25. Blutsverwandte Part II
Blutsverwandte Part II
»Da ist ja meine kleine Prinzessin!«, rief Magnus erfreut und bückte sich um Charlotte aufzufangen, die schnurstracks in seine Arme lief. Sie grinste über ihr ganzes Gesicht und schlang ihre Arme um den Hals ihres Onkels, der sie einmal im Kreis drehte und wieder auf dem Boden absetzte. »Du siehst absolut hinreißend aus, Liebling«, komplimentierte Magnus, worauf Charlie nur verlegen grinste.
Alec konnte nur zustimmen; Charlotte hatte die Nacht im Institut verbracht, da ihre Mutter darauf bestanden hatte. Dementsprechend hat diese ihr wohl die Frisur für den heutigen Tag gemacht. Ihre roten Haaren waren aufwendig hochgesteckt und sie trug ein langes rotes Kleid, das unheimlich bezaubernd aussah. Auch Alec ging in die Hocke und zog seine Nichte in seine Arme, die seine Umarmung erwiderte.
»Ja, wunderschön«, kommentierte er und drückte sie leicht von sich, um sie noch einmal bestaunen zu können. »Hör auf zu wachsen«, mahnte er spielerisch, was Charlotte zum Grinsen brachte. Auch bei Rafaels Zeremonie hatte er das selbe verspürt; dieses bittersüße Gefühl. Auf der einen Seite war er so unheimlich stolz auf Charlotte und hatte es sich sehr für sie gewünscht. Er wusste, wie sehr sie sich auf diesen Tag gefreut hatte und es war ein schönes Gefühl zu sehen, zu was für einer wunderschönen Frau sie wurde.
Auf der anderen Seite wünschte sich Alec, dass Charlie für immer klein blieb. Sie war immerhin das jüngste Kind und selbst sie war nun fast erwachsen. Es war verrückt wie schnell die Zeit verging; es kam ihm vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass er sie als Baby in seinen Armen gehalten und ihr später das Laufen beigebracht hatte.
Liebevoll drückte er einen Kuss auf ihre Wange und erhob sich wieder. Genau in diesem Moment erschienen auch Clary und Jace, beide ebenfalls in rot gekleidet. Schmunzelnd blickten sie auf Charlotte herab, die von Rafael in den Arm genommen wurde, danach schloss sie Max in ihre Arme.
»So harmonisch habe ich die Drei noch nie gesehen«, verblüfft musterte Magnus seine Söhne und seine Nichte. »Denkt nicht, dass es Zuhause so vor sich geht«, fügte er an Jace und Clary gewandt hinzu. Charlotte schmunzelte und auch Max' und Rafaels Mundwinkel zuckten leicht. Nur Jace und Clary schienen bei dem Wort »Zuhause« etwas angespannt. Alec entging nicht, wie das Lächeln für eine Millisekunde von Clarys Gesicht verschwand, sie danach jedoch sofort wieder lachte.
Die Frage, wer Charlotte bei der Zeremonie begleitet stand immer noch offen und eigentlich wollte Alec mit Jace reden, doch die Nervosität stieg immer weiter, vor allem wenn er selbst bei einer solchen Kleinigkeit so empfindlich reagierte.
Clary räusperte sich und brach die Stille, »Wollen wir uns schon in den Saal begeben?«. Es klang eher wie eine indirekte Aufforderung, der jeder sofort gehorchte. »Jace?«, Alec nahm jeglichen Mut zusammen und hielt seinen Parabatai auf. Sanft zog er ihn am Arm zurück, während sich alle anderen weiter durch die Flure bewegten. Nur Magnus warf Alec noch einen vielsagenden Blick über die Schulter zu, danach zwinkerte er kurz und folgte den anderen.
»Ja?«, verwirrt musterte Jace ihn und ließ seine Hände in seine Hosentaschen gleiten. Alec holte tief Luft und versuchte die richtigen Worte zu finden. Er wollte Jace nicht verletzten, doch das war leichter gesagt als getan. »Möchtest du-... Ich meine, bist du-... Bist du Charlies Begleitperson bei der Zeremonie?«, was für eine dumme Frage, natürlich war er es. Auch Jace schien irritiert.
»Ja, natürlich. Ich bin ihr Vater, es ist immer der Vater«, erwiderte er und schmunzelte leicht, als ob er sich darüber lustig machte, dass Alec so etwas vergessen hatte. (Natürlich hatte er es nicht vergessen).
»Ja, klar... dumme Frage«, lachend schüttelte Alec den Kopf. Auch er wollte seine Hände in seine Hosentaschen gleiten lassen, doch bemerkte schließlich, dass seine Hose keine Taschen besaß. Verlegen spielte er mit dem Manschettenknopf an seinem Ärmel, um seine Hände irgendwie zu beschäftigen.
