꧁ Chapter Four ꧂
Louis POV
„Verdammt Louis, bist du etwa nicht einmal in der Lage einen blöden Text für die Zeitungen zu verfassen? Wie zum Teufel denkst du bitte wirst du diesen Zirkus einmal übernehmen, wenn du jetzt schon ganze Arbeit leistest, unseren Ruf zu zerstören!"
Ich sah den Direktor mit großen Augen an, während ich realisierte, dass tatsächlich ich es gewesen war, der den Zeitungen den Text hat zukommen lassen. Es ist also einzig und allein meine Schuld, dass wir keine große Überraschung im Petto haben und nur hoffen konnten, dass die Show hier trotzdem gut läuft. Und wenn sich in weiteren Städten rumspricht, dass wir nicht wirklich was zu bieten hatten, können wir wohl direkt zurück zu dem Ort fahren, an dem wir angefangen haben. Auf dem Weg dahin können wir dann auch noch alle, die im Zirkus arbeiten, absetzen und ihnen das Zuhause wegnehmen, das sie hier im Zirkus gefunden haben. Und das alles nur, weil ich.. was? Zu beschäftigt, zu kaputt oder einfach mit den Gedanken wo anders war, als ich die Zeitungsannoncen vorbereitet habe? Das darf echt nicht alles wegen mir auf dem Spiel stehen, ich habe mir geschworen den Traum meiner Mutter für sie zu verwirklichen, auch wenn dies bedeutete, den Zirkus erstmal so laufen zu lassen wie der Direktor es tat. Irgendwann werde ich ihn übernehmen und dann zu dem machen, was meine Mutter immer geplant hatte. Einem Ort an dem alle eine Familie sind, an dem alle zusammenarbeiten und abends zusammensitzen. Ein Ort, an dem niemand ausgebeutet wird.
„Hat's dir jetzt die Sprache verschlagen? Geh und stell sicher das alle Vorbereitungen abgeschlossen sind und steh hier nicht so blöd rum, damit kannst du auch nichts mehr retten." In seiner Stimme lag die Kälte und jene Abneigung, die schon immer leicht zu spüren war, aber erst seit Mutters Tod praktisch immer den Ton bestimmte, in dem er mit mir und auch Lottie sprach. Ich machte mir nicht die Mühe, ihm zu antworten, da ihn vermutlich jede Antwort nur noch wütender machen würde und verschwand mit einem kurzen Nicken aus seinem Abteil, das eigentlich so groß war, dass vermutlich zehn Leute hier leben könnten.
Ich machte mich also auf den Weg, um zu prüfen, ob alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, damit die erste Show in wenigen Stunden reibungslos laufen würde. Allerdings gab es bislang noch keinen Tag an dem meine Überprüfung wirklich von Nöten gewesen wäre. Alle Angestellten erledigten ihre Arbeit gewissenhaft und durch den recht strikten und durchgeplanten Vorbereitungsablauf vor jeder Show, wusste auch jeder, was zu tun war. Die Neuankömmlinge wurden für gewöhnlich sofort von den Anderen aufgenommen und gut eingearbeitet. Der Direktor bestand dennoch darauf, dass ich vor jeder Show alles und jeden überprüfe. Ich würde viel lieber auf dem Trapez sein und die Show proben. Wenn ich auf dem Trapez bin, erinnerte ich mich immer daran, wofür ich das alles eigentlich mache und es erleichterte mir wenigstens für eine kurze Zeit, darauf zu warten, dass ich irgendwann den Zirkus leite und dann alles besser werden wird. Leider blieb an Showtagen kaum noch Zeit für das Trapez - neben all den Vorbereitungen und Dingen, die dem Direktor sonst noch so einfielen und die ganz dringend erledigt werden musste.
Auf meiner Route, die ich mir nach der Zeit angelegt hatte, um möglichst schnell alles zu kontrollieren, kam ich auch am Pferdestall vorbei. Ich erwischte mich kurz dabei, wie ich reinspähte, ohne zu wissen, was ich eigentlich zu sehen erhoffte. Als ich am Zelt vorbeikam und prüfte, ob die Manege vorbereitet war, durchzog mich ein leichtes Gefühl der Freude, während ich zum Trapez sah. Ich konnte es immer kaum erwarten, Abends endlich wieder das zu tun, was ich so liebte. Ich spürte es schon in meinen Fingern und dann in meinem ganzen Körper kribbeln. Lottie machte eine Handbewegung, die mir sagte, ich soll kommen und mir ihr trainieren. Ich schüttelte traurig den Kopf und spürte den leichten Neid ihr gegenüber, sie war vermutlich schon seit Stunden hier drin und dachte sich neue Dinge aus und probierte diese. Ich sah ihr noch einen Augenblick dabei zu und erkannte die starke Ähnlichkeit zu unserer Mutter. Lottie war durch das viele Training in den letzten Jahren beinahe so perfekt geworden, wie sie es gewesen war und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie genauso schwerelos durch die Luft wirbelte. Ich fragte mich, ob ich dann eigentlich noch mithalten kann, denn mein Training begrenzte sich oft nur auf die Tage zwischen den Shows, die eigentlich als Ruhetage gedacht sind. An diesen Tagen war der Direktor meistens damit beschäftigt neue Leute zu suchen und sich mit den Reichen der Stadt zu verbinden. Er kam oft erst spät wieder ins Lager und so hatte ich nach meinen Aufgaben endlich Zeit für das Trapez.
