6. Babys und Traumfänger


Babys und Traumfänger

Es war kurz vor zwölf und Magnus stand bereits seit gefühlten Stunden im Flur und wartete darauf, dass Alec und die Kinder fertig wurden, damit er ein Portal zum Institut öffnen konnte, sodass sie pünktlich zum von Izzy geplanten Essen erscheinen konnten. Beide Kinder waren eigentlich schon früh fertig gewesen, doch es war mal wieder Max, der keinen Gefallen an seinem Outfit fand und sich den hellblauen Pullover immer wieder über den Kopf ziehen wollte, wobei er selbst den geduldigen Alexander an seine Grenzen trieb. Selbst seine Schuhe ließ der kleine Warlock sich nicht anziehen und Magnus war nicht weit davon entfernt sich mit Magie das Leben etwas einfacher zu machen, was Alec jedoch nicht sonderlich gefallen würde.

Schon wieder hielt dieser Max, der auf dem Flurboden saß, davon ab in den Stoff seines Oberteils zu greifen. Gleichzeitig versuchte er ihm seine Schuhe anzuziehen, wobei er wild zappelte. Magnus fühlte sich fast schon ein wenig schlecht, da Rafael sich alles gefallen ließ. Ohne jegliche Proteste ließ er sich von Magnus die Jacke überziehen und auch die Schuhe zog er schon beinahe gerne an.

»Du siehst Tante Izzy, Onkel Simon und sogar Elias«, lockte Alec seinen Sohn mit seinen Lieblingsverwandten und deren kleinen Sohn, von dem Max eigentlich von Anfang an hin und weg gewesen war. »Clary ist da und Jace, sogar Oma - «, Max schüttelte den Kopf und zog seine Füße zu sich, sodass Alec geräuschvoll ausatmete.

»Mit Maryse würde ich nicht unbedingt locken, Liebling«, kommentierte Magnus so leise, dass es nur Alec mitbekam, der schmunzelnd die Augen rollte. Maryse bemühte sich jedoch so gut es ging eine gute Beziehung mit ihrem Neffen aufzubauen, doch Magnus konnte genau sehen, wie schwer es ihr fiel. Egal wie sie die Situation drehen würde, am Ende des Tages hatte der Kleine Dämonenblut in sich und war nicht nur Alecs Sohn, sondern auch Magnus', was sie wahrscheinlich nur schwer verkraftete. Es war vor allem Maryses und Magnus' Vergangenheit die im Weg stand, wenn es dazu kam eine glückliche Familie zu spielen.

Zu Beginn hatte Magnus noch gedacht, dass es einfach ihre Art war Zuneigung zu zeigen, doch sobald Isabelles Kind Elias auf die Welt gekommen war, hatte Magnus schnell verstanden worum es wirklich ging. Maryse bevorzugte Elias auf jede Art und Weise. Schnell hatte Magnus erkannt, dass es um das Dämonenblut ging, was durch Max' Adern floss und um nichts anderes, außer vielleicht den Fakt, dass sie Magnus auf den Tod nicht ausstehen konnte.

Es war Elias' Engelsblut, was ihn zum absoluten Liebling machte. Das was Magnus dabei jedoch am meisten gegen den Strich ging, war die Art, wie Alec das Verhalten seiner Mutter gekonnt ignorierte. Selten sprach Magnus das Thema an, doch wenn es so war, erhielt er irgendwelche Ausreden von Seiten seines Partners, was die ganze Sache nicht unbedingt besser machte. Magnus musste damit klarkommen, dass Alec immer zu seiner Familie halten würde, was Magnus jedoch natürlich nie anders verlangen würde. Doch dass Maryse ihren Liebling hatte, wenn es um ihre Enkel ging, konnte sogar ein Blinder erkennen.

Nach weiteren Nervenzusammenbrüchen standen Alec und Magnus schließlich mitsamt ihren Kindern im Eingangsbereich des Instituts. Magnus hielt dabei Rafael an der Hand, der sich dicht an seine Beine gestellt hatte und das Gebäude mit großen Augen neugierig betrachtete. Es war bereits schon einmal hier gewesen, als er zum ersten mal in New York angekommen war, doch da hatte es bestimmt zu viele Eindrücke auf einmal gegeben, als dass er sich das Institut hätte besser anschauen können. Nun stand er schüchtern an Magnus Seite, wären Shadowhunter kreuz und quer durch den Raum liefen und die angekommene Familie gar nicht beachteten.

