27. Pulvis et umbra sumus
Pulvis et umbra sumus
»Hey!«, beleidigt zog Charlotte ihre Hand weg, als Magnus leicht auf sie schlug. Ihre langen Finger hatten gerade versucht einen weiteren Keks von Magnus' akribisch angerichteten Kunstwerk zu stibitzen, das er auf dem Esstisch platziert hatte. Charlotte und er hatten bereits am Morgen angefangen Kekse zu backen, wobei die Hälfte des Teigs wohl von Charlie roh gegessen und die Hälfte der tatsächlich gebackenen Kekse ebenfalls von ihr verzehrt worden waren. Nun hatte er die restlichen dekorierten Kekse auf einem antiken Teller platziert und sie angeordnet. Endlich konnte er sich von dem anstrengenden Keksebacken erholen, wäre dort nicht Charlie gewesen, die immer noch Hunger zu haben schien.
»Nur einen einzigen!«, bettelte sie und schlang ihre Arme dramatisch um Magnus' Hüfte, der einen prüfenden Blick auf den Teller warf. Er hatte geplant die Kekse wenigstens noch bis morgen aufzuheben; es würde zu ihrem Weihnachtsfrühstück passen, doch dem Blick seiner Nichte konnte er nur schwer standhalten.
Seufzend nahm er einen pinken Stern von der obersten Reihe an Keksen und achtete darauf, dass das Fehlen des Keks nicht auffallen würde. Siegessicher grinste Charlotte, griff nach dem Keks und steckte ihn in einem Stück in ihren Mund. »Danke«, murmelte sie mit vollem Mund und Magnus verdrehte seine Augen. Auch noch im Teenager-Alter hatte das kleine Mädchen ihn vollkommen um ihren Finger gewickelt.
»Ich will sie am liebsten jetzt schon auspacken«, seufzend legte sie sich auf den Boden vor den großen Tannenbaum, den sie bereits letzte Woche aufgestellt hatten. Er glitzerte in Gold und Rot, darunter der Weihnachtsschmuck, den Charlotte und Max damals gebastelt hatten, er passt nicht wirklich dazu, doch es war eine niedliche Erinnerung.
»Diesmal kriegst du mich nicht 'rum«, mahnte Magnus und stieg über ihren schmalen Körper, um zu der Couch zu gelangen, auf der er sich schließlich niederließ. Charlie kicherte bloß und hatte schließlich eine neue Beschäftigung gefunden; Elvis Catsley – der etwas ältere rote Kater mit dem überstehenden Zahn – hatte sich zu ihr gesellt und ließ sich von ihr streicheln, wobei er sein helles Fell auf ihrem schwarzen Kleid und der schwarzen Strumpfhose verteilte.
Obwohl die Wohnung festlich geschmückt war und zusätzlich nach frischen Keksen roch, war Magnus nicht wirklich in Weihnachtsstimmung. Er war alleine mit Charlotte im Wohnzimmer, während sich Rafael und Max in ihren Zimmern aufhielten und vermutlich auch nicht so schnell herauskommen würden. Alec war wie gewohnt im Institut. Was genau er tat, wusste Magnus nicht. Es waren also nur er, Charlie und Elvis, der schließlich genug von Charlotte hatte und träge in die Küche trottete.
Nach all den Jahren hatte er eigentlich gedacht, dass er Alec erfolgreich an die menschlichen Feiertage gewöhnt hatte, doch er war immer noch voll und ganz ein Shadowhunter – er verstand nicht, warum Magnus Heiligabend so wichtig war. Wenigstens konnte er mittlerweile verstehen, wie wichtig Weihnachten für Magnus war, doch mit den restlichen Feiertagen tat er sich immer noch schwer.
»Endlich liegt wieder Schnee an Weihnachten«, sprach Charlie, die sich zu Magnus gesellt hatte und aus dem Fenster schaute, das sich über der Couch befand. Schmunzelnd schaute Magnus zu seiner Nichte, die mit großen Augen auf die Straßen von Brooklyn schaute. Tatsächlich hatten sie den ersten Schnee nach einigen Jahren, der wirklich liegen blieb. Über der gesamten Stadt lag eine weiße Decke, wobei der Verkehr in der Großstadt eher dafür gesorgt hatte, dass auf den Straßen eine braune Pampe zurückblieb.
Auch auf Max und Rafael schien Alecs Verhalten abgefärbt zu haben. Die beiden interessierten sich für Weihnachten eher weniger, obwohl Max durch die Schule noch mehr involviert wurde. Doch vor ein paar Jahren hatte seine Aufregung immer und immer mehr abgenommen, anders als bei Charlie, die sich genauso wie Magnus freute. Schon Ende Oktober hatte sie die Klaviernoten für Weihnachtslieder herausgekramt und sie fröhlich gespielt. Magnus hatte nichts dagegen gehabt; er liebte es seine Nichte spielen zu hören. Eines der wenigen Dinge, was Jace ihr gelehrt hatte (zumindest zu Beginn – später hatte Magnus als Klavierlehrer einspringen müssen).
