17. Bräutigamjungfern und Blumenmädchen

Bräutigamjungfern und Blumenmädchen

»Ist es komisch, dass ich wünschte, Dad wäre hier?«, Alec betrachtete sich in dem großen Spiegel des Schlafzimmers, in dem Isabelle die Nacht verbracht hatte. Gestern Abend waren sie nach Idris aufgebrochen für den großen Tag, der nun bevorstand. Nervös spielte Alec mit seinem Familienring, der einst seinem Vater gehört hatte. Seinen eigenen hatte er damals Magnus gegeben und dort hatte er eindeutig seinen richtigen Platz gefunden.

»Nur ein bisschen«, im Spiegelbild konnte er sehen, wie ihm Isabelle schmunzelnd zuzwinkerte und ihm schließlich über die Schultern strich, um den Stoff seines Jacketts zu glätten. Zwar hatte er nie eine gute Beziehung mit seinem Vater gehabt, trotzdem wünschte er ihn nun an seiner Seite zu haben, schließlich war es wahrscheinlich der größte Tag seines Lebens. Gerade als er damals gedacht hatte das Verhältnis mit seinem Vater bessern zu können, war dieser von ihm gerissen worden. Niemals hätte er gedacht, dass der Verlust zu wehtun würde, besonders weil es Zeiten gegeben hatte, in denen er seinem Vater grausame Dinge gewünscht hatte.

»Er wäre stolz auf dich«, versuchte Isabelle ihn aufzumuntern und boxte ihm leicht gegen die Schulter. Spöttisch lachte Alec und zog das Hemd an seinen Ärmeln zurecht, danach richtete er den Kragen seines goldenen Anzugs. »Notgedrungen«, kommentierte er. Schon immer hatte sein Vater etwas gegen Alecs Sexualität gehabt und nun auf der Hochzeit seines schwulen Sohnes zu erscheinen, hätte ihm wohl alles andere außer Stolz fühlen lassen.

Hochzeit

Verdammt, er würde heiraten.

Tief atmete er durch und richtete die Fliege um seinen Hals ein letztes mal, bevor er sich umdrehte und erwartungsvoll seine Arme ausstreckte, um sich richtig zu zeigen. »Wie sehe ich aus?«, fragte er, wollte jedoch eigentlich keine Antwort haben. Es war eher eine nervöse Geste, da er nicht wusste, was er sagen sollte.

»Schrecklich«, antwortete Jace trotzdem und verzog dabei keine Miene. Außenstehende könnten meinen, dass er es sogar ernst gemeint hatte, aber Alec kannte seinen Bruder. Er warf ihm einen mahnenden Blick zu und hörte Rafael leise kichern. Er lag auf dem Bett, vertieft in eines seiner Bücher. In letzter Zeit erinnerte ihn Alec immer mehr an seinen kleinen Bruder Max, den man damals ebenfalls nie ohne Buch in der Hand gesehen hatte. Seit Rafael lesen konnte, steckte seine Nase immer zwischen den Seiten und Alec war verwundert, dass er Jaces Kommentar überhaupt gehört hatte, wo er eigentlich während des Lesens kaum ansprechbar war.

»Hey, hör auf zu lachen«, mahnte er seinen Sohn spielerisch, der keine Reaktion von sich gab. »Steh auf. Wenn du dein Hemd zerknitterst, bringt mich dein Vater um«, Rafael seufzte lautstark und erhob sich tatsächlich, als Alec leicht an seinem Arm zog. Zu seiner Überraschung legte er sogar das Buch weg und schaute hoch zu seinem Vater, der versuchte sein blaues Hemd zu richten. Er glättete es so gut wie möglich und zog die Hosenträger auf seinen Schultern zurecht, bis Rafael nach seiner Hand griff und ihn von sich drückte.

