15. Bonnie und Clyde ✔

Your heart stole my silence

Lied: Be Kind – Marshmellow X Halsey

Eine gute halbe Stunde und einen Highway später rolle ich in Adams Straße. Mein werter bester Freund hat sich vor zwei Jahren – als er mit dem Studium angefangen hat – eine eigene Wohnung zugelegt.

Streng genommen ist es nicht einmal sein Appartement, sondern das seiner Eltern. Zapatys sind umgangssprachlich gesagt: stinkreich. Zwar nicht Bill-Gates-reich aber etwas zwischen Kendall Jenner und Justin Bieber, schätze ich.

Für diese Verhältnisse ist Adams Wohnung ausgesprochen ärmlich: Drei Zimmer, geräumiges Bad und Wohn-Küche.

Ich reihe mich perfekt hinter Adams Golf ein. Selbst die Gegend hier schreit nach Mittelklasse und Adam selbst... er wirkt wie ein völlig normaler Mensch, kein Stück abgehoben – anders als seine Eltern oder kleine Schwester.

„Mariechen, du bist ja geflogen.", hallt es durch die Straßen und ich fahre erschrocken zusammen. Adam kann meinen tödlichen Blick zwar nicht erkennen, aber ich bin überzeugt, er weiß, dass ich ihm einen schenke.

Sein fröhliches Grinsen könnte man auch aus tausend Meter Entfernung sehen. Ich habe fast ein bisschen Angst, dass er sich aus dem Fenster stürzt, so weit wie er sich hinausgelehnt hat. Seine Eltern hätten ein Gitter anbringen sollen...

Kopfschüttelnd sperre ich den Ford meiner Mutter ab und trabe auf die andere Straßenseite, zur schneeweißen Haustür, die mit einem ekelhaften Surren aufgeht.

Gänsehaut überzieht meine Arme und das kommt nicht vom beißenden Wind.

Dieses Geräusch bringt mich irgendwann noch um, das oder Clive...

„Mary!", schrillt es durchs Treppenhaus. Ich frage mich, ob sich jemals jemand über Adam beschwert hat...

Er klingt wie dieser stockschwule Modedesigner im Fernsehen, den ich letztens gesehen habe und unfassbar süß fand. Er hat jedes Klischee erfüllt als er in seiner schwarz-weißen Kunstpelz-Bomberjacke vor der Kamera aufgekreuzt ist, die Lippen voller rosa Gloss und die langen Fingernägel waren pechschwarz lackiert. Seine Augen haben heller als die Sonne gestrahlt.

Adam ist aber nicht schwul, obwohl ich oft genug den Eindruck habe. Nein, mein bester Freund könnte im Grunde der Zwillingsbruder von Barney Stinson aus „How i met your mother" sein.

Meine größte Angst ist, dass ich irgendwann eine Liste finde, auf der Frauennamen stehen. Frauen, mit denen Adam schon geschlafen habe.

Obwohl... ich glaube das wäre mittlerweile ein Buch. Adam ist dreiundzwanzig, bald vierundzwanzig, hatte noch keine feste Freundin und ich weiß nicht, warum ich mit ihm befreundet bin. Manchmal habe ich das Gefühl Frauen sind für ihn wie Socken, einmal an und weg.

Ich schätze ich bin eine Ausnahme.

Als ich vor ihm stehe mustert er mich kritisch. „Du siehst scheiße aus."

„Danke für die nette Begrüßung, ich bin für dich ja gerade nur eine halbe Stunde gefahren.", seufze ich und lasse mich von ihm in eine Teddybären Umarmung ziehen. Überall wo man ihn berührt sind Muskeln.

„Gerne. Ich hab dich vermisst."

„Ich dich nicht."

„Jetzt bist du aber zu freundlich.", grinst er und schiebt mich förmlich in seine Wohnung, als wäre ich nicht von selbst hinein gegangen.

Adam ist manchmal... besonders. Adam eben.

Und Adam erinnert mich daran mich selbst zu korrigieren. Es gibt noch einen Namen für mich: Mariechen beziehungsweise Rosemariechen.

Ich schlüpfe aus meinen Sneaker und folge Adam ins Wohnzimmer. Ein leerer Pizzakarton steht auf dem Tisch. Wie viele Klischees will dieser Junge eigentlich erfüllen?

Eine Socke hängt über dem Fenstergriff, die Decken auf dem Sofa sind verknautschter als meine Haare heute Morgen und Adams Hugo Boss Deodorant vernebelt die gesamte Wohnung. Er macht mich fertig!