Aus der Küche ertönten die bekannten Zeilen von Last Christmas und Magnus hörte, wie Charlie leise mitsang, während sie immer noch wie hypnotisiert aus dem Fenster schaute. Magnus musste gestehen, dass ihm Weihnachten früher ebenfalls nicht besonders wichtig gewesen war. Er war nie religiös gewesen und wenn man achthundert Jahre lang jedes Jahr immer den selben Tag feierte, wurde er irgendwann weniger besonders und magisch, das gleiche galt für die restlichen Feiertage, inklusive seinem Geburtstag.
Erst seit er Alec an seiner Seite hatte, hatte er wieder Freude an den Festtagen gefunden. Es war der Gedanke, dass diese Tage im Jahr immer noch etwas besonderes für den Shadowhunter waren, obwohl er sie nicht richtig feierte. Als Magnus ihn kennengelernt hatte, hatte er mit ihm zusammen gerade einmal sein siebzehntes Weihnachten gefeiert. Das war eine wirklich lächerliche Zahl, wenn man sie mit Achthundert verglich. Feiertage und Geburtstage waren immer noch etwas besonderes – jedes Jahr wurde man reifer, man veränderte sich optisch und jeder Feiertag wirkte dadurch wie ein Meilenstein. Man konnte zurücksehen auf das, was man im vergangenen Jahr geschafft und erreicht hatte. Nach achthundert Jahren veränderte man sich jedoch eher wenig.
Aus diesen Gründen hatten Magnus vor allem die Weihnachten mit Kindern am besten gefallen. Er war bittersüß zu sehen, wie sie langsam groß wurden und wie sich ihre Wünsche an Weihnachten veränderten. Auch für Magnus war es neu gewesen jemanden aufwachsen zu sehen und das hatte die Feiertage und auch Geburtstage plötzlich wieder besonders gemacht. Es war interessant gewesen zu sehen, wann die Kinder den Sinn von Weihnachten wirklich verstanden hatten.
Magnus griff nach dem Buch auf dem kleinen Kaffeetisch vor seinen Füßen und fing an zu lesen, während Charlotte immer noch fasziniert aus dem Fenster schaute. Irgendwann ließ sie sich elegant neben ihm nieder und rutschte näher an ihn heran, bevor sie ihre Arme um ihn schlang. Schmunzelnd erwiderte Magnus die Umarmung mit einem Arm und ließ zu, dass Charlie ihren Kopf an seine Schulter lehnte.
»Charlie!«, lachte er, als seine Nichte ihn seitlich in die Kissen drückte und sich dichter an ihn kuschelte, sodass er keine Chance hatte sich auf sein Buch zu konzentrieren.
»Was ist los?«, fragte er, während sich Charlotte auf ihn legte und ihre Arme um seinen Bauch schlang. Sie kicherte und kuschelte sich fester an ihn. »Nichts«, sprach sie unschuldig und drückte ihn fester. Schon früh hatte Magnus gemerkt, dass es doch große Unterschiede zwischen Söhnen und Töchtern gab. Mittlerweile sah er Charlie definitiv als seine Tochter an und hatte gemerkt, dass er weniger Angst hatte, dass sie durch seine Finger glitt, so wie es bei seinen Söhnen der Fall war.
Früher – als Max und Rafael noch jünger gewesen waren – hatte er sich immer gefragt, wann wohl das letzte mal sein würde, dass sie auf seinem Schoß saßen oder ihn in den Arm nahmen. Er hatte zwanghaft versucht an jedem winzigen Moment festzuhalten, aus Angst es könnte der letzte sein. Max und Rafe waren viel zu schnell groß geworden und mit der Zeit hatten sie das Interesse an Zuwendung vollkommen verloren. Eine Umarmung was das höchste aller Gefühle, anders als bei Charlotte.
Sie war zwar fast selbstständiger als die Jungs, doch oft saß sie zwischen Magnus und Alec auf der Couch und wollte einfach nur in ihrer Nähe sein. Es verging kein Tag, an dem Magnus nicht eine von Charlies liebevollen Umarmungen oder flüchtigen Küssen erhielt oder ein kurzes hab dich lieb, bevor sie ins Bett ging, während er diese Worte von seinen Söhnen schon lang nicht mehr gehört hatte. Magnus hatte also schon früh gemerkt, dass er keine Angst haben musste, dass Charlotte zu schnell erwachsen wurde. Außerdem hatte er gemerkt, dass es tatsächlich besonders war eine Tochter zu haben. Er war für immer dankbar für seine Kinder, von denen er damals nicht einmal gewagt hatte zu träumen.
Er hatte nicht gemerkt, dass er langsam eingeschlafen war; das Buch in seiner Hand war langsam schwer geworden, sodass er es irgendwann unbewusst auf dem Boden abgelegt hatte. Nur noch halb bei Bewusstsein hatte er seine Magie genutzt, um die Decke am anderen Ende der Couch über sich und Charlie auszubreiten, die schon längst in seinen Armen eingeschlafen war. Keine zehn Sekunden später war auch er schließlich eingeschlafen.
Mühselig öffnete er seine Augen, als er Geräusche im Flur hörte, die vermutlich von Max oder Rafael stammten. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, doch der Raum wirkte deutlich dunkler als zuvor. Die Sonne ging langsam unter und nur die Lichter des Weihnachtsbaums schenkten dem Wohnzimmer Licht. Charlotte schlief immer noch; ihr Kopf lag auf Magnus' Brust und ihr Körper hob und senkte sich gleichmäßig, während sie laut ein- und ausatmete.
