Prolog

Ich hatte immer nur Vorstellungen, vage Vermutungen. Für mich schien dieses ‚Verliebt-Sein' aus den Büchern gerade zu absurd. Immer bei jemandem sein zu wollen, keine Sekunde in der man genervt ist und ihm einfach mal gerne in den Hintern treten und aus dem Haus katapultieren möchte - das schien mir schier unmöglich. Jeder Mensch hatte doch Macken, jeder Mensch hatte irgendetwas, das einen in den Wahnsinn trieb - manche zeigten es mehr offensichtlich, andere weniger offensichtlich. Aber es war da.

Romeo und Julia, Hardin und Tessa, Edward und Bella. Es gab so viele Bücher, die von einer unbezwingbaren, unbedingten Liebe handelten, in der sich auch nach dem größten Streit beide Partner wieder fanden und gemeinsam in die (Un-)Endlichkeit gingen. So viele Bücher, in denen das Kribbeln beschrieben wurde, wenn er ihr über die Wange fuhr.  Wenn er nur in der Nähe war, schien die Welt auf einmal ganz in Ordnung und all das Leid und der Zorn war hinten gelassen worden.

Ich hatte nur Hirngespinster davon. Wie jedes Mädchen kann ich nicht leugnen, nicht ein einziges Mal davon geträumt zu haben, wie er  mir durch die Haare fuhr und sie grinsend um seinen Finger wickelte. Wie er meine Hand nahm, vor der Schule, beim Einkaufen, allein im Bett; und stolz darauf war, mich Sein zu nennen. Trotz meinen siebzehn Jahren so unerfahren zu sein, frustrierte mich manchmal. Natürlich wusste ich auch, weshalb es so war - zu hohe Ansprüche und einfach keine entsprechenden Jungs in der Umgebung. Immer wieder zog mich Natalia damit auf - meine beste Freundin; ein blondes, wunderschönes Mädchen. Für die Hitze in Nordspanien schien das blond etwas Unnatürliches zu haben, häufig zog sie die Blicke der anderen auf sich. Ihre schlanke Figur und die großen, blauen Augen trugen zu ihrer gesamten, besser verbotenen modelhaften Erscheinung bei.

Aber nach dem Umzug, der unfreiwilligen, aus meiner Sicht absolut lächerlichen Bemühung, schien mir das gesamte Liebesdrama aus den Filmen und Romanen gar nicht mehr so abwegig. Ich wusste, er war gefährlich. Ich wusste, mich fernzuhalten wäre besser für mein Wohlbefinden; nicht zuletzt erreichte ich dieses Bewusstsein durch seine eigenen Warnungen und - so schien es mir - sehnlichen Wünsche, ich solle mir einen Besseren suchen. Und dabei wussten wir beide, dass es für mich keinen Besseren gab.

Von Anfang an zog er mich an wie ein Magnet. Wie die Motten vom Licht. Ich war mir nicht sicher, wieso und weshalb es ausgerechnet er war. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass er etwas zu verheimlichen schien, das ich erkunden wollte. Irgendetwas in mir verriet mir flüsternd, dass er nicht so war wie die anderen - nicht aus den herkömmlichen Charaktergründen. Irgendetwas an ihm war anders. Vielleicht hat er deshalb so interessant und mysteriös auf mich eingewirkt. Das sähe meiner Neugier und mir zumindest im Ansatz ähnlich.

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