18. Ich geh nicht ohne dich ✔ -
the art of eye contact ~ unknown
Lied: Say something – Kadiatou
„Rose."
Panisch wirble ich herum, das tränennasse Handy entgleitet meinen tauben Fingern und landet in einer großen, warmen Hand - sie sieht warm aus.
"Sebastian!"
"Was ist passiert?" Er macht noch einen Schritt auf mich zu und mustert mich mit diesen unglaublich schönen Augen.
Stumm schüttle ich meinen Kopf und senke den Blick. Ich kann ihn gerade nicht ansehen. Ich kann diese Tränen nicht kontrollieren, die einzeln über meine Wangen kullern und einfach nicht aufhören wollen.
Grob fahre ich mir übers Gesicht, kralle meine Nägel in meinen Handballen und sauge die Luft tief ein. Es hilft, ein bisschen.
Er will noch einen Schritt auf mich zugehen, doch ich hebe meinen Kopf endlich, schüttle ihn wieder. "Ich... ich muss gehen. Ich... später... ich erzähls dir später, okay?"
Ich weiß genau, dass es mich umarmen wollte und ich hätte mich dem so gerne hingegeben, mich in seine Arme gekuschelt und die Sicherheit genossen, die Wärme und Nähe. Aber ich kann nicht, ich darf nicht. Es geht nicht um mich.
Eine Sekunde lange betrachtet er mich eingehend, zögert, dann nickt er. "Okay. Kommst du klar?"
Halbherzig nicke ich und versuche meine Mundwinkel so weit wie möglich nach oben zu ziehen.
"Bis dann.", presse ich hervor und dränge mich an ihm vorbei.
Alles in mir zieht sich zusammen. Ich fühle mich beschissen. Es war noch nie schön, der Überbringer solcher Nachrichten zu sein. Ganz egal, ob Alfred tot wäre oder eben jetzt 'nur' einen Herzinfarkt hatte... es ist grauenvoll.
Wie soll ich ihm das überhaupt sagen?
Vereinzelte schiefe Blicke treffen mich, doch dem Großteil bin ich egal. So wie es mir egal ist. Ich schere mich in diesem Moment nicht im Geringsten darum, was die anderen über mich denken mögen.
Meine Augen scannen den gesamten Raum nach Clive. Mich überkommt beinahe eine leichte Panik, als ich ihn nicht sofort entdecken kann. Erst bei der zweiten Runde finde ich ihn ein Stück neben dem Türrahmen bei einer Blondine, Madison und Justin...
Das eisige Handy in meiner Hand vibriert, fast zeitgleich mit dem in meiner Hosentasche. Ich starre auf das Display: St. Lukes. Zimmer W508, vierter Stock. - Thomas
Mein Herz rast, immerhin schlägt es wieder.
Das Vibrieren in meiner Hosentasche hört nicht auf. Jemand ruft mich an!
Eine neue Woge der Panik überkommt mich, doch ich zwinge mich sie nicht vollkommen an mich heranzulassen. Es ist Madison.
Ich sehe auf, zu ihr, aber sie telefoniert nicht.
Clive hält ein Handy ans Ohr, während seine Augen den Raum nach etwas absuchen, immer und immer wieder, aber sie finden es nicht. Sie finden mich nicht. Eine Träne klatscht auf mein Display.
Die braunen Augen treffen mich unvorbereitet, eiskalt. Ich will zurück nach draußen und das Handy ins Gras donnern, ich will diesen Anruf nicht annehmen. Wieso konnte der Akku nicht urplötzlich leer sein? Wieso konnte Clive nicht selbst hingehen?
Gott, wie egoistisch das klingt...
Etwas in mir will sich wegdrehen, will einfach gehen. Doch der andere Teil, der größere, lässt mich erstarren. Meine Augen haften eisern an ihm - sie folgen ihm, wie er Maddie ihr Handy zurückgibt, seine Lippen ein paar schnelle Bewegungen machen, ehe er sich an ihr vorbeischiebt und in meine Richtung kommt.
Ohne einen weiteren Ton schiebt er mich in die Ecke des Raumes und mustert mich eingehend. Etwas Unbekanntes flackert in seinen Augen auf.