Irritiert legte Magnus seine Stirn in Falten, als er realisierte, dass die Geräusche nicht direkt aus dem Flur kamen, sondern von der Wohnungstür. Es hörte sich an, als würde jemand versuchen die Tür aufzuschließen, jedoch erfolglos. Dumpfe Stimmen erklangen, doch sie waren zu leise, als dass Magnus sie hätte zuordnen können, danach hörte er erneut, wie etwas im Schloss gedreht wurde.
Der einzige, der nun zu erwarten wäre, wäre Alec, doch dieser hatte einen Schlüssel und wer auch immer vor der Tür stand, hatte definitiv Probleme sie zu öffnen. Beschützend legte Magnus einen Arm um Charlotte und drückte sie näher an sich, während er sich vorsichtig aufrichtete. Verwirrt schaute er in Richtung des Flurs und wartete einen Moment, bis er schließlich hörte, wie sich die Wohnungstür öffnete.
Schnell hob Magnus Charlie mit samt der Decke von sich herunter und aufs Sofa, wo sie einige male blinzelte und letztendlich ihre Augen öffnete. Magnus jedoch drehte sich wieder zur Tür und richtete sich aus, immer noch viel zu verschlafen um richtig denken zu können. Die Schritte im Flur näherten sich und er atmete erleichtert aus, als er Alec sah, der vor ihm stand.
Hinter ihm tauchte Jace auf – beide waren immer noch gekleidet in schwarzer Ausrüstung und Jace murmelte etwas, was Magnus nicht verstand. Die Situation kam ihm suspekt vor; er erhielt kein Hallo oder eine andere Begrüßung. Alec stand stumm einige Meter von ihm entfernt und rührte sich nicht von der Stelle. Mit einer einfachen Handbewegung brachte Magnus sämtliche Lampen im Raum zum Leuchten, damit er Alec und seinen Parabatai richtig erkennen könnte. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sich Charlotte langsam regte.
Erschrocken blickte Magnus in das Gesicht seines Mannes; Tränen liefen über Alecs Wangen, sein Gesicht war gerötet und sein Blick leer. »Alexander?«, fragte Magnus vorsichtig und blickte schließlich zu Jace, in der Hoffnung eine Antwort bei ihm zu finden, doch er sah genau so aus wie Alec.
Ungeschickt stolperte Alec in Magnus' Richtung. Normalerweise hätte Magnus eine Bemerkung von sich gegeben, da Alec mit seinen dreckigen Schuhen über den schönen Wohnzimmerteppich lief, doch in diesem Moment breitete er nur wortlos seine Arme aus, in die Alec mit einem lauten Schluchzen fiel. Erschrocken drückte Magnus den Shadowhunter dichter an sich und schaute über seine Schulter hinweg zu Jace, der sich verzweifelt durch die blonden Haare fuhr.
»Magnus...«, hauchte Alec verzweifelt und vergrub sein Gesicht an dem Hals des Warlocks. Dieser strich seinem Mann beruhigend über den Rücken. »Was ist passiert?«, fragte er und versuchte Alec verzweifelt in seinen Armen zu halten, während die Beine des Shadowhunters langsam nachzulassen schiene. Er rutschte auf den Boden, woraufhin Magnus ihm folgte und sich schließlich vor ihn kniete.
»Sie ist tot«, schluchzte Alec und krallte sich förmlich in den Stoff von Magnus' Oberteils. »Wer?«, fragte Magnus sofort. Isabelle? Clary?...
Alec antwortete nicht, weshalb es letztendlich Jace war, der sprach. »Maryse«, seine Stimme zitterte und Magnus riss geschockt seine Augen auf. Er drückte Alec fester an sich. »Oh, Alec...«, hauchte Magnus und konnte die richtigen Worte nicht finden.
Aus dem Augenwinkel nahm Magnus wahr, wie sich Charlotte langsam aufrichtete. Zögernd erhob sie sich von der Couch – die Decke über ihre Schultern gelegt – und näherte sich Alec, der weinend in Magnus' Armen lag. Magnus wusste wie es war seine eigene Mutter zu verlieren. Der Schmerz saß tief und dort waren keine Worte auf dieser Welt, die ihn lindern konnten. Er wusste, dass dieser Tag irgendwann kommen würde, doch es brach sein Herz die Nachricht so plötzlich zu erfahren – heute, an Heiligabend.
Sie war schon seit längerem krank gewesen, doch Magnus hätte nie gedacht, dass es so schnell so weit kommen würde. Sie hatte für Shadowhunter verhältnismäßig lang gelebt und Magnus hatte nie eine wirklich gute Beziehung zu ihr gehabt, weshalb es ihm leidtat, dass er Alecs Trauer nicht auf dieser Weise mitempfinden konnte. Natürlich trauerte er um Maryse; er erinnerte sich an die junge Frau mit den dunklen langen Haare – damals in den Achtzigern – die nichts mehr wollte, als eine bessere Welt für ihre Kinder, wofür sie alles getan hätte. Er kannte sie schon lange und natürlich trafen auch ihn die schlechten Neuigkeiten, doch er wollte nicht wissen, wie sehr es für Alec, Jace und Isabelle schmerzen musste.
