Scham, sondern aus Wut. Dieses Mal dachte er, er hätte Justin in Bredouille bringen können, ihn blamieren und bloßstellen. Doch er hat sich geschnitten, nicht mit Justin.

Meine Augen fokussieren sich auf die Stifte, die wirr aus meinem Mäppchen lugen. Es ist alles so schrecklich peinlich, ganz gleich, ob das nur alles Ironie und Rache an Hucks ist.

„... ein Traum, nicht wahr? Clive hat einen wundervollen Fang gemacht.", beendet er seine Rede und hat sich auch nicht im Geringsten vom tiefen Kaminrot beirren lassen.

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Hey Ho

Teamwechsel oder bleibt ihr bei euren alten Teams? Lasst mal Shipnames hören 🤭

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💌N°33: Seid ihr mit euch zufrieden?

Momentan, ein klares JA. Schreiben läuft gerade, lesen läuft und Arbeit... ist am Laufen... 😂🤭 Ich hoffe euch geht es gut.

XOXO Maggie 🧡

Ps. Folgt mir gerne auf Instagram: @sxmelittlestories

Gleicher Name wie hier auf Wattpad, dort gibt es alles rund um meine Lieblingsbücher, oder allgemein BÜCHER. 😏

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