»Charlotte wollte...«, kurz zögerte er und sah zu Jace, der ihn erwartungsvoll ansah. »Charlotte wollte, dass ich mit dir darüber rede... Wer sie begleitet, meine ich«, erklärte er und zu seinem Erstaunen sah Jace nicht besonders überrascht aus.
»...Weil sie möchte, dass du sie begleitest?«, vervollständigte er und Alec zog seine Augenbrauen hoch. Er hatte definitiv nicht damit gerechnet, dass das Gespräch so verlaufen würde. »J-Ja«, stotterte er und war erleichtert, dass es endlich raus war.
»Ja, das hat sie mir erzählt«, erklärte er, was Alec noch mehr überraschte. »Wirklich?«, hakte er nach und Jace lachte bitter.
»Kinder können manchmal ziemlich... brutal sein«, schmunzelte er. Nun lachte auch Alec, »Oh, ja«, er dachte an das eine mal, als Max sich einen ganzen Tag lang über Alecs erstes graues Haar lustig gemacht hatte, obwohl es den Shadowhunter ziemlich verletzt hatte. Danach dachte er an Rafael, der ihm ohne eine Miene zu verziehen gesagt hatte, wie sehr er ihn hasst, nur weil Alec ihm damals verboten hatte noch ein wenig länger auf dem Spielplatz zu bleiben. Worüber Alec jedoch bis heute nicht hinweg war, war das eine mal, als Charlotte ihn mit vier Jahren gefragt hatte, warum sein Bauch so viel weicher war, als der von Magnus. Kinder waren kleine Teufel.
»Ich denke, ich hab's verkackt«, obwohl Jace lachte, konnte Alec hinter seine Fassade schauen. Er wusste, wie sehr es Jace wirklich verletzte, aber es konnte ihm nicht widersprechen; kein anderer war zu beschuldigen außer er und Clary.
»Jace- «, fing Alec an, doch sein Parabatai unterbrach ihn.
»Sie hat es mir gestern Abend gesagt und es war... hart«, nun war er es, der tief durchatmete, »Sie hat davon geredet, dass sie es nicht mag im Institut zu übernachten und es fing ziemlich harmlos an, wahrscheinlich wollte sie noch nicht einmal darüber diskutieren, aber Clary war etwas gereizt und meinte, dass sie hier nun einmal wohnte. Charlotte hat daraufhin gesagt, dass sie lieber zuhause ist. Ich wollte mich nicht einmischen, aber ich habe ihr gesagt, dass sie auch bei uns zuhause ist, das war vielleicht ein Fehler«, kurz stoppte er, bevor er fortfuhr.
»Sie hat gesagt, dass sie nur bei euch zuhause ist und obwohl es auch mich verletzt hat, war Clary vollkommen außer sich gewesen. Die Situation ist ziemlich eskaliert und wir haben uns alle den ganzen Abend lang angeschrien«, er lachte bitter, »Sie hat gesagt, dass sie wünschte, dass du sie bei der Zeremonie begleiten würdest und als ich ihr gesagt habe, dass das die Aufgabe eines Vaters ist, meinte sie, dass sie lieber dich als Vater haben würde als mich. Ich muss zugeben, das hat wirklich wehgetan«
»Jace, es tut mir- «
»Nein, ist schon o.k.. Das ist allein meine Schuld, ich weiß es«, trotzdem plagte Alec das schlechte Gewissen. Er versuchte sich vorzustellen, was er empfinden würde, wenn Rafael oder Max so etwas zu ihm sagen würden und er schob den Gedanken so schnell es ging beiseite. Verlegen trat Alec von einem Bein aufs andere, da er nicht wusste, was er sagen sollte.
»Sie liebt dich und Magnus am meisten und das muss ich akzeptieren. Ich kann es schließlich nicht mehr ändern«, sagte Jace und Alec war sich nicht sicher, ob es tatsächlich Tränen waren, die er dort in Jaces Augen erkennen konnte oder ob es nur das Licht war.
»Charlotte liebt euch, Jace«
»Aber nicht so sehr wie sie euch liebt, Alec. Du brauchst es nicht leugnen. Ich habe es schon gesehen, als sie ein Kleinkind gewesen ist. Clary und ich waren nicht die Eltern, die sie gebraucht hatte und ihr wart immer für sie da, warum sollte ich mich also wundern«, es waren wirklich Tränen, die Alec gesehen hatte. Eine von ihnen suchte sich ihren Weg über Jaces Wange, woraufhin dieser sie so schnell es ging wegwischte.
