31. Wie in alten Zeiten

Wie in alten Zeiten

Unauffällig warf Alec einen Blick in den Trainingsraum des Institut und schaffte es unentdeckt zu bleiben, als er die zwei Shadowhunter beobachtete, die miteinander trainierten. Ein Schmunzeln bildete sich auf seinen Lippen, weil ihn die Szene vor seinen Augen an alte Zeiten erinnerte. Er konnte nicht fassen, wie schnell die Zeit vergangen war.

Vor ihm trainierte Julian Blackthorn mit seinem Sohn John, die für kurze Zeit das New Yorker Institut besuchten. Alec konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, wann John geboren war, aber da er schon einige Runen auf seiner Haut trug, schätzte Alec ihn auf dreizehn oder vierzehn. Er war das Ebenbild seines Vaters; beide hatten die selben braunen Haare und Johns Profil schien identisch zu Julians. Alec hatte Julian kennengelernt als dieser in Johns Alter gewesen war und empfand die Ähnlichkeit als erschreckend.

Sie trainierten mit Dolchen, Stöckern und schließlich ohne Waffen und Alec staunte nicht schlecht, als er den kleinen Jungen kämpfen sah. Er bewegte sich flink und sein Vater hatte deutlich Mühe mit ihm mitzuhalten.

Es erinnerte Alec sehr an ihn und Rafael, was sein Herz ein wenig schmerzen ließ. Die Zeit war viel zu schnell vergangen und er wusste nicht, wann er das letzte Mal mit seinem Sohn trainiert hatte. Er überlegte, ob er Rafael genug beigebracht hatte und ob er ein guter Lehrer gewesen war. Sein eigener Vater hatte nie mit ihm trainiert; es war immer Hodge gewesen, der diese Rolle eingenommen hatte. Alec fragte sich, ob seine Fähigkeiten damals vielleicht besser gewesen wären, hätte Robert ihn öfter und besser trainiert.

Alec beobachtete Julians stolzen Gesichtsausdruck und er wusste genau, wie er sich fühlte. Er konnte das Gefühl nicht beschreiben, was er damals verspürt hatte, als er Rafael beim Training zugesehen hatte. Es war mehr als nur einfacher Stolz – es war etwas viel stärkeres.

Mit einem bitteren Beigeschmack sah er zu, wie Julian und John zusammen lachten und ihre Köpfe in den Nacken warfen, als John ungeschickt über seine eigenen Füße gestolpert war. Alec dachte oft an seine Söhne, die mittlerweile bereits ihre eigenen Wege gingen, doch in solchen Momenten vermisste er sie noch mehr als gewöhnlich. Er wünschte, dass sie noch einmal Kinder wären – nur für einen Tag.

Max würde nie wirklich altern. Er war bereits zwanzig und Alec bezweifelte, dass er sich äußerlich noch groß verändern würde. Ein komischer Gedanke, vor allem weil Rafael und Charlotte normal älter werden würden. Im Moment reiste er durch die Welt und obwohl er dabei nur ein Portal entfernt war, hatte er durch seinen Auszug eine gewisse Leere in Alec zurückgelassen, was er nur ungern zugab. Es vermisste ihn unheimlich, obwohl sich sein jüngster Sohn damals nur beim Essen blicken gelassen hatte. Das Haus schien ohne ihn leer.

Rafael lebte mittlerweile zusammen mit Eleanore in Idris, wo er in der Shadowhunter-Akademie arbeitete. Auch er war nicht vollkommen aus der Welt, doch nach seinem Auszug aus dem New Yorker Institut hatte es sich für Alec so angefühlt. Es wusste, dass Rafael in Idris die Möglichkeit hatte, seine Träume zu erfüllen, doch es hatte wehgetan seinen Sohn gehen zu lassen.

»Da bist du«, erschrocken zuckte er zusammen und drehte sich um seine eigene Achse, nur um Magnus zu entdecken, der hinter ihm erschienen war. Magnus warf ihm ein liebevolles Lächeln zu und legte eine Hand auf seine Schulter, bevor er einen Blick hinter Alec warf. Er schien Julian und John entdeckt zu haben, da sein Lächeln noch breiter wurde.

»Hast du Cordelia schon getroffen? Wusstest du, dass sie schon sechs Jahre alt ist? Die Zeit ist viel zu schnell vergangen. Ich habe sie das letzte Mal gesehen, als sie ein paar Wochen alt war«, fing Magnus an zu erzählen und Alec warf noch einen letzten Blick in den Trainingsraum, bevor er sich von Magnus durch die Flure des Instituts schieben ließ.

Cordelia war Johns jüngere Schwester und somit Julian und Emmas zweites Kind. Auch er erinnerte sich an das Baby in Emmas Armen, als sie das Los Angeles Institut für wenige Tage besucht hatten. »Nein, ich hab sie nicht gesehen«, antwortete Alec, woraufhin Magnus nichts erwiderte, sondern wortlos Alecs Arm umklammerte und zufrieden dicht an seiner Seite lief.

»John sieht aus wie Julian«, sprach Alec irgendwann, um die Stille zwischen ihnen zu brechen. »Oh, Cordelia auch! Sie erinnert mich sehr an Livia, verrückt ich weiß. Sie hat Emmas braune Augen«, erwiderte Magnus. Alec erinnerte sich an Julians jüngere Schwester Livia, die viel zu früh verstorben war. Es war eine Zeit, die er versuchte zu verdrängen.

Auch er konnte nicht fassen, dass Cordelia bereits sechs Jahre alt war. Ihm kam es vor, als wäre sie erst gestern geboren und er konnte nicht anders als über seine Kinder nachzudenken, als diese in diesem Alter gewesen waren. Sechs war ein wirklich niedliches Alter gewesen – bei allen seinen Kindern.

»Alles o.k.?«, hakte Magnus besorgt nach und versuchte Blickkontakt mit Alec aufzunehmen. Abwesend nickte der Shadowhunter und versuchte seine Gedanken beiseite zu schieben.

»Ja«, hauchte er und spürte Magnus' Hand auf seinem Rücken, die sanft auf- und abstrich. Als Alec den Blick seines Mannes doch erwiderte, warf dieser ihm ein mitleidiges Lächeln zu, was Alec versuchte nachzuahmen.

Oft fragte er sich, ob Magnus das selbe fühlte. Für ihn musste die Zeit noch schneller vergehen. Er sah nicht nur seine eigenen Kinder altern, sondern auch seinen eignen Ehemann. Alec selbst hatte ein großes Problem damit älter zu werden. Jeder Geburtstag wurde zu einer Tortur und das alles, weil er wusste, dass dieser eine bestimmte Tag immer näher rückte – der Tag, an dem er Magnus zurücklassen musste.

Vor allem an seinem letzten Geburtstag – seinem vierzigsten Geburtstag – war ihm alles andere als nach Feiern zumute gewesen. Es war der erste Geburtstag gewesen, an dem sich auch Magnus etwas stiller als sonst verhalten hatte. Vermutlich hatte er gedacht, dass Alec es nicht merken würde, doch Alec kannte seinen Mann gut genug. Es gab nichts, was Magnus vor ihm verstecken konnte. Das gleiche galt wahrscheinlich auch andersherum, weshalb es kein Wunder war, dass Magnus ihm prüfende Blicke zuwarf.

»Ist es, weil du Julian trainieren gesehen hast, oder ist es, weil du Julian mit seinem Sohn trainieren gesehen hast?«, hakte Magnus diesmal genauer nach und beinahe wollte Alec lachen; Magnus kannte ihn viel zu gut.

»Beides, denke ich«, antwortete er ehrlich und hörte, wie Magnus einen verständnisvollen Ton von sich gab. »Ich verstehe«, erwiderte er knapp und Alec fragte sich, ob er es wirklich tat. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Magnus das gleiche empfand. Wenn doch, war er sehr gut darin es zu überspielen.

Auch als sie wieder zu Hause waren und Magnus das Abendessen vorbereitete, konnte sich Alec nicht ablenken. Er war kurz davor die alten Fotoalben herauszusuchen und sich in Nostalgie zu ertränken, wäre dort nicht Magnus gewesen, der ihn durch die offene Küchentür beobachten konnte. Alec empfand es als lächerlich, dass er ein so großes Drama aus etwas vollkommen normalen machte, schließlich hatte Magnus viel schlimmer daran zu kämpfen und das schon seit Jahrhunderten.

