13. Kinderabteilung ✔

I deserved a better Goodbye. ~ Perry Poetry

Lied ~ "It ain't me" by Kygo, Selena Gomez

Noch während ich die Treppe herunter tripple, zerre ich wie eine Verrückte an der Schnur. Clive ist trainiert, würde allerdings auf jeden Fall noch zu der schlanken Sorte zählen und trotzdem hängt seine Jogginghose an mir herunter wie ein Kartoffelsack.

Es erinnert mich ein bisschen an das Bild von Marilyn Monroe, das Mrs. Parter – meine Kunstlehrerin – uns kürzlich an der Tafel gezeigt hat.

Nur mit dem feinen Unterschied, dass ich den Sack nicht als Kleid, sondern Hose trage und dazu noch ein Shirt, dessen kurze Ärmel an mir bis zur Elle reichen. Deswegen habe ich es auch in die Hose gestopft, in der Hoffnung ich müsste nicht wie eine Blöde an dieser Kordel ziehen.

„Du bist zu dick.", murre ich, als ich in die Küche schlurfe.

„Ich? Vielleicht solltest du übers Wachsen nachdenken, dann müsstest du nicht immer in die Kinderabteilung."

„Hey, meine Eltern sind schuld an meiner Größe." Es ist das erste Mal, glaube ich, dass ich mich nicht sofort angegriffen fühle, sondern es mit Humor nehme.

„Wie oft hast du die Hose den umgeschlagen?" Clive starrt mich fassungslos an, während er die gelbe Plastikschüssel mit Parmesan wieder auf die Arbeitsfläche stellt.

Ahnungslos zucke ich mit den Schultern. „Kein Ahnung, drei oder vier Mal?" Endlich gelingt mir eine Schleife. „Oh Gott... du siehst... speziell aus."

„Danke, du siehst auch scheiße aus, ach nein, so siehst du ja immer aus.", lächle ich zynisch und vorbei ist es mit dem Humor.

Clive hat sich offensichtlich ebenfalls nochmal geduscht und in frische Jogginghosen und Shirt geworfen. Schade, die Tomatenstückchen standen ihm wirklich gut.

„Hast du gerade zum ersten Mal in meiner Gegenwart 'scheiße' gesagt?" Clive schlägt sich schockiert auf den Mund und ich spüre wie ich mir die Tomatensoße zurückwünsche, da wäre mein Teint wenigstens nicht weiter aufgefallen.

Hastig schüttle ich meinen Kopf. „Nein, das hast du dir eingebildet."

„Ouh! Dass ich das noch erleben darf... ich hätte es aufnehmen sollen. Rosemary Laurel Adams sagt 'scheiße'." Clive gluckst wie ein kleines Kind.

Beleidigt verschränke ich die Arme vor der Brust – weil das erwachsener ist... - und schürze die Lippen. „Ist ja gut, es war nur 'scheiße'. Beruhig dich."

„Nummer Zwei. An einem Tag... wow!"

Ich schnaube angefressen und stapfe mit schlotternden Hosen zum Barhocker. So müssen sich Ameisen neben einem Grashalm fühlen, mit dem Unterschied, dass sie sich nicht abmühen müssen hoch zu kommen.

Wie macht Benji das bitte?

Vermutlich gar nicht, weil er sich an den Esstisch setzt, oder er ist ein heimlicher Affe? Schwer zu sagen, aussehen tut er jedenfalls nicht danach.

„Hach, das war gut..." Clive wischt sich eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel und meine Fingerspitzen kribbeln. Haut abziehen... das wäre jetzt schön. Er ignoriert meinen Todesblick geflissentlich und setzt sich mit der Schale neben mich.

Meine Augen haften jedoch stur auf den dampfenden Spaghetti.

„Kaufst du echt in der Kinderabteilung ein?"

Die Farbe ist eben aus meinem Gesicht gewichen, schon ist sie wieder da. „Nein!" Die Antwort kam etwas zu schnell, weswegen ich mein Gesicht am liebsten in den Teller klatschen würde.