"Was ist passiert?" Seine Stimme legt mir förmlich eine Decke um die Schultern. Eine, die ich am liebsten abschütteln würde. Gott, wenn er nur ansatzweise wüsste, was ich weiß, was ich ihm jetzt sagen muss... er würde nicht einmal daran denken so mit mir zu sprechen, so weich und sanft.
Als... als... also würde er sich Sorgen um mich machen?
Prompt schiebe ich den Gedanken beiseite. Die Tränen werden zwar weniger, aber sie haben noch immer nicht aufgehört und egal wie oft ich über meine Augen wische und reibe, nichts hilft.
Plötzlich spüre ich zwei Arme um mich und ich werde gegen einen warmen Körper gepresst. Clives Geruch vermischt sich leicht mit Alkohol, aber das ist mir egal. Erst jetzt wird mir einmal mehr bewusst, wie stark ich schon wieder zittere - oder immer noch.
"Können wir bitte gehen? ... Bitte?", wispere ich gegen seine Brust. Womöglich hat er es nicht einmal verstanden...
„Okay." Er senkt den Kopf zu mir hinunter, seine Augen sind so warm wie... wie... ich weiß nicht wann sie jemals so warm und liebevoll waren. "Okay.", wiederholt er sanft. Ohne eine weitere Sekunde zu verschwenden löst er sich von mir, greift meine Hand und lotst mich scheinbar mühelos durch die Masse.
Mit einem Mal kommt es mir unendlich voll vor. Fast so, als könnte eine einzige Person mehr den ganzen Raum sprengen. Ich will nur noch hier weg, ganz weit weg.
Wir stoppen nicht. Ich weiß nicht recht, woher Clive unsere Jacken hat und wage es nicht zu fragen.
Erst als sich die Haustür hinter und schließt und die Musik ein wenig verschlingt, sehe ich wieder von unseren Händen auf, zu ihm. Ich starre ihn an und stolpere ihm mehr oder weniger hinterher.
Verdammt nochmal! Rosemary! Reiß dich zusammen! Es ist nicht dein Großvater! Du musst jetzt stark sein!
„Rosemary?"
Wir stehen vor seinem Auto.
Ich schlucke hart.
"Hey, es ist alles okay." Wieder nimmt er mich in den Arm und ich fühle mich in diesem Augenblick so machtlos und klein, obwohl ich gerade diejenige bin, die dieses bedrohliche Schwert über ihn hält.
"Clive...", beginne ich und winde mich sanft aus seinen Armen. Ich muss mich jetzt beherrschen! "Dein Mom war am Telefon, vorhin."
Die Straßenlaterne erhellt seine Gesicht, dass ich mir wünsche, ich würde es nicht sehen müssen. Seine Stirn liegt in Falten. "Was? Was redest du da, Rosie?"
"Scheiße..." Ich fluche innerlich weiter vor mich hin, lege den Kopf in den Nacken und blinzle gen Sternenhimmel. "Clive, dein Großvater Alfred hatte einen Herzinfarkt. Er lebt, aber... aber wir fahren jetzt zu ihm."
Ein wenig überrascht von mir selbst schnappe ich nach Luft. Fast könnte man sagen, ich wäre stolz auf mich, es so souverän und schnell über die Lippen bekommen zu haben...
"W-was?" Er starrt nicht, er blinzelt verflucht schnell. "Was ist los?" Clive stammelt. Clive stammelt normalerweise nicht. Er blinzelt auch nicht verflucht schnell. „Mein... mein Grandpa hat... was?"
„Es tut mir so leid..."
Das Blinzeln wird immer schneller, bis er sich schließlich übers Gesicht fährt. Bevor ich recht verstehen kann, was passiert schlingt er seine Arme um mich und legt sein Kinn auf meinen Kopf. Ich zögere einen winzigen Augenblick, ehe ich die Umarmung erwidere.
Er ist nicht tot, ich habe auch nicht erwähnt, dass es 'nicht gut aussieht', doch das ist auch nicht nötig. Sowas ist nie nötig. Ich würde nicht heulen und wir würden nicht zu ihm fahren, wenn es 'gut' aussähe.
„Clive... wir sollten fahren, ich fahre.", wispere ich gegen seine Brust und linse vorsichtig nach oben. Mag sein, dass es Einbildung ist, aber die Schatten unter seinen Augen scheinen mit einem Schlag so schwarz wie die Nacht.