»Vielleicht ist es zu viel verlangt, aber ich hoffe, dass... dass du und Magnus sie vielleicht ebenfalls mehr liebt als eine Nichte«, sprach er vorsichtig.
»Ja«, erwiderte Alec sofort und wusste nicht, welche Worte er verwenden sollte. Er wollte seinem Parabatai sagen, dass er Charlotte wie eine Tochter liebte, dass er das gleiche für sie empfand wie für Rafael und Max. Charlotte war die wichtigste weibliche Person in seinem Leben und er konnte seine Liebe für das kleine Mädchen nicht in Worte fassen. Schon seit ihrer Geburt hatte sie Alecs Herz gestohlen und er war überzeugt davon, dass dies auch auf Magnus zutraf.
Tief holte er Luft, »Ja, ich liebe sie wie eine Tochter«, er erwartete einen verletzten Gesichtsausdruck seines Gegenübers, doch auf Jaces Lippen erschien ein schmales Lächeln, auch wenn es sehr gezwungen aussah.
»Jace, ich- «
»Das ist meine Last, die ich selbst tragen muss, aber es ist erträglich, wenn ich daran denke, wie viel Liebe du und Magnus ihr schenken könnt«, Alec war gerührt von Jaces Worten und auch auf seinen Lippen bildete sich ein Lächeln. »Ja, das tun wir«, versicherte er dem blonden Shadowhunter.
»Das ist alles, was ich mir für sie wünsche«, hauchte er. Er erinnerte sich an das Gespräch, was er damals mit Clary geführt hatte, als diese mit Charlotte schwanger gewesen war. Sie hatte befürchtet, dass ihr Kind nicht genug Liebe erfahren würde und Alec war froh, dass es nun er und Magnus waren, die dies verhindern konnten.
»Wer hätte gedacht, dass du der bessere Vater wirst?«, scherzte Jace und schlug Alec spielerisch auf die Schulter. »Ich versuchte nicht die gleichen Fehler zu machen wie Mom und Dad«, stellte Alec klar und lachte. Bis jetzt hatte er diesen Vorsatz ziemlich gut durchgezogen.
»Du bist kein bisschen wie Mom und Dad«, stellte Jace klar, danach griff er nach dem Ring an seiner Hand und zog ihn zögernd über seinen Finger. Schnell griff er nach Alecs Hand und legte den Ring auf Alecs Handfläche.
»Den brauchst du für die Zeremonie«, schmunzelte er und Alec betrachtete den Familienring der Herondales in seiner Hand. Während Alecs Ring, der sich jedoch an Magnus' Finger befand, mit Flammen verziert war, waren in den Herondale-Ring viele kleine Reiher graviert, passend zum Familiennamen. Fest hielt er ihn in seiner Hand. Bei der Zeremonie würde auch der Familienring an die nächste Generation weitergegeben werden und Alec musste sich ein Grinsen verkneifen, als er daran dachte, dass er tatsächlich Charlottes Begleitperson war.
»Danke«, flüsterte er Jace zu und zog ihn in eine enge Umarmung. »Ich habe zu danken«, erwiderte dieser, woraufhin Alec ihn noch fester drückte.
Mit Charlotte zusammen waren es insgesamt sechs Shadowhunter die am heutigen Tag ihre Rune bekamen. Charlotte war die letzte und somit stieg Alecs Nervosität immer weiter. Er fragte sich, wie Charlotte reagieren würde, schließlich hatten weder er noch Jace Zeit gehabt ihr die neue Nachricht zu überbringen. Abwesend spielte er mit dem Ring in seinen Händen und wünschte, er könnte es wenigstens Magnus erzählen, doch dieser stand viel zu weit vorne und Alec musste in der hintersten Reihe bleiben, um Charlotte zu empfangen.
Jace stand neben ihm und zusammen beobachteten sie den Jungen in Charlottes Alter, der seinen Schwur auswendig aufsagte und leicht zuckte, als die Stele seine Haut berührte. Die Voyance-Rune wird auf seine Haut gebrannt, die erste Rune, die jeder Shadowhunter bekommt. Sie ist permanent und auch Alec trug sie noch von seiner Zeremonie auf seinem Handrücken.
»Charlotte Theresa Herondale«, endlich wurde Charlies Name aufgerufen und Alec zuckte leicht zusammen. Charlotte trat aus der hintersten Reihe auf den schmalen Gang, der nach vorne zu einem der Silent Brother führte und Alec spürte, wie Jace ihn leicht zur Seite schubste, sodass Alec seine Nichte abfangen konnte.