Er hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht, da Magnus ihn förmlich aus der Küche gejagt hatte. Auch nach all den Jahren war sein Mann immer noch der Meinung, dass selbst Alecs Nähe dem Essen schadete. Nun hatte er seinen Laptop auf seinem Schoß platziert und überprüfte seine Emails, wobei er sein Postfach nun schon zum zehnten Mal aktualisierte – ohne Erfolg auf neue Mails.

Frustriert klappte er das Gerät zu und lehnte seinen Nacken an das Sofapolster. Sein Blick glitt unauffällig zu all den Fotos, die sie überall im Wohnzimmer drapiert hatten; viele von ihnen befanden sich in dem antiken Glasschrank, der früher Magnus' Elixiere und Tränke beinhaltet hatte. Unzählige eingerahmte Fotos waren nun hinter dem Glas zu sehen. Das meiste wahren Kinderfotos von Rafael, Max und Charlotte, doch es waren auch viele Fotos nur von ihm und Magnus dabei – vor allem als sie jung waren... als Alec jung und Magnus jünger war.

Aufwendig drehte er sich, ohne seine Hüfte dabei unnötig zu belasten, und schaute auf das Bild, was nicht weit von ihm entfernt stand. Es befand sich auf einer Kommode neben dem Sofa und zeigte ihn und Max.

Umständlich versuchte er nach dem Bild zu greifen und hielt es schließlich tatsächlich in seiner Hand. Max war noch ein Baby gewesen, vielleicht neun Monate alt, und lag friedlich in Alecs Armen und schlief, während dieser breit in die Kamera lächelte – im Hintergrund erkannte man die Straßen Madrids, wo sie alle zusammen einen kurzen Urlaub verbracht hatten. Es war der erste Urlaub als Familie gewesen und Max hatte aufgrund des Zeitunterschiedes tagsüber ausnahmslos durchgeschlafen. Schlaflose Nächte waren dadurch vorprogrammiert gewesen und Alec konnte sich nicht erinnern, dass es ein wirklich erholsamer Urlaub gewesen war.

Er konnte kaum glauben, dass Max damals sein einziges Kind gewesen war. Er war so unendlich glücklich gewesen, dass sich für ihn ein Wunsch erfüllt hat, der unmöglich geschienen hatte. So stolz hatte er Max durch die Straßen Madrids getragen, wobei es ihm egal gewesen war, wie viel Schlaf er in der Nacht kriegen würde.

Nicht nur Max betrachtete er auf dem Bild ganz genau, sondern auch sich selbst. Er musste verstellen, dass er in den letzten Jahren stark gealtert war, was ihm nicht zum ersten Mal auffiel. Die Fältchen um seine Augen waren nicht mehr zu übersehen und er hatte mehr als einmal ein graues Haar zwischen seinen dunklen gefunden.

»Charlie!«, hörte Magnus laut rufen, woraufhin er erschrocken zusammenzuckte. Schnell stellte er das Bild an seinen ursprünglichen Platz zurück und war überrascht, als er Magnus sah, der mit zwei Tellern in den Händen auf ihn zu trat. Prüfend hob er eine Augenbraue, als sein Mann ihm einen Teller mit dampfenden Nudeln in die Hand drückte.

»Essen auf dem Sofa?«, hakte Alec irritiert nach und sah Magnus schmunzeln. Dieser stellte den anderen Teller auf dem kleinen Kaffeetisch ab und wendete sich zum Gehen, ohne sein Vorhaben zu erklären. Genau in diesem Moment trat Charlotte ins Wohnzimmer, die ebenso verwirrt wirkte wie Alec.

»Essen auf dem Sofa?«, fragte auch sie und Alec hörte Magnus lachen, vermutlich weil sie es in der gleichen Stimmlage sagte, wie Alec es getan hatte. Übermütig sprang sie zu Alec auf das Sofa, der versuchte seinen Teller in Sicherheit zu bringen und ihn auf dem kleinen Beistelltisch zu seiner Rechten abstellte. »War das deine Idee?«, hakte Charlie nach und Alec schüttelte perplex seinen Kopf.

Ungläubig schaute Charlotte ihn an, »Papa würde so etwas nie erlauben. Weißt du wie teuer das Sofa ist?«, während sie den letzten Satz sprach, verstellte sie ihre Stimme so, dass sie genau wie Magnus klang. Alec musste zugeben, dass es eine wirklich gute Imitation war, weshalb er sich ein Schmunzeln verkneifen musste. Auch er fragte sich, was plötzlich in Magnus gefahren war, dass er auf eine solche Idee kam.

Als Magnus mit einem weiteren Teller und Besteck den Raum betrat, ließ er sich in seinem Sessel, dicht neben Alec, nieder. Er ignorierte die ungläubigen Blicke von ihm und Charlotte und verteilte wortlos Gabel und Löffel. »Wehe ihr kleckert«, sprach er ernst und Alec warf ihm ein warmes Lächeln zu, während Charlotte schon gar nicht mehr zugehört hatte. Hastig hatte sie nach dem Teller auf dem Kaffeetisch gegriffen und fing umständlich an zu essen.

Alec war überrascht, als das Essen auf dem Sofa Charlotte schließlich doch zu riskant wurde und sie sich vor seinen Füßen vor dem Kaffeetisch niederließ und von dort aus aß. Magnus warf Alec einen vielsagenden Blick zu, weshalb er nur grinsen musste. Charlotte hatte schon immer sehr viel Respekt vor Magnus und seinen Drohungen, die nie wirklich ernst gemeint waren.

»Was ist der Anlass?«, fragte Alec irgendwann erneut, doch Magnus zuckte bloß unschuldig mit den Schultern. »Du saßt so gemütlich auf dem Sofa – warum nicht?«, erklärte er halbherzig, wobei Charlotte beinahe die Gabel aus der Hand fiel.

»Hast du 'was genommen?«, hakte Charlotte prüfend nach, worauf sich Alec beinahe an seinen Nudeln verschluckte. Geschockt schieß er mit seinem Fuß an ihren Rücken, was sie kichern ließ. »Red' nicht so mit deinem Vater«, mahnte Alec streng – zumindest versuchte er streng zu wirken, doch an Magnus' schmalem Lächeln konnte er erkennen, dass er wohl nicht allzu erfolgreich gewesen war.

»Nein«, sprach Alecs Mann schließlich, »Kommt schon, ich bin nicht so spießig«, fügte er hinzu und Alec war überrascht, als Charlotte wirklich ihren Mund hielt. Vielleicht lag es an Alecs Fuß, der immer noch gefährlich nah an ihrem Rücken ruhte.

»Weißt du, was das ganze jetzt noch besser machen würde?«, fragte Charlotte nach einiger Zeit und lehnte sich an Alecs Beine. Erwartungsvoll blickte sie in Magnus' Richtung, der prüfend seine Augenbraue in die Höhe zog. »Fernsehen«, es war mehr eine Frage, als eine Aussage und Charlotte wurde ungewohnt kleinlaut, als sie sprach.

»Übertreib es nicht, Charlotte«, brummte Magnus strengt, womit sich Charlie sofort zufrieden gab. Alec lachte, während er beobachtete, wie sie artig ihre Nudeln aß und keine weiteren Fragen mehr stellte.

»Wie war das Training?«, fragte Alec deswegen irgendwann an Charlie gewandt, die mit einem einfachen »Gut«, antwortete. Alec wusste nicht, warum er überhaupt fragte, da er jeden Tag die selbe Antwort erhielt.

»Hast du mit Elias trainiert?«, wollte er wissen. »Ja, aber George will in letzter Zeit auch immer mitmachen, was ein bisschen nervig ist«, erzählte sie und Alec schmunzelte.

»Du warst auch so«, kommentierte Magnus und stellte seinen leeren Teller auf dem Kaffeetisch ab, bevor er sich in seinem Sessel nach hinten lehnte. »Du hast Rafael ständig bei seinem Training genervt«, erläuterte er, wobei Alec ihm nur recht geben konnte. Nichts war schlimmer, als als Elternteil Streitereien zwischen den eigenen Kindern zu lösen.

»Ich war nicht so nervig«, stellte Charlotte klar und auch sie platzierte ihren Teller auf dem Tisch. »Oh, doch – die größte Nervensäge der Welt«, erwiderte Magnus dramatisch und blieb dabei vollkommen ernst. »Du wolltest immer alles machen, was deine Brüder gemacht haben«, erzählte Magnus weiter und Alec sah, wie sich Charlies Mundwinkel zu einem Grinsen verzogen, als sie Magnus ansah.