»Wie lange noch?«, fragte Alec ungeduldig. Er wartete bereits gefühlte Stunden auf die Hochzeit und darauf, dass er Magnus endlich sehen durfte. Schon gestern Abend hatte er vor Aufregung kaum eine Auge zudrücken können. »Noch ein bisschen mehr als eine Stunde«, informierte ihn seine Schwester. Leise seufzte er und legte seine Arme um Rafael, sodass dieser keine andere Wahl hatte als seine Umarmung zu erwidern. Von der Seite aus schaute Alec in den Spiegel und musste feststellen, dass sein Sohn ihm bereits über die Hüfte reichte. Er war immer noch ein vergleichsweise kleines Kind, vor allem im Gegensatz zu Elias und Max, die zwar immer noch kleiner waren, ihn jedoch irgendwann überholen würden. Trotzdem fragte sich Alec, was mit seinem kleinen Baby passiert war, dass er so einfach in seine Arme hatte heben können.

Er musste nicht mehr in die Hocke gehen, als er Rafael einen Kuss auf die Wange drückte. Dieser versuchte sich aus dem Griff seines Vaters zu befreien, jedoch ohne Erfolg. »Lass mich!«, sprach Rafael verzweifelt, doch Alec lachte nur, bis er schließlich doch von ihm abließ. Beleidigt kletterte sein Sohn zurück auf Isabelles Bett und schlug sein Buch auf um weiterzulesen. Schulterzuckend drehte er sich zu Jace um, der mit Charlotte auf dem Schoß in dem großen Sessel gegenüber vom Bett saß. Isabelle war vor den Spiegel gerückt und kämmte ihre langen dunklen Haare ordentlich durch.

Charlottes Gesicht erhellte sich, als sie sah, dass ihr Onkel zu ihr schaute. Erfreut streckte sie ihre kleinen Ärmchen nach ihm aus, weshalb Alec einige Schritte auf seine Nichte zutrat und sie kurzerhand in seine Arme hob. »Wenigstens einer weiß meine Liebe zu schätzen«, seufzte Alec dramatisch und drückte einen Kuss auf Charlies Wange, die fröhlich quiekte.

Aus dem Augenwinkel sah er, wie Jace gewollt wegschaute, als Alec begann mit Charlotte zu kuscheln. Es war keine einmalige Sache, sondern etwas, was Alec schon öfter beobachtet hatte. Während der Anwesenheit seines Parabatais versuchte sich Alec mit Charlotte eher zurückzuhalten, da er jedes mal das Gefühl hatte, dass sich Jace dadurch unwohl fühlte. Wahrscheinlich war es Alecs enge Beziehung zu seiner Nichte, denn gegenüber ihrem Vater zeigte Charlotte eher selten solche Reaktionen. Man konnte es dem kleinen Mädchen nicht übel nehmen, schließlich verbrachte sie den Großteil ihres Lebens im Lightwood-Bane Haushalt, trotzdem verstand Alec Jaces Enttäuschung.

Lightwood-Bane

An den Namen müsste er sich erst noch gewöhnen. Seinen Shadowhunter-Namen aufzugeben kam für Alec auf keinen Fall in Frage, doch auch Magnus hatte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden können Alecs Namen anzunehmen. Wenn man über mehrere Jahrhunderte den gleichen Namen trug und sich zudem einen Ruf aufgebaut hatte, war Magnus' Entscheidung für Alec jedoch verständlich. Da Rafael und Max sowieso bereits den Doppelnamen trugen, hatten sich auch Magnus und Alec für Lightwood-Bane entschieden (mit einer kleinen Diskussion welcher Name nun zuerst kommen würde).

Alec setzte Charlotte vorsichtig zu Rafael auf Isabelles Bett. Dieser schaute noch nicht einmal von seinem Buch auf. Auch nicht, als seine Cousine auf allen Vieren zu ihm krabbelte und nach dem Buch greifen wollte. Geschickt rettete es Rafael in letzter Sekunde, ohne seine Augen von den Seiten zu nehmen. Wie eine typische kleine Schwester nervte Charlotte ihren Cousin weiter und versuchte auf seinen Schoß zu krabbeln, doch selbst das schien Rafael nicht zu erschüttern. Er war die kleine Nervensäge schon gewohnt, die den beiden Jungs zu Hause ebenfalls ständig auf der Nase herumtanzte.

