Spielerfrau (3)
Nachdem auch die letzte Einheit des Spiels hinter sich gebracht worden war, ging unsere Mannschaft mit weitem Vorsprung als Gewinner hervor. Ich jubelte mit anderen ‚Fans' der Sylvan-Lake-High-School-Mannschaft laut mit, während meine Augen wieder nur auf Liam lagen. Zwar hatte mich die vorige Aktion, über deren wahren Hintergrund Payne mich netterweise unterrichtet hatte, ein wenig beleidigt; ich meine, welches Mädchen wird gerne aus heiterem Himmel von einem Typen umgarnt, der eigentlich nur so gutmütig ist, weil ein Rivale im Anflug war? Nicht, dass es mir nicht gefiel, dass Liam mich bemalt hatte, immer wieder zu mir gekommen war, die Tatsache, dass ich sein Getränk bezahlt hatte, einfach geschluckt und mir letztlich seinen Pulli gegeben hatte. Allerdings wäre die Wirkung eine Andere gewesen, wenn er das nicht nur dafür gemacht hatte, um sein ‚Revier' zu markieren.
Leise seufzte ich, während ich neben Payne her lief. Er wirkte genauso in Gedanken versunken, wie ich es war. Seine Schultern waren nicht so stramm gehalten, wie ich es von ihm gewohnt war und seine Augen strahlten eine milde Trübheit aus, die ich so nicht kannte. Gerade, als ich fragen wollte, ob alles in Ordnung war, kam er mir zuvor. »Ich geh mal eben auf die Toilette. Liam müsste auch gleich kommen.« Er schenkte mir noch ein schwaches Lächeln, ehe er rechts in die Tür einbog, über welcher ein schwarz-weißes Schild mit dem Männchen hing, dass die Männertoiletten signalisierte.
Gerade wollte ich mich gegen die Wand lehnen, als eine schrille Stimme, vermutlich noch etwa sieben oder acht Meter entfernt, hinter mir aufquietschte. Ihre tackelnden Schuhe waren ihr vorausgegangen, aber ich hatte es mit Absicht verdrängen wollen. Ist nur nicht ganz so aufgegangen. »Malia!«, schrie Clarisse über den Schulhof, der den Vorplatz der Veranstaltung bildete. Das Licht war nur fade, immerhin brauchten wir es tagsüber nicht bei den Toiletten und das Einzige, was die Ecke hier hinten erleuchtete, waren die Lichter vom Platz des Spiels und von den Imbissbuden. Die Schule selbst war nämlich auch dunkel.
Ich wendete mich zu Clarisse um, die mit ihren beiden, wie an der Leine stolzierenden Dackeln, zu mir herüber kam. Ich fragte mich, wie viele Zentimeter ihre Lippenstift-Schicht wohl ausmachte.
»Hey.«, gab ich knapp von mir, immer noch viel zu sehr mit meinen jetzigen Problemen beschäftigt, als dass ich zulassen würde, dass sie auch noch eins davon wurde. Ich machte kein Geheimnis daraus, nicht in der Stimmung zum Reden zu sein. Ich hatte sie sonst auch immer normal behandelt, jetzt hatte ich genug Karmapunkte, um auch einmal nicht ganz so freundlich zu sein, oder?
Sie hingegen schien meinen Unterton einfach zu übergehen. »Ich hab' dich vorhin mit Liam gesehen.«
Wir kommen also gleich zum Punkt, sehr gut. Dann wird das hier hoffentlich nichts allzu Langwieriges. Ich brauchte meine Konzentration heute nämlich definitiv für etwas anderes als diese Puppe vor mir. Generell war ich heute nicht so gut drauf, Summer hatte mir vorhin schon die Vorfreude vermiest und ich hatte meine Tage bekommen. Dann Liams Annäherungsversuche, die nur dann süß gewesen wären, wenn er mich nicht wie ei Objekt zu markieren versucht hätte. Jap, definitiv nicht so das, was ich unter einem perfekten Tag verstand.
