꧁ Chapter Ten ꧂
Sternchen nicht vergessen ❤️
Louis POV
Die komplette Situation überforderte mich so sehr, dass der Schmerz in meiner Hand, fast Nebensache war. Ein Mediziner? Nein, nein so schlimm war das alles doch überhaupt nicht. Diese Aufmerksamkeit, die plötzlich auf mir lag, war so anders zu der Aufmerksamkeit des Publikums und bereitete mir Unbehagen. Noch bevor ich wusste wie mir geschieht, sprach ich diesen Gedanken auch direkt laut aus.
„Ich... ich... normalerweise kümmert sich niemand um mich, außer Lottie", stammelte ich verlegen vor mich her.
Harry sah mich verdutzt an. Ich glaube er hatte genauso wenig damit gerechnet, mich so wehleidig hier vor mich hin stammelnd sitzen zu sehen, wie ich, dass er mir nachkommt.
Bevor er etwas erwidern konnte brachen meine Gedanken erneut einfach aus mir heraus, ohne das ich sie stoppen konnte.
„Und es tut mir leid was ich letzte Woche zu dir gesagt habe das... das... war nicht so gemeint, also ich hab nicht... ich hab nicht wirklich gedacht das du-", Lottie kam auf uns zu und unterbrach mich.
„Lou, zeig mir deine Hand, sofort!"
Harry war sichtlich überrascht, dass Lottie auch eine andere Seite hatte. Nicht nur die fröhliche, lebensfrohe und gut gelaunte, die sonst fast ausschließlich zum Vorschein kam. Sie hatte auch eine sehr fürsorgliche Art, die dann auch dazu neigte bestimmend zu werden, das hatte sie definitiv von unserer Mutter.
Sie nahm vorsichtig meine Hand, doch schon die leichte Berührung ließ mir ein Zischen entweichen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog ich meinen Arm von ihr weg und sie sah mich prüfend an.
„Wir gehen jetzt zu Liam, Lou. Das ist definitiv nicht nur etwas falsch belastet." Sie packte meinen anderen Arm und zog mich auf die Beine. Harry war mittlerweile ein paar Schritte zur Seite gewichen, um Lottie Platz zu geben mich zu inspizieren. Auch er sah mich prüfend an.
Das plötzliche und schnelle Aufstehen verpasste mir für einen kurzen Moment tanzende Sternchen vor meinen Augen. Lottie muss es bemerkt haben, denn sie hielt meinen Arm noch fester. Als ich mich wieder gefangen hatte und ihr zunickte, ließ sie meinen Arm los und lief zu den Angestellten Wagons.
Ich sah Harry kurz an, der mir mit einem Kopfnicken in Lotties Richtung ebenfalls deutlich machte, dass ich nun wirklich mitgehen sollte. Jetzt hatte er mich also erneut in einem absoluten Moment der Schwäche gesehen, aber seine ruhige Art hatte es tatsächlich geschafft auch mich etwas zu beruhigen, immerhin war ich nun nicht mehr aufgebracht und trat gegen irgendwelche Kisten.
Als wir Liam fanden konnte er mir den Schmerz vermutlich schon ansehen, denn er zeigte auf eine Holzbank, damit ich mich hinsetzte.
Ein paar Minuten später hatten Lottie und Harry ihm die Situation geschildert und er meine Hand, begleitet mit schmerzvollem Stöhnen meinerseits, inspiziert.
„Ich kann nur sagen, was offensichtlich ist. Das ist mehr als eine leichte Überanstrengung und sollte von Jemandem untersucht werden. Die Hand scheint immer mehr anzuschwellen, was definitiv kein gutes Zeichen ist."
„Fuck!" Alle drei sahen mich plötzlich an, so als hätten sie vergessen, dass ich auch noch anwesend bin. In den letzten Minuten hatten sie mich auch nicht wirklich wahrgenommen, also meine Hand natürlich schon, aber ich selbst bin quasi gar nicht zu Wort gekommen.
„Ich habe ihm schon angeboten, ihn zu einem Mediziner in der Stadt zu bringen, den ich kenne", sagte Harry an Liam gewandt.
„Das solltest du wirklich tun, Louis. Ich weiß nicht wie die Verletzung sich ohne Behandlung sonst weiterentwickeln wird." Liam sah mir nun zum ersten Mal seitdem wir ihn aufgesucht haben in die Augen, sein Blick war eindringlich. Ich hatte also nicht wirklich eine Wahl.
„Okay", sagte ich, etwas anderes wäre mir an diesem Punkt auch nicht mehr in den Sinn gekommen.
„Könnt ihr mich bitte kurz mit ihm alleine lassen Jungs?", Lotties Stimme klang noch immer aufgeregt, ich hatte ganz vergessen, dass sie sich mindestens genauso erschreckt haben muss, während sie beinahe gefallen wäre. Nicht nur die Figuren waren neu für uns beide, auch den Abstand zum Boden hatte Lottie noch um einige Meter vergrößert und es gab keine Matte die ihren Sturz hätte anfangen können. Der Gedanke daran bereite mir eine Gänsehaut und ich fühlte mich unfassbar schuldig.