Max gab tatsächlich seine Ruhe und die Erleichterung stand Alec dabei beinahe ins Gesicht geschrieben. Er trug seinen Sohn auf seinem Arm, der für sein anständiges Verhalten jedoch einiges verlangt hatte. Was das Thema Klamotten betraf, hatte sich Alec tatsächlich erweichen lassen; statt dem hellblauen Pullover trug Max nun sein Lieblingsoberteil mit einem großen Dinosaurier auf der Brust. Über Alecs Schulter lag die Lieblingsdecke des kleinen Warlocks, in die er sich kuschelte, dazu war es natürlich wieder der Schnuller, den er außerdem verlangt hatte. Alec war viel zu weich. Er wollte sich trotzdem nicht beschwere, schließlich schlief Max nun in Alecs Armen, zumindest hatte er seine Augen geschlossen und gab keinen Ton von sich, was Magnus lieber war als das Nölen von vorhin.

»Alec, Magnus!«, sofort erblickte Magnus Isabelle, die schnellen Schrittes und mit einem breiten Lächeln auf sie zugelaufen kam. Ihre langen schwarzen Haare fielen über ihre Schultern; das gleiche schwarz, was sich auch in dem Rest ihres Outfits wiederfand. Sie trug ein enges schwarzes Strickkleid und obwohl die Geburt ihres Sohnes gerade einmal sechs Monate her war, war ihre Figur wieder beneidenswert. Neben der schwarzen Strumpfhose und den schwarzen Stiefeln war der knallrote Lippenstift der einzige Kontrast.

Alec streckte seinen freien Arm nach ihr aus, weshalb sie schließlich zuerst ihn in eine Umarmung zog. Sie drückte einen Kuss auf seine Wange und strich vorsichtig über Max' Rücken, der jedoch keine Regung zeigte. Danach ging sie zu Magnus und schloss auch ihn in ihre Arme. Zum Schluss hockte sie sich auf Rafaels Höhe, der sich ängstlich hinter Magnus Beinen versteckte und seine Hand fest umschlossen hielt.

»Hallo, Rafael«, begrüßte sie den kleinen Shadowhunter und strich mit ihrer Hand ganz vorsichtig über seinen Arm. »Ich bin Izzy«, stellte sie sich vor und zog ihre Hand wieder zurück. Unsicher musterte Rafael ihr Gesicht, immer noch mit weit aufgerissenen braunen Augen, weshalb Isabelle breit grinste. »Du wirst noch sehen, was für eine coole Tante ich sein kann«, fügte sie hinzu, was Rafael wahrscheinlich nicht verstanden hatte.

»Komm, die anderen warten schon«, ließ sie Alec und Magnus wissen, bevor diese ihr in einen der Nebenräume folgten.

Tatsächlich saßen bereits alle versammelt an einem großen runden Tisch und waren in Unterhaltungen vertieft. Izzy hatte sich wirklich Mühe gemacht, was die Dekoration betraf. Magnus hatte nicht gedacht, dass ein einfacher Raum des Instituts wirklich so aussehen konnte, wo die Shadowhunter sonst nie einen großen Wert auf Schönes legten.

Jace war der erste, der von seinem Stuhl aufsprang und eine Begrüßung in die Richtung der beiden rief. Dabei breitete er seine Arme aus, klopfte Alec jedoch nur liebevoll auf die Schulter, nickte Magnus freundlich zu und hockte sich ebenfalls zu Rafael, wie es Izzy eben getan hatte. Schon bald erhoben sich alle anderen von ihren Plätzen und schwärmten um das Paar, weshalb Magnus kurz Rafaels Hand drückte, der einen prüfenden Blick hoch zu seinem Vater warf. Rafael beachtete Jace kaum, der versuchte den kleinen zu begrüßen, und musterte die restlichen Familienmitglieder, die vor allem erst Alec begrüßten. Max schien auf einmal voller Freude zu sein seine Verwandten wiedersehen zu können und kletterte auf Izzys Arm, die ihn hoch in die Luft warf.


