Nur Einbildung?
"Dipper! Komm endlich!" schrie Mabel durch das gesamte Haus. "Komme schon!" rief ich zurück, schnappte mir meinen Rucksack und rannte die Treppe hinunter. Ungeduldig auf und ab hüpfend wartete sie an der Tür. "Wenn du noch länger trödelst, verpassen wir den Bus!" meckerte sie, woraufhin Schwabbel zustimmend grunzte. Seufzend rückte ich mir meine blau-weiße Cap zurecht, schlüpfte in meine Schuhe, warf mir meinen Rucksack auf den Rücken und nahm meinen Koffer in die Hand. So schnell wie möglich versuchte ich Mabel, die schon vorgelaufen war, einzuholen. "Los Dipper, du lahme Ente!" rief sie mir lachend zu, woraufhin ich nur die Augen verdrehte und noch einen Zahn zulegte. Als wir an der Busstation ankamen, fuhr unser Bus gerade um die Ecke und hielt zischend vor uns an. Wir stiegen ein und suchten uns einen Platz möglichst weit hinten, wo wir uns auf eine lange Fahrt vorbereiteten. Während Mabel ihre Nase am Fenster platt drückte und freudig vor sich hin kicherte, kramte ich ein Buch aus meinem Rucksack und fing an zu lesen. Es war jetzt 5 Jahre her, seit wir Bill damals vernichtet hatten. Gronkel Stan und Gronkel Ford waren von ihrer Seereise zurückgekehrt und hatten uns natürlich sofort nach Gravity Falls eingeladen. Kaum hatten wir die Karte bekommen, war Mabel in einen hysterischen Vorfreude-Wahn ausgebrochen, hatte sich schon Monate vorher die Koffer gepackt und mir jeden Abend genauestens geschildert, was sie alles tun wollte, wenn sie wieder in Gravity Falls wäre. Glaubt mir, wenn ich euch sage, dass das die anstrengendsten Wochen meines Lebens waren. "Wir sind da! Wir sind da!" rissen mich Mabels viel zu hohen Freudenschreie aus meinen Gedanken. Ich schaute auf und sah gerade noch das große Schild mit der Aufschrift "Willkommen in Gravity Falls" vorbeifliegen. Mabel war nun komplett außer Kontrolle und hüpfte neben mir lachend auf und ab. Zum Glück war außer uns sonst niemand im Bus. Als der Bus anhielt, sprang Mabel auch schon auf und rannte zur Tür. Kaum hatte diese sich einen Spalt weit geöffnet quetschte sie sich raus und hüpfte unseren Gronkeln entgegen, die auf und gewartet hatten. "Gronkel Stan! Gronkel Ford!" schrie sie und zog beide in eine herzliche Umarmung, die von beiden lachend erwidert wurde. "Nicht so stürmisch Mabel. Sonst brichst du uns noch etwas." Meint Stan und lachte. Ich packte sorgsam meine Sachen ein und ging in aller Ruhe zur Tür. "Hallo Dipper." Begrüßte mich Gronkel Ford. "Wie war die Fahrt?"
Während Mabel von jeder Fliege und jedem Spatz erzählte, den sie gesehen hat, als wir hierher gefahren sind, fuhren wir in Stans altem Wagen zur Mystery Shack. Dort angekommen richteten Mabel und ich erst mal unser Dachbodenzimmer ein, bevor wir wieder runtergingen, uns an den Küchentisch setzten und Gronkel Stan und Gronkel Ford erzählten, was so in der Schule passiert ist. Während Mabel wie ein Wasserfall plapperte, warf ich nur ab und zu einen Kommentar ein und sagte sonst nichts. Als Mabel irgendwann der Meinung war, das sie jede Sekunde, in der wir zu Hause gewesen waren genau genug beschrieben hatte, fingen Gronkel Stan und Gronkel Ford an von den Abenteuern zu erzählen, die sie während ihrer Schiffsfahrt erlebt hatten. Sie erzählten von riesigen Kraken, fliegenden Fischen mit spitzen Zähnen von der Größe einer Dogge und kleinen Seeelfen. Das alles hätte wohl für jeden, der noch nie in Gravity Falls war wie ein Haufen ausgedachter Märchen für Kinder geklungen, aber Mabel und ich glauben ihnen jedes Wort und wollten so viel wie möglich über diese Wesen erfahren.