Zögernd streckte Charlotte eine Hand nach Alec aus. Magnus glaubte, dass sie ihn noch nie weinen gesehen hatte, und dementsprechend unsicher verhielt sie sich, als sie ihre Arme ungeschickt um ihn legte und sich an seinen Rücken drückte. Sie legte sie Decke mit um ihn und drückte in fest.
»Daddy, nicht weinen«, flüsterte sie so leise, dass Jace es vermutlich nicht gehört hatte, worüber Magnus froh war. Bitter lachte Alec, was sich eher nach einem Schluchzen anhörte, doch Magnus wusste, dass Alec sich bemühte Charlotte zu zeigen, wie sehr er ihre Worte schätzte.
Auch Charlotte hatte nie eine enge Beziehung zu ihrer Großmutter gehabt, anders als Elias und George – ihre Cousins. Magnus' Herz zog sich zusammen als er an Isabelle dachte, die ihre Tochter Sophie erst vor einem Monat zur Welt gebracht hatte und nun einen solchen Verlust erleiden musste. Maryse war so unheimlich stolz gewesen und Magnus hatte sie selten so glücklich gesehen, wie in dem Moment, als sie ihre Enkeltochter zum ersten mal in ihren Armen gehalten hatte.
»Papa, alles o.k.?«, Magnus hörte Rafaels tiefe Stimme vom anderen Ende des Flurs. Er beschloss nicht zu antworten und wartete, bis er seine allzu bekannten Schritte hörte. Er schloss seine Zimmertür hinter sich und trottete langsam in Richtung des Wohnzimmers. Als er Jace und Alec erblickte, hielt er irritiert inne.
»Was ist passiert?«, hakte er erschrocken nach und schaute zu seinem Onkel, der versuchte die richtigen Worte zu finden – er öffnete seinen Mund, schloss ihn jedoch wieder, sodass Magnus das Wort ergriff. »Maryse...«, fing er an, doch er musste seinen Satz nicht beenden. An Rafaels Blick konnte er erkennen, dass sein Sohn genau wusste, was passiert war.
Auch Rafaels Verhältnis zu seiner Großmutter war schon immer kompliziert gewesen. Magnus glaubte nicht, dass ihr Verlust ihn zu sehr treffen würde, doch natürlich war auch er geschockt. Sprachlos schaute er lange in Magnus Gesicht, danach drehte er sich kurz zu Jace, als bräuchte er auch seine Bestätigung. Fast unbemerkt nickte Jace, sein Blick genauso leer wie der von Alec. Rafaels Augen weiteten sich und er näherte sich Charlotte und seinen Eltern, bevor er sich ebenfalls auf dem Boden niederließ.
Magnus ließ vorsichtig von Alec ab, da Rafael so aussah, als würde er seinen Vater ebenfalls in den Arm nehmen wollen. Sofort zog der junge Shadowhunter Alec in seine Arme – Charlotte klebte immer noch an ihm. Erneut schluchzte Alec laut, als Rafael ihn fest an sich drückte und eine Hand auf den Hinterkopf seines Vaters legte. Magnus musste sich die Tränen verkneifen; all die Jahre über war Alec derjenige gewesen, der seinen Sohn in den Armen gehalten und getröstet hatte, und nun schienen sie ihre Rollen getauscht zu haben.
Alec wirkte so klein in den Armen seiner Kinder und Magnus trat einige Schritte zurück, um seinen Liebsten ihre Zeit zu lassen. Es dauerte nicht lang, bis auch Max ins Wohnzimmer trat. Verwirrt schaute er auf seine Geschwister und seinen Vater und anders als Rafael schien er keine Erklärung zu brauchen, was vorgefallen war. Nur wenige Sekunden, nachdem er sie erblickt hatte, schien ihm ein Licht aufgegangen zu sein und er war ebenfalls zu ihnen gelaufen. Ungeschickt hatte er sich neben Rafael gekniet und eine Hand auf die Schulter seines Vaters gelegt.
Noch für einige Zeit ließ Magnus dieses Bild auf sich wirken, bevor er realisierte, dass Jace sich immer noch im Türrahmen befand. Magnus' Blick glitt auf den Shadowhunter, der ins Leere blickte und sich seit seiner Ankunft nicht gerührt hatte. Magnus fragte sich, was genau in dem Kopf seines Schwagers vor sich ging, doch sein Gesichtsausdruck war nicht lesbar. Er weinte nicht – so wie Alec es tat. Er war ungewöhnlich stumm und blass, seine Hände waren zu Fäusten geballt.
Vielleicht dachte er an Charlotte; seine Tochter, die nun dabei war seinen Bruder zu trösten und ihm nicht den reinsten Funken Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Magnus hatte Mitleid. In solchen Zeiten brauchte man Familie am meisten und Jace schien zu realisieren, dass er nicht nur Maryse verloren hatte.