Nachdem auch Magnus begrüßt wurde, war es Rafael, der die Aufmerksamkeit von allen erregte. Da sich nun alle um den kleinen Shadowhunter versammelte, hockte sich Magnus zu ihm und legte beschützend einen Arm um ihn. »Du kennst sicher noch Jace«, er deutete auf den blonden Shadowhunter vor sich, erhielt jedoch keine Antwort von Rafael, der seine Plüschkatze an sein Gesicht drückte. »Er ist Alecs Bruder«, fügte Magnus hinzu.

»Das sind Simon und Clary«, Magnus zeigte auf die beiden, die stehen geblieben waren. Clary hatte ihr süßestes Lächeln aufgesetzt, genauso wie Simon, der zusätzlich Elias auf dem Arm hielt, der tief und fest zu schlafen schien. Neben ihnen stand Maryse, die etwas unbeholfen aussah und keine Miene verzog. Magnus wusste nicht, wie er sie vorstellen sollte. »Oma« würde er jedenfalls nicht über die Lippen bringen. Langsam erhob sich Magnus wieder und blickte zu Rafael, der überfordert in jedes einzelne neue Gesicht schaute.

Ganz vorsichtig schob Magnus den kleinen Jungen ein wenig nach vorne, um ihn zu ermutigen zu den anderen zu gehen. Er hatte eigentlich erwartet, dass er sich widersetzen würde und bei ihm bleiben würde, jedoch trat Rafael tatsächlich zwei Schritte nach vorne. Vielleicht war es, weil er Max sah, der zwischen seinen Verwandten hin- und hergereicht wurde und dabei ein sorgloses Lachen auf dem Gesicht trug. Gerade jetzt befand er sich bei Clary, die ihm einen Kuss auf die Schläfe drückte.

Für ein paar Sekunden stand er neugierig vor den Shadowhuntern, die alle über ihn herausragten, bevor er zu einem ganz bestimmten rannte, der sofort seine Arme nach ihm ausbreitete. Natürlich war es wieder Alecs Nähe, die der Kleine suchte. Er warf Rafael ein breites Lächeln zu und hob ihn auf seinen Arm, wo er seinen Kopf auf seiner Schulter ablegte und die Stoffkatze immer noch an sein Gesicht drückte. Leises Lachen ertönte von allen Shadowhuntern, als sie Rafael auf Alec zulaufen gesehen hatten.

Magnus war sehr dankbar für die Auflockerung der Atmosphäre gewesen und setzte sich am Tisch so weit wie möglich von Maryse weg, die noch kein einziges Wort gesagt hatte. Wie er später erfahren hatte, waren die Spaghetti Carbonara von Clary und Jace selbst gekocht worden, wobei Magnus befürchtete, dass Jace wohl keine große Hilfe gewesen war. Es waren nicht die besten Spaghetti, die er je gegessen hatte, aber sie schmeckten ihm trotzdem mit Abstand am besten, durch all die wundervollen Leute, die um ihn herum saßen. Fast hatte Magnus ein schlechtes Gewissen, weil er einen Tag zuvor noch so schlecht über das Treffen gedacht hatte. Wenn er Maryse nicht beachtete, war es ein wundervolles Essen gewesen und er bereute es jeglichen schlechten Gedanken daran verschwendet zu haben.

Nicht nur Max wanderte von Schoß zu Schoß, sondern auch Elias, der wohl das einfachste Baby war, dass Magnus je zu Gesicht bekommen hatte. Magnus und Alec sahen ihren Neffen ziemlich regelmäßig und niemals hatte er irgendwelche Probleme bereitet, sodass Magnus quasi an einer Hand abzählen konnte, wie oft er ihn weinen gesehen hatte. Schon das ganze Essen lang war er still gewesen, so auch jetzt, als er in Alecs Armen lag, der neben ihm saß.

»Er hat ja immer noch blaue Augen«, kommentierte Clary, die hinter Alecs Stuhl stand und auf ihr kleines Patenkind hinabschaute. Tatsächlich musterten zwei große blaue Augen Alec genau, der mit einem Finger sanft über die Wangen seines kleinen Neffen fuhr, dabei wippte er ihn leicht auf und ab.

