03. Locked in a Dungeon


"Ihr möchtet vielleicht nicht hier sein, aber überlegt mal wie ich mich fühle.", kommentierte die Lehrerin / Wächterin des Turms, eine alte Frau mit gefärbten schwarzem (was angeblich schokoladenbraun sein sollte) Haar mit fließenden schwarzen Kleid und dauerhaft griesgrämigen Aussehen, aufgrund der schlaffen Grübchen auf ihren Wangen, die die Leute nur durch zu starkes Stirnrunzeln bekamen. "Ihr habt euch im Grunde dafür entschieden, hier zu sein, basierend auf euren Handlungen."


Abgesehen davon, dass ihr genau wisst, dass ich es nicht getan habe.


"Also, technisch gesehen.", begann der Typ neben mir (wir wurden gezwungen in alphabetischer Reihenfolge zu sitzen) "haben sie sich total dafür entschieden, hier zu sein. Da sie vier Jahre auf dem College waren und einen Abschluss gemacht haben, um hier zu sein."


Ich schaute überrascht zu ihm hinüber. Ich meine, er hatte irgendwie recht, aber er schien nicht wirklich der Typ zu sein, der das so arrogant rüberbrachte. Als wäre er nicht schon beim Nachsitzen. Er sah nicht wie ein Bad Boy oder so aus, obwohl er eine tiefe, gefährlich klingende Stimme hatte, wie Wolverine von X-Men.


Oder dem Biest, aus die Schöne und das Biest, außer das er nicht so viele Haare hatte, um in diese Kategorie zu passen.


Aber abgesehen von seinen unordentlichen (dennoch sauberen) braunen Haaren, die ihn bis zu den Spitzen seiner Ohrläppchen reichten (und tatsächlich kürzer aussahen, weil es in so viele verschiedene Längen geschnitten war, als hätte er versucht es selbst zu schneiden), sah er nicht wie jemand aus, der beim Nachsitzen saß und sowas herausschrie. Er trug nur Jeans und ein schlichtes, gut sitzendes braunes Hemd. 


Das einzige, was verraten konnte, dass er ein kleiner Unruhestifter war, waren seine Augen, die ein selbstgefälliges Schimmern innehatten. 


Die Lehrerin wurde grantig und murmelte etwas darüber, dass sie dachte, er wäre für dieses Semester mit Nachsitzen durch, in Herrgotts Namen. Bis sie sich schließlich wieder beruhigte und sagte: "Es ist mir egal was ihr macht, solange ihr den Raum nicht verlasst, laut redet oder etwas Illegales tut." Ich bemerkte, wie sie das Biest ansah, während sie das sagte.


"Wenn ihr irgendetwas tut, um mich in Schwierigkeiten zu bringen.", fuhr sie fort und widmete ihre Aufmerksamkeit jetzt der gesamten Klasse. Irgendwie. "Werde ich dafür sorgen, dass ihr nie wieder redet, auch wenn es euch erlaubt ist."


Ähm, okay. Das war ein klein wenig gruselig.


Sobald sie sich gesetzt hatte und angefangen hatte in einem Modemagazin zu blättern, was ein wenig ironisch war (nicht böse gemeint), beschloss ich, dass es ein guter Zeitpunkt war, meine Chemie Hausaufgaben zu machen. Okay, das chemische Symbol für Titan ist - 


Plop


Ein Stück zusammen geknülltes Papier traf mich seitlich am Kopf und fiel auf mein Arbeitsblatt. Ich schaute zum Biest hinüber, aber das kritzelte fleißig auf einem Ordner herum.  Zumindest dachte ich das. Ich entknüllte das Papier und las:


Warum bist du hier, Knastschwester?


Ich wollte das wirklich nicht beantworten, denn um ganz ehrlich zu sein, ließ mich das Nachsitzen irgendwie ausflippen. Ich tat nichts, was ein Nachsitzen rechtfertigen würde. Ich war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Naja, und ich wollte niemanden erzählen, wer es wirklich war, aber das ist nebensächlich. Aus Angst, er würde mich abstechen, wenn ich ihm nicht antwortetet, kritzelte ich:


Ich habe einen Namen, weißt du? Und ich will nicht darüber reden. Weshalb ich hier bin, meine ich. Nicht meinen Namen.


Ich dachte, er wäre bereits gelangweilt davon, wie stotternd und eingeschüchtert ich klang. Aber die Nachricht lang nur ein paar Sekunden später mit seiner Antwort wieder vor mir.