Seine traurigen Augen erinnerten Magnus an Charlotte. In diesem Moment sah sie ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich und Magnus dachte nicht lange nach. Er trat einige Schritte auf Jace zu und zog ihn in seine Arme. Überrascht spannte sich Jaces Körper an, doch schließlich erwiderte er Magnus' Umarmung, woraufhin der Warlock zufrieden schmunzelte. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er Jace irgendwann schon einmal umarmt hatte. Der Parabatai seines Mannes war nicht wirklich der liebevolle und emotionale Typ, doch Magnus wusste, dass er die Umarmung in diesem Moment brauchte.
Magnus hatte sich sein Weihnachten definitiv anders vorgestellt. Er wollte den Morgen nur mit seinen Liebsten verbringen und abends schließlich mit der ganzen Familie feiern, doch das diesjährige Weihnachten hätte unterschiedlicher sein können; Den Weihnachtsmorgen hatten sie in Idris verbracht, wo Maryse schließlich ehrenvoll beigesetzt worden war. Magnus war einige Jahre zurückversetzt worden, zu dem Tag, an dem Roberts Beerdigung stattgefunden hatte.
Die gleiche Trauer spiegelte sich in den Gesichtern der Shadowhunter wieder, die komplett in weiß gekleidet um Maryse herum gestanden hatten. Auch Magnus hatte neben Alec gestanden – seine Hand in der seines Mannes, die er hin und wieder sanft gedrückt hatte. Alec Blick war leer gewesen und Magnus wusste, dass ihn der Tod seiner Mutter um einiges mehr mitnahm als der seines Vaters.
Magnus hatte auf Maryse geschaut, deren Augen mit einem weißen Seidentuch verbunden worden waren. Ihre Arme waren verschränkt auf ihrer Brust drapiert worden und in ihrer rechten Hand hatte sie ihre Seraphklinge gehalten, die über ihrem Herzen gelegen hatte. In dem weißen Kleid und den verbundenen Augen, die einige Spuren der Alterung verdeckten, erinnerte sie Magnus an die alte Maryse, die er vor vielen Jahren kennengelernt hatte; Maryse Trueblood, die genau wie ihr Sohn eine wahre Kämpferin gewesen war.
Ihre Haare waren im Gegensatz zu Roberts lange dunkel geblieben und nur einzelne graue Strähnen waren an ihrem Ansatz erkennbar gewesen. Magnus würde lügen, wenn er behaupten würde, dass er nicht unauffällig auf Alec heruntergeschaut hatte, um sein Haar flüchtig nach Zeichen der Alterung abzusuchen. Doch Alec sah noch jung aus; kein einziges graues Haar war auf seinem Kopf zu finden und nur die schmalen Fältchen um seine Augen verrieten, dass er keine zwanzig mehr war. Auch seine Hände wirkten mittlerweile älter als vor ein paar Jahren.
Magnus hatte seinen Blick von seinem Mann abgewendet, als er gespürt hatte, wie Charlotte nach seiner anderen Hand gegriffen hatte. Mit starrer Miene schaute sie gerade aus und lehnte sich etwas mehr an Magnus, der auch ihre Hand leicht drückte.
Ave Atque Vale, Maryse Lightwood
Erklang von allen Seiten
Sei gegrüßt und lebe wohl
Danach hatte er Maryses Körper brennen gesehen; hohe Flammen waren aufgestiegen, doch Magnus hatte nicht lange hingesehen. Er hatte auf das aus Holz gebaute Podest geschaut, auf dem sie gelegen hatte – wie das Holz eingebrochen und langsam zu Staub zerfallen war. Schmerzhaft hatte er realisiert, dass die nächste Generation, die brennen würde, Alecs Generation sein würde.
Pulvis et umbra sumus
Wir sind Staub und Schatten
~*~
»Nimm dir noch etwas, es ist noch reichlich da«, sprach Magnus an Isabelle gewandt, die ihm gegenüber saß. »Nein, danke«, sie warf ein gezwungenes Lächeln in seine Richtung und schüttelte leicht den Kopf. Dicht hielt sie ihre Tochter an sich, die in ihren Armen lag und friedlich schlief. Leise seufzte Magnus und stellte die Schüssel mit den Kartoffeln wieder zurück auf den Tisch.
Normalerweise herrschte niemals Stille, sobald sich die ganze Familie zum gemeinsamen Essen traf, doch nun konnte man vermutlich eine Stecknadel fallen hören. Nur hin und wieder hörte man das Klirren der Gabel, mit der George spielte, doch abgesehen davon verhielt sich auch Magnus' vierjähriger Neffe ungewohnt still. Leise räusperte sich Rafael, der direkt neben Alec saß, der sich schon das fünfte Glas Wein eingoss, danach spielte Rafael lustlos mit dem Stück Baguette auf seinem Teller.
Max, der Alec Gegenüber saß, beobachtete seinen Vater prüfend, als dieser sein Glas erneut an seine Lippen setzte und einen großen Schluck nahm. Es schien, als ob er mit Jace um die Wette trank, dessen Wangen ebenfalls leicht gerötet waren, was wohl am Alkohol lag. Nachdem Alec sein Glas abgestellt hatte, griff Magnus danach und trank es in einem Zug aus. Irritiert schaute Alec zuerst auf das Glas, danach zu Magnus, der seinen Blick jedoch gekonnt mied.