Wie konnte ich vorhin nur ansatzweise annehmen, es könnte nicht allzu peinlich werden. Es stimmt, Clive ist nichts peinlich und wenn doch, dann zeigt er es nicht und zuckt darüber schlichtweg mit den Schultern, als würde es ihn nicht im Geringsten interessieren. Aber die Art und Weise, wie er mich schon wieder in die Bredouille drängt, immer und immer wieder... ich will hier weg, nicht einmal das Essen kann mich überzeugen zu bleiben.

„Clive! Jetzt lass uns einfach essen, okay? Klappe halten, nichts reden. Geht das verdammt noch mal!", fluche ich gereizt.

Abwehrend hebt er seine Hände und blinzelt mich mit großen Welpenaugen an. Verflucht! Das kenne ich noch gar nicht... und es... es ist wirklich überzeugend. Wie zur Hölle macht er das?

„Wie du willst."

„Ja, will ich.", knurre ich und wende mich hastig ab, bevor ich vielleicht noch auf die Masche hereinfalle.

Kein Wunder, dass er meine Mom ihn so liebt, wenn er sie SO ansieht und dann noch mit Engelslächeln, dann ist mir alles klar.

Der Punkt ist, ich habe mir zwar vorgenommen zu schweigen, aber sobald ich den ersten Bissen genommen habe, gekaut und heruntergeschluckt habe, ballt sich ein enormer Schock in mir auf. „Das schmeckt ja gut!", platzt es aus mir und ich kann nicht anders, als ihn komplett entgeistert anzustarren.

Natürlich lacht er darüber und verzieht eine Augenbraue... wie gerne würde ich sie ihm abrasieren, nur damit er das nicht mehr tun kann.

„Was dachtest du, dass ich so miserabel koche wie du? Oh nein, stopp! Das was du anscheinend machst, kann man nicht als kochen bezeichnen."

Da! Das ist es. Ich mache ihm so etwas wie ein Kompliment und er hat nichts Besseres zu tun, als mich zu beleidigen. Es ist unglaublich, er ist unglaublich!

„Und bevor du dich wieder aufregst, deine Mom hat von der 'Lasagne' erzählt. Wir wissen beide, dass ich nur die Wahrheit sage." Ich schlucke. Er hat tatsächlich recht. So gesehen... ist es nicht mal eine echte Beleidigung.

Aber trotzdem. Er ist trotzdem ein Fiesling!

Wow, nicht mal in meinem Kopf benutze ich schlimmere Worte als Idiot...

Stumm wende ich mich ab und beschließe ihn ab sofort einfach zu ignorieren. Das Essen kann nichts für ihn.

„Oh Rosie..."

Und siehe da, wir schweigen das restliche Essen über. Allerdings entgeht mir nicht, wie er mich gelegentlich mit einem seiner amüsierten Blicke bedenkt und leicht darüber schmunzelt. Vielleicht hätte er noch ein paar ironische Sprüche über mein Essverhalten.

Es ist anscheinend noch nicht genug, dass er mich mit Tomatensoße eingesaut hat, obwohl er wusste, dass ich keine Klamotten zum Wechseln habe und nicht nach Hause, in meine HAUS kann.

Immerhin sind wie beide gleich schnell was das Essen angeht. Wie selbstverständlich räume ich die Teller ab und stelle sie in die Spülmaschine. Clive mustert mich beeindruckt. „Du weißt immer noch alles."

Was hat er denn mit seinem 'immer noch'? Ja, ich bin immer noch schüchtern. Ja, ich kenn mich im Westwood-Haus immer noch aus, wie in meiner Westentasche – wohl eher besser, wenn man bedenkt, dass sich ungeahnte Dinge in meinen Taschen befinden. Und Ja, ich kenne ihn leider immer noch.

„Manche Dinge sind schwer zu vergessen." Ich verleihe meiner Aussage unbeabsichtigte Tiefe, die mir zu spät bewusst wird.

„Rosie..."

„Lass es." Ich hebe meine rechte Hand und schüttle den Kopf. „Bringt nichts."

Wir sehen uns eine Weile in die Augen, tiefer als üblich, länger als erträglich, aber längst überfällig. Ich sehe, wie er mit sich kämpft, den Mund zu halten, tatsächlich nichts zu sagen und meinen Wunsch zu respektieren. Etwas, das er nicht oft tut.