Angekommen bei ihm schaute Charlotte erwartungsvoll zu ihrem Vater, bis schließlich Alec vortrat und sich ihre Augen erstaunt weiteten. Er warf ihr ein liebevolles Lächeln zu und ihm wurde warm ums Herz, als er ihr breites Grinsen sah. Eigentlich musste Alec nur neben Charlie hergehen, doch diese schmiegte sich an seine Seite und griff um seinen Arm, den sie fest drückte. Er mied Jaces Blick, da er seine Reaktion vermutlich nicht ertragen könnte und richtete seinen Blick nach vorne.
Magnus warf ihm einen überraschten Blick und auch Rafael grinste vielsagend, als Alec und Charlotte an ihnen vorbeiliefen. Es war schon sechs Jahre her, dass Alec das letzte mal an dieser Position gestanden hatte und als sich Charlotte von ihm löste und auf den Silent Brother zutrat, konnte Alec die Tränen in seinen Augen nicht unterdrücken. Charlotte war die letzte, sie war die jüngste und sie war schon fast erwachsen. Was war mit seinem Baby passiert, dass er nachts in den Armen gehalten hatte, weil es Bauchschmerzen gehabt hatte, oder dem er Laufen beigebracht hatte, Sprechen, Essen, Schwimmen, Fahrradfahren, wie man seinen Namen schreibt...
»Ich stehe hier vor meinen Shadowhunter«, fing Charlotte an, als sie bereits vorgetreten war. »Dem Engel vertraue ich mein Leben an, um die Rune des Engels zu erhalten. Und gelobe die Gesetze des Himmels aufrecht zu erhalten. Ich nehme dieses Zeichen an, um Ihn zu ehren, um Sein Licht in mich zu bringen«, sie hielt ihren Arm in die Richtung des Silent Brothers und fuhr fort: »Ich werden dem Rang der Shadowhunter beitreten...«
Sie warf einen letzten Blick über ihre Schulter und schaute direkt in Alecs Augen. Stolz lächelte er und hoffte, dass sie seine Tränen nicht bemerken würde. »...Den Wächtern des Friedens«, vervollständigte sie und Alec beobachtete, wie die Stele ihren Handrücken berührte. Die Voyance-Rune wurde gezeichnet und Charlotte verzog keine Miene.
Du wirst aufgenommen in den Rang der Shadowhunter, Charlotte Theresa Herondale, die dunkle Stimme des Silent Brothers erschien und Charlotte drehte sich zu Alec, der immer noch den Familienring in seinen Händen hielt. Er griff nach ihrer Hand und ließ den Herondale-Ring über ihren Mittelfinger gleiten, der sich sofort an ihre Haut schmiegte.
Alec schloss Charlie in seine Arme und drückte sie fest an sich, danach platzierte er einen Kuss auf ihrer Stirn, bevor er wieder von ihr abließ und sie aus dem Saal begleitete. Er konnte nicht in Worte fassen wie stolz er war; sein kleines Baby, seine Nichte, seine Tochter.
~*~
Charlottes Zeremonie wurde groß gefeiert und schon wieder war es Luke, der seine Farm dazu zur Verfügung stellte. Magnus hatte also ein Portal für alle Gäste eröffnet, sodass sie in New York feiern konnten. An aufgebauten Tischen saßen sie nun unter einem Zelt und feierten bis spät in die Nacht, sodass nur noch die Lichterketten und Kerzen etwas Licht spendeten.
Alec beobachtete Charlotte und Elias, die am nah liegenden See spielten. Die beiden hatten sich schon immer sehr nah gestanden, doch vor allem in den letzten Jahren war Alec ihre enge Beziehung aufgefallen. Schon seit einer Ewigkeit scherzten Isabelle und Clary, dass die beiden Kinder eines Tages Parabatai sein würden, doch mittlerweile hielt Alec dies für gar nicht unwahrscheinlich. Auch Elias hatte schon oft Nachmittage bei ihnen zu Hause verbracht und er und Charlie waren unzertrennlich.
Es war selten, dass die Kinder von zwei Parabatais ebenfalls Parabatai wurden, doch in dem Fall würde es bei Clary und Simon zutreffen. Diese saßen beide gegenüber von Alec, verwickelt in eine angeregte Diskussion und wenn Alec die beiden ansah, konnte er Charlotte und Elias in ihnen wiedererkennen – vielleicht auch nur, da Elias Simon wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelte und auch Charlotte das Ebenbild ihrer Mutter war.
Isabelle saß neben Simon, ihr jüngster Sohn schlief auf ihrem Schoß; George war vor drei Jahren geboren und auch er hatte Alecs Herz im Sturm erobert. Es war schön gewesen nach so langer Zeit wieder ein Baby in der Familie begrüßen zu können. Zudem war Isabelle erneut schwanger und der neue Nachwuchs würde Ende des Jahres zur Welt kommen. Das Geschlecht wollte sie nicht verraten und Alec hielt die Vorfreude kaum aus.