»Ja, es wäre wirklich niedlich, wenn es noch eine Zeit so bleiben würde«, gab Izzy zu, die auf dem Stuhl neben Alec saß und sich in ihre Richtung wendete. »Aber Simon und ich haben beide braune Augen, also wird es sich bestimmt noch ändern. Sie sind schon dunkler geworden«, fügte sie hinzu. Die blauen Augen sahen wirklich bezaubernd aus, das musste Magnus zugeben. Sie stachen aus dem kleinen Gesichtchen heraus, vor allem aufgrund des etwas dunkleren Teints des Babys und den dunklen Haare, von denen jedoch erst sehr wenige vorhanden waren.

»Alec hat doch blaue Augen, vielleicht hat er ja ein kleines bisschen von seinem Onkel geerbt«, warf Clary ein, woraufhin Isabelle lachte. Alec war viel zu vertieft mit Elias' kleinen Händchen zu spielen, die seinen Finger schließlich fest umklammerten, sodass er gar nicht mitbekam, worüber Clary und seine Schwester sprachen.

Bevor Rafael in Alec und Magnus' Leben getreten war, hatte Alec oft von einem zweiten Kind geredet. Vor allem als Elias auf die Welt kam, hatte er wochenlang nicht aufgehört darüber zu sprechen, dass er sich auch ein weiteres Baby wünschte. Immer hatte sich Magnus schlecht gefühlt, da er Alec erklären musste, dass das ganze nicht so einfach war und dass auch Magnus selbst nicht wusste, ob er bereit für ein weiteres war. Letzteres hatte er nur einmal angedeutet, aber nie richtig angesprochen, da er Alec nicht hatte enttäuschen wollen. Er fragte sich nun, ob Alecs Wunsch nach einem Baby immer noch bestand, oder ob Rafael dafür gesorgt hatte, dass sich dieser Wunsch erfüllt hatte.

Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie viel es Alec bedeuteten musste, dass Rafael nun in ihrem Leben war. Er hatte nie darüber nachgedacht, dass der kleine Shadowhunter Alecs Wunsch nach einem zweiten Kind erfüllte. Schmunzelnd betrachtete er seinen Partner, der Elias ansah, als wäre er der größte Schatz auf Erden. Immer wieder fragte sich Magnus woher Alec all die Liebe hernahm, die er für andere Menschen hatte. Auf jeden Fall stand fest, dass sich Elias und vor allem auch Max und Rafael nie darum sorgen mussten, dass sie nicht genug abbekamen. Alec konnte auch die Liebe von fünf Menschen gleichzeitig geben, da war sich Magnus sicher.

Vollkommen in Gedanken vertieft musterte er Alec von der Seite und fragte sich, wie er so einen wundervollen Mann überhaupt verdient hatte. Dabei konnte er nicht leugnen, dass ihn das Baby auf dem Arm um einiges attraktiver macht, als er es sowieso schon war. Es war Rafael, der ihn schließlich aus seinen Tagträumen holte, indem er auf Magnus Schoß kletterte. Überrascht blickte er zu seinem Sohn, der Elias interessiert musterte. Schmunzelnd setzte Magnus Rafael richtig auf sein Bein, damit er eine bessere Sicht auf seinen kleinen Cousin hatte. Dieser wendete seine blauen Augen von Alec ab und schaute zu dem kleinen Shadowhunter, der sich über ihn beugte.

»Das ist dein Cousin«, informierte ihn Alec, woraufhin Rafael kurz aufschaute, seine Aufmerksamkeit danach wieder dem Baby widmete. »Elias«, leicht duckte sich Alec, damit er Augenkontakt mit seinem Sohn aufnehmen konnte. Als dieser in seine Augen schaute, wiederholte Alec den Namen seines Neffen.

»Elias«, sprach Rafael ihm nach und deutete mit einem Finger auf Izzys Sohn, der langsam seine Augen schloss. Ein breites Lachen erschien in Alecs Gesicht und auch Isabelle lobte ihren kleinen Neffen, sodass dieser sich schüchtern zurückzog und seinen Kopf an Magnus' Brust lehnte, der mit einer Hand leicht durch Rafaels Haare strich.