„Sonst... geht's dir gut?", frage ich ironisch und Adam strahlt mich breit an. Sein Esstisch, aka die Kücheninsel mit Barhockern – wie bei Westwoods nur in Weiß, ist übersäht von aufgeschlagenen Büchern, Zetteln mit Zahlen und Codes und Stiften.

Er hat gelernt?

„Bestens, danke der Nachfrage und dir?"

Ich seufze und rolle amüsiert mit den Augen. Adam ist unbelehrbar.

„Adam... du spinnst."

So schlimm hat es hier schon lange nicht mehr ausgesehen. Es fehlen eigentlich nur die Bierflaschen, aber das Verrückte: Adam trinkt keinen Alkohol.

Sein leiblicher Vater war Alkoholiker, seine Mutter hat sich von ihm getrennt als Adam sieben war, nachdem er handgreiflich geworden ist. Seitdem ist sie mit Julian Zapaty zusammen.

„Was gibt's Neues, Kleines?"

Er wirft sich mühelos über die Couchlehne und streckt sich behaglich auf dem Dreisitzer aus. Schleichend trotte ich zum Fernsehsessel – ich liebe dieses Teil, es hat dieses futuristische Aussehen, als würde er schweben, wie eine Welle.

„Nicht viel... nur..."

Ich zögere. Adam reißt mir entweder den Kopf ab oder ist hellauf begeistert.

„Nur was?" Neugierig mustert er mich, der Schalk blitzt in seinen nussbraunen Augen auf und ich frage mich, warum zwischen uns nichts läuft.

Meine Mom weiß nichts über Adams One-Night-Stand-Image, für sie ist er der hübsche, reiche, junge Mann, der mich im Sommercamp dauernd zum Lachen gebracht hat.

Ich glaube, Adam und ich sind schlichtweg für Freundschaft gemacht.

„Du weißt doch, dass ich Sebastian toll finde..."

„Ja..." Seine Augen werden schmal, als würde er versuchen meine Gedanken lesen zu wollen.

„Und Clive kennst du noch?"

„Rosemary..."

„Ja, da ist so etwas passiert. Also Clive hat vorgeschlagen, dass ich seine Freundin bin, um Sebastian näher zu kommen, also ihn überhaupt mal besser kennenzulernen und er kann dafür einem Mädchen beweisen, wie reif er ist.", hasple ich herunter und beiße mir dabei fast auf die Zunge.

Sobald ich fertig bin starren mich Adams Augen fassungslos an. Seine Mundwinkel sind vollkommen locker.

Unschuldig lächle ich ihn an und schlinge meine Arme rasch um die Beine.

„Du willst sagen, dass du mit dem Typen, über den du dich jedes Mal bei mir auskotzt, zusammen bist, um seinen BESTEN FREUND näher kennenzulernen?"

„Ja?"

„Und du weißt, dass es sowas wie die Regel gibt, dass man nicht die Ex vom besten Kumpel daten darf?"

„Ja, aber Clive und ich sind ja nicht wirklich zusammen und er wird Sebastian sein Einverständnis geben."

Adam nickt allmählich mit aufgeblasenen Wangen, dann lässt er die Luft stoßweise entweichen. „Das ist absolut verrückt, sogar für dich."

„Was heißt hier für mich? Ich vögel mich nicht jede Nacht durch die Weltgeschichte.", kontere ich beleidigt.

Der junge Mann vor mir grinst, als hätte ich ihm gerade verkündet, er wäre Erster bei der Tour de France geworden. Er sieht das wirklich als Kompliment, dieser Idiot. „Wäre besser." Er stöhnt laut auf und lässt seinen Kopf in den Nacken zurückfallen. „Mariechen, du hast dich da ordentlich in die Scheiße geritten."

„Warum denn? Das ist doch eine gute Idee, also halbwegs, naja Clives Idee eben, aber wenn es funktioniert..."

„JA, du sagst es. WENN!" Adam setzt sich abrupt auf, dass ich überrascht mit den Augenblinzle. Er stützt seine Ellenbogen auf die Knie und sieht mich direkt an. „Weißt du, der Fakt, dass du dann Clives Ex bist, kann auch ziemlich abtörnend sein. Klingt hart, aber für deinen Traumprinz kann das ganz schnell so wirken, als wärst du... sorry dafür... schon mal benutzt"

„EW! ADAM!"

„Ja sorry, ist so... es gibt Jungs, die so denken..."

Nervös knabbere ich auf meiner Unterlippe herum. Was er da gesagt hat mag abstoßend klingen, aber er hat recht. Daran habe ich nicht gedacht, ich habe, rückblickend betrachtet, überhaupt nicht gedacht.