Schön dich kennenzulernen. Ich bin Jerry. Jetzt komm schon, erzähle es mir. Es kann nicht schlimmer sein, als das, was ich jemals gehört habe.


Gehört oder getan? Will ich das überhaupt wissen?


Wahrscheinlich nicht. Komm schon, du weißt, dass du es mir erzählen willst.


Nein.


Ich gebe dir einen Dollar.


Nein. Kennst du das Symbol für Zinn?


Sn. Bitte, bitte und noch ein bisschen Zucker obendrauf.


NEIN.


Lass mich raten. Zu viele Verspätungen? Oder hast du dich entschieden wirklich böse zu sein und Kaugummi zu kauen?


Nur zu deiner Information, ich bin hier, weil ich illegale Substanzen mit auf dem Gelände hatte.


"Das warst du?", flüsterte er, sah von dem Zettel zu mir und klang beeindruckt. 


"Ja. Ich meine, nein. Nun, weißt du, ich bin nicht diejenige, die sie mitgebracht hat.", antwortete ich und wünschte, ich hätte nie etwas darüber gesagt. Zumal das Biest, obwohl er das Biest war, wirklich sehr, sehr süß war.


Seht ihr? Ich kann nicht anders. Deshalb vermeide ich, mich mit Jungs zu unterhalten. Und wenn ich das muss, beeile ich mich mit dem Gespräch, damit ich so schnell wie möglich davonkommen kann. Die ganze Sich-vorzustellen-die-Zuhörer-seien-in-Unterwäsche Sache funktionierte in dieser Situation definitiv nicht. Nicht, dass es das jemals tat.


"Wenn du nicht diejenige bist, die es getan hat", wollte er wissen, "warum bist du dann genau dafür beim Nachsitzen?"


"Weil ich nicht sage, wer es war.", antwortete ich, weil es der Wahrheit entsprach. Vielleicht hätte ich so tun sollen, als wäre ich es gewesen und wäre ein heimliches Rocker-Emo-Goth-Mädchen, dass die ganze Zeit herumrennt und Ladendiebstahl betreibt, damit er mich in Ruhe ließ. Nur trug ich ein Baby-blaues Top und hellblaue Jeans ohne Löcher, was nicht gerade "Straftäterin" schrie, wenn ihr wisst, was ich meine.


"Uh-huh.", erwiderte er skeptisch.


"Ich meine es ernst.", sagte ich ein wenig zu laut, und die Lehrerin, die mich irgendwie an die böse Hexe erinnerte, die Dornröschen gefangen hielt, starrte mich finster an. Ich sackte ein wenig mehr auf meinem Stuhl zusammen und wurde knallrot. 


"Sie sieht irgendwie aus wie ein Vampir, was?", kommentierte das Biest, "Mit dem spitzen Haaransatz und allem."


Ich erzählte ihm, von meiner "bösen Hexe" Theorie und er lachte. Es brachte mich tatsächlich dazu, ihn als das Biest zu sehen, anstatt eines zum-anbeißen-süßen-BadBoys-beim-Nachsitzen, weil es eine Art lautes und abscheuliches Lachen war.


Tatsächlich hörten mich auch ein paar andere Leute und lachten ebenfalls. Das war ein ziemlich bestärkendes Gefühl. Als Nächstes verwandele ich mich in einen Rocker und fang an auf Konzerte zu gehen und mir den Bauchnabel zu piercen, und Leuten, die mir Geld schulden Kopfstöße zu verpassen.


Nur dass ich Angst hätte in einem Moshpit niedergetrampelt zu werden und das ich AIDS bekommen würde, wenn ich irgendwohin gehen würde, die tatsächlich alles andere außer Ohren piercen.


Ich stellte fest, dass das Biest in einem Ohr seinen Tragus gepierct hatte. Dezent, dennoch erkennbar. Ich hatte keines meiner Ohren durchbohrt, denn als ich es versucht hatte, infizierten sie sich und ich fing an daraus zu Bluten (aus meinen Ohren) und ich ließ sie einfach wieder zuwachsen.


"Schöner Ohrring, Bie - ich meine Jerry."


"Danke. Wie wolltest du mich nennen?"


"Nichts."


"Okay.",  sagte er und begann darüber zu reden, woher er seinen Ohrring hatte. Für jemanden, der die ganze Zeit so arrogant ruhig agierte, konnte er sehr enthusiastisch werden. Aber das war, wie sich herausstellte, weil er ADHS hatte. Und das wusste ich daher, weil er es mir erzählt hatte, als er die ganzen zwei Stunden, während des Nachsitzens nicht die Klappe hielt, außer wenn ich redete.