Er war schon fast neidisch auf seine Schwester, da er die Zeit wirklich sehr vermisste, in der seine Kinder noch sehr klein gewesen waren. Er vermisste die Zeit, in der sie in sein Bett geschlichen waren oder mit ihm auf dem Sofa gekuschelt hatten. Auch Kleinigkeiten wie seine Kinder auf dem Schoß zu halten vermisste er sehr, doch jeder von ihnen war bereits groß und nur Charlotte war diejenige die ab und zu noch etwas Zuwendung suchte.
Alec hatte Charlotte und Elias mittlerweile aus den Augen verloren, doch wenig später tauchte sein Neffe auf – jedoch allein. Er huschte erst an die Seite seines Vater, um sich etwas von seinem Getränk zu klauen, bevor er sich zu Max und Rafael setzte, die zu Alecs Linken saßen. Irritiert schaute er herunter zum See, um nach Charlotte zu suchen, doch die war nirgends zu sehen. Erst als er seinen Blick etwas schweifen ließ, erkannte er sie auf der großen Hollywoodschaukel, die etwas abseits unter den Bäumen stand.
Schmunzelnd erhob sich Alec und stützte sich an Magnus' Schulter ab, um über die Bank zu klettern. Dieser schaute ihn fragend an, als Alec ihm jedoch ein Lächeln schenkte, vertiefte er sich sofort wieder in die Konversation mit Luke und Jace. Schnell fühlte Alec in das Innere seines Jacketts und als er sich sicher war, dass alles vorhanden war, was er brauchte, machte er sich auf den Weg zu seiner Nichte.
Das Zirpen der Grillen wurde immer lauter, je weiter er sich dem See näherte, und schon bald war er bei Charlotte angekommen, die ihn erst spät bemerkte. Überrascht schaute sie auf und rückte ein bisschen zur Seite, um Alec Platz zu machen. Dieser ließ sich vorsichtig neben ihr nieder und schenkte ihr ein liebevolles Lächeln, das sie erwiderte.
Ihre Hochsteckfrisur hatte sich bereits aufgelöst, sodass ihre verknoteten Haare wild in ihr Gesicht fielen und sie war barfuß – ihre Schuhe lagen vermutlich irgendwo im Gras. Langsam schaukelte Alec die Schaukel hin und her, da Charlotte selbst nicht mit den Füßen auf den Boden kam und somit nicht in der Lage war, es selbst zu tun.
»Du warst doch meine Begleitperson bei der Zeremonie«, stellte sie fest und grinste breit. Alec schmunzelte und fischte die vielen Haarspangen aus ihren Haaren, die schon lange nicht mehr ihren Zweck erfüllen.
»Ja, ich habe mit deinem Vater gesprochen«, informierte er sie und sammelte die Spangen in der Tasche seines Jacketts. Mit seinen Fingern kämmte er vorsichtig durch ihre Haare, die ihr bereits bis zur Brust gewachsen waren.
»Und er hat einfach so Ja gesagt?«, hakte sie kritisch nach. »Er hat eingesehen, dass er einen Fehler gemacht hat... Aber Charlie...«, sofort glitt ihr Blick zu ihm, als er sie ansprach.
»Er liebt dich so sehr, ich hoffe, das weißt du«, versicherte Alec ihr. Schnell wendete sie ihren Blick ab und seufzte leise. »Und ich weiß, dass du ihn auch liebst«, fügte er hinzu, worauf Charlotte ihre Arme vor der Brust verschränkte und ihre Füße auf die Schaukel zog.
»Aber dich mehr«, es war nur ein leises Flüstern und andere an Alecs Stelle hätten es vermutlich nicht gehört, aber Alec kannte seine Nichte und wusste, was ihre Antwort sein würde. Natürlich wurde ihm bei diesen Worten warm ums Herz. Es war wunderschön so etwas von einem Kind zu hören, doch gleichzeitig tat es ihm weh. Er konnte sich nicht vorstellen, wie sich Jace dabei fühlen musste.
»Ich hab' noch ein Geschenk für dich«, sprach Alec irgendwann, nachdem eine lange Stille geherrscht hatte. Erwartungsvoll sah Charlotte ihn an, als Alec in sein Jackett griff und die kleine flache Schachtel herausnahm, die er dort schon den ganzen Tag versteckt gehalten hatte. Schnell öffnete er sie und nahm das zierliche Armband heraus, was sich in der Schachtel befunden hatte.