»Du bist gemein«, sprach sie beleidigt, trug jedoch ein Grinsen auf ihren Lippen. Alec warf Magnus einen mahnenden Blick zu. Alec würde es nie übers Herz bringen so etwas zu sagen, doch die Kinder waren an Magnus' gemeine Kommentare bereits gewöhnt.

»Und jetzt bist du auch noch so frech deinem Vater gegenüber, der dir extra Abendbrot gekocht hat«, tadelte Magnus gespielt enttäuscht, was Charlie nicht lange auf sich sitzen ließ. Abrupt erhob sie sich von ihrem Platz und trat zu Magnus, nur um ihm im nächsten Moment um den Hals zu fallen.

»Du bist viel zu groß und zu schwer dafür«, kommentierte Magnus, als Charlotte versuchte sich auf seinem Schoß niederzulassen. Irgendwann ließ es Magnus zu und legte seine Arme um seine Tochter, um sie dicht an sich zu ziehen. Zufrieden legte Charlotte ihren Kopf an Magnus' Brust und Alec konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er die beiden zusammen sah.

Er konnte es nicht fassen, dass es bereits fünfzehn Jahre her war, dass Alec sein kleines Baby in seinen Armen gehalten hatte. Charlie war nicht besonders groß, doch trotzdem wirkte sie viel zu groß für Magnus' Schoß, dem das ganze jedoch nichts auszumachen schien. Er trug ein fürsorgliches Lächeln auf seinen Lippen und strich mit einer Hand sanft über Charlies Rücken, die irgendwann ihre Augen schloss.

Unbewusst glitt Alecs Blick zu einem Bild, das auf dem Wohnzimmerschrank hinter Magnus' Sessel stand. Es zeigte Charlotte als kleines Baby in Magnus Armen und Alec konnte nicht verhindern, dass sich ein dumpfer Schmerz in seiner Brust ausbreitete. Charlotte war sein jüngstes Kind – sein letztes Kind – und sie war bereits so groß.

»Ich hab dich lieb«, flüsterte Charlotte und Alec konnte genau erkennen, wie viel Magnus diese Worte bedeuteten. Seine Augen leuchteten und sein Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln. »Ich dich auch, Charlie«, erwiderte er sofort.

»Alles gut?«, fragte Charlotte und Alec brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass die Frage an ihn gestellt war. Überrascht hob er seine Augenbrauen, »Ähm, ja«, antwortete er, was ihm weder Charlie noch Magnus abkauften. Nachdenklich legte Charlotte ihre Stirn in Falten, wobei sie Jace so sehr ähnelte, dass Alec beinahe laut gelacht hätte. Kurzer Hand erhob sie sich von Magnus' Schoß und trat zu ihm, bevor sie sich an seiner Seite auf dem Sofa niederließ.

Alec schmunzelte, als Charlie einen Kuss auf seiner Wange platzierte und sich schließlich an seine Seite schmiegte. Er legte einen Arm um sie und hielt sie dicht bei sich. Wenn er die Augen schloss, konnte er sich glatt vorstellen, dass sie noch zehn Jahre jünger war. Oh, wie er sich wünschte, die Zeit zurückdrehen zu können.

~*~

Er hatte den Abend noch lange mit Charlie auf dem Sofa verbracht, wobei sie ihm viele Geschichten ihres Trainings erzählt hatte. Ihre Geschichten mit Elias erinnerten ihn sehr an sich und Jace und er wünschte sich ebenfalls noch einmal mit seinem Parabatai trainieren zu können. Irgendwann waren sie beide vor dem Fernseher eingeschlafen und es war Magnus gewesen, der sie geweckt hatte. Normalerweise weckte der Warlock Alec auch am Morgen, wenn er das Bett verließ, doch diesmal wurde der Shadowhunter von alleine wach. Irrtiert blickte er sich in seinem Zimmer um und richtete sich zögernd auf.

Die Seite neben ihm war – wie erwartet – leer und Magnus war nirgends zu sehen. Die Tür zu dem angrenzenden Badezimmer stand offen und auch dort konnte er seinen Mann nicht erkennen. Magnus hatte jedoch die Gardinen beiseite geschoben und das Fenster geöffnet, sodass das Zimmer in helles Sonnenlicht getaucht war, das Alec vorerst blendete.

Es schien später zu sein, als er gedacht hatte und nach einem Blick auf die Uhr stellte er fest, dass es bereits halb zehn war – eine eher ungewöhnliche Zeit für ihn aufzustehen. Irritiert legte er seine Stirn in Falten, als er Stimmen aus dem Wohnzimmer hören konnte. Erst dachte er an Charlotte, doch die musste schon längst beim Training sein, außerdem hörten sich die Stimmen zu tief an, um zu Charlotte zu passen. Sein zweiter Gedanke galt Jace, der ihnen vielleicht einen spontanen Besuch abstattete.

Schnell erhob sich Alec von seinem Bett und öffnete die Schlafzimmertür, bevor er in den Flur trat. Die Stimmen kamen nicht direkt aus dem Wohnzimmer, sondern aus der anliegenden Küche und Alec konnte kaum glauben, welche Stimmen er tatsächlich ausmachen konnte. Es war nicht Jace und neben Magnus nicht nur eine sondern gleich zwei weitere Stimmen, die ihm sehr bekannt vorkamen. Er hatte diese Stimmen die letzten zwanzig Jahre schließlich fast jeden Tag gehört.

Deine Stimme ist die Musik, die ich auf der ganzen Welt am meisten liebe. Jem Carstairs Worte kamen ihm in den Sinn. Auch nach all den Jahren hatte er diese Worte nicht vergessen und erinnerte sich jeden Tag an sie.

Ein Lächeln bildete sich auf Alecs Lippen, als er nach der Türklinke griff und die Tür weit aufriss. Tatsächlich hatte er sich nicht getäuscht. An dem Küchentisch vor ihm befand sich nicht nur Magnus, sondern auch seine Söhne Max und Rafael. Alle drei schauten ihn erstaunt an, da sie ihn vermutlich nicht gehört hatten. Danach grinste jeder von ihnen über das ganze Gesicht.

»Dad!«, Max war der erste, der erfreut aufsprang und auf Alec zulief, der sofort seine Arme für seinen jüngsten Sohn ausbreite. Fest umarmte er den jungen Warlock und hielt in fest bei sich. Am liebsten hätte er ihn nie wieder losgelassen. Vermutlich musste er einen Weg finden, wie er ihn am besten an einen Stuhl fesseln und in sein altes Zimmer sperren konnte, damit er noch einige Zeit bei ihm bleiben würde.

Max war mittlerweile ein Stück größer als er selbst, was dafür sorgte, dass Max eher Alec umarmt als andersherum. Nichtsdestotrotz drückte der ältere Shadowhunter einen Kuss an Max Schläfe, was sich als etwas schwierig erwies, da Max' Hörner über die letzten Jahre deutlich größer geworden waren. Damals waren Magnus und Alec noch der Überzeugung gewesen, dass sie klein und unauffällig bleiben würden, doch ab seinem vierzehnten Lebensjahr waren sie immer mehr gewachsen und hatten sich irgendwann wie bei einem Widder in sich gedreht, was keiner von ihnen erwartet hatte.

Auch Rafael hatte sich aufgerichtet, stand nun an der Seite seines Vaters und wartete, bis dieser sich von Max löste. Noch für einen Moment drückte Alec Max fest an sich, bevor er ihn sanft von sich drückte und sein Gesicht in beide Hände nahm. Er konnte es nicht fassen, dass sein Sohn tatsächlich vor ihm stand. Es musste nun schon einige Monate her sein, dass er ihn zum letzten Mal gesehen hatte – abgesehen von den zahlreichen Facetime-Anrufen, mit denen er seinen Söhnen vermutlich schon lange auf die Nerven ging.

Als nächstes zog er Rafael in seine Arme und stellte erneut fest, dass sich an seinen Jungs nichts geändert hatte. Während Max Alec überstürzend um den Hals gefallen war und ihn etwas zu doll gedrückt hatte, war Rafaels Umarmung sanft und liebevoll, als ob er Angst hatte Alec zu zerdrücken, doch so war es schon immer gewesen. Auch ihm drückte Alec einen Kuss an die Schläfe, bevor er sich von ihm löste.

»Was macht ihr hier?«, fragte Alec erfreut und blickte erst zu Rafael, »Euch besuchen, natürlich«, antwortete dieser, was sich für Alec durchaus verdächtig anhörte. »Ist etwas passiert?«, hakte er nach, woraufhin Rafael sofort den Kopf schüttelte.