»Wir haben Eis im Gefrierfach«, ließ Magnus die Runde wissen. »Wer möchte etwas?«, fragte er und hoffte, dass er nun auf etwas Zustimmung treffen würde, da er eigentlich nur einen guten Grund brauchte, um endlich den Raum zu verlassen und richtig durchzuatmen. Tatsächlich nickten Elias, George, Max und Rafael zustimmend, woraufhin sich Magnus erleichtert aufrichtete und sich kurz in die Küche entschuldigte. Auch Charlie erhob sich von ihrem Stuhl und folgte ihm unauffällig aus dem Raum.
Magnus schloss die Tür hinter sich, als er und seine Nichte schließlich in der Küche angekommen waren. Mit einem lauten Seufzen ließ sich Charlie auf einen der Küchenstühle fallen. »Das ist das schlimmste Weihnachten aller Zeiten«, seufzte sie dramatisch und und stützte ihren Kopf in ihre Hände. Magnus wollte widersprechen, doch tatsächlich musste er ihr zustimmen.
»Ich will nicht zurück ins Wohnzimmer – wer will schon sehen, wie Izzy Löcher in die Wand starrt und Alec und mein Vater sich langsam aber sicher mit Rotwein betrinken?«, Magnus schmunzelte aufgrund dieser Aussage. Er holte das Eis aus dem Gefrierschrank und verteilte es lustlos auf einige Teller.
»Es ist nicht ihre Schuld, Charlotte«, mahnte er sie dennoch, einfach um seine Rolle als verantwortungsbewusster Vater zu erfüllen. Es schien zu wirken, denn als Antwort erhielt er diesmal kein bissiges Kommentar. Charlotte schaute auf ihre Hände und kratzte den rosa Nagellack von ihren Fingernägeln. Zögernd stellte Magnus die Teller mit Eis auf die Küchentheke und setzte sich schließlich Charlotte gegenüber. Diese schaute hoch, als Magnus seinen Stuhl zurechtrückte.
»Es tut mir leid, dass Weihnachten dieses Jahr nicht deinen Vorstellungen entspricht, Charlie, aber niemand trägt die Schuld«, sanft legte er seine Hand auf die seiner Nichte. »Auch wenn Maryse nicht nur gutes vollbracht hat, trauern Isabelle, Alec und Jace sehr um sie. Am Ende des Tages ist sie immer noch ihre Mutter«
»Es stehen ein paar harte Tage an«, seufzte Magnus und erhob sich von seinem Platz. Erneut griff er nach zwei Tellern mit Eis. »Aber auch das werden wir schaffen«, versicherte er und wusste nicht, ob es an Charlie oder doch eher sich selbst gerichtet war. Auch Charlotte erhob sich von ihrem Stuhl und griff nach zwei weiteren Tellern.
»Wenn ich in meinen achthundert Jahren eines über das Leben gelernt habe, ist es, dass es weitergeht. Das Leben geht weiter – jeden Tag ein neuer Sonnenaufgang und ein neuer Sonnenuntergang«
~*~
Stöhnend hielt Alexander eine Hand an seinen Kopf, während er sich ins Bett fallen ließ. Er lag auf dem Bauch – alle Viere von sich gestreckt und vergrub sein Gesicht schließlich in den weichen Kissen. Mitleidig beobachtete Magnus ihn dabei, wie er vergeblich versucht eine gemütliche Position zu finden. Wenigstens hatte es Magnus geschafft den etwas mehr als angetrunkenen Shadowhunter dazu zu bringen sich vor dem Zubettgehen die Zähne zu putzen und sich umzuziehen.
Irgendwann hatte Magnus an diesem Abend den Überblick verloren, wie viele Gläser Wein Alec wirklich getrunken hatte. Zum Ende hin hatte er dem Shadowhunter zumindest sein Glas weggenommen, weshalb Alec mehr als nur einmal genervt protestiert hatte. Wenn Alec zu viel getrunken hatte, wurde er bedauerlicher Weise nicht heiter und locker, wie so manch anderer, sondern eher das komplette Gegenteil. Es wirkte, als hätte Magnus mit einem kleinen bockigen Kind zu tun, den Alec beschwerte sich über alles und jeden, der ihm in den Sinn kam. Er kritisierte jede von Magnus' Entscheidungen und gab sich mit nichts zufrieden.
Einfach aus Prinzip lehnte er alles ab, somit sogar die Kopfschmerztablette, die Magnus ihm anbot. Der Schmerz war Alec quasi ins Gesicht geschrieben, doch der Shadowhunter war in diesem Zustand zu stolz, um jegliche Hilfe anzunehmen.
Magnus hatte letztendlich doch zu großes Mitleid mit seinem Mann, der mit einer Hand seine eigene Stirn massierte. Frustriertes Wimmern war von ihm zu hören, woraufhin sich Magnus neben ihn setzte und eine Hand durch seine Haare fahren ließ. Unbemerkt ließ er blaue Funken aus seinen Fingerspitzen entgleiten, die Alecs Schmerzen schließlich linderten. Alec stieß einen erleichterten Atemzug aus und lehnte sich in Magnus' Richtung.