Ich beendete meine Kontrollrunde und stellte fest, dass nicht mehr viel Zeit blieb, bis die Show startete. So ging ich mit schnellen Schritten in Lotties und meinen Abteil und hoffte, eine ruhige Minute alleine verbringen zu können, um mich gedanklich auf die Show einstellen zu können. Das ganze Dilemma mit dem Zeitungsartikel beschäftigte mich noch immer in meinen Gedanken und bereitete mir Sorgen. Der Druck, den Fehler möglichst gut ausgleichen zu müssen, war groß. Nicht nur wegen des Direktors, auch ich selbst machte mir diesen Druck. Doch für solche Gedanken gibt es auf dem Trapez keinen Platz, ich musste mich irgendwie sammeln und die Sorgen für die Zeit der Show, zur Seite schieben.
Erleichtert stellte ich fest, dass Lottie nicht im Abteil war, vermutlich war sie schon fertig und wartete im Zelt bereits auf mich. Während ich mich umzog, versank ich so tief in meinen Gedanken, dass ich zunächst nicht bemerkte, wie jemand die Stufen vor dem Abteil hochkam und die Tür öffnete.
Erst das leise „Oh... ähm... Entschuldigung" riss mich so aus meinen Gedanken, dass ich zusammenzuckte und mich mit einem Schwung umdrehte, der mich kurz Sternchen sehen ließ. In der Tür stand Harry, umgeben von einer Geruchswolke aus Pferdemist. Seine Augen waren so weit aufgerissen, wie meine vermutlich auch. Erst als ich merkte das sein Blick abschweifte, wurde mir bewusst, dass ich mir noch kein neues Oberteil angezogen hatte. Beschämt drehte ich mich um, um mir schnell jenes überzuwerfen, was Lottie mir schon bereitgelegt hatte und dankte ihr innerlich, dass ich in diesem Moment etwas griffbereit liegen hatte. Mein Herz pochte in meiner Brust und ich hatte das Gefühl, dass es gleich explodieren würde. Ich merkte wie der Stress und die Nervosität mir auf den Magen schlugen und hatte das Bedürfnis, mich schnell hinzusetzen. Nachdem ich mich dann also gezwungenermaßen wieder umdrehte, um mich auf das Bett hinter mir zu setzen, sah ich, dass Harrys Blick noch immer auf mir lag und mich nun von oben nach unten prüfend musterte. Die Sternchen vor meinen Augen fingen wieder an zu tanzen.
„Geht... geht es dir gut? Du siehst ziemlich blass aus." Seine Stimme klang anders, als noch vor wenigen Augenblicken. Ich sah zu ihm auf und versuchte einen Satz in meinem Kopf zu bilden.
„Nervosität". Meine Stimme zitterte, während ich nur dieses eine Wort rausbekam.
Er sah mich verwundert an und ich konnte seinem Blick nicht Stand halten. Es war mir mehr als unangenehm, dass er mich so sah, nur Lottie und meine Mutter hatten mich bisher nervös erlebt, allerdings war ich jetzt ungefähr doppelt so nervös, da gefühlt alles heute von mir abhing.
„Das Training, das ich vorhin mitbekommen habe, war so gut, dass die Show gleich nur noch besser sein kann. Es sah aus, als ob du in deinem Leben nie etwas anderes tust, als auf dem Trapez zu schwingen."
Wieder klang seine Stimme anders, noch beruhigender irgendwie. Ich merkte wie mein Puls langsam wieder ins Gleichgewicht kam. In diesem Moment fiel mir ein, wie forsch ich zu ihm war und ich verspürte das Bedürfnis, mich zu entschuldigen.
„Danke. Und ähm... entschuldige bitte, wie ich vorhin drauf war, ich-"
Das überschwängliche Öffnen der Tür ließ mich meinen Satz nicht beenden. Lottie kam reingehüpft und war, sichtlich irritiert, beinahe in Harry rein gehüpft, der noch immer direkt neben der Tür stand. Sie sah mich verwirrt an und ich bemerkte, dass ich Harry noch sagen musste, dass er hier nicht sein darf.
„Er hat sich verlaufen und wusste nicht, dass er nicht hier sein darf. Wolltest du mich holen? Ist es so weit? Tut mir leid, die Runde heute hat länger gedauert", sagte ich noch, bevor sie irgendwelche Fragen stellen konnte.
Harry sah mich an und war vermutlich genauso überrascht, wie ich selbst auch, dass meine Stimme so fest und gar nicht mehr nervös wirkte, wie noch vor ein paar Sekunden.
„Äh, ja genau ich wollte dich holen. Ich hab mir schon Sorgen gemacht, wo du bleibst. Wollen wir?" Lottie zeigte Richtung Zelt und ich stand auf, um ihr zu folgen. Sie warf mir einen raschen, besorgten Blick zu und ich zwang mich zu einem Lächeln. Harry lief einige Meter hinter uns und Lottie beschloss diesen Abstand zu nutzen, um mich über ihn auszufragen. Nachdem ich ihr nur sagen konnte, dass ich genau so viel weiß wie sie, lachte sie und meinte, sie wird ihn nach der Show schon zum reden kriegen. Ich merkte, wie es mich ein wenig traurig machte, nach der Show nicht dabei sein zu können, wenn Lottie einen unserer Neuankömmlinge kennenlernt, war mir aber sicher, im Anschluss, alles von ihr zu erfahren. Ob ich wollte oder nicht, das tat sie sowieso immer.
[...]
Guten Tag meine lieben (:
Kapitel vier und damit das zweite Kapitel von Carina ist vorbei. Es gab einen kleinen Vorfall, den wir mal nicht weiter thematisieren werden. Oder? 😇
Vielen lieben Dank für eure Teilnahme an diesem Buch. Wir hoffen natürlich, dass es euch weiterhin gefällt und ihr uns auf dieser Reise erhalten bleibt ❤️
Lasst uns was kleines da ❤️
Lots of love
Michelle xx
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