Flammen und Scherben
"Pinetree! Halt! Au! Nein!" schrie Bill, während er wie ein Flummi durch das Gerät hüpfte.
Es war überraschend lustig ihm dabei zuzusehen, doch nach einer Weile wurden mir die Arme schwer und ich stellte ihn wieder auf den Tisch. Ich sollte dringend mal etwas trainieren gehen...
Bill lag auf dem Boden des Gerätes und sein Auge drehte sich im Kreis. "Mach... das nie wieder..." sagte er mit schwankender Stimmt, setzte sich auf und rieb sich mit seinen kleinen Händen das Auge.
Er sah ein wenig wie ein Eichhörnchen aus, das an einer Nuss herumknabberte. Mit diesem Bild im Kopf konnte ich mir einLachen nicht verkneifen.
Bill schien mich mit seinem Blick töten zu wollen.
Kichernd wischte ich mir eine Träne aus den Augen und musterte Bill. "Sag mal Bill, du hast doch erzählt, dass zu Drillingsbrüder hast. Wo sind die jetzt und wie sind die so?"
Bill verschränkte seine Nudel-Ärmchen. "Wie sollten sie schon sein? Will verkörpert die Trauer und Kill die Wut. Was denkst du wohl, wie sie wohl so drauf sind?" sagte er pampig. "William ist ein Trauerkloß, der bei jeder Kleinigkeit anfängt zu heulen. Wenn er sich aufregt oder nervös wird, fängt er an zu stottern, was eigentlich immer der Fall ist und es unglaublich anstrengend macht mit ihm zu reden, da er für jeden Satz dreimal solange braucht. Kill ist ein agressives, reizbares Nerbenbündel. Wenn du nur einmal falsch blinzelt, geht er auf dich los. Seine Strategie bei allem und jedem ist: Gewalt. Ich hab keinen Plan, wo die beiden sind und will es nicht wirklich wissen. Ich habe kein großes Interesse daran mit ihnen in Kontakt zu treten. Die sind beide unfassbar anstrengend."
Ich starrte Bill stumm mit erhobenen Augenbrauen an. Das klang alles andere als nach einer gesunden Drillings-Beziehung. Klar, Mabel und ich haben auch unsere Unterschiede, aber wir kommen ja trotzdem irgenwie miteinander aus.
Bill musterte mich. "Ich weiß, was du denkst. Aber das zwischen dir und Shootingstar ist auf einer ganz anderen Ebene. Versuch besser nicht uns zu vergleichen. Das würde dir nur Kopfschmerzen bereiten."
Patzig schob ich meine Unterlippe vor. "Ich kann denken, woran ich will. Und außerdem finde ich es ziemlich herzlos, dass es dich nicht interessiert, wo die beiden sind. Immerhin sind es doch deine Drillinge."
Bill schüttelte seufzend den Kopf... naja den oberen Teil des Dreiecks eben. "Ach Pinetree. Das ist es ja. Die Bezeichnungen "Drillinge" ist nichts weiter als eine Floskel. Wir sind keine richtigen Geschwister oder Verwandt. Wir sind einfach die verschiedenen Emotionen von Jack und das wars. Abgesehen davon und der Tatsache, dass wir alle Dreiecke sind, haben wir nichts gemeinsam."
Nachdenklich legte ich meinen Kopf auf den Tisch und mustert Bill. "Und was ist so schlimm, wieder ein Teil von Jack zu werden?"
Bill verdreht sein Augen. "Komm schon Pinetree. Das ist nun wirklich sehr offensicht...lich..."
Bill verstummte und starrte erschrocken auf einem Punkt hinter mir.
Alarmiert drehte ich mich um und sah Jack hinter mir im Labor stehen.
Sein Auge musterte erst Bill und dann mich. "Sollten Kinder wie du um diese Uhrzeit nicht schon fest schlafen? Oder verwechsle ich da was mit einer anderen Spezies?"
"Ich bin kein Kind!" rutschte es mir raus, noch bevor mir vollständig bewusst geworden ist, dass da gerade dieser Jack vor mir stand, der nicht nur Mabel kaltherzig verletzt hatte, sondern auch Gronkel Ford mit einem einzigen Schlag ausgenockt hat.
