Rote Mütze Raphi - F*ckst mein Kopf

Unter den Reifen meines Audi R 8 knirschen die kleinen Kiesel, nachdem ich auf die Einfahrt abbog. Ich musste nicht aussteigen, um das große Metaltor zu unserer Garage zu öffnen. Ein unscheinbar wirkender Knopf meines Schlüsselbund es reichte vollkommen aus, um das Tor in Bewegung zu versetzen. Noch ehe ich den Motor erklingt, öffnet Katja die Beifahrertür. Ihr Blick liegt wie gebannt auf dem Display ihres Händys fixiert. Ich redete mir ein, dass es ein gutes Zeichen war, das sie auf der gesamten Heimfahrt ein breites Lächeln auf den Lippen trug. Womöglich konnte sie es gar nicht abwarten wieder in unser gemeinsames Zuhause zurück zukehren. Ob sie jemanden schrieb, das sie nun sicher wieder zuhause angekommen waren? Oder wie sehr ihr das Wochenede gefallen hat?

Sichtlich entspannt kicke ich die Steine aus der Garage und will mich gerade dem Gepäck widmen, als ich auf die Spiegelung einer zierlichen Gestalt im Lack aufmerksam werde. Verwundert wende ich mich einer ergraute Frau zu, die sich auf ihren hageren Beinen die unebenen Einfahrtt hinauf kämpft. Sie ist sich bereits so unsicher auf, das ich die Taschen ungeachtet neben die Garage abstellen und zu ihr Eile um sie zu stützen. „Frau Maurer, wie geht es Ihnen?", begrüße ich die alte Hausbesitzerin freundlich.

„Gut gut, mein Kind." Ihre Augen wandern zum Haus, gefolgt von ihrem ausgestreckten Zeigefinger, der vor Anstrengung zittert.

„Möchten Sie nicht rein kommen und etwas trinken?", biete ich ihr der guten alten Zeitenwillen an. Immerhin war es einmal ihr Haus gewesen, indem sie lange Zeit mit ihrem Mann und drei Kindern gewohnt hatte. Ihrgendwann musste die Witwe einsehen, das es für sie allein zu groß war und zog zu ihrer ältesten Tochter in das Haus direkt nebenan ein, wo man sich nun liebevoll um sie kümmerte. Nur selten sah man die gebrechliche alte Dame auf den Straßen. Ab und an grüßen sie einander von einem Balkon zum nächsten.

„Das ist zu freundlich, mein Kind." Beherzt tätschelt Sie meinen stützenden Arm. „Das du mir in meinem eigenen Haus etwas zu trinken anbieten willst." Mit langsamen Schritten ging die ausgezerrte Dame auf unser Haus zu. Sofort begreife ich, warum sich die Familie letzten Endes für den Verkauf entscheiden hat. Frau Maurer litt offensichtlich an voran schreitender Demenz. Ich begleite sie auf Schritt und Tritt. Im Türrahmen schnappt sie hörbar nach Luft. „Wie sieht es den hier aus."

„Mutter!" Die jüngere Version ihrer selbst kahm auf sie zu geeilt. Behutsam führt sie sie am Arm zurück, doch Frau Maurer blieb beharrlich. „Wie sieht es den hier aus" Wiederholt sie fassungslos und deutet unentwegt ins Innere hinein. „Mein schönes Haus."

„Mutter, wir haben das Haus verkauft. Errinerst du dich?"

„Sie können sich gerne drinnen umsehen. Wir haben einiges unseren Wünschen angepasst. Aber der Wintergarten ist noch unberührt. Ich könnte Ihnen einen Kaffee anbieten."

Die Tochter wirkt unschlüssig, die Zeit scheint ihr im Nacken zu sitzen, weswegen sie mehrfach die Uhrzeit studiert. Dann willigt sie schließlich ein. „Schön haben sie es sich eingerichtet."

Ich bedanke mich und beginne die Tassen auf dem Tisch zu verteilen. Für Frau Maurer tische ich einen Pfefferminzetee auf. Sie riecht daran und lehnt sich in dem Schaukelstuhl zurück, der neben einigen vernachlässigten Pflanzen, Staub angesetzt hatte. Friedvoll starrte sie in den Garten hinaus. Momo hatte es sich zu ihrem Füßen gemütlich gemacht und hob wie auf Kommando den Kopf als Frau Meurers Tochter ihren Namen erwähnte.

„Ich hätte nicht gedacht das sie so ruhig auf Fremde reagiert. Das muss wohl an ihrer Anwesenheit liegen. Die letzten Tage waren hingegen ein einziger Albtraum. Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber ich denke Sie sollten sie nicht so oft alleine lassen. Der Mann der sich um sie kümmern sollte hat sie einfach nicht besänftigen können."