»Weißt du, wann wir das letzte Mal richtig gegessen haben, Dad? Wir sind junge, hilflose Männer, die das Kochtalent leider von dir geerbt haben«, sprach Max mindestens genauso dramatisch wie Magnus, woraufhin Alec seine Augen verdrehte.

»Ich bin gar nicht so schlecht im– «, Rafael hatte keine Chance seinen Satz zuende zu sprechen, da Max ihn mit einem unsanften Schlag auf den Hinterkopf unterbrach. Sofort schwieg sein ältester Sohn und Max grinste nur unschuldig, was Alec noch misstrauischer machte.

Er warf einen Blick zu Magnus, der am reich gedeckten Frühstückstisch saß und seine Söhne liebevoll beobachtete. Als er Alecs verwirrten Blick sah, zuckte er bloß unwissend mit den Schultern. Da sich Alec nicht beklagen wollte, strich er seinen Söhnen kurz über die Schulter, bevor er sich an den Tisch setzte.

»Na gut, ich denke ihr habt viel zu erzählen«, sprach Alec und deutete auf die freien Plätze vor sich, wo Rafael und Max bis eben noch gesessen hatten. Alec entging nicht, wie Max' Blick etwas zu schnell in Rafaels Richtung schoss. Prüfend hob Alec eine Augenbraue.

»Dad,«, fing Rafael an und nahm kurz Augenkontakt mit Magnus auf, bevor er weitersprach, »Ich dachte, wir könnten vielleicht kurz beim Institut vorbeischauen«, schlug er vor, was Alec noch mehr überraschte. Er hatte gerade nach einem Brötchen gegriffen, bevor er seine Sohn antwortete. »Ja, ich– klar... warum?«, hakte er nach und schon wieder blickte Rafael erst in die Gesichter aller anderen Anwesenden.

»Wenn wir noch vor zwölf Uhr ins Institut gehen, sind die Trainingsräume leer, also dachte ich... Ich dachte, wir könnten zusammen trainieren... so wie früher«, erklärte er und Alecs Mundwinkel fielen schlagartig nach unten. Nachdenklich legte er das Messer ab und überlegte, wie er seinem Sohn am besten erklären könnte, dass Trainieren in seiner Verfassung nicht mehr möglich war – zumindest nicht mehr so wie früher.

Trauer breitete sich in ihm aus; Er wollte mit Rafael trainieren, so wie Julian mit John trainiert hatte, doch er konnte nicht. Eigentlich war er immer davon ausgegangen, dass Rafael dies bewusst war.

»Rafe, ich–«

»Ich denke, das ist eine wunderbare Idee, Rafael«, unterbrach ihn Magnus, woraufhin Alec ihm einen überraschten Blick zuwarf. Hatte jeder den Grund vergessen, warum sich Alec gerade in diesem Moment nicht im Institut befand?

»Ich kann nicht, Rafael«, sprach Alec kleinlaut und beobachtete, wie Rafael langsam auf ihn zutrat und sich neben ihn setzte. »Ich weiß, was du denkst«, fing sein Sohn an und rückte mit seinem Stuhl näher an Alec, bis er eine Hand auf dessen Schulter legen konnte.

»Ich denke, es wird dir gut tun wieder etwas zu trainieren. Wann warst du das letzte Mal Bogenschießen?«, hakte er nach, erhielt von Alec jedoch keine Antwort. Es war schon zu lange her.

»Wir müssen nicht richtig trainieren«, erklärte Rafael und Alec versuchte ihn zu ignorieren. In letzter Zeit war er zu nah am Wasser gebaut und er konnte spüren, wie bereits jetzt Tränen in seinen Augen brannten. Er hatte gedacht, er könnte einen schönen Tag mit seinen Kindern verbringen, ohne daran erinnert zu werden, was er nicht mehr haben konnte und verloren hatte. Stumm starrte er auf das Brötchen vor sich, was er mit Marmelade bestrich, obwohl ihm der Appetit vergangen war.

»Komm schon, Dad«, in diesem Moment erinnerte Rafael Alec so sehr an ihn selbst. Wie er damals vor seinem Sohn gekniet hatte, nachdem diesem ein Training misslungen war und er sich geschworen hatte, nie wieder einen Schritt in den Trainingsraum zu setzten. Jedes Mal hatte Alec liebevoll auf ihn eingeredet und ihn dazu ermutigt nicht aufzugeben – nun tat Rafael das selbe. Bei diesem Gedanken bildete sich ein schmales Lächeln auf Alecs Lippen und er nickte zögernd.

»O.k.«, hauchte er leise und konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie Rafael breit grinste. »Sehr gut! Denk daran; vor zwölf Uhr, abgemacht?«

»Ja«, sprach Alec kleinlaut und hob seinen Blick, nur um in Magnus' Augen zu blicken, die ihn liebevoll musterten. Als ob er Alecs Gedanken lesen konnte, nickte er leicht und bestätigte ihn somit, dass seine Entscheidung wohl die richtige gewesen war.

~*~

Etwas nach zwölf Uhr stand Alec mit Rafael im Trainingsraum des Instituts, der trotz Alecs' Verspätung immer noch leer war. Er fühlte sich immer noch unwohl, als er die Waffen und Sportgeräte des Raumes betrachtete – im Gegensatz zu Rafael, der sich erfreut umblickte, fast so wie damals, als Magnus und Alec ihn ins Disney Land gebracht hatte.

Nervös umklammerte Alec mit einer Hand seinen Bogen, den Rafael ihm zu Hause in die Hand gedrückt hatte. Eigentlich hatte Alec erwartet, dass er zu Staub verfällt, sobald man ihn berührt – schließlich hatte er einige Monate im Wandschrank verbracht – doch nichts dergleichen war passiert. Der Bogen fühlte sich überraschend gut in Alecs Hand an.

»Irgendwann musst du nach Idris kommen und dir die Akademie angucken. Die Renovierungsarbeiten sind zwar immer noch im Gange, aber die Räume, die fertig sind, sehen unglaublich aus! Du würdest das Gebäude nicht wiedererkennen«, versicherte ihm Rafael mit leuchtenden Augen. »Die Trainingsräume sehen übrigens bei weitem besser aus als dieser hier«, er deutete mit einer großzügigen Handbewegung um sich.

»Früher hat jeder von diesem Trainingsraum geschwärmt«, verteidigte Alec das New Yorker Institut, »Du musst dir die anderen Institute anschauen«, fügte er hinzu und Rafael schmunzelte. »Das ist auch schon zwanzig Jahre her, Dad«, sprach er mitleidig und Alec war sprachlos – Rafael hatte recht. Zwanzig Jahre war eine lange Zeit und er hatte nicht realisiert, dass sie wirklich so schnell vergangen war.

»Bereit?«, fragte Rafael irgendwann und zückte seinen eignen Bogen, den Alec ihm damals zum achtzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Alec war stolz ihn immer noch in Besitz seines Sohnes zu sehen.

Alec lächelte; ihm war bewusst, dass Rafael nicht sein leiblicher Sohn war, doch in diesem Moment schien es, als würde er sich selbst vor sich sehen. Rafael war gekleidet in eleganter, schwarzer Ausrüstung und trug seine Haare neuerdings kürzer, sodass schwerer zu erkennen war, dass er eigentlich Locken hatte. Wenn man ihn nun von hinten sah – Bogen sicher in seiner linken Hand – könnte man meinen, dass es Alec vor zwanzig Jahren war... Zumindest Alecs Meinung nach.

Alec hingegen hatte leider nicht mehr in seine Ausrüstung gepasst, was ihn sehr frustrierte. Er trug bloß ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Jeans, was ihn nicht annähernd so elegant wie Rafael erscheinen ließ.

Demonstrativ stellte sich Rafael einige Meter vor die Zielscheibe, fischte einen Pfeil aus seinem Köcher und spannte ihn gekonnt auf seinen Bogen. Er zögerte nicht lange, bis er den Pfeil abfeuerte und er auf der Zielscheibe direkt in die Mitte traf. Alec staunte nicht schlecht, hatte jedoch nichts anderes von seinem Sohn erwartet.

»Jetzt du, alter Mann«, neckte Rafael, was Alec grinsen ließ. Er gesellte sich an Rafaels Seite und holte ebenfalls einen Pfeil aus seinem Köcher. Geschickt spannte er seinen Bogen und war überrascht, als er ungewohnt viel Kraft aufbringen musste, um die Sehne nach hinten zu ziehen. Damals hatte er Pfeile abgeschossen, ohne groß darüber nachzudenken. Diese Zeit war ihm im Kampf mit einem Dämon auch überhaupt nicht geblieben. Er ging davon aus, dass Bogenschießen wie Fahrradfahren war – das verlernt man nicht.