Insgeheim musste Alec zugeben, dass es vielleicht zum Teil auch seine Schuld war. Als einziges Mädchen war Charlotte eindeutig die kleine Prinzessin, die von ihren Onkeln oft in Watte gepackt wurde, doch Alecs Söhne schienen sich damit abgefunden zu haben. Jeder liebte das kleine Mädchen mit den großen grünen Augen, vor allem Rafael, der eine Zeit lang ständig an ihr geklebt hatte. Ihre Beziehung erinnerte Alec stark an die von ihm und Isabelle. Obwohl Charlotte ihren Cousin den ganzen Tag nerven konnte, freute sich Rafael jedes mal wie ein Kind an Weihnachten, wenn Alec und Magnus sie von Jace und Clary abholten, damit sie die Tage wieder bei ihnen verbrachte.

»Charlie-e-e«, nölte Rafael und riss ihr erneut das Buch aus der Hand. Diesmal hielt er es hoch über seinen Kopf, sodass sie es nicht erreichen konnte. Ein paar mal versuchte sie es, bis sie letztendlich frustriert zurück auf ihr Hinterteil fiel und lautstark anfing zu weinen. Rafael riss seine Augen auf und schaute verzweifelt zu seinem Vater. Die Angst stand förmlich in seinen Augen geschrieben, da er womöglich mahnende Worte von Alec erwartete. Dieser lachte bloß.

»Bereits so dramatisch wie Magnus«, kommentierte Izzy amüsiert, worauf Alec noch lauter lachte. Gerade wollte er an die Seite seiner Nichte eilen, als sich Jace ruckartig aus dem Sessel erhob und seine Tochter in seine Arme schloss. Alec entging nicht der seltsame Gesichtsausdruck seines Parabatais, als Isabelle Magnus erwähnt hatte. Verwirrt legte Alec seine Stirn in Falten.

***

»... dann haben wir Stunden vor dem Fenster gesessen und gewartet, bis er kommen würde. Er ist tatsächlich zum gegenüberliegenden Haus gegangen und hat geklingelt. Ihr hättet seinen Gesichtsausdruck sehen sollen! Alles nur, weil Magnus ihm eine falsche Adresse geben hat«, Tessa lachte lautstark und auch Catarina, Clary und Simon stimmen mit ein, als Magnus' alte Freundin ihre Anekdoten über Magnus auspackte und nun ihre bereits fünfte Geschichte zu Ende erzählte. Tatsächlich konnte er sich noch daran erinnern, wie er dem überaus aufdringlichen Mann in einer Bar eine falsche Adresse gegeben hatte, da er ihn endlich hatte loswerden wollen. Es musste Ende der dreißiger Jahre gewesen sein, einige Jahre nachdem Tessas Ehemann Will verstorben war.

Während Tessa erzählte, konnte Magnus nur halbherzig zuhören; die Übelkeit, die er schon den ganzen Tag verspürte, wollte nicht verschwinden, genauso wie die Nervosität, die es ihm schwer machte sich zu konzentrieren.

»Hör auf«, zischte Catarina so leise, dass nur er es hörte. Mit einer Hand schlug sie unsanft gegen sein Knie und deutete ihm somit aufzuhören mit seinem Bein zu zappeln, was er aus Aufregung getan hatte. Leise seufzte er und warf seiner ältesten Freundin einen genervten Blick zu, den sie nur mit einem Grinsen erwiderte. Sie strich abwesend durch Max' Haare, der auf ihrem Schoß saß und schon seit einiger Zeit schlief. Sein Kopf ruhte an ihrer Schulter und sein Mund war leicht geöffnet. Der hellblaue Hautton von Catarina passte zu dem von Magnus' Sohn, der nur wenige Nuancen dunkler war. Nur Catarinas schneeweiße Haare waren ein starker Kontrast zu Max' fast schwarzen. Sie trug sie offen, sodass sie auch über Max' Schulter fielen.

»Oh, und habe ich schon von Julien erzählt?«, fing Tessa erneut an und erweckte dadurch die Aufmerksamkeit von allen anderen im Raum, diesmal sogar von Magnus. »Tessa!«, mahnte Magnus, bekam jedoch nur ein verschmitztes Lächeln als Antwort.

»Magnus war so verknallt«, lachte sie. Magnus spürte, wie das Blut in seinen Kopf schoss, wenn er an Julien dachte; definitiv eine Zeit, die er verdrängen wollte. »Magnus und ich hatten uns mal wieder auf eine dieser edlen Partys geschlichen. Ich weiß schon gar nicht mehr, als wen wir uns ausgegeben haben«, erzählte Tessa weiter und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, da sie eben so sehr gelacht hatte.