»Ich wünschte Max wäre wieder in dem Alter«, seufzte Alec und drückte einen Kuss auf Elias Stirn.
»Wirklich? Eigentlich bin ich froh, dass ich mindestens zwei Stunden am Stück schlafen kann«, kommentierte Magnus. Die Zeit ging für ihn zwar auch viel zu schnell vorbei, jedoch empfand er Max' jetziges Alter als deutlich angenehmer, im Vergleich zu Elias' Alter. Mit Isabelle tauschen wollte er deswegen beim besten Willen nicht. Alec rollte seine Augen in Magnus' Richtung, woraufhin der Warlock lachen musste.

»Du hast doch noch ein Baby«, warf Magnus ein und legte Rafael so in seine Arme, dass er ihn genauso hielt, wie Alec seinen Neffen hielt. Rafael verfiel daraufhin in ein Kichern, was Magnus grinsen ließ. Als Magnus begann ihn ebenfalls auf und ab zu wippen, wie Alec es tat, warf der kleine Shadowhunter seinen Kopf in den Nacken und lachte laut. Es war das selbe Lachen, was Magnus auch gestern von ihm gehört hatte. Er war froh, dass das ganze also keine einmalige Sache gewesen war.

»Er ist deutlich pflegeleichter, als Max es damals war. Was will man also mehr?«, fügte Magnus noch hinzu, worauf auch Alec leise lachte.

Langsam verstummte Rafaels Lachen, nur ein schmales Lächeln blieb auf seinen Lippen zurück, als er nach der Plüschtierkatze griff, die vor Magnus auf dem Tisch lag. Liebevoll drückte Magnus ihm die Katze in den Arm, woraufhin sein Sohn tatsächlich für einen kurzen Moment die Augen schloss. Der Vergleich mit einem Baby war also gar nicht so weit hergegriffen gewesen, zumindest bewirkte das Schaukeln in Magnus' Armen das gleiche bei Rafael wie bei Elias in Alecs Armen.

Das letzte mal, dass Magnus Rafael so gehalten hatte, war an dem Tag gewesen, als Alec ihn zum ersten mal mit nach Hause gebracht hatte. Magnus hatte auf den kleinen Shadowhunter herabgeblickt und bereits schon zu diesem Zeitpunkt festgestellt, dass Rafael ihm sein Herz gestohlen hatte. Glücklich stellte er außerdem fest, dass sich seitdem vieles verändert hatte. Rafael wirkte sichtlich fröhlicher und er fühlte sich mehr und mehr an wie Magnus' echter Sohn. Vorsichtig beugte er sich vor und drückte mehrere Küsse auf die Wange seines Sohns, der erneut kicherte und schließlich seine Augen schloss.

Kurze Zeit später nahm Magnus jemanden aus dem Augenwinkel wahr. Als er sich schließlich zu seiner Linken drehte, erkannte er Maryse, die sich neben ihn setzte, dort, wo eigentlich Clary gesessen hatte. Diese stand jedoch immer noch bei Isabelle und Alec und bewunderte Elias, der in Alecs Armen schlief. Überrascht zog Magnus seine Augenbrauen in die Höhe, da er eigentlich angenommen hatte, dass Maryse den größtmöglichen Abstand zu ihm halten würde. Dass sie sich also gewollt direkt neben ihn setzte kam unerwartet.

»Also habt ihr euch endgültig dafür entschieden ihn zu behalten?«, sprach sie schließlich, wobei Magnus nicht ganz zuordnen konnte, wie diese Frage wirklich gemeint war. Ihr Gesichtsausdruck war emotionslos, weshalb er lange überlegte, wie er ihr antworten sollte.

»Ja«, sagte er schließlich. »Natürlich«, fügte er noch hinzu, da er seine Antwort zu einfach fand. Maryse nickte leicht und Magnus meinte sehen zu können, dass ihre Mundwinkel minimal zuckten. Sie schaute zu Rafael in den Armen des Warlocks, der seine Augen immer noch geschlossen hielt und vermutlich tatsächlich dabei war einzuschlafen. Danach glitt ihr Blick kurz zu Isabelle und Alec. Ihre Finger umklammerten einen kleinen braunen Pappkarton, den Magnus erst jetzt bemerkte. Schon wieder konnte er ihren Gesichtsausdruck nicht lesen, doch es schien fast so, als würde sie ihre Kinder liebevoll mustern. Eine Emotion, die Magnus an ihr noch nie gesehen hatte.