„Mal angenommen der Plan geht auf. Ihr werdet jetzt ein paar Monate zusammen sein, Sebastian verliebt sich in dich und Clive gibt ihm grünes Licht bei dir. Was meinst du, was der Junge denkt, wenn er dich sieht?"

Ich schlucke.

„Wir wissen beide, dass er ziemlich wahrscheinlich ist, dass er sich immer wieder vor Augen führt 'Clive hatte sie vor mir '. Und dann... wenn ihr euch zu dritt oder mit der Gruppe trefft, für dich und Clive wird es vielleicht normal, ihr könnt euch einfach weiterhassen, aber für Sebastian wird es ekelhaft."

„Adam! Das ist der schlimmste Fall. Was ist, wenn Sebastian nicht so ist? Es gibt genügend Gegenbeispiele, dass sie der beste Freund und die Freundin von jemanden verlieben und am Ende stellen alle fest, dass es schon immer so sein sollte."

Er verzieht kritisch den Mund, doch ich lasse ihn nicht zu Wort kommen. Ich werde mir das von ihm jetzt nicht ruinieren lassen.

„Außerdem kommen Maddie und Clive im besten Fall auch zusammen und das eigenartige Gefühl wird vergehen..."

„Meinst du?"

Adam wirkt nicht überzeugt.

„JA!" Ich bin selbst nicht mehr überzeugt, aber jetzt ist es sowieso zu spät, um irgendwas ändern zu wollen. „Würdest du jetzt bitte deinen verfluchten Pessimismus beiseitelegen und mich unterstützen?"

„Ungern."

„ADAM!"

„Schon gut. Vielleicht geht's ja gut."

„Es wird gut gehen.", nuschle ich, mehr für mich als für ihn.

***

Zwei meiner drei Lieblingsbeschäftigungen nachzukommen ist wahrer Traum. Auch wenn Adam, wie ich, ziemlich unfähig ist zu kochen, er bekommt es immer noch hin Rührei mit Tomaten und Oliven zu zaubern.

Dazu lungere ich mit meinem Zeichenblock auf der Couch und schraffiere nebenbei seinen Kopf.

Er ist eines meiner Lieblingsmodelle.

Adams Konturen sind fast symmetrisch, was mir das Zeichnen unheimlich erleichtert. Außerdem liebe ich seine wunderschönen Mandelaugen und das Braunbärenhaar. Adam trägt es meistens leicht nach rechts gekämmt, heute ist es wie bei einem Rockstar wild verstrubelt.

„Yo Mary, was sagst du zu dem Beat?"

Gespannt sieht er von seinem Pult auf zu mir. Wie lieb, mein kleiner Pseudo-DJ. Singen klingt bei ihm wie ein monotones Brummen, aber DJ... warum nicht.

„Vielleicht ein bisschen mehr Bass." Ich verstehe von der Materie zwar nichts, aber ich habe im Laufe der Zeit von Adam gelernt, dass die Leute auf Bass stehen, wenn sie tanzen, viel Bass, aber nicht zu viel. „Man muss genau die Mitte finden, Kleines."

Kleines... manchmal komme ich mir bei ihm vor wie ein Reh oder eine Katze, auf die er Acht gibt. Bei ihm ist es anders als bei Clive.

Clive gibt mir das Gefühl ein kleines Kind zu sein, nicht ernst genommen zu werden, Adam hingegen tut das sehr wohl, er ist wie ein großer Bruder.

„Mehr Bass, wenn es die Dame so wünscht."

Ich weiß, aus Erfahrung, dass Adam dazu neigt gelegentlich um halb drei nachts seine neuen Beats auszuprobieren, herumzuexperimentieren. Ein weiterer Grund für mich zu hinterfragen, was Adam für seltsame Nachbarn hat. Normale Menschen würden sich beschweren.

Adams Augen leuchten wie die eines Kindes, während er auf den Knöpfen herumdrückt und die Schalter ungebremst verschiebt.

Plötzlich spüre ich seine Präsenz neben mir und wie er sich neugierig über meine Zeichnung beugt. „Wie kann es sein, dass du jedes Mal noch besser wirst. Ich glaube nimm dich das nächste Mal zum Feiern mit und verzichte auf die Fotos, sondern lass dich malen. Dann werden wir alle schöner."

„Haha, sehr witzig."

„Nein, ich meins ernst. Siehst du den kleinen Pickel hier? Den hast du nicht gemalt."

„Ach? Soll ich?" Ich stelle mich wie ein naives Dummchen and Adam wuschelt mir dafür einmal durchs Haar.

„Nein, bitte nicht. Das Bild ist schön."

„Ein bisschen verwackelt."

