»Deal or no deal?« (2)

Ich stockte.
Zwar wusste ich nur allzu gut, was ich meinem Verhalten erreicht hatte, erreichen wollte, zu erreichen hoffte, aber das es jetzt, nach mehreren Beinahe-Momenten wirklich passierte, ließ das Blut in meinen Adern gefrieren. Keine Sekunde sprengte es die Fassaden, schien überall zu sein und nirgends, rasend schnell und trotzdem in Slowmotion durch meinen Körper zu pumpen.

Mein Herz machte einen Aussetzer. Hätte es sich nicht so gut angefühlt, wäre ich nicht noch bei Bewusstsein, hätte ich schwören können, es war eine Herzattacke, gar ein Infarkt. Kompletter Stillstand in einer Sekunde, ehe es motivierter und schneller meinen Körper zu versorgen schien, bloß, um sicher zu gehen, dass ich diesen Augenblick auf jeden Fall erlebte, durchlebte.

Mein Kopf war leer, von der einen auf die andere Sekunde ausgeschaltet. Ich wusste weder wo wir waren, noch, wie wir hier her gekommen waren. Ich wusste nicht, ob wir alleine waren, ob es Tag war oder Nacht, wusste nicht mehr, worum unser voriges Gespräch handelte, ob ich meine Stimme vorher überhaupt benutzt hatte.

Aber es war mir egal. Es war mir so egal, ob uns jemand zusah, ob ich ihn vorher angeschrien hatte, ob ich ihn in Stücke fetzen könnte, ob ich vielleicht traurig oder enttäuscht gewesen war.

In der Sekunde, in der er meine Lippen mit seinen berührt hatte, war alles vorbei und vergessen.

Wie die Innenseite tausender Rosen, samt wie Seide schmiegten sie sich aneinander, als hätten sie nie woanders hingehört. In meinem Bauch waren nicht nur Schmetterlinge, die mich von Innen kitzelten; es fühlte sich an, wie ein ganzer Zoo, fühlte sich an, als würden abermillionen Küken wild mit den Federn flattern. Ein Feuerwerk schoss durch all meine Venen, explodierte in jeder Faser meines Körpers. Es war unglaublich.

Es war ein sehr vorsichtiger Kuss zu Beginn. Bis ich ihn erwiderte, hatte Liam nur vage Bewegungen vorgeschoben, aus Angst, er würde vielleicht doch zu weit gehen. Doch das tat er nicht.
Völlig benebelt und nach wie vor dabei, seine heißen Lippen nicht von meinen gehen zu lassen, hob ich ganz langsam beide meiner Hände. Die eine strich seinen Oberkörper wieder hinauf, ich spürte ihn kurz stocken. Dann zog ich ihn im Nacken sanft etwas näher zu mir, sodass ich meine Ellbogen auf seinen breiten Schultern ablegen konnte, nur um meine Hände in seinen Haaren zu vergraben.
Das wollte ich schon immer mal machen. Sie sahen immer so unglaublich weich aus, so unfassbar einladend, aber ich traute mich bisher nicht. Also ergriff ich jetzt die Chance und fuhr ihm immer wieder durch die Spitzen. Seine Haare waren noch weicher als seine Haut.

Der Kuss wurde nach und nach intensiver. Weil ich ihm so nahe war, spürte ich seine Brust beben, seine tiefen Atemzüge in den Bruchteilen von Sekunden, um den Schreien unserer Lungen nach Luft nachzugeben, auch wenn wir beide eigentlich nicht mehr von einander ab lassen wollten.

Wieder musste ich stocken, als Liam den nächsten Schritt einleitete. Ich spürte etwas sanftes, warmes gegen meine Unterlippe stoßen, völlig unvorbereitet. Er schmunzelte ein wenig in den Kuss hinein wegen meiner Reaktion. Da ich die letzten Reste meiner Sinne noch beisammen hatte und ihn natürlich nicht kommentarlos stehen lassen konnte, biss ich ihm provokant auf die Unterlippe, ehe ich ihm gewährte, was er wollte. Ein leises Knurren drang aus seiner Kehle. Es klang so warnend, so gefährlich, so anziehend und es machte mich zugegebenermaßen so an, dass ich kurz davor war, ihm nochmal auf die Unterlippe zu beißen. Dieses Knurren wäre es wert gewesen. Allerdings verstand ich Liams nächstes Signal noch weniger, als er sich kurz nach vorne lehnte, wodurch ich etwas nach hinten kippte. Er wich dann aber wieder zurück, es war eine Bewegung von wenigen Zentimetern, während unsere Zungen den heißesten Tango der Welt tanzten; immer darauf aus, zuerst den Mund des anderen auskundschaften zu dürfen. Halleluja, war Liam ein guter Küsser. Kaum zu glauben, dass er darin eigentlich kaum beziehungsweise keine Erfahrung hatte.