»Alles nur Männer mit hübschen Frauen, die mindestens zwanzig Jahre jünger waren. Ekelhafte Wichtigtuer mit teuren Anzügen, aber nichts in der Birne«, seufzte Tessa und schüttelte schmunzelnd den Kopf. »Es hat sich also eh keiner für uns interessiert außer Julien«, sie zwinkerte Magnus kurz vielversprechend zu, der immer kleiner in seinem Sessel wurde. Er vergrub sein Gesicht verlegen in seiner Hand und wartete, bis sich der Boden unter ihm öffnen würde und sein Schicksal ein Ende hatte.

»Er war vielleicht Anfang fünfzig und ihr hättet sehen müssen, wie er die jungen Kellner angestarrt hat; total widerlich, aber Magnus ist drauf reingefallen«, sie zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück, danach schlug sie ein Bein über das andere.

»Ach, das Arschloch, dem du noch so lange hinterher getrauert hast«, Catarina schien ein Licht aufzugehen und nun wollte Magnus am liebsten wirklich auf der Stelle sterben.

»Oh, dass er ein Arschloch ist, habe ich ihm von Anfang an gesagt. Er hat alle anderen Leute im Raum behandelt wie seine Bediensteten. Das war auch das erste und letzte mal, dass ich ihn gesehen habe, denn bei uns in der Wohnung ist er nie gewesen. Aber er hat sowieso nicht viel von Frauen gehalten. Außerdem haben Magnus und Julien vermutlich sowieso nie das Tageslicht gesehen, wenn sie zusammen waren«, wieder grinste sie verschmitzt und nahm einen Schluck aus dem Sektglas, was neben ihr auf dem kleinen Beistelltisch stand.

Gerade wollte Magnus widersprechen, als es Simon war, der zuerst sprach. »Ach so, Julien war ein Vampir!«, er tat Magnus schon fast leid, als ihn alle amüsiert anschauten. Catarina schlug sich gegen die Stirn und Tessa kicherte lautstark aufgrund Simons unschuldigen Kommentars. Manchmal fragte Magnus sich, wie es Simon geschafft hatte Isabelle zu heiraten, die eigentlich aus einer vollkommen anderen Liga war. Doch dann realisierte er, dass dieses Kommentar wohl auch von Alec hätte kommen können, weshalb er sich jegliche Bemerkung verkniff. Clary lehnte sich also zu ihrem Parabatai und flüsterte etwas unverständliches in sein Ohr, woraufhin sich Simons Gesichtszüge schlagartig änderten.

»Oh, ich- ja, daran hatte ich nicht gedacht«, stammelte er und Magnus war froh, dass er nun nicht mehr der einzige war, der im Erdboden versinken wollte.

»O.k., erstens: Julien war siebenundvierzig Jahre alt und nicht Anfang fünfzig. Zweitens: wir haben unsere gemeinsame Zeit nicht nur im Bett verbracht und drittens: er hat nicht weniger von Frauen gehalten«, versuchte sich Magnus zu rechtfertigen, doch Tessa fiel ihm ins Wort.

»Oh, stimmt, ich vergaß; er war ja schließlich mit einer verheiratet, während er dich im Ehebett-«,

»Tessa, hier sind Kinder im Raum!«, mahnte Magnus sie empört und deutete erst auf Max, danach auf Elias, der auf Tessas Bett schief. »Die schlafen«, winkte Tessa ab und Magnus verdrehte die Augen. »Komm schon, warum warst du sonst mit ihm zusammen? Der Typ hatte echt einen Stock im Arsch... und du hattest seinen Stock im A-«

»O.K.!«, ruckartig erhob sich Magnus von seinem Stuhl und klatschte laut in die Hände, um den Rest von Tessas Satz zu übertönen. Clary fing an zu Husten, da sie sich vor Schreck an ihrem Sekt verschluckt hatte, Simon starrte mit großen Augen gerade aus. Tessa hatte den armen Jungen wohl vollkommen verstört.