„Gehen wir hoch?" Ich breche diesen Augenblick ab. Ich halte es nicht mehr aus.

Clive nickt, nicht ohne die Augen von mir zu nehmen und schlendert gemächlich voraus.

Mit meiner Tasche folge ich ihm und bin ehrlich nicht überrascht als ich sein Zimmer betrete. Genau so habe ich es mir vorgestellt. Es hat sich nichts drastisch geändert. Er hat dieselben drei weißen und eine babyblaue.

Das Bett ist neu. Eichenholz, schätze ich, es erinnert mich ein bisschen an Hemnes...

Vielleicht sollte ich damit aufhören wie ein wandelnder IKEA-Katalog herumzuirren und normaler zu agieren.

Sein Schreibtisch ist neu, der Nachttisch und der Teppich ebenso... Schrank und Kommode sind gleichgeblieben.

Ohne auf eine Aufforderung zu warten, oder Einladung oder Erlaubnis, lege ich mich auf sein Bett, während er sich in den Drehstuhl wirft. Er hat gesagt ich soll bleiben, also muss er mit mir leben.

„Du hast dich nicht sonderlich verändert."

Mir wird zu spät bewusst, dass ich laut gedacht habe.

„Tja, du dich auch nicht unbedingt."

Ich starre seine Decke an, lasse die Augen in diesem Bereich seines Zimmers wandern. „Mein Zimmer hat sich stärker verändert als deines.", stelle ich klar und schließe die Augen.

„Die rosa Wand war grausam."

„War sie nicht."

„Warum ist sie dann nicht mehr da?"

„Weil sie..." Ich suche nach einem anderen Wort für grausam, ich will ihm nicht recht geben, obwohl er es hat. „... nicht mehr mein Geschmack war."

„Sie war hässlich."

Ich schweige und beiße mir auf die Unterlippe, weil ich sonst Lächeln muss und nicht weiß wieso...

„Warum bist du eigentlich mit Josh befreundet?", frage ich ihn unverblümt und drehe den Kopf. Ich muss ihn sein aktuelles Leben besser kennenlernen, ob ich will oder nicht. Irgendwann ist mein Bonus bei seinen Freunden aufgebraucht und dann...

Außerdem hat Sebastian denselben Freundeskreis...

„Er ist cool?"

„Er ist kein Footballer."

„Na und."

„Ich dachte immer, es gibt nur dich und deine Footballer?"

Clive weicht meinem Blick für eine Sekunde aus, genug für mich, um zu wissen, dass er manchmal genug von diesen Jungs hat. „Josh... versteht mich manchmal besser."

„Weil du Mathe magst?"

„Auch, Leroy und Seb sind auch Mathe-Freaks, aber nicht wie ich, sie können es, aber sie mögen es nicht so. Josh schon."

„Ich werde nie verstehen, wie man dieses Fach mögen kann."

„Wieso, es ist sinnvoll?"

„Sinnvoll? Meinst du echt? Ich finde die Idee, auf einmal das Alphabet zu den zahlen zu schmeißen bescheuert."

Clive schmunzelt. „Siehst du, sowas versteht Josh."

„Ja, Josh wirkt anders... cooler als ihr.", füge ich mit einem ironischen Ton hinzu und Clive lehnt sich seufzend zurück. „Und als du."

„Adam sagt ich bin cool."

„Adam!" Clive dreht sich mit einem Augenrollen von mir weg und wendet sich seinem Schreibtisch zu.

„Was hast du gegen ihn? Ich hab das nie verstanden."

„Nichts... man muss manche Menschen nur einfach nicht mögen."

„Aber du kennst ihn nicht." Ich setze mich auf.

„Du kennst Josh auch nicht besser und sagst trotzdem, dass er cool ist."

Er hat einen Punkt... also schweige ich. Clive hat Adam genau zweimal getroffen. Kurz bevor unsere Freundschaft ihr jähes Ende gefunden hat und auf Moms vierzigsten Geburtstag.