»Kann sein.«
»Du trägst seinen Pullover.«
»Offensichtlich.«
»Bist nicht so gesprächig heute, was?«, fragte sie etwas zickiger. Ihre schrille Stimme klang jetzt wie eine Ente, die gerade überfahren wurde. Nichtsdestotrotz bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich selbst wusste, dass das so gar nicht meine Art war.
»Tut mir leid.«, lächelte ich entschuldigend und bemühte mich darum, dass es nicht zu gezwungen aussah. Auch, wenn ich keine Lust auf diese Unterhaltung hatte; ich hatte noch viel weniger Lust auf einen Konflikt mit ihr. »Ich bin nur sehr müde, hatte einen langen Tag.«, Notlügen sind erlaubt, solange es damit dem anderen besser ging. Das ist meine eigene Moral, aber wenigstens eine Moral.
»Achso. Naja, dauert auch nicht so lange. Ich wollte nur wissen, ob Liam und du ein Paar seid.«, brachte sie zwischen ihren großen, purpurroten Lippen hervor und musterte mich von oben bis unten. Ihr Blick verriet mir, dass sie etwas dagegen hätte.
Ich erwiderte ihren Blick, nur nicht so feindselig. Kill 'em with kindness, wie Selena Gomez uns lehrte. Ihre grünen Augen schienen wie gigantische Glubschies unter ihrem Make-Up, als würden sie mir gleich entgegen springen. »Nein, wir sind nicht zusammen.«
»Das sah aber auch nicht nach Freundschaft aus. Ihr wart euch schon sehr nahe.«, sie hob skeptisch eine Augenbraue, als würde ich sie anlügen. Tat ich aber nicht, auch wenn ich mir selbst zugegebenermaßen schon seit längerem wünschte, dass es eine Lüge wäre.
»Ich hab ja auch nicht gesagt, dass das zwischen uns freundschaftlich ist. Ich hab nur gesagt, dass wir kein Paar sind.« Noch nicht, fügte ich in Gedanken hinzu, aber ich verbot mir, es an meine Aussage heranzuhängen. Schon während ich sprach, schien sie vor Wut zu schäumen.
Britney und Tiffany - ganz ehrlich, ich konnte sie immer noch nicht ganz auseinander halten, vor allem jetzt im Dunkeln nicht - sahen besorgt zu Clarisse, die mich ansah wie Medusa, bevor sie ihre Opfer in Stein verwandelte. »Hör mir mal zu, du kleine Schlampe. Liam gehört zu mir, nicht zu dir, und das schon seit Jahren. Und falls er's dir noch nicht erzählt hat, ich hab ihn entjungfert.«, spuckte sie mir ins Gesicht.
Ich wusste direkt, dass sie log. Nicht nur, weil Summer mir bereits erzählt hatte, dass Liam noch nie etwas mit einem Mädchen gehabt hatte, sondern auch, weil Clarisse beim Sprechen arrogant ihre Lippen schürzte und an mir abwertend herabsah - mir aber nicht in die Augen.
»Meinetwegen.«, antwortete ich nur gleichgültig und versuchte, Augenkontakt mit ihr zu wahren. Sie konnte sagen, was sie wollte. Es würde nicht an mich heran kommen, so lange sie log.