Erneut beugte er sich wieder einen Zentimeter vor. Was wollte er denn von mir? Ich war viel zu beschäftigt mit allem, was in mir tobte, jubelte, applaudierte; viel zu beschäftigt mit meinen Gefühlen, Emotionen, mit dem, was er in mir auslöste, um irgendetwas zu verstehen. Und danach fragen wollte ich erst recht nicht; als würde ich auch nur daran denken, das hier für eine Sekunde zu unterbrechen. Das war nichts auf diesem Planeten wert.

Liam grinste wieder leicht in den Kuss, hatte sich keine Sekunde später wieder gefangen. Er wollte das hier genauso ungerne unterbrechen, wie ich, das wusste ich. Aber anstelle einfach damit aufzuhören, drückte er mich wieder sanft nach hinten, sodass ich letztlich auf dem Rücken landete und er über mir lehnte. Oh, das hatte er gewollt. Und das erste Mal Nach-Hinten-Drücken glich wohl der Frage, ob es für mich okay wäre, wenn.

Wieder ein Grinsen von ihm in den Kuss, das schnell unter dem Verlangen nach meinen Lippen und meiner Zunge nachgab. Ich wusste, ich war im Himmel. Ganz egal, was mir Gott anbot, das hier war besser.

Aber wenn er es doch so amüsant fand, wie weit meine Sinne und meine Kontrolle gerade von meinem Körper entfernt waren, wollen wir doch mal sehen, wie er das fand. Ich hatte die Hände immer noch tief in seinen Haaren vergraben, während er versuchte, uns in eine angenehme Position zu bringen, ohne sich dabei von mir lösen zu müssen. Vorsichtig begannen meine Finger, an seinen Spitzen zu ziehen. Er hielt sofort inne, wieder drang ein leises, gefährliches Knurren aus seiner Kehle. Als er versuchte, sich zwischen meine Beine über mich zu positionieren, tat ich es wieder, diesmal etwas fester. Ich glaubte, aus dem jetzigen Knurren ein leises Keuchen herausgehört zu haben, auch, wenn das Knurren jetzt um einiges mahnender klang.
Das war das Paradies auf Erden.
Nachdem er sich zwischen meine Beine, einen Arm links und einen rechts von meinem Kopf arrangiert hatte, wurde unser Kuss wieder intensiver und leidenschaftlicher. So langsam wurde mir ziemlich heiß, und das lag mit Sicherheit nicht nur daran, dass es sich so anfühlte, als hätte sich die angenehmste Heizung der Welt auf mir platziert. Mit kaum Gewicht versteht sich, denn Liam fing den Großteil seines eigenen Gewichts auf, um mich nicht zu erdrücken.

Ich wusste nicht, wie lange wir so dort lagen. Minuten, Stunden, vielleicht war auch schon die halbe Nacht herum. Ich spürte nur irgendwann, wie meine Lippen anfingen, meinem Verlangen nicht mehr so ganz Stand halten zu können. Ich spürte, wie sie empfindlicher und empfindlicher wurden, vermutlich auch ein kleines Bisschen anschwollen, aber ich wollte nicht aufhören, deshalb sagte ich nichts. Ich wollte, konnte dieser Droge nicht mehr widerstehen, nie mehr widerstehen. Und mit Sicherheit wollte ich auch nicht mehr darauf verzichten. Außerdem hatte ich langsam das Verlangen, mehr als das zu tun, das wir bis jetzt taten. Immer wieder zog sich unten rum etwas zusammen; ich spürte, wie die Lust, die Begierde in mir aufstieg. Obwohl mir das selbst völlig fremd war, mich so hingezogen zu jemandem zu fühlen, war es mir vor Liam egal. Vor ihm war mir das irgendwie nicht peinlich.