"So, genug für heute. Es war bestimmt ein anstrengender Tag für euch. Wir haben noch mehr als genug Zeit uns viele weitere Geschichten zu erzählen." sagte Gronkel Ford mit einem Blick auf die Uhr. "Aber ich will noch mehr von den Elfen hören!" protestierte Mabel sofort und hüpfte etwas auf und ab. "Morgen Mabel. Und jetzt geht besser schnell ins Bett, bevor ich euch noch dazu verdonnere das Klo zu putzen." meinte Gronkel Stan und strubbelte Mabel lächelnd durchs Haar. Sie schien noch einen Moment nach einem guten Argument zu suchen, um mehr zu hören, gab aber schließlich seufzend auf. "Na gut, dann eben erst morgen." sagte sie leicht schmollend, drückte Stan und Ford noch einmal fest und sprang dann die Treppen hoch. Auch ich wünschte beiden eine gute Nacht und folgte ihr. Nachdem wir uns bettfertig gemacht hatten und in unsere Decken gekuschelt in unseren Betten lagen, redeten wir noch ewig darüber, wen wir morgen alles besuchen wollten und was wir wohl diesen Sommer hier erleben würden. Es war schon lange nach Mitternacht, als wir endlich die Lichter ausknipsten und schlafen gingen.
Am nächsten Morgen trafen wir Soos und Wendy und unterhielten uns über die Abenteuer, die wir gemeinsam erlebt hatten. Danach ging Mabel los, um Candy und Grenda zu besuchen, während ich einen Spaziergang durch den Wald machte. Ich muss zugeben, dass er mir echt gefehlt hat. Vielleicht hat er mir sogar noch mehr gefehlt, als die Shack. Aber was wahrscheinlicher war, ist, dass mir einfach die Ruhe und Abgeschiedenheit gefehlt hat. Bei uns zuhause gab es keinen großen Wald mit einem Haufen übernatürlicher Lebewesen. Das einzige, was einem Wald noch am nächsten kam, war der Park, aber den konnte man mit dem Gravity Falls Wald nicht vergleichen. Ich spazierte leicht vor mich hin lächelnd zwischen den Bäumen entlang, lauschte dem Gesang der Vögel und ließ meine Gedanken schweifen. Ich hatte kein genaues Ziel und lief darum einfach geradeaus. Ein Rascheln und leises Gemurmel riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich horchend innehalten. Rechts neben mir aus den Büschen konnte ich eine leise Stimme irgendetwas brabbeln hören. Es war zu leise, als das ich etwas genaueres verstanden hätte können. Langsam ging ich auf das Gemurmel zu, doch als ich vorsichtig ein paar Äste des Busches zur Seite schob, brach das Gemurmel ab und Stille kehrte ein. Ich schob die letzten Äste beiseite und trat auf eine Lichtung. In der Mitte stand eine bemooste, mir sehr bekannte, Dreiecksstatue, die immer noch ihre Hand ausgestreckt vor sich hielt. Sonst war hier niemand. Mich weiterhin umschauend ging ich zum steinernen Bill und lauschte angestrengt. Bei der Statue angekommen schaute ich auf das Dreieck hinab, bevor ich mich etwas hinunterbeugte und horchte. Stille. Hatte ich mir das Gemurmel etwa nur eingebildet? Stirnrunzelnd richtete ich mich wieder auf und drehte der Statue den Rücken zu, um zurück zu gehen, als ich in den Bäumen etwas Weißes aufblitzen sah. Ruckartig hob ich den Kopf und sah in die weißen Augen eines etwa 18 Jahre alten Jungen, der komplett in weiß gekleidet war. Naja, sagen wir besser in das Auge, da das linke (vom Betrachter aus) von einer Schwarzen, dreieckigen Augenklappe verdeckt war. Noch bevor ich etwas genaueres Erkennen, oder auch nur den Mund aufmachen konnte, um etwas zu sagen, war er auch schon verschwunden. Verwirrt stand ich auf der Lichtung und starrte auf den leeren Ast, auf dem der Junge gesessen hatte. Das war definitiv keine Einbildung gewesen... oder etwa doch?
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