»Er erinnert mich an Alec, als er klein war«, sagte sie leise, worauf Magnus wieder hellhörig wurde und seine Lippen zu einem schmalen Lächeln verzog. Er selbst hätte gerne eine Mutter gehabt, die ihm davon erzählt hätte, wie er früher als Kind gewesen war. An seine Jugend konnte sich Magnus kaum noch erinnern; nach so langer Zeit verschwammen die Details und das gesamte erste Jahrhundert seines Lebens wurde immer irrealer. Umso mehr liebte er es von Alecs Kindheit zu hören und all die anderen Jahre, als er noch nicht Teil Magnus' Leben gewesen war.

»Er war auch so ruhig und hat immer unsere Nähe gesucht«, flüsterte sie und Magnus erwischte sie dabei, wie ihre Augen kurz in die Richtung ihres Sohns huschten, diesmal mit einem mitleidigen Blick, der dem Warlock nicht entging.

»Solche Kinder brauchen besonders viel Liebe«, fuhr sie fort und strich vorsichtig über Rafaels Arm, danach über seine Hand, die auf Magnus' Brust lag und den Stoff seines Hemdes festhielt. Er war überrascht von Maryses liebevollen Seite, die er vorher noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Er traute sich nicht etwas von sich zu geben, da er Angst hatte, sie würde wieder zu der alten Maryse wechseln, die er über die Jahre kennengelernt hatte.

»Aber ich bin mir sicher, diese Liebe habt ihr beide«, sie zog ihre Hand wieder zurück und räusperte sich leicht, dabei vermied sie es in die Richtung ihrer Kinder zu schauen. Irgendetwas sagte Magnus, dass es nicht mehr um Rafael ging, sondern eher um Alec. Für solche Eingeständnisse war es wohl zu spät; die Liebe seiner Mutter hätte Alec wahrscheinlich als Kind sehr gebraucht, doch jetzt sorgte Magnus dafür, dass er diese bekam.

Immer noch schwieg er, als Maryse auf die Box auf ihrem Schoß schaute. Obwohl Maryse über die Jahre ziemlich jung geblieben war, konnte man ihr Alter vor allem an ihren Händen erkennen, die die kleine Schachtel umfassten. Magnus hatte sie kennengelernt, als sie jünger als Alec gewesen war. Damals war dieser wohl gerade geboren gewesen, als Maryse Magnus gegenüber gestanden hatte. Zusammen mit dem Circle – Valentines fanatischen Anhängern – hatte sie unschuldige Werwölfe bedroht, doch Magnus hatte schon zu diesem Zeitpunkt erkannt, dass sie und ihr Mann Robert nichts weiter als ein paar Mitläufer gewesen waren. Trotzdem wusste er, wozu Maryse fähig war. Natürlich hatte Magnus keine Zweifel daran, dass Maryse ihre Kinder wirklich geliebt hatte; sie hatte schon immer nur für sie gekämpft, doch trotzdem gehörte noch so viel mehr dazu, wenn es ums Elternsein ging.

Er erinnerte sich an Valentines Schwert in seiner Brust, an die Schreie des kleinen Werwolfsmädchens und an den Hass, den er verspürt hatte. Zu diesem Zeitpunkt hätte er niemals gedacht, dass er eines Tages mit einem Circlemitglied an einem Tisch sitzen würde, geschweige denn dass ein solches Mitglied die Großmutter seiner Kinder sein würde.

Er dachte an die junge Maryse zurück, ohne jegliche Spuren der Alterung in ihrem Gesicht, den langen schwarzen Haaren wie Isabelles und dem strengen Blick mit den stechend blauen Augen wie Alecs. Es war eigenartig Menschen altern zu sehen und noch komischer war es für ihn, dass noch nicht einmal Alec seine Mutter so gekannt hatte. Nun schaute sie erneut zu Magnus, der ihren Blick erwiderte. Es waren die selben Augen, in die Magnus jeden Tag schaute. Es waren Alecs Augen; das tiefe blau und die langen schwarzen Wimpern, allgemein ein Anblick, der zu beneiden war.