Er war also umso überraschter und umso enttäuschter, als der Pfeil nicht direkt in der Mitte der Zielscheibe aufkam, sondern im äußersten Ring. Einen Dämon hätte er somit wohl nur noch mehr verärgert als erlegt. Unsicher schaute er zu Rafael, der in die Richtung der Zielscheibe schaute und seine Stirn in Falten legte.

»Du bist nur ein bisschen eingerostet – das wird schon«, versicherte er Alec optimistisch, der daraufhin gequält lächelte und den nächsten Pfeil auf seinen Bogen spannte. Auch dieser Pfeil ging vollkommen daneben und Alec fragte sich, ob mit den Jahren auch sein Sehvermögen abgenommen hatte. Beim nächsten Pfeil kniff seine Augen zusammen, um das Ziel besser zu sehen, doch Rafael kam ihm zuvor.

Stumm stellte er sich neben seinen Vater und korrigierte seine Haltung; er hob Alecs Ellenbogen etwas höher und legte seine Hände an Alecs Hüfte, um seinen Oberkörper sanft zu drehen. Alec zischte leise, als er den bekannten Schmerz in seinem Becken spürte und hörte wie Rafael ein leises Sorry murmelte. Als er nun abschoss, landete der Pfeil tatsächlich etwas näher in der Mitte und nur einen Ring entfernt.

»Sag ich doch«, sprach Rafael zufrieden und klopfte Alec stolz auf die Schulter. Sprachlos schaute Alec in Rafaels Gesicht; früher hatte Alec neben Rafael gekniet und ihm das Bogenschießen beigebracht. Er schien für ihn vollkommen surreal, dass es nun Rafael war, der ihm half.

Alec schoss noch einige Pfeile mit Rafael an seiner Seite und er spürte, wie das das Grinsen in seinem Gesicht immer breiter und breiter wurde. Oh, wie er es vermisst hatte. Er hatte es erst nicht realisiert, doch er hatte schon lange nicht mehr das gemacht, war ihm wirklich Freude bereitete. Er war mehr als nur dankbar, dass Rafael ihn zu seinem Glück gezwungen hatte.

Irgendwann hatte Rafael ihm ein Schwert in die Hand gedrückt; Erst hatte Alec abgelehnt, doch Rafael hatte es wieder geschafft ihn zu übereden. Somit standen sie sich nun auf Matten gegenüber, die sein Sohn extra für ihn auf dem Boden verteilt hatte. Die Angriffe des jüngeren Shadowhunters waren vorsichtig und einfach abzuwehren. Langsam frustrierte es Alec, wie sanft Rafael mit ihm war, doch er wusste, dass er seine Grenzen bereits erreicht hatte. Seine Hüften schmerzten, doch das Adrenalin in seinem Körper sorgte dafür, dass er den Schmerz vergessen konnte.

»Dad?«, fragte Rafael irgendwann unsicher, als Alec gerade einen Hieb seines Schwertes abgewehrt hatte. »Ja?«, hakte Alec nach und wartete auf einen nächsten Angriff, der jedoch nicht kam. Zögernd ließ Rafael sein Schwert sinken.

»Ich– Also ich...«, tief atmete er ein und wieder aus, bevor er fortfuhr, »Ich liebe Ellie wirklich sehr und ich... Ich will sie heiraten...Also– Ich will sie fragen, ob sie mich heiraten möchte«, stotterte Rafael und wirkte sichtlich erleichtert, als er die Worte endlich herausgebracht hatte. Ein breites Lächeln erschien auf Alecs Lippen und er war vollkommen sprachlos.

»Glaubst du, es ist zu früh?«, hakte Rafael irgendwann unsicher nach, da Alec vermutlich zu lange geschwiegen hatte. »Nein! Ich meine; ihr seid jung – ja – aber das bedeutet nicht, dass ihr es nicht tun solltet. Ehe ist etwas schönes; es ist nicht immer einfach, aber es lohnt sich. Wir Nephilim lieben nur einmal und ich denke, Ellie ist die richtige für dich. Natürlich musst du es selbst wissen, aber wenn du... Also wenn du...«, er versuchte nach den richten Worten zu suchen, »Vielleicht solltest du lieber Papa fragen, wenn du einen richtigen Rat möchtest«, lachte er schließlich und auch auf Rafaels Lippen bildete sich ein Lächeln.

»Ich wollte aber mit dir reden«, sprach er kleinlaut und erinnerte Alec nur für einen Moment an den kleinen schelmischen Jungen, der Rafaels damals gewesen war. »Ja, tu es – frag sie«, hauchte Alec und schmiss sein Schwert auf eine der Matten. Gerührt trat er auf Rafael zu, der sein Schwert ebenfalls fallen ließ, und zog ihn in eine feste Umarmung. Rafael – sein kleines Baby, sein kleiner Prinz. Ellie sollte sich glücklich schätzen einen so wunderbaren jungen Mann an ihrer Seite haben zu dürfen.

Er spürte, dass Rafael sich langsam ihrer Umarmung entzog, doch Alec drückte ihn nur noch fester – noch nicht bereit die Umarmung zu beenden. Ein leises Lachen ertönte aus Rafaels Mund, als er aufgab und die Umarmung erwiderte.

Irgendwann löste Alec sich widerwillig von seinem Sohn, »Aber... Vielleicht könnt ihr mit Kindern noch etwas warten; Ich weiß nicht, ob ich wirklich bereit bin Opa zu werden«, sprach Alec und Rafael grinste breit. »Abgemacht«, antwortete er schmunzelnd. In Wirklichkeit würde Alec jedoch alles dafür tun, um wieder ein Baby in seinen Armen zu halten.

»Ich hab' dich lieb, Dad«, fing Rafael an und Alec war gerührt von seinen Worten. »Wirklich, ich–.... Vermutlich habe ich es dir in letzter Zeit nicht oft genug gesagt. Und Danke; für all das, was ihr für mich getan habt. Wer weiß, wo ich jetzt ohne euch wäre«, beinahe platzte Alec vor Stolz; wenn sein Sohn nach all den Jahren diese Worte zu ihm sagte, hatte er wohl alles richtig gemacht, obwohl er so oft an sich als Vater gezweifelt hatte. Er erinnerte sich noch genau an all die Tage, an denen er sich heimlich in den Schlaf geweint hatte, nur weil er gewisses Handeln bereut hatte.

»Du brauchst dich nicht zu bedanken, Rafe. Magnus und ich sind deine Eltern – es ist unser Job alles für dich und deine Geschwister zu tun«, sprach er liebevoll und ein schmales Lächeln bildete sich auf Rafaels Lippen. »Und ich versichere dir; es ist der beste Job, den ich je hatte«, fügte er noch hinzu, was Rafael noch breiter Lächeln ließ.

Für einen Moment starrte Alec seinen Sohn wortlos an – ein breites Grinsen auf seinen Lippen. Er konnte es nicht glauben, dass sie es tatsächlich geschafft hatten, ihren kleinen Prinzen zu einem so wundervollen jungen Mann großzuziehen. Adoption war schwer und obwohl sich Alec größtenteils nur an die schönen Momente erinnerte, hatte es genauso viele dunkle Momente geben. Momente in denen er viel an sich gezweifelt hatte und er wusste, dass dies auch für Magnus zutraf.

»Ich hab' Hunger«, verkündete Rafael irgendwann und Alec wurde aus seinen Gedanken gerissen. »Ja«, sprach er abwesend, »Lass uns nach Hause gehen«,

~*~

Das gemeinsame Essen hatte Alec unerwartet gut getan. All seine Kinder hatten um ihn herum gesessen und sich lautstark miteinander unterhalten. Erst dann hatte Alec realisiert, wie leise die Wohnung geworden war, seit Max und Rafael ausgezogen sind. Er hatte wortlos an seinem Platz gesessen und seinen Kindern zugehört, bis Magnus liebevoll eine Hand auf sein Knie gelegt hatte. Alec hatte das Lächeln erwidert, das sein Mann ihm zugeworfen hatte.

Es war wie frührer gewesen, weshalb ihm der Abschied umso schwerer gefallen war. Der Abend war viel zu schnell umgegangen und es würde vermutlich Ewigkeiten dauern, bis er seine Söhne wiedersah. Immer wieder redete er sich ein, dass immerhin noch Charlie bei ihm war und er die Zeit mit ihr schätzen musste, doch wenn er daran dachte, dass auch sie bald erwachsen war, zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen.

