Prolog

"Siehst du, es ist gar nicht so schwierig." Wohlwollend beobachtete der Mann den Jungen, dessen Blick starr auf die Wand vor ihm gerichtet war.

"Du hast recht! Ich kann sie sehen. Doch sie sieht mich nicht, oder?", obwohl er das Wort an den Mann gerichtet hatte, schien er vollkommen auf das Mädchen konzentriert.

Lachfalten bildeten sich auf der Stirn des Professors, als er den Jungen weiter musterte. Wie reif er trotz seiner jungen Jahre doch schon war. Stolz erfüllte ihn bei der Vorstellung, was er eines Tages erreichen würde.

"Natürlich sieht sie dich, du bist schließlich ihr Wächter. Nur wird sie dich nie so sehen, wie ich es tue." Kurz schwand die Konzentration des Kleinen. Er fixierte den Mann mit einem fragenden Ausdruck in den goldenen Augen. Doch er wagte es nicht, nachzufragen was die Worte zu bedeuten haben könnten. Zu groß war die Angst für dumm gehalten zu werden. Stattdessen begann der Junge erneut, den Weg in die Gedanken des Mädchens zu suchen.

Es war seltsam, die Welt durch die Augen eines anderen Wesens zu sehen. Als würde er sich einen der Filme ansehen, die seine Freunde immer an seinem Geburtstag abspielten, wobei sich die versammelte Truppe Skyas im Garten einfand. Nur wusste er diesmal, dass es die nackte Realität war, die er hier sah. Und das, was die Mutter des Mädchens im Moment zu ihr sprach, war kein einstudierter Text, sondern eine ganz gewöhnliche Unterhaltung.

Fasziniert lauschte der Junge der sanften Stimme der Frau. Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper und er spürte, wie die Verbundenheit mit dem Mädchen immer mehr an Halt verlor. Bis er im Büro des Professors wieder zu sich kam.

"Was ist passiert? Wieso konnte ich nicht bei ihr bleiben?" Die Stimme des Jungen hörte sich viel zu verletzlich an, weshalb er sich auch schnell räusperte. Es war ihm bewusst, dass es keine Schwäche zeigen durfte, wenn er es je zu einem ordentlichen Wächter schaffen wollte.

"Das nennt man kognitive Abwehr. Ihr Unterbewusstsein versteht noch nicht, warum da plötzlich ein zweites Bewusstsein in ihrem Kopf ist. Doch das wird sich ändern, je öfter du dich mit ihr verbindest.", erklärte Peter in seinem für ihn so typischen, väterlichen Tonfall.

"Aber was ist, wenn ausgerechnet in diesem Moment die Daktylen angreifen? Dann wäre ich nicht in der Lage, ihr zu helfen!", beschwerte sich der Junge, wobei er so heftig mit den Händen gestikulierte, dass Peter befürchtete, er würde ihm oder sich selbst gleich ein blaues Auge verpassen. Doch zum Glück blieben alle unverletzt. So konnte er die Frage mit aller Gelassenheit beantworten.

"Nun, sie hat immerhin noch ihre Eltern, die sie beschützen würden. Im Übrigen haben wir immer ein paar Elfen in der Nähe positioniert, die für ihren Schutz sorgen. Oder glaubst du, wir würden ein Wesen, das so wichtig für die Zukunft der Welten ist, einfach so frei herumlaufen lassen? Erst wenn du mit deiner Ausbildung fertig bist und wir sicher sein können, dass sie bei dir in guten Händen ist, werde ich die zusätzlichen Sicherheitskräfte ablösen.", er wuschelte durch die tiefschwarzen Haare des Jungen, was diesem ein Knurren entlockte und den Mann gleichzeitig laut auflachen ließ.

"Jetzt komm, wir sollten Gideon und seinem Vater einen Besuch abstatten. Wer weiß, was der Junge wieder anstellt. Manchmal glaube ich wirklich, ich wäre das Kindermädchen der gesamten Wächterschaft.", setzt er nach einer kurzen Pause nach, wofür er sich einen strafenden Blick aus goldenen Augen einfing.

"Dich hatte ich damit nicht gemeint. Du verhältst dich erwachsener als ein Großteil der Besatzung. Das ist der Charakterzug, der dich eines Tages zum besten Wächter aller Zeiten machen wird. Zum perfekten Wächter für die Prinzessin, Cyrian."

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