»Hör nicht auf«, flehte Alec, wobei Magnus nur erahnen konnte, was er gesagt hatte, da die Kissen seine Wörter nur gedämpft erklingen ließen und der Alkohol dafür sorgte, dass er einige Buchstaben verschluckte.
Kurz stoppte er tatsächlich – zu Alecs Enttäuschung, der sofort lautstark protestierte – um die Decke vom Fußende über seinem Mann auszubreiten. Fürsorglich wickelte er Alec in die warme Decke und legte sich danach neben ihn, bevor er sich mit seiner eigenen Decke zudeckte. Alecs Gesicht war von ihm abgewandt und Magnus ging davon aus, dass der Shadowhunter bereits eingeschlafen war. Zögernd rückte Magnus näher an ihn und schlang seinen Arm um Alecs muskulösen Rücken. Er legte seinen Kopf dicht an die Schulter seines Mannes und versuchte seine Augen zu schließen.
Doch der Schlaf wollte ihn nicht einholen; Magnus dachte an Maryse. Er dachte an ihren brennenden Körper und ihr weißes Kleid – die Seraphklinge in ihrer Hand. Wann würde er mit ansehen müssen, wie Alec an ihrer Stelle lag? Der Gedanke ließ ihn nicht ruhen, weshalb er widerwillig seinen Kopf hob und auf Alecs Hinterkopf starrte. Erneut ließ er seine Finger durch Alecs dunkles Haar gleiten, diesmal unbewusst auf der Suche nach jeglichen Zeichen der Alterung. Doch schon wie heute Morgen stellte er fest, dass Alec noch kein einziges graues Haar besaß. Zwar war das tiefe Schwarz nicht mehr zu glänzend wie vor zehn Jahren, doch graue Strähnen konnte der Warlock nicht entdecken.
Überrascht stellte Magnus fest, dass auch Alec noch nicht schlief. Der Shadowhunter drehte seinen Kopf zu der anderen Seite, sodass er Magnus schließlich tief in die Augen sah. Wortlos blickte Magnus in die blauen Augen, die sich niemals verändern würden. Auch wenn sich langsam kleine Falten als seinen Augenlidern bildeten, würden Alecs Augen für immer gleich bleiben, was Magnus etwas Stetigkeit gab.
»Woran denkst du?«, fragte Alec irgendwann, Magnus strich immer noch sanft durch sein Haar.
»Daran, dass ich einen echten Alkoholiker geheiratet habe«, scherzte Magnus und auch auf Alecs Lippen bildete sich ein schmales Lächeln. Das Lächeln verflog von Magnus' Lippen und er atmete tief ein, danach strich er mit seiner Hand über Alecs Wange.
»Ich wünschte, ich könnte dir den Schmerz nehmen«, Magnus konnte sich an den Tod seiner eigenen Mutter erinnern, als wäre es gestern gewesen und es waren Erinnerungen, die er seit Jahrhunderten versuchte zu verdrängen. Auch Alec seufzte leise und nahm Magnus' Hand in seine. Liebevoll platzierte er einen Kuss auf dem Handrücken des Warlocks – genau dort, wo die Rune für Hingabe tätowiert war.
»Bitte hör auf zu altern«, sprach Magnus und Alecs Gesichtsausdruck wurde schlagartig ernst. »Ich kann dich nicht verlieren«, fügte Magnus flüsternd hinzu und spürte, wie die Tränen in seinen Augen brannten.
»Oh, Magnus«, hauchte Alec, während seine Augen pure Trauer widerspiegelten. »Es tut mir so leid«, sprach Alec, obwohl in keine Schuld traf. Es war Alec, der an diesem Tag trauern durfte. Magnus sollte Alec trösten, doch stattdessen war es Alec, der Magnus in seine Arme zog und fest an sich drückte.
Es waren Tage wie diese, die Magnus viel zu sehr an Alecs Sterblichkeit erinnerten. Natürlich verschwand der Gedanke niemals ganz aus seinem Kopf, doch gerade heute wurde es ihm schmerzhaft bewusst wie vergänglich das Leben war. Alec war siebenunddreißig, was bedeutete, dass er nun auf die vierzig zusteuerte und ehe sich die beiden versahen, war er fünfzig und ein halbes Jahrhundert war vergangen. Magnus wollte die Zeit für immer stoppen. Nichts würde so sehr schmerzen, wie der Verlust seines Mannes. Über den Tod seiner eigenen Kinder wollte er erst gar nicht nachdenken.
Es dauerte nicht lange, bis Magnus Alec leise schnarchen hörte. Er war erleichtert, dass wenigstens einer von ihnen schlafen konnte und tatsächlich stellte Magnus irgendwann fest, dass auch seine Augenlider langsam schwer wurden. Noch ein letztes mal schaute er auf seinen Mann, danach schloss auch er seine Augen
Es kam ihm vor, als hätte er höchstens eine Stunde geschlafen, als er aus seinem Schlaf gerissen wurde. Er wusste noch nicht einmal genau, was ihn geweckt hatte, und nahm an, dass er sich das Geräusch in ihrem Zimmer nur eingebildet hatte. Gerade wollte er seine Augen wieder schließen, als er plötzlich wahrnahm, wie etwas leicht an seiner Bettdecke zog.