Er war ziemlich cool, schätze ich, aber ich hatte immer noch Angst, dass er mich irgendwann, einfach nur so, impulsiv erstechen könnte. Es stellte sich heraus, dass wir beide für den Rest des Halbjahres Samstag beim Nachsitzen festsaßen, wenn nicht sogar länger, abhängig von unserem Verhalten.


Welch Freude.


Aber gerade als ich darüber nachdachte, wie großartig es sein würde, wenn Prinz Charming kommen und mich aus diesem Gefängnis retten würde, kam er herein.


Er blieb stehen und sah sich in der Klasse um, von den Goth-Kids, die dachten sie wären cool, wenn sie zehn Minuten brauchten, um von einer zur anderen Klasse zu kommen (wir hatten ganze acht davon, da es eine ziemlich große Schule war), und den Footballspielern, die beschlossen hatten, dass es eine tolle Idee wäre, auf das Football Tor Ding zu klettern und eine Wassermelone herunterfallen zu lassen und dann richtete er seinen Blick auf mich und neigte seinen Kopf auf eine fragende Art zur Seite.


Ich wurde munter und versuchte ruhig auszusehen, drehte meinen Kopf leicht, damit meine Haare schön aus dem Gesicht und ordentlich zerzaust auf meine Schulter fielen, und tat so, als hätte ich ihn nicht bemerkt. Das stellte sich tatsächlich als eine gute Sache heraus, in Anbetracht dessen, dass er die Person hinter mir ansah.


"Was machst du hier?", fragte er den Jungen hinter mir. Er hatte einen britischen Akzent. Ich verarsche euch nicht einmal. Wie viel cooler kann man womöglich sein?


"Er ist hier, weil er die Schule aus irgendeinem Grund gestört hat.", antwortete die böse Hexe, "Und warum bist du hier, Erik? Ich sehe deinen Namen nicht auf der Liste. Obwohl ich kein Problem damit habe, ihn hinzuzufügen."


"No worries, Miss.", erwiderte er, obwohl er seine Rs kaum aussprach (jedoch nicht auf eine kindische Art, sondern auf eine unglaublich attraktive Art), so das es eher nach 'wowwies' klang. "Ich bin im Handumdrehen verschwunden. Habe nur die falsche Zimmernummer bekommen."


"Welch Überraschung.", brummte die Hexe und verdrehte die Augen.


Und damit verließ er den Raum wieder. Wow. Das ist alles, was ich sagen kann. Einfach wow. Ich habe noch nie jemanden so aus dem Raum gehen sehen. 


"Geht es dir gut?", wollte das Biest, ich meine, Jerry wissen.


"Ja.", antwortete ich seufzend. "Absolut."


*****


Den ganzen Weg nach Hause (auf dem Fahrrad. Jetzt versteht ihr, warum ich einen galanten Prinz Charming brauche, der mich auf seinem Ross mitnahm. Auf eine total unanzügliche Art und Weise.) dachte ich darüber nach, wie ich vielleicht die ganze Dating Sache ausprobieren könnte. Ich meine, mein Vater verabredete sich, da hatte Rose vollkommen recht.


Ich könnte meine treffsicheren weiblichen Reize an diesem britischen Typen testen. Es war KEIN Zufall, dass ich in der Sekunde an Prinz Charming dachte, in der er das Klassenzimmer betrat. Ich hatte genug Märchen gelesen, um zu wissen, dass es keine Zufälle gibt.


Das schlug mir leider auch ins Gesicht, als ich zu Hause hereinkam.


Mein Vater stand da und ich lächelte, als ich diese Frau bei ihm sah. Sie war wahrscheinlich fünf Jahre jünger als er, aber das war okay. Zumindest war sie alt genug, um meine Mutter zu sein.


Oder sonst irgendjemand in meinem Jahrgang.


Wie Flor und Lucy.


Mein lächeln verblasste, als die beiden ebenfalls den Raum betraten, bis mein Vater zu mir rüber sah und ich mir ein Lächeln auf das Gesicht zwang, was vermutlich eher so aussah, als hätte ich Schmerzen. Rose sagte, so sah ich immer aus, wenn ich ein unechtes Lächeln aufsetzte. Es ist eine Farce. 


"Hey, Schatz.", begrüßte mich mein Dad und grinste mit so viel Begeisterung, das mein Herz schmerzte. "Ich möchte dir gerne Dru, und ihre Töchter Florinda und Lucinda vorstellen.


In Herrgotts Namen.


Ihr wollt mich wohl verarschen.



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