Er überreichte er Charlotte die ihre Augen zusammenkniff, um es zu betrachten. Es war ziemlich dunkel und die Gravur des Armbands konnte man vermutlich nur mit etwas mehr Licht erkennen. »Es sind Flammen«, ließ er Charlotte deshalb wissen, als sie ihren Finger über die Gravierungen gleiten ließ.
»Du hast den Herondale-Familienring von deinem Vater als Zeichen, dass du zu dieser Familie gehörst, bekommen. Da habe ich gedacht, dass du auch etwas von uns brauchst... von deiner...«, er zögerte, »...anderen Familie«.
»Lightwood«, flüsterte Charlie und ließ das Armband mehrere male durch ihre Finger gleiten. »Ein zweiter Ring wäre vielleicht zu übertrieben, also haben Magnus und ich an ein Armband gedacht«, erklärte Alec, doch Charlotte schien sich bereits nicht mehr für seine Worte zu interessieren.
»Danke«, hauchte sie und blickte wieder zu Alec. Er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht genau lesen. Sie lächelte nicht, was ihn etwas verunsicherte. »Willst du es ummachen?«, fragte er prüfend und Charlotte hielt ihm wortlos ihren Arm hin.
Mit etwas Mühe schloss er das kleine Riemchen und beobachtete seine Nichte, die das Armband noch einmal prüfend musterte. Ruckartig richtete sie sich auf und kniete nun auf der Schaukel, die gefährlich wackelte. Alec war überrascht, als sich Charlotte beinahe auf ihn schmiss und ihre Arme um seinen Hals schlang. Er erwiderte ihre Umarmung und drückte sie fest an sich, bis sie sich langsam in seinen Armen entspannte.
»Du musst dich zwischen niemandem entscheiden, Charlie. Wir werden für immer deine Familie bleiben und Magnus, Jace, Clary und ich werden dich für immer unendlich doll lieben«, versicherte Alec ihr und ließ zu, dass sich Charlotte auf seinem Schoß niederließ. Sie hatte ihren Kopf auf seine Schulter gelegt und Alec fühlte sich einige Jahre zurückversetzt, als Charlotte oft auf seinem Schoss gesessen hatte, um mit ihm zu kuscheln. Er dachte daran, wie er Isabelle bis eben beneidet hatte, da ihr Kind diese Art von Zuneigung noch brauchte, doch nun begriff Alec, dass Charlotte ebenfalls noch zumindest größtenteils ein Kind war, auch wenn sie nun ein vollständiger Shadowhunter war.
Es tat ihm leid, dass Charlotte nach all den Jahren immer noch nicht ganz zu wissen schien, wo sie hingehörte. Alec wünschte, er hätte es ihr leichter machen können, doch nun war es vermutlich zu spät. Er schaukelte sich und Charlie noch ein wenig hin und her und spürte dabei ihren gleichmäßigen Atem an seinem Hals. Ihr Körper wurde irgendwann immer schwerer, vor allem die Arme, die um seinen Hals lagen. Er hielt Charlie immer noch dicht an sich gedrückt und versuchte mit einer Hand sein Jackett auszuziehen. Kurz protestierte sie, doch schließlich hatte er es dennoch geschafft.
Fürsorglich legte er das Jackett über Charlottes Körper und versuchte ihre Füße mit seiner Hand zu wärmen. Alec fragte sich, ob es wohl das letzte mal war, dass er Charlotte so halten würde. Bei Rafael und Max hatte er sich nie Gedanken darüber gemacht, doch da Charlotte sein letztes Kind war, versuchte er jeden Moment zu schätzen. Er fuhr vorsichtig durch ihre Haare und konzentrierte sich auf ihr gleichmäßiges Atmen, bis auch seine eignen Augen schwer wurden.
~*~
»Alec!«, langsam schlug Alec die Augen auf, als er hörte, wie jemand flüsternd seinen Namen rief. Er erkannte Magnus, der sich über ihn gebeugt hatte und ihn leicht schüttelte. Alec gab nur ein Brummen von sich und wollte sich strecken, doch bemerkte Charlotte, die noch auf seinem Schoß saß. Seine Beine waren eingeschlafen und schmerzten, doch das war es ihm definitiv wert.
»Wir haben schon überall nach euch gesucht«, diesmal sprach nicht Magnus, sondern es war Jaces Stimme, die Alec ausmachen konnte. Wieder gab er nur ein Brummen von sich. Er wurde immer wacher als er merkte, wie kalt die Luft bereit geworden war; eine Gänsehaut breitete sich auf seinen Armen aus, die nur von einem dünnen Hemd bedeckt waren.
»Wir wollen nach Hause«, sprach Magnus, »Isabelle, Simon, Elias und George sind schon weg«, fügte er noch hinzu und flüsterte immer noch, vermutlich wegen Charlotte.