Mit einem Mal musste ich ziemlich dümmlich grinsen. Ich konnte es nicht lassen, es stahl sich einfach auf mein Gesicht, als mir sein Geruch von hinten in die Nase schoss und mich mit einer großen, warmen Umarmung umhüllte. Keine Sekunde später wurden nicht nur Clarisse', aber auch Tiffanys und Britneys Augen groß, die Pupillen schmal. Langsam spürte ich, wie sich zwei starke, muskulöse Arme von ihnen um meinen Oberkörper schlangen und mich an einen sehr warmen, harten Körper zogen. Sanft und bedacht hielt er mich in sen Armen, ich konnte sein Kinn an meinem Kopf spüren, während er sprach. »Wenn du mir nicht gerade K.O.-Tropfen ins Trinken gemischt hast, kann ich mich nicht mal daran erinnern, dich jemals berührt zu haben.«, raunte Liam, was mehrere Wellen der Gänsehaut sachte über meinen Körper fließen ließ. Mit einem Mal war meine ganze Anspannung von eben, die schlechte Laune vergessen. Wie machte er das bloß? Ich spürte, wie er sich vorsichtig zu meinem Ohr herunter beugte, während er Clarisse nicht aus den Augen ließ. Mein Atem ging flacher, je näher eher mir mit seinen Lippen kam und jede Faser meines Körpers schrie nach ihm. Unbändiges Verlangen nach ihm, seiner Nähe, seinem Lachen, seinen Augen, seinem Körper tobte in mir. »Geschweige denn, dass ich einen auf sie hoch kriegen würde.«, ich spürte ihn amüsiert grinsen, wie er seine Augen auf mich richtete und sich vermutlich darüber ärgerte, in der Position meine leicht erröteten Wangen nicht ansehen zu können. Ich hingegen verkniff mir sicherheitshalber ein Belächeln.
Clarisse schien Liams Worte gehört zu haben, denn sie riss den Mund auf und sah ihn geschockter an, als eine Schlange, deren Beute plötzlich sie jagte und nicht mehr umgekehrt.Langsam schloss sie ihren Mund wieder, als ihr keine gehässige Antwort einfiel. Sie drehte sich um, ihre Dackel mit ihnen, und alle drei zogen ab. Keine Sekunde später spürte ich, wie mich die beiden starken Arme herum drehten, aber an meinem Rücken verschlossen blieben. Nun sah ich auch das Gesicht meines Retters, der mit seinem üblichen Grinsen und in allen Richtung abstehenden, dunklen Haaren eine meiner langen, dunkelbraunen Strähnen um seinen Zeigefinger zwirbelte - immer und immer wieder. »Ich konnte sie noch nie leiden.«, schloss er dieses Thema mit einem Mal ab und sah ihnen nochmal nach, dann nochmal über den ganzen Schulhof, und zum Schluss begrüßten seine smaragdgrünen, funkelnden Augen die meinen wieder und zogen mich in ihr Labyrinth. »Hör zu, da ist noch was dazwischen gekommen. Payne wird dich gleich zu mir fahren und ich komme nach. Er wartet dort mit dir, bis ich wieder da bin.«, sein Ton war ernst, ernster, als ich es gewohnt war. In mir kamen direkt Sorgen auf, Fragen, vielleicht sogar Vorwürfe dafür, dass er mir nicht direkt sagte, was los war, sondern, dass ich es ihm aus der Nase ziehen musste.
»Was ist denn passiert?«, fragte ich vorsichtig. Ich hoffte inständig, dass er mir diese Frage beantworten würde. Irgendetwas in mir sagte, dass es eine Gefahr gab - für mich, nicht für ihn, und trotzdem sorgte ich mich mehr um ihn, als um mich.
Allerdings schwieg er darauf und guckte mir weiterhin tief in die Augen. Urgh, es hatte genau mit dem zu tun, das er mir seit Monaten verschwieg. Langsam fing es wirklich an, mich zu nerven.
Und da kam mir eine Idee. Ich wusste ja, so selbstverliebt, wie es vielleicht klingen mag, dass Liam was für mich übrig hatte. Ich meine, dass wusste er umgekehrt ja auch von mir. Ich fragte mich nur, ob sich das bei ihm genauso intensiv auswirkte, auf Berührungen bezogen, wie bei mir. Bisher hatte ich es noch nicht probiert, aber wenn er mich den ganzen lieben langen Abend hatte berühren dürfen, warum sollte ich das nicht tun?
Vorsichtig, wirklich langsam und vorsichtig hob ich meine rechte Hand an. Ich wusste nicht, ob ich eine Grenze zu überschreiten drohte, ob es okay war, wie er reagieren würde. Aber ich musste es einfach wagen. Wenn ich in meiner Erdbeerwoche war, war mein Stur- und Trotzkopf noch aufgeblähter als sonst.