„Der andere Mann?", harke ich augenblicklich nach. Doch ihre Miene verschlossen sich im selben Moment, als habe sie selbst erst jetzt begriffen, dass sie zu weit gegangen war.

Auf einmal wurde Frau Maurer auf ihrem Schaukelstuhl sehr unruhig. „Seid einigen Tagen geht er bereits ein und aus.", beschwört sie mit einem Gehstock, von dem Gott weiß aus welcher Ecke sie ihn hervor gezaubert hatte. „Ich habe dich gewarnt Marianne, der Mann bedeutet nichts Gutes. Ein Einbrecher war das." Mit einem Male scheint sich Frau Mauerer an jene Geschehnisse bestens zurück zu erinnern.

Ein eiskalter Schauer durchfährt mich, als ich bemerkte wie Momo unruhig zwischen uns hin und her läuft und zu jaulen beginnt, als wollte sie ihre Aussage bekräftigen.

„So ein Unsinn Mutter. Er muss ein Freund sein, ansonsten hätte er wohlkaum einen Schlüssel. Nicht wahr? " Mir war als wollte Marienne sich viel mehr ihr eigenes Gewissen beruhigen. Denn die Nervösität ihrer Mutter scheint auf sie übergespungen zu sein. Mit einem Male hatte sie es ganz eilig, ihr Haus wieder zu verlassen.

Irgendwie bringe ich es über mich ihre Aussage zu bestätigen. Ob durch ein nicken oder ein flüchtige Ja, weiß ich nicht. Das einzige was ich fühlen kann ist wie sich meine Kehle komplett zuschnürte, mein Puls sich beschleunigt und sich eine Art Tunnelblick bildet vor meinen Augen bildet.

Frau Maurer verschwörerischen Flüche hören erst dann auf, als die Haustüre sich hinter dem Muttertochtergespann schloss.
Sie lassen mich zurück mit einem klaffenden Loch in der Brust. Wie einzelne Puzzlestücke fügen sich die Geschehnisse der letzten Tage zu einem ganzen zusammen. Die verschobenen Gegenstände, Momos verhalten oder doch eher Katjas geistige Abwesenheit? Erst jetzt bemerkte ich das sie mich auf der gesamten Rückfahrt nicht einmal angesehen hatte. Ihr Blick ruhte auf ihrem Smartphone. Konnte ich den so blind sein? Gab es dafür überhaupt noch eine plausible Erklärung?

„Wer war das?" Bei dem Klang ihrer Stimme gefror ich zur Salzsäule. Die ganze Zeit über hatte sie sich nicht blicken lassen. Wie in einem Film sah ich die kommenden Ereignisse auf mich zuschnellen. Ungewiss ob ich bereit dafür war diese zuzulassen. Was wenn ich nun meine Bedenken ansprach. War dann alles umsonst? Meine bemühungen. Meine Fortschritte.

„Liebst du mich?"

Die Frage prescht aus mir hervor, ohne das ich sie zurück halten kann. Mehr als einmal hatte sie es beteuert und doch schienen diese Worte nun einen bitteren Nachgeschmack auf meiner Zunge zu hinterlassen.

Für einen Moment scheint sie meine Frage zu verwirren. Sie greift in meinen Nacken. Bewegt mich dazu meine Lippen auf ihre zu legen. In diesem Moment fühle ich nichts weiteres als bittere Kälte die mich umschlingt. Warum konnte sie es mir jetzt nicht sagen, damit ich ihr glauben kann? - „Weil sie dich nicht liebt.", antwortet eine gehässige Stimme in meinen Gedanken. „Niemand wird dich jemals lieben, weil du Abschaum bist."

„Wer hat noch einen Schlüssel zu unserem Haus? " Als ich es endlich ausspreche ist meine Stimme nicht mehr als ein Flüstern.

„Niemand. Nur wir zwei."

Ich versuche zu lesen. Die ganze Zeit versuche ich in Ihrem Gesicht irgendein Indiz zu finden, das sie mich anlügt. Doch sie wirkt so unschuldig und selbstsicher, dass ich nicht schlauer aus ihr werde.

„Wer hat einen Schlüssel zu unserem Haus." Wiederhole ich die Frage. Mittlerweile ist meine Stimme belegt und von Tränen gespickt. Ich habe das Gefühl nichts und doch viel zu viel zu fühlen. Irgendwann muss es raus und doch lass ich es mich viel lieber von innen nach außen zerfressen. Ich schlucke hart den Kloß hinunter „Lüg mich nicht an. Ich weiß sowieso schon Bescheid. WER gottverdammtnochmal nochmal war in unserem Haus?"

Ängstlich weicht sie zurück, als habe ich sie mit meinen Worten geschlagen. Als sei ich derjenige der sie verletzt und nicht umgekehrt. „Schrei mich nicht so an!", herrscht sie. Doch ihre Stimme bricht unter dem Druck. „Ich hatte keine andere Wahl!"

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