Irgendwann merkte ich, wie Liam etwas hibbelig über mir wurde. Er verlagerte nervös beim Küssen sein Gewicht vom einen auf dem anderen Arm, versuchte, seinen Körper mehr anzuheben und ich spürte, wie sein Gesicht noch mehr glühte als ohnehin schon. Immer wieder bewegte er seinen großen Körper über mir ein wenig, rutschte etwas vor und wieder zurück. Es dauerte einige Augenblicke, bis er dazu fähig war, tief durchzuatmen. Mit einem verlegen gehauchten »Entschuldigung« ließ er seinen Körper wieder auf mir sinken.

Oh.
Da habe wohl nicht nur ich Verlangen nach mehr.

Keine Sekunde später hatten seine Lippen wieder auf meine gefunden. Sein Wort hatte eine weitere, intensive Welle der Gänsehaut auf meiner Haut ausgebreitet, ganz zu schweigen davon, welche Gefühle seine Erektion, die ich deutlich zu spüren bekam, bei mir auslöste.

Und dann wurde ich aus dem Paradies, in dem ich mich befand, herausgerissen. Wie eine Blase platzte der Traum, in dem ich mich gerade befand, als Summer die Tür mit einem ».. gebrannte Mandeln mitgebrach-« aufriss und Liam sich von mir löste, sich augenblicklich auf Summer fixierte, die uns beide wie Geister anstarrte.

Nachdem ich zum ersten Mal seit langem wieder tief Luft geholt hatte - meine Lunge schien mir dafür gerade den Friedensnobelpreis zu überreichen, drängte mich aber gleichzeitig zu weiteren tiefen Atemzügen - hob ich ganz vorsichtig meine Hand. Bevor ich Summer irgendetwas sagen oder antworten konnte, musste ich sichergehen, dass das hier gerade kein Traum war. Nicht lange dauerte es, bis meine Hand auf Liams bebende, heiße Brust traf. Er war wirklich da. Das alles war wirklich geschehen. Ich entspannte mich augenblicklich ein wenig in der Richtung, allerdings fanden meine Sinne gerade zu mir zurück und ließen mich erröten.

»Oh. Ja, also, kein Wunder, dass du nicht auf uns reagiert hast. Ich, eh, lass euch dann besser mal alleine..?«, es klang mehr wie eine Frage, als eine Aussage. Nichtsdestotrotz hatte Summer mir eine Tüte gebrannte Mandeln neben die Tür gelegt und diese dann hinter sich verschlossen.

Liam drehte sich langsam wieder zu mir um, lehnte immer noch über mir. Er war mindestens genauso rot wie ich, musterte mich vorsichtig lächelnd. Sein Ausdruck gewann aber an großer Besorgnis, als er zu meinen Lippen herunter sah. Vorsichtig hob er seine Hand, legte sie auf meine Wange. Die Stelle, an der er mich berührte; seine Berührungen, die früher so intensiv schienen, brodelten nicht einmal halb so heiß wie meine Lippen in dieser Sekunde.
Sanft strich er mit dem Daumen über meine Mundwinkel, dann weiter zu der Stelle, die er eben noch geliebkost hatte. »Warum sagst du denn nichts?«, flüsterte er, seine smaragdgrünen Augen huschten hinauf zu meinen. Sie haben noch nie so gefunkelt, wie jetzt gerade.

»Ich.. wollte nicht, dass du aufhörst.«, gestand ich. Meine Stimme klang brüchig, heiser, leise. Aber das war mir egal, er verstand mich, und alles andere interessierte gerade nicht.

Leise ertönte sein raues Lachen, ließ mich wieder Gänsehaut am ganzen Körper spüren. Seine Augen lagen wieder auf meinen Lippen. »Du bist unmöglich.«, flüsterte er wieder, klang etwas verträumt.

»Naja, das ist jetzt nicht gerade, was ich als Erstes von dir hören wollte, nachdem wir..«, ich sah kurz neben mich auf meinen Nachttisch; die Uhr verriet, dass es bereits zehn Uhr war. »..fast drei Stunden rumgemacht haben.«, ich sah wieder zu ihm rauf, sah ihn amüsiert grinsen. Mein Blick blieb an seinen Lippen hängen. Sie sahen geschwollen aus, dunkel verfärbt. Ich wollte weiter machen. »Sehen meine Lippen genauso schlimm aus?«, hing ich hintendran und schenkte ihm ein freches Lächeln.