»Komm, Dad«, nölte Max, den Alec vorerst überhaupt nicht sehen konnte. Es war viel zu dunkel um irgendetwas erkennen zu können und auch die Lichterketten an der Hütte brannten nicht mehr. Nur Jace hielt sein Witchlight in seiner Hand und spendete somit ein wenig Licht.
»Ja«, hauchte Alec abwesend und richtete sich vorsichtig auf. Er hielt Charlotte weiterhin in seinen Armen, auch als er aufstand. Magnus fing sein Jackett auf, das von den Schultern seiner Nichte rutschte. Zögernd stand Alec vor Jace, sein Kopf immer noch benebelt.
»Willst du- «, zögernd hielt er Jace seine Tochter entgegen, doch dieser winkte bloß ab.
»Ich glaube, sie möchte jetzt lieber nach Hause«, sprach er und Alec zog seine Augenbrauen überrascht in die Höhe. Jaces Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln und Alec lächelte überfordert. Sogar Clary schien einverstanden zu sein und warf Alec und ihrer Tochter ein liebevolles Schmunzeln zu.
»Also wollt ihr zwei zurück ins Institut?«, hakte Magnus nach, der dabei war ein Portal zu öffnen. Abwesend nickten beide Eltern und Jace war der erste, der Alec zum Abschied zunickte und sich zu Magnus stellte. Clary trat ein paar Schritte auf Alec zu und drückte einen Kuss auf den Kopf ihrer Tochter, bevor sie sich zu Jace gesellte. Beide dankten Magnus und warfen noch einen kurzen Blick über ihre Schulter, bevor sie im Portal verschwanden.
»Ich schlaf auch gleich ein«, beschwerte sich Max und erhielt einen Schlag von Rafael auf seinen Hinterkopf. »Au!«, schrie er laut, woraufhin Magnus ihn sofort ermahnte. »Ich hoffe, dass wird dich für die nächsten Minuten wachhalten«, sprach Rafael und Alec erwischte Magnus dabei, wie er versuchte ein Grinsen zu verkneifen.
Wenige Minuten später konnte sich Max bereits wieder in sein lang ersehntes Bett legen, nachdem er dem Rest der Familie ein flüchtiges »Gute Nacht« zugerufen hatte. Auch Rafael hatte sich in sein Zimmer verzogen und Alec trug Charlotte in ihr Zimmer. Vorsichtig ließ er sie auf ihrem Bett nieder und knipste die Nachttischlampe an, um besser sehen zu können. Er zog ihren Schlafanzug unter ihrem Kissen hervor und schüttelte vorsichtig ihre Schulter.
»Charlie«, flüsterte Alec und versuchte seine Nichte zu wecken, die sich jedoch nicht rührte. Aus dem Augenwinkel bemerkte Alec, dass Magnus den Raum betreten hatte. Er hatte sein Jackett und seine Schuhe bereits ausgezogen und setzte sich ebenfalls zu Alec auf Charlottes Bett. Er griff nach ihrer Hand und strich mit dem Daumen sanft über ihre erste Rune, danach über ihr Armband, das sie ihr geschenkt hatten.
»Du hast es ihr gegeben«, stellte Magnus schmunzelnd fest. Alec nickte und sprach: »Sie hat Jace und Clary gesagt, dass sie wünschte, dass wir ihre Eltern wären«.
»Autsch«, kommentierte Magnus, schien es jedoch nicht so ernst zu nehmen, wie Alec es tat. »Ich fühle mich so schlecht«, gestand Alec, doch Magnus schüttelte den Kopf. »Nichts davon ist deine Schuld, Alexander. Als Clary schwanger war, haben wir ihr gesagt, dass wir ihrem Kind so viel Liebe wie nur möglich schenken würden und das haben wir getan«, aus Magnus' Mund hörte es sich so simpel an, doch es ließ Alec nicht besser fühlen.
»Nun«, sprach Magnus und griff nach dem Schlafanzug in Alecs Händen. Er schloss seine Augen und ehe sich Alec versah, hielt Magnus nicht mehr den rosa Pyjama in seinen Händen, sondern Charlies rotes Kleid. Verwirrt sah Alec zu seiner Nichte, die ordentlich in ihrem Schlafanzug gekleidet war. Leise seufzte er und sah Magnus vielsagend an.
»Manchmal ist ein bisschen Magie erlaubt«, grinste der Warlock und schmiss das Kleid über Charlottes Schreibtischstuhl. »Du willst nicht wissen, was Max vermutlich jeden Tag hinter unserem Rücken macht«, fügte er hinzu, als Alec immer noch nicht begeistert aussah.