Tief atmete Alec aus, als er die Tür hinter Rafael und Max schloss, die ihm jeweils einen Kuss auf die Wange gedrückt hatten. Als Magnus Rafael in seine Arme geschlossen hatte, war Alec aufgefallen, wie sehr sein ältester Sohn Magnus' optischen Alter immer näher kam. Mittlerweile konnte Rafael als Magnus' bester Freund durchgehen und nicht als sein Sohn, was Alec noch nostalgischer machte.

Alec war überrascht, als sich Charlie an seine Seite schmiegte und ihre Arme um ihn legte. Schmunzelnd erwiderte er ihre Umarmung und drückte einen Kuss auf ihr rotes Haar. Auch sie hatte es sichtlich genossen ihre großen Brüder wiederzusehen, was Alec vollkommen nachvollziehen konnte. Charlotte hatte schon immer zu Rafael und Max aufgeschaut und selbst nach all den Jahren hatte sich dies nicht verändert.

Sie flüchtete kurzer Hand in ihr Zimmer und ließ Magnus und Alec mit all dem dreckigen Geschirr zurück, doch Alec beschloss nichts zu sagen. Er war viel zu glücklich, um sich nun zu beschweren, weshalb er motiviert den Esstisch abräumte, bis Magnus an seiner Seite erschien und die Unordnung mit einem Fingerschnippen beseitigte.

Auch Magnus legte einen Arm um seine Schulter und drückte ihn in eine Umarmung. Er erkannte den fürsorglichen Blick in Magnus' Gesicht, den er nur zu gut kannte. Alec schenkte ihm ein müdes Lächeln, woraufhin Magnus ihm mit seinem Handrücken sanft über die Wange strich. Alec ließ sich in Magnus' Arme fallen – erst jetzt spürte er, wie erschöpft er von dem heutigen Training war. Seine Musklen schmerzten und vor allem seine Hüfte meldete sich zu Wort.

»Ich weiß genau, was du jetzt brauchst«, sprach Magnus euphorisch, als Alec wie ein nasser Sack in seinen Armen hing. Erwartungsvoll zog Alec seine Augenbrauen in die Höhe, was Magnus jedoch nicht sehen konnte.

»Komm mit«, befahl Magnus und führte ihn durch den Flur ins Badezimmer, wo er mit einer kurzen Handbewegung dafür sorgte, dass sich die Badewanne mit Wasser füllte; dazu erschien eine übertriebene Menge an Schaum auf der Oberfläche. Erleichtert schloss Alec seine Augen und schmunzelte, als er sich noch dichter an Magnus schmiegte; Sein Mann kannte ihn zu gut.

Er ließ zu, dass Magnus ihm aus seinen Klamotten und in die Badewanne half. Normalerweise hätte er diese Hilfe eher verweigert, doch an diesem Tag hatte Alec beschlossen, sich von seinen Angehörigen etwas verwöhnen zu lassen. Erleichtert ließ er sich in das warme Wasser der Badewanne sinken und seufzte leise, als seine Muskelschmerzen langsam nachließen. Er hatte das Training mit Rafael mehr als nur genossen, doch sein Körper rächte sich nun und er vermutete, dass es am Morgen noch schlimmer sein würde.

»Ich werde alt«, sprach er und hörte Magnus hinter sich leise Kichern. Auch er stieg in die Badewanne und nur kurze Zeit später legten sich zwei starke Arme um seinen Oberkörper und er wurde an die Brust des Warlocks gedrückt. Müde legte Alec seinen Kopf in den Nacken und lehnte ihn an Magnus' Schulter.

»Nein, du bist nur außer Form«, erwiderte Magnus und drückte einen Kuss an Alecs Schläfe, der daraufhin lächelte. Er genoss es, wie sich sein Körper langsam aufwärmte und wie Magnus ihn einfach bei sich hielt.

»-und alt; hast du meine grauen Haare gesehen?«, fügte Alec hinzu, was Magnus erneut kichern ließ. Sanft fuhr Magnus mit seinen Fingern durch Alecs Haare, der daraufhin seine Augen schloss und tief ein- und ausatmete. »Ich bitte dich – welche grauen Haare?«, spottete Magnus und ließ Alecs kurze Haare prüfend durch seine Finger gleiten. Alec wusste, dass auch Magnus sie sehen konnte; sie waren nicht allzu auffällig, aber wenn man genauer hinsah, konnte man hier und da sehen, wie die silbernen Strähnchen zwischen den dunklen herausstachen. Alec hatte es bisher oft genug im Spiegel gesehen.

»Ich bin einige Jahrhunderte älter als du«, warf Magnus ein und Alec grinste. »Ja, mein Sugar-Daddy«, seufzte Alec leise und hörte, wie Magnus ein angewidertes Geräusch von sich gab. Überrascht zuckte Alec zusammen, als Magnus kurzerhand gegen seine Schläfe schnipste. »Aua«, beschwerte sich Alec gespielt betroffen und entschied sich dafür, den Begriff nie wieder aufzubringen.

Für einige Zeit herrschte absolute Stille zwischen ihnen. Nur das Plätschern des Wassers war zu hören, wenn sich einer von ihnen bewegte. Magnus strich immer wieder mit seinen Fingern über Alecs Arme und Schultern, sodass der Shadowhunter beinahe einschlief. Es war schön Zeit mit seinem Mann auf diese Weise zu verbringen. Je länger man verheiratet war, desto selbstvertsändlicher wurde die Anwesenheit des anderen und desto mehr schätzte man intime Momente wie diese – vor allem wenn Alec daran dachte, wie oft sie vor zwanzig Jahren zusammen gebadet hatten.

»Du hast die Jungs angerufen, nicht wahr?«, hakte Alec irgendwann nach. Obwohl Magnus nichts sagte, wusste Alec, dass er grinste. Prüfend öffnete er ein Auge und schaute zu seinem Mann, nur um seine Vermutung zu bestätigen.

»Sie sind keine guten Schauspieler«, stellte Alec klar, »Das habe ich mir gedacht«, kommentierte Magnus und Alec lachte.

»Danke«, flüsterte Alec und spürte, wie sich Magnus' Griff um seinen Oberkörper verstärkte. Dieses einfache Wort konnte Alecs Dankbarkeit nicht ausdrücken, doch er hatte das Gefühl, dass Magnus bereits wusste, wie viel ihm das Training und der Besuch bedeutet hatte.

»Ich habe meine Jungs auch vermisst«, ließ Magnus ihn wissen und Alec nickte verständnisvoll.

»Rafael...«, Alec wusste nicht genau, wie er anfangen sollte und ob es wirklich sein recht war Magnus von den Plänen seines ältesten Sohnes zu erzählen, doch er versuchte es trotzdem. »Er...er möchte Ellie heiraten«, sprach er und öffnete seine Augen. Magnus' warme Hand, die über seinen Arm strich, hielt kurz inne.

»Das war zu erwarten, denke ich«, sprach er liebevoll und Alec drehte seinen Kopf in die Richtung seines Mannes. »Er will heiraten, Magnus«, betonte er, da Magnus etwas zu gelassen schien. »Ich hoffe, du hast nicht so reagiert, als er dir davon erzählt hat«, schmunzelte sein Gegenüber und Alec schüttelte ungläubig den Kopf.

»Er hat doch erst gestern noch in meinen Armen gelegen und mit Benni gekuschelt«, sprach Alec seufzend und Magnus brummte zustimmend. »Was wohl mit Benni passiert ist?«, fragte er nachdenklich und auch Alec überlegte kurz, schob den Gedanken jedoch schnell beiseite.

Magnus' Hand glitt immer noch gleichmäßig über seinen Arm, bis Alec schließlich nach ihr griff und die dazugehörigen Ringe prüfend musterte. »Ich hoffe, du kannst deinen Ring entbehren?«, hakte er nach und hörte, wie Magnus schockiert einatmete, als Alec seinen Daumen über den Lightwood-Familienring gleiten ließ. »Was? Natürlich nicht!«, empörte sich Magnus und zog seine Hand aus Alecs Griff. Alec, der diese Reaktion geahnt hatte, lachte leise.

»Das ist mein Ring – natürlich werde ich ihn nicht hergeben«, verteidigte er sich und verdeckte den Ring schützend mit seiner anderen Hand. »Der Familienring wird an den ältesten Sohn weitergegeben«, erklärte Alec, doch Magnus schien immer noch nicht zu verstehen; »Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert!«, sprach er geschockt.