Langsam öffnete sie die Schachtel auf ihrem Schoß, auf die Magnus neugierig schaute. Zum Vorschein kam ein kleiner Traumfänger, den Maryse an einem Faden fasste und ihn demonstrativ vor Magnus hängen ließ. Er war einfach gestaltet und sah selbstgemacht aus; der Kreis in der Mitte war vermutlich aus mit blauer Wolle umwickeltem Draht. Ein Netz aus braunen Fäden war durch ihn gespannt, hier und da waren ein paar bunte Perlen aufgefädelt. Außerdem hingen von dem Traumfänger drei Schnüre, an die Federn gebunden waren.

»Den hatte ich damals mit Alec zusammen gebastelt«, verriet sie, wobei ihre Stimme deutlich weicher wurde. Magnus lächelte in ihre Richtung und konnte es kaum glauben, als sie dieses Lächeln tatsächlich erwiderte. »Vielleicht kann er jetzt Rafael vor bösen Träumen beschützen«, flüsterte sie und legte ihn vorsichtig wieder in die Schachtel zurück, um ihn schließlich vor Magnus auf den Tisch zu stellen. »Danke, Maryse«, sprach Magnus und war wirklich gerührt von der kleinen nett gemeinten Geste. Vor allem von Maryse hätte er dies nie erwartet.

Unsicher wendete sie ihren Blick ab und wirkte auf einmal unsicher. Nervös strich sie ihr Kleid zurecht und erhob sich von ihrem Stuhl. Kurz nickte sie und verwand ohne ein weiteres Wort zu sagen.

Es war bereits abends, als Magnus mit dem Gedanken spielte nach Hause zu gehen. Isabelle hatte Alec das Baby wieder abgenommen und saß bei Simon, der sich immer noch mit Clary unterhielt. Auch Jace und Maryse hatten wieder Gefallen an Baby Elias gefunden und beobachteten jede Bewegung des jüngsten Familienmitglieds. Statt Rafael lag nun Max in Magnus Armen, der schon längst tief und fest schlief, eingewickelt in seine Lieblingsdecke. Rafael war hingegen wieder munter und entfernte sich unsicher immer weiter von Alec und Magnus, die ihn genau im Blick behielten. Unbemerkt schlich er zu Jace, der ihn vorerst nicht bemerkte. Erst als er seine kleinen Arme nach Alecs Parabatai ausstreckte, hob dieser seinen Neffen überrascht auf seinen Schoß.

»Ich denke, er erinnert sich noch an Jace«, merkte Alec an und Magnus nickte nachdenklich. Jace war sichtlich stolz, dass Rafael ihn ausgewählt hatte und hatte nur noch Augen für den kleinen Shadowhunter, der es sich in seinen Armen bequem machte. Magnus war froh, dass das Treffen so gut gelaufen war, da er bereits Angst vor Rafaels Reaktion gehabt hatte.

»Deine Mutter hat ihm das geschenkt«, fiel Magnus ein und griff mit der freien Hand nach der Schachtel vor sich, die er Alec schließlich in die Hand drückte. Dieser legte seine Stirn in Falten und entfernte den Deckel. Ein kleines Lächeln schlich auf seine Lippen, als er den Traumfänger erblickte, danach schloss er die Schachtel wieder und legte sie zurück auf den Tisch.

»Sie hat gesagt, ihr habt ihn zusammen gebastelt«, informierte ihn Magnus, woraufhin Alec nickte. »Ja, kurz nach Isabelles Geburt. Sie hat früh wieder damit angefangen die Nächte zu patrouillieren, aber ich wollte nie, dass sie geht«, sein Blick glitt zu seiner Mutter. Magnus erinnerte die Geschichte an Rafael, der jeden Morgen das gleiche Theater veranstaltete, wenn Alec ins Institut musste. Solche Kinder brauchen besonders viel Liebe.

»Eine liebende Mutter wäre mir aber vielleicht lieber gewesen als ein kleiner Traumfänger«, fügte er hinzu, was Magnus das Herz brach. Er würde nicht die gleichen Fehler machen, die Alecs Mutter gemacht hatte. Er wusste, dass er niemals der perfekte Vater sein würde, doch er würde alles tun nur um seine Kinder spüren zu lassen, dass er es immerhin versuchte.

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(31.03.2018)

Passend zum Kapitel hat die Instagramseite von Shadowhunters gerade ein Bild von Maryse, Magnus und Alec bei einem gemeinsamen Essen hochgeladen.
Na, wenn das kein Zufall ist, ha!

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