„Lotts geht's dir gut? Tut mir lei-"
„Lou, pscht bitte, es geht jetzt um dich, so unangenehm das auch für dich sein mag. Mir geht es gut, du hast mich ja wieder fangen können." Eigentlich wollte ich ihr sagen, dass es genauso um sie geht und sie sauer auf mich sein sollte, dass ich sie so in Gefahr gebracht hatte. Doch ich fühlte mich gerade nicht in der Lage mit ihr auch nur ansatzweise zu diskutieren, also nickte ich nur schwach, das würde ich definitiv noch nachholen. Sie verstand anscheinend, dass ich ihr gerade keine Widerworte geben würde und nutze dies auch direkt aus.
„Ich werde die Show abändern und mehr solo Einlagen von mir einbauen, so dass du nur das nötigste tun musst. Keine Widerrede, Lou. Du gehst jetzt zum Mediziner!"
Sie sprang auf, rief Harry zurück und verschwand, nachdem sie mir noch einen Kuss auf die Wange gegeben hatte und mir viel Glück wünschte.
Harry meinte, dass wir ungefähr 20 bis 30 Minuten bis zu dem Mediziner brauchen würden. Innerlich spürte ich schon einen Anflug von Sorge, da wir beide eigentlich noch nie wirklich alleine waren und nun gleich so lange nebeneinander laufen müssten. Nach einigen Minuten merkte ich das ich so langsam wieder Herr meiner Sinne war, zumindest hatte ich das Gefühl wieder vernünftig sprechen zu können. Also entschied ich mich das Wort zu ergreifen und ein Gespräch zu beginnen.
„Wieso tust du das eigentlich? Ich meine, ich war nicht wirklich nett zu dir bislang. Und naja mein Vater war ein ziemliches Arschloch gerade. Ich habe nicht damit gerechnet, dass du mit nachkommst."
Harry schien ebenfalls für einen kurzen Moment verblüfft zu sein über meine wiedererlangte Kompetenz zu sprechen und nicht nur vor mich her zu stammeln.
„Ich lebe nach dem Prinzip behandele Menschen mit Freundlichkeit. Außerdem kann ich Ungerechtigkeiten einfach nicht ignorieren. Auch wenn ich manchmal meinen Mund wirklich lieber halten sollte, tu ich es nicht. Egal wie du zu mir warst, so behandelt zu werden verdienst du nicht und Lottie auch nicht."
„Ich weiß nicht wie ich dir danken soll, vielleicht hast du schon gemerkt, dass ich in sozialen Interaktionen nicht sonderlich... gut bin...Jedenfalls danke ich dir."
Nach einem kurzen Moment der Stille, durchbrach ich diese erneut mit einer Frage.
„Warum schuldet der Mediziner dir eigentlich noch einen Gefallen?"
„Ich habe mal ein paar Nächte auf seiner Couch verbringen dürfen. Währenddessen bekam ich mit, dass er arme Patienten kostenfrei behandelte. Er bat mich, das nicht weiterzuerzählen, weil ihm sonst die Patienten, die viel Kohle haben, wegbleiben würden und er dann keine finanzielle Mittel mehr hat. Ich wollte das erst nicht akzeptieren, da mir genug Menschen eingefallen sind, die seine Hilfe hätten gebrauchen können. Er versprach mir aber, zu versuchen so vielen wie möglich nach und nach zu helfen, wenn ich schweigen würde. Im Gegenzug dazu, schuldet er mir noch einen Gefallen", erklärte Harry, während seine grünen Augen immer wieder auf meine trafen und mich beinahe durchbohrten.
„Warum hast du bei ihm auf der Couch geschlafen?", platzte es aus mir heraus. Im selben Atemzug bereute ich die Frage schon, denn Harry spannte sich plötzlich sichtlich an.
„Tut mir leid, ich wollte nicht... es geht mich nichts an, entschuldige."
„Nein schon gut, ich spreche nur nicht oft drüber. Nachdem ich meine Familie verloren hatte, lebte ich auf der Straße. Viele Leute in der Stadt boten mir ein paar Übernachtungen an und so konnte ich mich dann die meisten Nächte durchschlagen."
Wie erstarrt blieb ich nach diesem Geständnis stehen. Er blieb ebenfalls stehen und sah mich an, in seinen Augen konnte ich erkennen, dass ihm das Thema sehr nahe ging. Wie sollte es auch nicht, ich konnte mir nicht vorstellen meine ganze Familie zu verlieren. Der Verlust meiner Mum war schon mehr als schmerzvoll, wie musste er sich dann fühlen?
Ich fing mich wieder und lief neben ihm weiter.
„Das tut mir leid Harry, wir müssen nicht drüber reden, wenn du nicht willst."