»Es ist Tradition«, schmunzelte Alec drehte sich in der Badewanne so, dass er Magnus direkt in die Augen schauen konnte. Überrascht stellte er fest, dass er tatsächlich Panik in ihnen sehen konnte. »A-aber es ist meiner«, erwiderte Magnus erneut und Alec bekam wirklich Mitleid, als er Magnus' Augen verdächtig glänzen sah.

»Magnus«, lachte Alec, »Ich werde dir deinen Ring nicht wegnehmen«, versicherte er ihm, worauf Magnus überrascht seine Augenbrauen in die Höhe zog. »Es ist deiner«, sprach nun auch Alec. Er hatte nicht daran gedacht ihn Rafael zu geben, es sollte nur ein kleiner Scherz sein, um Magnus zu schocken, der es anscheinend viel zu ernst genommen hatte.

»Die Tradition des Familienrings hat sich über die Jahre stark geändert«, versuchte er zu erklären und lehnte sich wieder mit dem Rücken an Magnus' Brust. Er hörte Magnus erleichtert ausatmen und griff nach seiner Hand, an der er den Familienring trug. Nachdem er Magnus' Finger genau betrachtete, stellte er fest, dass er sich seinen Mann nicht mehr ohne den Ring vorstellen konnte. Auch er könnte es nicht übers Herz bringen den Ring wegzugeben. In der Lightwood-Familie wurde der Ring meist dann weitergegeben, wenn der Besitzer verstarb. Magnus' Nachkommen konnten also noch sehr lange auf ihren Ring warten.

»Rafael muss sich wohl selbst einen Ring besorgen«, sprach Alec und zuckte unschuldig mit den Schultern. »Eigentlich wäre es doch Zeit für einen Lightwood-Bane-Ring, oder nicht?«, scherzte Magnus und Alec versuchte sich diesen Ring vorzustellen. »Vielleicht musst du Rafael von der Idee erzählen«, schlug Alec vor und spürte, dass nun auch Magnus mit den Schultern zuckte.

»Was hast du ihm gesagt, als er es dir erzählt hat?«, fragte Magnus und strich sanft über Alecs Schultern. »Dass es eine großartige Idee ist. Die beiden sind war noch jung, aber ich weiß, dass es die richtige Entscheidung ist. Nephilim lieben nur einmal, dafür umso stärker, und ich habe keine Zweifel, dass Ellie die Eine für Rafael ist«, antwortete Alec ehrlich und spürte, wie sich Magnus' Griff um ihn verstärkte.

»Dann habe ich Glück, dass ich für dich der Eine bin«, flüsterte Magnus in sein Ohr. Sein Atem kitzelte und Alec konnte nicht anders als peinlich zu kichern. »Ich habe es dir schon oft genug gesagt. Du willst nur, dass ich wieder dein Ego pushe«, sprach Alec kleinlaut und schob es auf das warme Wasser, dass sein Gesicht plötzlich heiß wurde.

»Ich vermisse Max und Rafael manchmal mehr, als ich zugeben möchte«, gab Alec irgendwann zu und Alec summte verständnisvoll, »Ich glaube, ich werde Rafaels Hochzeit nicht überleben können. Was ist, wenn wir schon bald Großeltern werden?«, entsetzte er sich, »Kannst du dir Rafael als Vater vorstellen? Er ist doch unser Baby«, seufzte Alec und hörte Magnus leise lachen.

»Mach dir nicht so viele Gedanken«, riet er Alec und massierte seine Schultern, doch Alec konnte sich nicht entspannen. »Wie kannst du so ruhig bleiben? Wir reden über die Hochzeit unseres Sohns«, versuchte Alec ihm klar zu machen.

»Ich hab so einiges über die Jahre gelernt, Alexander. Die Zeit war schon immer mein Feind, aber ich habe beschlossen, nicht mehr dagegen anzukämpfen«, erklärte Magnus ihm ruhig. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich wünschte, dass die Kinder wieder klein wären. Mein größter Wunsch ist es, die Zeit komplett anzuhalten, aber es ist unmöglich, also macht es keinen Sinn zu trauern. Ich erinnere mich lieber an schönen Zeiten und versuche die dunklen Zeiten zu verdrängen, die noch auf mich zukommen werden«, fügte er hinzu und Alec wurde still. Er wusste, dass Magnus recht hatte, doch er konnte die dunklen Zeiten nicht verdrängen.

Seufzend sank er tiefer in das warme Wasser der Badewanne und lehnte seinen Kopf an Magnus Brust, der ihn fest an sich hielt, sodass er nicht zu tief rutschte. »Manchmal frage ich mich, ob du wirklich weißt, wie sehr ich dich liebe«, sprach Alec, als er Magnus' Lippen an seiner Schläfe spürte. Überrascht lachte der Warlock. »Ah, genau das hatte ich für mein Ego gebraucht«, erwiderte er zufrieden.

Alec verdrehte die Augen, doch es stimmte; er liebte Magnus so sehr, dass es wehtat. Er wusste, dass Magnus der Eine war und wenn Rafael auch nur halb so viel für Ellie empfand, wie Alec für Magnus, dann wäre es Grund genug für die beiden zu heiraten. Alec selbst würde Magnus am liebsten noch ein weiteres Mal heiraten, um der ganzen Welt zu zeigen, wie stark seine Gefühle gegenüber dem Warlock waren.

»Wie war das Training wirklich?«, fragte Magnus irgendwann – seine Stimme war liebevoll und er schien wirklich interessiert zu sein. Alec dachte zurück an das Gefühl von Euphorie, was er verspürt hatte, als er die Mitte der Zielscheibe getroffen hatte.

»Es hat gut getan«, sprach er ehrlich und meinte spüren zu können, wie Magnus erleichtert ausatmete. »Du wirkst... glücklicher«, sagte Magnus und Alec schmunzelte. War er das?

»Aber weißt du, was mich wirklich frustriert hat?«, fragte Alec irgendwann, als eine etwas längere Stille entstanden war. Umständlich drehte er seinen Kopf, um Magnus anschauen zu können. Erwartungsvoll hob der Warlock seine Augenbrauen, bevor Alec antwortete.

»Ich passe nicht mehr in meine Shadowhunter-Ausrüstung«, seufzte Alec dramatisch und hörte Magnus leise kichern. »Siehst du, das passiert, wenn du uns jeden Sonntag Waffeln oder Pancakes zauberst. Ich mache keinen Sport mehr wie früher; wenn du mich also weiterhin so verwöhnst, werde ich bald durch die Wohnung rollen«, erklärte Alec und musste zugeben, dass es ihn wirklich frustriert hatte.

Sein Leben lang war Alec immer schlank und als Teenager für seinen Geschmack sogar etwas zu zierlich gewesen. Erst ab Anfang Zwanzig war er muskulöser geworden und war somit ein wahrer Spätzünder gewesen – zumindest für Shadowhunter-Verhältnisse. Er hatte Jace immer beneidet, der schon mit fünfzehn so erwachsen ausgesehen hatte. Das tägliche Training und der anstrengende Job hatten dafür gesorgt, dass Alec immer eine sportliche Figur gehabt hatte, doch in den letzten zwei Jahren hatte sich dies stark geändert. Seit dem Unfall war schnelles Gehen die einzige Sportübung, die er ausführen konnte und das brachte gewisse Folgen mit sich.

Ehe er sich versah, war er sein Six-Pack losgeworden und hatte hier und da etwas mehr zugelegt, was er nun vor allem an seiner Shadowhunter-Ausrüstung erkennen konnte. Den Verschluss der Hose hatte er zumindest nicht schließen können.

»Das meinst du nicht so; du könntest niemals auf meine belgischen Waffeln verzichten«, sprach Magnus und Alec musste zustimmen. Magnus hatte ihn für immer verdorben.

»Mir gefällst du, so wie du bist«, fügte Magnus noch hinzu, woraufhin Alec die Augen verdrehte. »Um ehrlich zu sein gefällst du mir so sogar besser«, grinste er und ließ seine Hand zu Alecs Bauch gleiten, über den er sanft strich, »Sehr viel bequemer«, fügte er hinzu und legte seinen Kopf an Alecs Schulter. Wie ein Äffchen klammerte er sich an den Shadowhunter, der spöttisch lachte.