»Bei dir als Vorbild...«, lachte Alec vielsagend. Gerade wollte Magnus etwas erwidern, als sich Charlotte bewegte. Vielleicht hatte er zu laut gesprochen. Verschlafen öffnete sie ihre Augen und blickte zuerst zu Magnus, der direkt in ihrem Blickwinkel saß.
»Wir wollten dich nicht wecken«, flüsterte er und strich mit seinem Handrücken sanft über Charlottes Wange. Diese murmelte etwas unverständliches und drehte sich auf die Seite, sodass sie schließlich sehr nah an Magnus lag. Mit einem Arm umklammerte sie sein Bein und Alec sah seinen Mann breit grinsen. Alec griff nach der Decke und zog sie vorsichtig unter Charlotte hervor, bis er sie über seine Nichte legen konnte.
»Hattest du einen schönen Tag?«, fragte Magnus und zog die Decke etwas näher an Charlottes Kinn, die daraufhin leicht nickte. Ihre linke Hand, auf der die neue Rune gezeichnet war, lag in Magnus' Schoß und schon wieder strich er leicht über sie. Alec fragte sich, ob Magnus den gleichen Stolz verspürte, wenn er Charlotte oder Rafael bei Ritualen der Nephilim sah. Alec war zumindest außerordentlich stolz auf Max, wenn dieser seine magischen Fähigkeiten erweiterte, vielleicht gab es für Magnus also ebenfalls keinen Unterschied.
»Gute Nacht, Charlie«, flüsterte Alec, als es erneut so schien, als wäre sie eingeschlafen. Ihre Mundwinkel zuckten leicht und sie drückte ihr Gesicht dichter an Magnus' Bein, der ihr daraufhin durch die Haare strich. Noch ein letztes mal strich Alec liebevoll über Charlies Bein, das unter der Bettdecke lag und erhob sich. Auf leisen Sohlen schlich er zur Tür, blieb jedoch stehen, um auf Magnus zu warten.
Auch er erhob sich vorsichtig von Charlottes Bett, wurde jedoch aufgehalten, als Charlies Hand, die eben noch auf Magnus' Bein gelegen hatte, in den Stoff seiner Hose griff. »Papa«, sprach sie verschlafen und sofort drehte sich Magnus zu ihr. »Ja?«, erwiderte er, wahrscheinlich schon gewohnt auf diesen Namen zu reagieren. Erst einige Sekunden später wandelte sich sein Gesichtsausdruck und er wirkte genauso überrascht wie Alec.
Charlotte hatte Alec und Magnus schon oft aus Versehen Daddy und Papa genannt, jedoch eher als sie jünger gewesen war und vor allem in Gegenwart von Max und Rafael, die es ihr vorgemacht hatten. In den letzten Jahren hatte sie es nicht mehr gemacht, umso überraschter war Alec.
Wortlos und mit immer noch geschlossenen Augen breitete Charlotte ihre Arme aus und wartete darauf, dass sich Magnus zu ihr herunter beugte. Genau das tat er und zog sie in eine feste Umarmung. Er drückte mehrere Küsse auf ihre Wange und wollte sich von ihr lösen, doch ihr Griff in seinem Hemd verstärkte sich, sodass er nachgab.
Mit einem Schmunzeln auf den Lippen beobachtete Alec die beiden und wünschte sich auch Teil der Umarmung zu sein, doch er wollte diesen Moment nur ungern stören. »Wir sind so stolz auf dich«, hörte er Magnus flüstern und konnte nur zustimmen. Zum ersten mal verspürte Alec kein schlechtes Gewissen, als er über Charlottes Worte nachdachte. Das einzige, was er spürte, was die Wärme, die sich langsam in seinem Körper ausbreitete, denn Charlie hatte recht; Magnus war ihr Papa und er würde es auch für immer bleiben.
Langsam löste sich Charlottes Griff in Magnus' T-Shirt und dieser löste sich vorsichtig von dem kleinen Mädchen. Sie war eingeschlafen, weshalb er ihre Arme vorsichtig von sich zog und fürsorglich an ihren Körper legte, bevor er einen letzten Kuss auf ihren Kopf drückte und sich schließlich aufrichtete. Er ging einige Schritte rückwärts, um seinen Blick nicht von ihr abwenden zu müssen, bis er sich zu Alec drehte. Der Shadowhunter konnte Tränen in seinen Augen erkennen und schmunzelte, als Magnus einen Kuss auf seine Wange drückte.
Wortlos schlängelte er sich an Alec vorbei und ließ ihn allein in Charlies Zimmer. Er warf noch einen letzten Blick auf seine Nichte, bevor den Lichtschalter betätigte und das Zimmer in komplette Dunkelheit getaucht wurde.
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02.09.2018
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