Ich sah, wie seine Augen augenblicklich von meinen abwichen und zu meiner Hand schnellten. Es wirkte nicht ängstlich, eher neugierig. Er vertraute mir vollkommen, und dieses Gewissen ließ es mir wieder warm ums Herz werden. Vorsichtig lächelte ich in mich hinein, vergaß für einen Moment, was der Hintergrund meines Handelns war, und legte meine Hand auf seiner Wange ab. Auch ich hatte mit meinem Blick meine Bewegungen verfolgt, nun fixierte ich aber wieder seine Augen, die von meiner Hand, über meinen Arm und mein Schlüsselbein rauf zu meinen Augen wanderten.
Seine Haut war unglaublich weich. Ich meine, ich hatte ja schon oft gesehen, wie rein sie war - manchmal fragte ich mich, ob er überhaupt so etwas wie Poren besaß -, aber bisher konnte ich es mir immer nur vorstellen. Seine Haut fühlte sich an zart an, als könnte sie mit zu festen Berührungen zerreißen. Wie Seide schien sie unter meinen kleinen Fingern zu gleiten, sie war glatt und aufgeheizt. Vorsichtig bewegte ich meinen Daumen auf und ab, streichelte das vermutlich Weicheste, das ich jemals in meinem Leben berühren durfte. Sanft wie die Spitzen der Feder eines Küken verwöhnte sie meine Fingerkuppe, ließ sie heiß lodern.
Wie auch immer es zustande gekommen war, konnte ich mich daran erinnern, was ich eigentlich wollte. Liams Blick war unglaublich weich geworden, sein Atem flach und unregelmäßig. Ich spürte seine Brust an meiner Beben, seine Arme zogen mich noch enger an ihn heran. Seine Augen schossen, wie heute früh bei Summer Zuhause, auf meine Lippen, dann wieder zu meinen Augen. So leid es mir tut, Großer, und so leid es mir für mich selbst tat - ich musste das gerade ausnutzen. Ich musste. Es war unglaublich schwer, sich zusammen zu reißen. Unglaublich schwer, ihm nicht zu verfallen, sich ihm nicht hinzugeben, wenn ich doch die gleiche Wirkung auf ihn hatte, wie er auf mich. Aber die Antworten waren es mir wert. Küssen konnten wir uns später noch bei ihm Zuhause, das war mir eh lieber als in der Öffentlichkeit. Aber auf Antworten, wenigstens auf diese eine Frage, hatte ich nur jetzt eine Chance.
Er war mir mittlerweile schon unglaublich nahe gekommen. Sein Atem ging noch flacher, ich spürte seinen Herzschlag fast so gut wie meinen, so nahe hatte er mich an sich heran geheftet. Mir fiel erst jetzt auf, dass ich meinen freien Arm um seinen Nacken geschlossen hatte, und mir tat es nur umso mehr leid, das an dieser Stelle ausnutzen zu müssen, aber er war es selbst Schuld.
»Bitte.«, hauchte ich gegen seine Lippen, die nur noch ein oder zwei Zentimeter von meinen entfernt waren. Ich spürte, wie er in der Bewegung stockte, als er zu verstehen begann. Ich spürte ihn kurz amüsiert Grinsen, seine Mundwinkel kurz zucken, ehe er die Gedanken an meine Lippen abzulegen schien. Stattdessen lehnte er seine Stirn an meine, keine Chance, dass einer von uns die Nähe lösen würde. »Du machst mich wahnsinnig.«, hauchte er gegen meine Lippen, völlig benommen von dem zwischen uns, genauso wie ich.
Ich sah, wie er unter meinem auffordernden Blick einen Moment lang die Augen schloss und versuchte, durchzuatmen. Kurz darauf öffnete er sie wieder, schien Worte gefunden zu haben. Ich spürte eine seiner großen, heißen Hände in meinem Nacken, ehe er mir gegen die Lippen hauchte »Ich muss beschützen, was zu mir gehört.«, sich damit endgültig von mir löste und mit einem Mal verschwunden war.
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