»Vermutlich.«, lachte er und nahm seine Hand wieder sanft von meiner Wange, ehe er sich aufrichtete. Mit einem Mal wich die Wärme von mir, an die ich mich schon so gewöhnt hatte. Wie kaltes Wasser überzog mich hingegen die Raumtemperatur, die neben ihm eisig wirkte. Interessanterweise und vor allem glücklicherweise hatte Liam mich nicht zum Schwitzen gebracht.

Ich wagte es nicht, an ihm herunter zu sehen, obwohl ich wirklich neugierig war. Aber ich fand es nicht passend, ihm war es augenscheinlich peinlich, und generell war es viel zu früh, um auch nur in diese Richtung zu denken.

»So leid es mir tut, ich glaube, ich muss langsam nachhause. Ich sollte eigentlich um neun wieder da sein, weil.. naja, ich sollte eigentlich auf Heather aufpassen, weil meine Eltern essen gegangen sind. Und sie sind um neun wiedergekommen, also..«, er setzte sich auf die Bettkante, kratzte sich verlegen im Nacken und schenkte mir einen unschuldigen Blick. Ich wusste, dass das nicht gelogen war, weil Zack eigentlich heute mit ihm Weihnachtsgeschenke einkaufen gehen wollte, aber Liam aus eben genanntem Grund abgesagt hat. Und das wiederum wusste ich von Summer, die eigentlich gerne mit Zack Geschenke einkaufen gehen wollte, aber durch den Herren auf meinem Bett ja das Verbot befolgen musste, sich mit ihm in der Öffentlichkeit zu zeigen. Und da fiel mir etwas ein.

»Okay, klar.. aber ich hab da noch zwei Bitten an dich.«, entgegnete ich und setzte mich aus. Ich wollte nicht wissen, wie ich gerade aussah. Liam hatte zwischendurch in meine Haare gegriffen, sie durch sanftes Ziehen und hindurch fahren vermutlich absolut verwuschelt.

»Ja?«, fragte er, sah zu mir und schenkte mir seine volle Aufmerksamkeit. Seine Pupillen waren geweitet, sahen mich erwartungsvoll an. Und um ehrlich zu sein sah er so aus, als würde er gerade absolut alles für mich tun, weil ich alles für ihn war. So sah es zumindest aus, was mich zu einem verlegenen Lächeln brachte und meine Wangen - mal wieder - leicht erröten ließ.

»Also.. ich.. wäre dir sehr verbunden, wenn du Summer und Zack endlich erlauben würdest, sich wie ein normales Pärchen zu verhalten.« Als ich sah, wie er eine Augenbraue anhob, fügte ich noch hinzu »Immerhin gehe ich davon aus, dass du das mit mir auch wollen würdest, wenn wir ein Paar wären.«

Ja, ich weiß, es war sehr gewagt, so weit zu sprechen. Immerhin ging ich gerade davon aus, dass er Gefühle für mich hatte und auch mit mir zusammen sein sollte. Aber das Recht nahm ich mir einfach, immerhin sollte er mich nicht so denken lassen durch sein Handeln, wenn es nicht so wäre.

Liam seufzte, als wäre ich damit in eine gefährliche Zone gerückt. »Du verstehst das nicht.«

»Du lässt es mich ja auch nicht verstehen.«, trotzte ich leicht, krabbelte aber trotzdem zu ihm an die Bettkante.

»Hat Summer dich geschickt?«

»Nein.«, vorsichtig legte ich eine Hand auf seine Wange, zwang ihn dazu, mir in die Augen zu sehen. Dann legte ich den besten Hundeblick auf, den ich drauf hatte.
Summer tat mir wirklich unglaublich leid. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie das für sie sein musste.

Liam verdrehte die Augen, als würde ich gerade mogeln. Das war gut, denn das hieß, dass es funktionierte. »Ich werde darüber nachdenken. Was war noch?«, fragte er direkt im Anschluss. Ich ließ das erste Thema fallen; zum einen wollte ich ihn nicht mehr viel länger aufhalten - nur ihm und seinem voraussichtlichen Ärger zuliebe, der milder ausfallen würde, je eher Liam Zuhause war. Zum Anderen wusste ich, dass es keinen Sinn machte, ihn bei so etwas zu drängen, da er zu neunundneunzig Prozent eh das tun würde, was er wollte. Aber einen Versuch war es mir wert.

Vorsichtig grinste ich, fuhr mit meinem Daumen sanft über seine samtene Wange. »Du musst mein Bett sauber machen. Du warst da mit Schuhen drin.«

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