Jack ignorierte mich und schaute zu Bill. "Du kannst mir nicht mehr entkommen Bill. Gib endlich auf."
"Vergiss es!" rief er aufgebracht und verschränkte seine kleinen Ärmchen. Jack schloss seine Augen und seufzte. "Ich hatte gehofft das hier friedlich regeln zu können." sagte er mit betrübter Stimme und hob seine Hand. "Aber du lässt mir leider keine andere Wahl." Bills Kugeln hob von Tisch ab und fing an zu vibrieren. Bill starrt das Gerät unsicher an und fluchte leise, bevor sein Gefängnis explodierte und dessen Einzelteile durchs Zimmer flogen. Während mir einige Glasscherben und Metallstücke die Haut im Gesicht und auf den Armen aufschnitt, prallte jedes Bruchstücke einige Zentimeter vor Jack ab und fiel zu Boden, als wenn ihn eine unsichtbare Schicht umgeben würde. Mit leicht zittrigen Fingern befühlte ich einen tiefen Schnitt an meiner Wange und zog scharf die Luft ein, als der Schmerz durch mein Gesicht zuckte. Bill schwebte vor Jack und sah irgendwie ungewohnt zerbrechlich aus. Jack reichte ihm wortlos seine Hand in einer stummen Geste all das friedlich zu beenden.
Bill musterte diese kurz, schüttelte den Kopf und wich ein Stück zurück. "N-nein!"
Jack trat ein Schritt vor schaute ihm unverwandt ins Auge. "Es gibt kein entkommen. Das weißt du auch."
Erneut schüttelte Bill seinen Kopf. "Ich will nicht! Ich will nicht einfach aufhören zu existieren! Ich bin gerne ein eigenständiges Individuum!" Wütend ballte er seine Hände zu kleinen Fäusten und hielt Jacks Blick stand.
Nachdenklich drehte Jack an dem kleinen Dreiecks Ohrring. "Und wenn du nicht sofort aufhörst zu existieren und mir hilfst deine Brüder zu finden?"
Verdattert starrte Bill Jack an und fing an laut zu lachen. "Und dir damit die Arbeit abnehmen und mein eigenes Ende herbeiführen?" Sein Auge verzog sich zu einem schmalen Spalt. "Das kannst du aber sowas von knicken!" fauchte er wütend.
Schulterzuckend hob Jack seine Arme. "Ich habs versucht." Blitzschnell schoss seine Hand vor und packte Bill fest. "Ich habe dir die Wahl gelassen freiwillig mitzukommen aber du hast abgelehnt. Ich habe dir die Wahl gelassen mir bei der Suche zu helfen und etwas länger als Individuum zu existieren, aber du hast abgelehnt." Mit seiner freien Hand schob er seine Augenklappe hoch. "Dann werde ich eben andere Saiten aufziehen müssen. Du wirst mir helfen, ob du willst oder nicht." Er öffnet sein zweites Auge, welches, abgesehen von einer weißen Iris und Pupille, komplett schwarz war. Leise und mit heiserer Stimme flüstert er in der fremden Sprache eine Art Gedicht oder weitere Beschwörung. Bill, welcher fest in seiner Hand gefangen gehalten wurde, versuchte sich schreiend und fauchend zu befreien, während weißer Nebel beide zu umhüllen begann. Erschrocken stolperte ich einige Schritte zurück, unsicher, was genau sich hier gerade vor meinen Augen abspielte. Die Luft fing an zu beben und Funken zu schlagen. Aus dem Nichts kam auf einmal ein heftiger Wind auf und wirbelte den Nebel kreisend durchs Labor. Jacks Stimme wurde immer lauter, während sich eine schwarze Flüssigkeit unter seinem Augenwinkel sammelte und seine Wange hinab lief. Bills Auge hatte zu leuchten begonnen und sein Körper fing an zu dampfen, während seine Schreie immer lauter und qualvoller wurden. Langsam beugte Jack sich vor und hauchte Bill mit einem letzten, fremd klingendem Wort, einen Kuss auf die Stirn. Tief schwarzer Rauch waberte aus seinem schwarzem Auge und zog eine gleißend helle Kugel aus Bills Auge. Diese wurde langsam vom Rauch verschluckt, welcher sich wieder zurück zog und in Luft auflöste.