„Du findest auch immer was zum Meckern."

„Du auch, bei deinen Tracks."

„Das ist was anderes. Tracks müssen perfekt sein, das verstehst du nicht, dafür bist du zu jung."

„Bitte?"

Adam schnappt sich meine Gabel und genießt MEIN Rührei, er hatte selbst eines. Soll er sich gleich mehr machen. „Du Vielfraß, das ist meines, ich verhungere deinetwegen."

„Stimmt, Kinder müssen noch wachsen."

„Idiot!"

„Uh, dünnes Eis, ich merks."

„Clive hat mich damit auch schon gefoppt.", stöhne ich und erringe mir meine Gabel wieder. „Du bist aber auch zu perfekt dafür."

„Ich glaube ich umgebe mich mit den falschen Menschen."

„Nein, finde ich nicht. Ich finde uns toll. Wir sind wie Bonnie und Clyde, nur ohne das ganze Liebesgedöhns und vielleicht könnten wir auf das Sterben bei einem Schusswechsel verzichten."

Ich weiche mit dem Kopf zurück und blinzle Adam unverständlich an. „Du bist bescheuert, aber das weißt du sicher, wenn du so klug bist."

„Ja, das höre ich öfters."

„Ja, zu RECHT!"

***

Als ich nach Hause fahre ist es dunkel und die Uhr zeigt halb zehn.

Ich grüble darüber nach, was Adam über DIE Sache gesagt hat und je länger ich das tue, desto größer wird meine Angst. Was, wenn er recht hat, wenn Sebastian mich immer als alte Socken, als Clives benutzte Socken, sehen wird?

So habe ich mir das nicht vorgestellt. Natürlich gab es die Möglichkeit, dass er sich vielleicht auch gar nicht in mich verliebt oder mich einfach nur in die Friendzone verbannt, aber daran, dass ihn die vorangegangene Beziehung mit Clive stören könnte... daran habe ich nicht gedacht.

Mein Herz pocht dumpf gegen meine Brust, während die Beatles „Let it be" zum Besten geben.

Ich könnte heulen, die Ironie trifft mich mal wieder mit voller Härte. Warum habe ich in dieser Nacht nicht Adam angerufen, ihm alles erzählt und mir den Kopf waschen lassen?

Clive muss das gewusst haben oder ihm muss es zumindest durch den Kopf gegangen sein, wie es für mich enden kann.

Und er hat nichts gesagt. Dieser... Lackaffe.

Ich hasse ihn!

Er war nur auf seinen Vorteil aus. Für ihn ist alles so leicht. Ich soll die liebe, brave Freundin spielen, ihn bei Maddie anpreisen und schön die Klappe halten, damit er erwachsener wirkt.

Aber, ob Sebastian nach unserer Scharade den Fakt überwinden kann, dass ich die EX seines besten Freundes bin, das hat er mir nicht gesagt. Das hat er geflissentlich übergangen.

Am liebsten würde ich ihm in diesem Augenblick den Hals umdrehen.

Ich kann nicht mal sagen „Ich mach nicht mehr mit, schau, dass du allein fertig wirst.", weil ich jetzt mit drinhänge.

Es hat etwas von einem Abgrund. Ich hänge an der Kante, halte Clive fest und wenn ich ihn fallen lasse, dann zieht uns der Gurt gemeinsam hinunter ins Verderben. Vielleicht wäre mir dann die Schießerei bei Bonnie und Clyde doch lieber.

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Hey Ho

Wer trinkt gerade noch eine Tasse Kaffee ( oder Tee) ?

Habt ihr eure Tagesziele heute erreicht? Ich, ja. Ich versuche mir immer eine ToDo-Liste zu machen und diese abzuarbeiten, dabei setze ich drei Dinge darauf, die ich auf jeden Fall schaffe (Motivations-Push und so 😏).

Versucht es selbst.

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💌 N°20: Angenommen ihr könntet euch EINE magische Fähigkeit aussuchen, welche wäre es?

Bei mir wäre es: mit einem Fingerschnippen dorthin verschwinden, wo ich will. Sprich, nach Bali, Malediven, den Mond oder sonst wo.

XOXO Maggie🧡

Ps. Schaut mal bei meiner Instagram-Seite vorbei: @sxmelittlestories (wie hier auf Wattpad) alles rund um Bücher.📚

[Ganz am Ende des Buchs findet ihr 'In-Etwa-Bilder' von den Charakteren. Ich will euch eure Vorstellung lassen, aber wer einen Fantasie-Anstoß braucht, einfach zum letzten Kapitel switchen.💞 (Oder wen meine Vorstellung interessiert😂)]

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