»Ich weiß nicht, ob bequem ein Kompliment ist«, sprach er zögernd und hörte nun auch Magnus lachen. »Du bist perfekt, Alexander«, hauchte Magnus schließlich in sein Ohr und nach all den Jahren, in denen er extreme Selbstzweifel gehabt hatte, konnte er endlich sagen, dass er Magnus tatsächlich glaubte. Nicht, dass er perfekt war, aber dass er für Magnus perfekt war, genauso wie der Warlock für Alec perfekt war.

Ruckartig drehte sich Alec in der Badewanne um, sodass das Wasser beinahe über den Rand schwappte. Der Schaum hatte sich mittlerweile fast komplett aufgelöst, doch das Wasser war immer noch warm, wofür vermutlich Magnus verantwortlich war. Dieser hob überrascht seine Augenbrauen, als sich Alec rittlings auf seinem Schoß drapierte. Kurzer Hand drückte Alec seine Lippen auf die von Magnus, der seinen Kuss sofort erwiderte.

Er erinnerte sich, dass er sich damals gefragt hatte, ob das Kribbeln in seinem Körper mit den Jahren nachlassen würde. Nun konnte er mit fester Überzeugung sagen, dass es nicht so war. Immer noch konnte er die bekannten Schmetterlinge in seinem Bauch spüren, wenn Magnus in seiner Nähe war und er war froh, dass dieses Gefühl nie nachgelassen hatte.

Magnus seufzte leise, als Alec mit seiner Zunge sanft über die Lippen des Warlocks fuhr und er hätte dahin schmelzen können; ihm wurde immer wärmer und das Wasser schien fast unerträglich heiß zu werden, doch Alec hätte es nicht weniger kümmern können. Für ihn existierte in diesem Moment nur Magnus. Die beiden hatten in letzter Zeit viel zu wenig Zeit nur zu zweit verbracht und Alec beschloss dies nun nachzuholen.

Er ließ seine Lippen zu Magnus' Mundwinkel gleiten, danach zu seiner Wange, seinem Kiefer und schließlich zu seinem Hals. Entspannt lehnte sich Magnus in der Badewanne zurück und Alec genoss es ihn so zu sehen. Die Augen seines Mannes schlossen sich und er legte seinen Kopf leicht zu Seite, damit Alec seinen Hals küssen konnte. Dies ließ sich der Shadowhunter nicht zweimal sagen; sofort legte er seine Lippen zurück an Magnus' Haut und ließ keinen Zentimeter unberührt.

Auch Alec seufzte, während Magnus seine Hände über Alecs Rücken streichen ließ. Ein leises Lachen entwich seinen Lippen, als Magnus seine Hände schließlich auf seinen Hintern legte und ihn näher an sich zog. Erneut zog Alec seinen Mann in einen leidenschaftlichen Kuss und legte seine Arme um seinen Hals.

»Charlotte ist im Raum nebenan«, erinnerte Alec, während Magnus mehrere Küsse an Alecs Hals platzierte. »Dann musst du wohl leise sein«, antwortete er unschuldig, woraufhin Alec seine Augen verdrehte. »Du hast angefangen«, fügte Magnus hinzu, weshalb beide leise lachten.

»Hör auf«, sprach Alec und griff mit einer Hand nach Magnus' Handgelenk, als dessen Hände noch weiter nach unten wanderten und sich eine Gänsehaut über Alecs Körper ausbreitete. Wieder schaute ihn Magnus bloß mit unschuldigen Katzenaugen an – seine Pupillen geweitet, sodass man das schöne Gold-Grün seiner Iris kaum erkennen konnte. Noch nie hatte Alec diesem Blick widerstehen können.

Er hatte nur eine Hand aufhalten können; die andere Hand wanderte weiter zwischen Alecs Beine, ohne dass er sie aufhalten konnte. »Magnus«, zischte Alec leise und verfiel in ein Lachen, woraufhin Magnus tatsächlich von ihm abließ (etwas zu Alecs Enttäuschung).

»Was?«, grinste Magnus, »Dir gefällt es«, stellte er fest und warf einen vielsagenden Blick zwischen seinen und Alecs Körper. Lachend schüttelte Alec den Kopf und beobachtete Magnus' Gesichtszüge. Erst grinste er breit, was Alec nur erwidern konnte. Über all die Jahre hatte Alec festgestellt, dass Magnus äußerst selten so lachte, dass man seine Zähne und die kleinen Fältchen an seinen Augen sehen konnte. Wenn er lächelte, tat er dies meist ohne Zähne und Alec hatte gelernt, dass das Grinsen, was er nun auf seinen Lippen trug, nur für ganz besondere Menschen bestimmt war. Alec war froh, dass er einer dieser Menschen war.

Er hatte wohl zu lange gestarrt, denn irgendwann verschwand das Grinsen von Magnus' Lippen und nur ein schmales Lächeln blieb zurück. Unbewusst hatte sich Alecs Griff um Magnus' Hand gelockert, sodass der Warlock seine Hand mit Leichtigkeit befreien konnte und sie somit sanft auf Alecs Brust legte. Diesmal war es Alec, der sich nicht beherrschen konnte, als er seine Lippen erneut auf denen seines Mannes platzierte und ihn küsste, wobei Magnus' Hand auf seiner Brust immer weiter nach unten glitt – gefährlich weit nach unten.

Kurzer Hand beschloss er seinen Mann diesmal nicht aufzuhalten. Wenn ihm schon ein Moment Zweisamkeit mit Magnus gewährt wird, sollte er ihn in vollen Zügen ausnutzen, was Alec tat. Es waren immerhin diese Momente, die für Alec die Zeit anhielten – zumindest schien es so – und das war schließlich alles, was er wollte.

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(08.05.2019)

Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat mit dem Update :-(
Hatte irgendwie eine Schreibblockade aber nach dem Finale von Shadowhunter musste ich mich einfach zusammenreißen und etwas hochladen!
Schreibt mir ruhig eure Meinungen zu dem Finale!! Ich bin gespannt, was ihr so denkt.

Außerdem wollte ich euch noch fragen, ob ihr irgendwelche Wünsche für weitere Kapitel habt :-) Ich habe natürlich selbst noch einige Ideen und habe sogar schon einiges geschrieben, was nur im Moment noch nicht zeitlich in die Story passt.

Aber vielleicht gibt es etwas, was ihr schon immer einmal bezüglich Malec lesen wolltet :-)

Falls es noch jemanden interessiert ist hier meine Meinung zu dem Finale:

Ich finde, man hat leider sehr gemerkt, dass sie Schwierigkeiten hatten, die Show in nur zwei Episoden zu beenden, aber ich nehme es ihnen auf keinen Fall übel. Für Malec war es ein wirklich perfektes Ende und vor allem die Idee, dass Magnus nun der High Warlock of Alicante ist, hat mir sehr gefallen :-)

Aber Clace... uff
Ich weiß nicht so richtig, was ich von dem Ende halten soll. Auf der einen Seite ist es dadurch natürlich ein Ende, an das man sich immer erinnern wird, weil es meiner Meinung zu dem ganzen Ablauf der Show passt. Es ist definitiv traurig aber auch schön.
Eigentlich war es damit ja sogar ziemlich nah an den Büchern, wo Simon derjenige ist, der die Shadow-World vergisst und sich am Ende durch Magnus doch ein bisschen erinnern kann :-)

Ich habe mich sehr über die Alliance-Rune gefreut!! Es war eine meiner Lieblingsstellen in den Büchern, obwohl ich ja ein bisschen traurig war, dass Magnus und Alec sich ihre Fähigkeiten nicht geteilt hatten :-( Aber trotzdem habe ich mich sehr gefreut!

Und nicht zu vergessen; das Los Angeles Institut! Ich habe mich wirklich riesig gefreut nach Institut zu sehen :')

And can we please talk about Harry's acting skills, als er mit Lilith geredet hat. Ahhh, loved it.

Nun zu den Dingen, die mir nicht soo gefallen haben (no offense)

Jocelyn? I don't know about you, aber ich fand das ziemlich unpassend. Auch dass Clary Isabelles Parabatai werden wollte, fand ich ziemlich fragwürdig, vor allem weil sie in der Show schon so alt sind, aber gut.
Jonathans Tod fand ich auch nicht soo gut dargestellt, aber ich fühle mich schlecht, wenn ich mich darüber beschwere. Ich persönlich habe ja auf den „Judas Kuss" aus den Büchern gewartet.

Ich bin wirklich sehr traurig, dass die Show jetzt vorbei ist, aber wenigstens schreibt Cassandra Clare noch einige Bücher :')

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