Augenblick flammte der Nebel auf und hüllte beide in hell gelb leuchtenden Flammen. Aufschreiend stolperte ich zurück, fiel zu Boden und starrte zum lodernden Feuer in der Mitte des Raumes. Eine der Silhouetten der beiden Gestalten, die sich in den Flammen abzeichneten, fing an sich zu verändern und zu verformen. Das Dreieck in Jacks Hand schwebte ein Stück hoch, wurde größer, aus kleinen Nudelarmen und -beinen wurden welche mit mehr Masse und anständigen Gelenken. Die ursprüngliche Form des Dreiecks verzog sich, bildete einen Torso und ließ einen Hals mitsamt Kopf sprießen. Die Gestalt senkte sich langsam zu Boden, während das Feuer langsam versiegte. Mit einer ausladenden Handbewegung und einem weiteren fremd klingendem Wort ließ Jack einen Großteil der Flammen erlöschen. Abgesehen von einigen wenigen Flämmchen, die verzweifelt am Holzboden leckten, wurde es wieder dunkel im Labor. Vor Jack saß ein Junge, etwa 18 Jahre alt mit gold-blondem Haar und Bernstein farbenden Augen, welche entgeistert nach unten wanderten, wo sie die heftig zitternden Hände ihres Besitzers inspizieren. "N-n-nei..." hauchte der Junge, bevor er seine Augen verdrehte und zur Seite fiel, wo er bewusstlos liegen blieb.
Ich saß immer noch auf meinem Allerwertesten und starrte Jack und den Jungen entgeistert an. Jack wischte sich die schwarze Schliere von der Wange und schob seine Augenklappe zurück auf ihren Platz. Er ging einen Schritt auf den Jungen zu, hielt einen Moment inne und schwankte etwas. Das ganze schien nicht spurlos an ihm vorbei gegangen zu sein. Dennoch hatte er sich schnell wieder gefasst, ging vor ihm auf die Knie und strich ihm sachte über die Wange, woraufhin unter dem Auge des Jungen ein kleines Dreiecksmal erschien.
"Was... Was war das...?" kam es mir keuchend über die Lippen, immer noch den Blick fest auf Jack und den Jungen gerichtet. Überrascht, als würde er mich erst jetzt bemerken, schaute er zu mir. "Ich habe Bill ein wenig... Nennen wir es eingeschränkt. Er wird mir in diesem Zustand helfen müssen. Eine andere Wahl bleibt ihm nicht." Ungläubig dessen, dass dieser Junge allen ernstes das nervige Dreieck sein soll, starrte ich ihn mit offenem Mund an.
Ein kleines Lächeln stahl sich auf Jacks Lippen, während er sich aufrichtete und zu mir heran trat. Unsicher, was genau das alles zu bedeuten hatte, rutschte ich zurück, nur um einen harten Schreibtisch in meinem Rücken zu spüren. "Aber, aber. Nicht doch, Kleiner." sagte Jack mit ruhiger Stimme und hockte sich vor mich hin. Er musterte mich ausgiebig und nahm mein Gesicht am Kinn in die Hand. "Du hast da ein wenig was abbekommen." sagte er und Strich mit seinem Daumen über die Wunde auf meiner Wange. Leise aufschreiend zuckte ich vor der Berührung zurück und unterdrückte mühsam die Tränen, welche mir in die Augen schossen.
Jack musterte mich kurz, beugte sich vor und leckte mit seiner Zungenspitze über den Schnitt. Erschrocken kniff ich meine Augen zusammen und unterdrückte einen weiteren Aufschrei. Ich spürte, wie seine Zunge erneut über meine Haut strich und er sich anschließend wieder aufrichtete. Unsicher öffnete ich meine Augen und sah in Jacks weißes Auge, welches meinen Blick emotionslos erwidert. Für den Bruchteil einer Sekunden schien das weiß seiner Iris purpur zu pulsieren. Sein Daumen streifte erneut meine Wange, bevor er seine Hand zurück zog und aufstand. "Ich werde ihn vorerst hier bei euch lassen, bis er sich an seine neue Hülle gewöhnt hat." sagte er und richtete seine Kleider. "Ich werde in ein paar Tagen wieder kommen und ihn abholen." erneut musterte er mich von Kopf bis Fuß und lößte sich ohne ein weiteres Wort in Luft auf.
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