Clive erwidert meinen Blick leerer als jede Wüste. Es dauert eine Weile, bis er schließlich nickt und den Schlüssel aus seiner Jackentasche kramt.
„Er lebt, Clive, okay?"
Er nickt.
***
Dreißig Minuten können manchmal mit einem Fingerschnips vorbei sein, mit Lin oder Di fühlt sich eine halbe Stunde an wie zwei Minuten.
Doch das hier, jetzt, diese dreißig Minuten Fahrt zum Krankenhaus... ich habe mich selten so hilflos und verletzt gefühlt. Das Einzige was man hören konnte war der Motor, das stetige Surren der Lüftung – niedrigste Stufe. Ich hätte sie ausmachen können – es wäre zu leise gewesen.
Meine Nerven liegen offen, ich frage mich ob Clive noch welche hat...
Stumm schicke ich ein Dankesgebet nach oben und lenke uns geschickt in eine Parklücke am Straßenrand. Es sind keine guten Erinnerungen an St. Lukes, aber immerhin habe ich den Stress der Orientierungslosigkeit nicht.
Clive regt sich nicht. Sanft schiele ich nach drüben. Ich zögere, dann lege ich behutsam meine Hand auf seine, sie ruht so verloren auf seinem Oberschenkel. „Wir sind da."
Wieder so ein tonloses Nicken. Es bricht mir das Herz.
Mit der freien Hand fische ich mein Handy aus der Tasche, es blinkt fröhlich in der Leiste oben. Thomas!
Eliza ist geblieben, deine Eltern wissen Bescheid... melde dich, wenn du gehst. Nimm einfach Clives Wagen, ich hole die beiden dann später. Danke für alles.
Ein müder Thomas tritt in meiner Vorstellung aus Benjis Zimmer - der Kleine hat keine Ahnung -, schließt die Augen. In diesem Moment gleichen sich die Züge von ihm und Clive, er fährt sich mit der flachen Hand übers Gesicht, seufzt und schreibt mir.
Plötzlich glitzert etwas in meinem Bewusstsein. Eine Erinnerung.
Alfred ist nicht wirklich Clives Großvater, sondern Ur-Großvater. Es tut nichts zur Sache, die Liebe ist die Gleiche. Für Eliza ist Alfred ein Vater, für Clive der Großvater.
Ich weiß nicht, warum mir das gerade jetzt eingefallen ist... es ist auch nicht wichtig.
„Sollen wir?"
„Ich kann das nicht.", krächzt er fast tonlos und erwidert halbherzig den Händedruck. Mit einem Mal hebt er den Blick – glasig, leer, hilflos.
Es fällt mir schwer zu schlucken. Mein Körper zittert so stark, ich überlege einen Moment lang Clive meine Hand zu entziehen. Ich will nicht, dass er das mitbekommt.
Am liebsten würde ich ihm sagen, ich schaffe das auch nicht, doch etwas hält mich bei all dem zurück. Stattdessen verschlinge ich meine Finger mit seinen fest, noch fester und schlucke trocken, es schmerzt. „Doch... ich weiß, dass du das kannst, okay? Ich weiß es... ich bin bei dir."
Ein leises Funkeln blitzt in seinen Augen auf, dann spüre ich die Kraft in seiner Hand. „Okay, aber ich geh nicht ohne dich rein."
Ich ringe mir das ab, was am ehesten als Lächeln bezeichnet werden könnte und nicke schwach.
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Hey Ho🌻
Ich habe vorhin „Kein Ort ohne dich" gesehen und... 😭
Buch habe ich auch gelesen, kann ich nur empfehlen (von wem wohl... hahaha, Nicholas Sparks natürlich)
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💌N°23: Wo wart ihr zuletzt im Urlaub? Könnt ihr was empfehlen? 😏
XOXO Maggie 🧡
Ps. Schaut doch mal bei mir auf Instagram vorbei💘: @sxmelittlestories (wie hier auf Wattpad)
Ihr findet dort alles rund um Bücher, von Wattpad und aus dem Buchladen; Updates meiner Bücher/Storys und Rezensionen. Vielleicht habe ich auch mal einen Anflug zum Quasseln über meinen geliebten John Green, Gale Forman oder der traumhaften Lauren Oliver.
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