Verwirrt legte Magnus seine Stirn in Falten und drehte sich zu Alexander, der immer noch friedlich schlief. Ein kurzer Blich an das Fußende des Bettes genügte, um herauszufinden, wo das Geräusch wirklich herkam. Eingewickelt in eine Decke und noch halb auf Magnus' liegend lag Charlotte. Magnus hatte sie beinahe nicht erkannt, doch die langen Haare verrieten sie, die das einzige waren, was man von ihr sehen konnte.
»Charlie?«, Magnus versuchte so leise wie möglich zu reden, um Alec nicht zu wecken. Ganz langsam nahm Charlie die Decke von ihrem Gesicht und schaute unschuldig zu Magnus, der daraufhin schmunzelte.
»Was machst du hier?«, fragte er irritiert und beobachtete, wie sich Charlie versuchte aus der Decke zu befreien und sich schließlich aufrichtete. Magnus konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann Charlie das letzte mal zu ihnen ins Bett gekrabbelt war und war deswegen umso verwirrter.
Leise seufzte sie. »Schlaf weiter«, flüsterte sie und auch Magnus richtete sich auf. »Tu so, als wäre ich nicht hier«, fügte sie hinzu und Magnus wollte beinahe laut lachen.
»Was ist passiert?«, hakte er nach. Er würde garantiert nicht einfach so wieder einschlafen. Charlotte zuckte mit den Schultern, »Ich wollte nicht alleine sein«, sprach sie und wusste vermutlich genau, dass sie mit diesen Worten Magnus' wunden Punkt traf. Er nahm an, dass es mit dem diesjährigen Weihnachten zu tun hatte, dass ziemlich ins Wasser gefallen war. Charlotte hatte sich schon seit Wochen auf diesen Tag gefreut und ihre Enttäuschung konnte Magnus voll und ganz verstehen. Er verstand auch, dass seine Nichte dies nicht unbedingt zugeben wollte, schließlich konnte niemand etwas für das ruinierte Weihnachten.
»Dann leg dich wenigstens vernünftig ins Bett«, sprach Magnus und zog seine Decke näher an sich, auf der das Mädchen immer noch lag. Das ließ sich Charlotte nicht zweimal sagen und krabbelte schließlich zwischen ihn und Alec, der immer noch tief und fest schlief. Sie deckte sich mit ihrer eigenen Decke zu und blickte zu Magnus, dessen Augen langsam wieder schwerer wurden.
»Glaubst du, Dad wird noch lange traurig sein?«, fragte Charlie unschuldig und Magnus' Mundwinkel zuckten, so wie jedes mal, wenn sie ihn oder Alec als Dad oder Papa bezeichnete.
»Ein Elternteil zu verlieren ist wirklich schlimm. Du wachst nicht eines Tages auf und der Schmerz ist verschwunden...«, seufzte Magnus, »Es wird nur einfacher mit dem Verlust einer Person umzugehen – man gewöhnt sich dran«, versuchte er ihr zu erklären.
»Ich will nicht, dass er traurig ist«, sagte sie daraufhin und Magnus lächelte gequält. Sein Blick glitt über ihren Kopf hinweg zu Alec. Überrascht stellte Magnus fest, dass der Shadowhunter wach war und mit traurigen Augen zuerst zu Charlie und danach zu Magnus schaute.
»Ich auch nicht«, stimmte Magnus seiner Nichte zu und ließ seinen Blick wieder zu ihr schweifen. »Aber mit genug Ablenkung und Liebe von uns wird er bald ganz der Alte sein«, versicherte er ihr, wobei er sich selbst nicht ganz so sicher war. Man war nie komplett die selbe Person nach dem Verlust einer Person, die einem sehr nah gestanden hatte.
Unauffällig nickte Charlotte und rückte etwas näher an Magnus, der einen Arm um sie legte. »Ich könnte mir nicht vorstellen, wie es wäre euch zu verlieren«, sprach sie ehrlich und versetzte Magnus dabei einen Stich direkt in sein Herz. Er drückte sie fester an sich und blickte zu Alexander, der seine Nichte nachdenklich musterte. Auch er rückte etwas näher an die beiden heran, bis er seinen Arm um Charlotte und Magnus gleichzeitig legen konnte.
Magnus konnte Charlie nicht versprechen, dass Alec und er bis zu ihrem Tod an ihrer Seite sein würden, doch natürlich würde er alles erdenkliche dafür tun. Auch Alec würde irgendwann über den Tod seiner Mutter hinwegkommen, so wie damals bei seinem Vater. Magnus jedoch war sich nicht sicher, ob er jemals über den Tod von Alec und seinen Kinder hinweg kommen würde, sollte es eines Tages so weit kommen.
Unbewusst drückte er Charlotte fester an sich und hoffte, dass dieser Moment noch weit in der Zukunft liegen würde. Doch auch dann würde das Leben weitergehen – jeden Tag ein neuer Sonnenaufgang und ein neuer Sonnenuntergang.
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(28.12.2018)
Hat jemand von euch bereits Queen of Air and Darkness gelesen und bei Roberts Beerdigung ebenfalls so geweint wie ich?
Das Buch macht mich fertig
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