Ich weiß bis heute nicht, warum Clive Adam einfach nicht ausstehen kann. Adam ist die Sorte Schwiegermuttertraum und heimlicher Rebell. Fast ein bisschen wie Clive, nur nicht so ekelhaft arrogant.

Das Bett krallt mich zurück und ich schwinge diesmal auch die Beine hoch.

Siebzehn Uhr Zwanzig... noch eineinhalb Stunden.

Plötzlich wird mir bewusst, dass Clive vorhin ja die Küche sauber gemacht haben muss. Wie lange stand ich also unter der Dusche? „Danke, übrigens... fürs Küche aufräumen."

Es ist einer dieser komischen Momente, in denen ich spüre, dass ich nicht mehr sagen muss. Normalerweise hätte ich noch ein „Ich hätte dir doch geholfen." hinzugefügt.

„Klar."

***

Als ich die Augen wieder aufschlage ist es dunkel. Lediglich das Rolladenmuster prägt sich hell auf den Boden, vom Mondschein...

Erschrocken fahre ich hoch und blinzle solange, bis ich die Umrisse gescheit erkenne. Das darf doch nicht wahr sein. Bin ich wirklich eingeschlafen? Offenbar...

Verdammt!

Wo ist Clive? Ich liege hier allein im Bett und er... meine Augen machen eine Gestalt im Ohrensessel aus. Er hat seinen Sitzsack als Hocker unter die Beine geschoben.

Oh Gott! Meinetwegen...

Das darf ich mir wieder die nächsten hundert Jahre vorhalten lassen. Wieso hat er mich denn nicht einfach geweckt.

Ich reibe mir müde über die Augen. Ich muss nach Hause, meine Eltern sind sicher schon da.

Plötzlich erfassen meine Augen die flimmernden roten Ziffern auf seinem Wecker. Drei Uhr morgens. Alle reden immer davon, dass das unsere Zeit jetzt ist und wir leben sollen, ich glaube drei Uhr am Morgen ist meine Zeit...

Lautlos schlage ich die Decke zurück und schwinge die Beine aus dem Bett. Ich muss zugeben, Clives Geruch ist äußerst angenehm...

Noch bevor ich nach meiner Tasche greifen kann höre ich meinen Namen, genauer gesagt, seinen Namen für mich. „Rosie? Was machst du da?"

Vielleicht war ich doch nicht so lautlos wie ein Luchs.

„Ich?" Ich kann mir seine Antwort denken, wäre er wacher: Nein, das Gespenst neben dir... „Nach Hause gehen.", flüstere ich und scheuche ihn damit wohl endgültig auf. Vielleicht hätte ich einfach behaupten sollen, ich müsste auf die Toilette, mit meiner Tasche.

Clive schlürft barfuß auf mich zu und legt seine Hand auf meiner Schulter. Prompt zucke ich zusammen. „Du gehst nicht."

Die Müdigkeit in seiner Stimme flößt mir ein schlechtes Gewissen ein.

„Clive..."

„Nein, nichts. Du bleibst und wenn ich mich vor die Tür legen muss, es ist mitten in der Nacht.", brummt er verschlafen und schiebt mich bestimmt Richtung Bett.

„Dann lass mich wenigstens in deinem Opa-Sessel schlafen."

„Nein."

„Clive."

„Rosie!"

Ergeben lasse ich mich auf das Bett sinken und kuschle mich wieder unter die Decke. Zufrieden nickte Clive und schleicht zurück zu seinem Schlafplatz. „Wag es nicht abzuhauen."

„Schon gut...", wispere ich und bin mir sicher, dass er lächelt.

Ob sich das jemals ändert, dass ich eine Diskussion nicht so erbärmlich verliere?

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Hey Ho Sweeties,

Wie findet ihr Rosie bis dato, habt ihr Gemeinsamkeiten mit ihr?

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💌 N°17: Wie groß seid ihr?

Noch jemand im 1,70m-Club??

XOXO Maggie 🧡

Ps. Schaut mal bei meiner Instagram-Seite vorbei: @sxmelittlestories (wie hier auf Wattpad) alles rund um Bücher.📚

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