„Um ehrlich zu sein tut es ganz gut mal wieder drüber sprechen zu können, ich tue es viel zu selten, aber es gab nie jemanden mit dem ich es hätte tun können."
„Verstehe... was ist mit ihnen passiert?", fragte ich sanft während er den Blick nach vorne gerichtet hatte.
„Mein Vater starb im Krieg, es ist nicht ganz klar, woran genau. Kurz darauf sind meine Mutter und meine Schwester dann an der Spanische Grippe gestorben. Ich hatte einfach Glück im Unglück, dass es mich nicht erwischt hat."
Ich musste schlucken. Die Spanische Grippe, sie hatte auch unserer Mutter das Leben gekostet. Lottie und ich sind nur durch komplette Isolation verschont worden.
„Verdammte Spanische Grippe", murmelte ich und er sah mich fragend an.
„Sie ging auch an uns nicht spurlos vorbei und forderte ein Opfer. Meine Mum hat es leider nicht überlebt..." Im Gegensatz zu ihm fiel es mir schwer, ihm davon so ruhig und gefasst zu berichten. Aber zu meiner Verwunderung schaffte ich es dennoch darüber zu sprechen ohne mittendrin schlucken zu müssen.
„Tut mir leid das zu hören.", er schüttelte traurig den Kopf. Dann sah er mich plötzlich eindringlich an.
„Moment, wie... wie geht es dir eigentlich? Wir waren so auf deine Hand fokussiert, ich glaube niemand hat gefragt, wie es dir geht oder?"
„Ähm, ich weiß es ehrlich gesagt nicht so wirklich?" Meine Antwort war viel mehr eine Frage und ich fühlte mich plötzlich wieder beschämt und sah zu Boden.
„Du musst dich doch nicht schämen, wenn dich jemand fragt, wie es dir geht und es dir nicht gut geht. Dafür sollte dich niemand verurteilen und es tut mir leid, dass du scheinbar denkst, du dürftest dich nicht schlecht fühlen."
Wir kamen genau in dem Moment vor einem Gebäude an, als Harry seinen Satz beendete und ich vermutete, dass wir beim Mediziner angelangt waren.
*****
„Definitiv, das Handgelenk ist stark verdreht und ich vermute, dementsprechend überdehnt sind auch die Bänder. Ich gebe Ihnen Acetylsalicylsäure gegen die Schmerzen, allerdings ist eine Belastung des Handgelenks dringend zu vermeiden. Zusätzlich werde ich Ihnen ein Wickel um das Handgelenk anlegen, um es zu stützen. Die sollte einige Tage getragen werden bis den Schmerz nachlässt."
„Nein", war alles was ich rausbekam. Keine Belastung? Wickel? In ein paar Stunden muss ich am Trapez hängen, nein, nein.
„Er ist Artist im Zirkus, unteranderem am Trapez. Heute Abend ist wieder eine Show, er muss seine Hand belasten", sprach Harry meine Gedanken aus, nur besser formuliert, da in meinem Kopf nur Chaos herrschte.
Der Arzt hob eine Augenbraue hoch und sah abwechselnd von mir zu Harry und wieder zu mir.
„Gut, ich rate Ihnen wirklich davon ab, kann Ihnen aber natürlich nichts vorschreiben. Ich gebe Ihnen noch mehr Schmerzmittel mit, Sie werden es aber trotzdem spüren." An Harry gewandt fügte er noch hinzu: „Schau mir bitte dabei zu, wie ich den Wickel anlege, und leg sie nach der, so wichtigen, Show genauso wieder an. Außerdem sollte das Handgelenk nach der erneuten Belastung zusätzlich gekühlt werden. Ich sage es nochmal, ich würde davon abraten."
Nachdem ich die Wickel um mein Handgelenk verbunden bekommen und die Schmerzmittel eingenommen hatte, machten wir uns auf den Weg zurück
Harry wollte noch einmal wissen, ob ich mir wirklich sicher bin, dass ich die Show machen kann heute Abend. Nachdem ich ohne Zweifel zu lassen, klar gemacht hatte, das ich muss und wegen mir sowieso schon alles genug gelitten hat und abgeändert werden muss, versanken wir beide in Gedanken und liefen schweigend nebeneinander her bis sich unsere Wege auf dem Festplatz trennten.
[...]
Da hatten die beiden ein bisschen Zeit zusammen und Louis hat sich sogar entschuldigt. Immerhin muss es ja so langsam mal ein wenig voran gehen 😌
Es werden bereits viele morde geplant - ich bin gespannt wie und ob sich eure Voraussagen bestätigen :3
Vielen Dank für eure Kommentare. Ihr werdet diesen Text jetzt immer bekommen, also macht euch auf etwas gefasst :D wir müssen euch ja auch mit Liebe überschütten 🥰❤️
Lasst uns was kleines da ❤️
Lots of love
Michelle xx
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