»Ich wollte nur sagen, dass ich sehr froh bin, dass mich Magnus damals wieder nach Amerika geholt hat«, beendete Tessa ihre Geschichten nun endgültig und exte den Rest ihres Sektes. Elegant erhob sie sich und strich über ihr langes blaues Kleid, das farblich genau zu Magnus' Anzug passte. »Ich habe gesagt, du wirst es bereuen mich zu deiner Brautjungfer gemacht zu haben«, überschwänglich warf sie einen Arm um Magnus.

»Oh, warte. Bräutigamjunfer... gibt es so etwas?«, sie griff auch nach Magnus' Sektglas, was dieser noch nicht angerührt hatte. Gerade wollte sie es zu ihren Lippen führen, als Magnus sie aufhielt und ihr das Glas aus der Hand nahm. »Ich glaube, du hast schon genug getrunken, Liebling«, er übergab das Glas Catarina, die zustimmend nickte. Max war wach und sah seinen Vater mit großen Augen an, der ihm ein schmales Lächeln zuwarf.

»Du willst doch nicht die verrückte Tante sein, die jeder in seiner Familie hat, oder?«, hakte er nach und legte seine Hände an Tessas Schultern, bevor er sie leicht von sich drückte und von oben bis unten musterte. Er würde sie so schnell wie möglich zu ihrem Mann zurückbringen, wenn die Hochzeit beginnen würde. Wer weiß, was sie noch alles peinliches von sich geben würde. Widerwillig löste sie sich aus seinem Griff und setzte sich zurück in ihren Sessel, diesmal ohne Alkohol.

»Der Anzug steht dir wirklich sehr gut, Magnus«, komplimentierte Clary, die plötzlich an Magnus' Seite auftauchte und über die goldenen Akzente seines Jacketts strich. Ihm war bewusst gewesen, dass die Farbe für Hochzeiten für Shadowhunter Gold war, trotzdem hatte er sich einen blauen Anzug ausgesucht. Ganz wollte er sich den Ritualen doch nicht unterwerfen und noch etwas eigenes mit einbringen. Die goldenen Akzente an seinen Schultern und an seiner Knopfleiste und das goldene Hemd, was er unter seinem Jackett trug, würden die Shadowhunter hoffentlich befriedigen, obwohl er sich dies eher weniger vorstellen konnte.

Genau wie Magnus trug auch Max Dunkelblau; wie die anderen kleinen Jungs trug er ein blaues Hemd, das Magnus vorhin ordentlich in seine schwarze Hose gesteckt hatte. Magnus' jüngster Sohn hatte nur ein Problem mit den Hosenträgern, die er immer wieder versuchte von seinen Schultern zu streichen.

»Danke«, sprach Magnus an Clary gewandt und griff nach Max' kleiner Hand, die schon wieder hoch zu seinen Schultern geschlichen war, um einen der Hosenträger zu lockern. Er wusste nicht, ob Max wirklich wusste, was genau vor sich ging. Rafael war völlig begeistert gewesen, als Magnus und Alec ihn in die Planungen der Hochzeit eingeweiht hatten, während Max das ganze einfach so hingenommen hatte. Magnus ging zwar davon aus, dass Max das Prinzip einer Ehe verstand, aber warum genau er dafür nun Hosenträger tragen und sich langweilige Geschichten seiner Tante anhören musste, war ihm wahrscheinlich eher unklar.

»Du siehst ebenfalls umwerfend aus, Biscuit«, fügte er noch hinzu, woraufhin Clary verlegen grinste. Sie trug ein langes Kleid in der gleichen dunkeln Farbe wie das von Tessa. Ihre Haare waren aufwendig hochgesteckt und Magnus mochte, wie es ihr Gesicht betonte, das sie sonst immer hinter den Haarsträhnen versteckt hielt.

»Und du ebenfalls«, sagte er an Max gewandt, den er kurze Hand auf seinen Arm hob. Der kleine Warlock war mit seinen sechs Jahren eindeutig kein Fliegengewicht mehr, was Magnus immer wieder überraschte. Er setzte ihn auf seine Hüfte und strich mit seiner freien Hand das Hemd seines Sohnes glatt. Dieser wirkte trotz seines kurzen Nickerchens immer noch müde und legte seinen Kopf erschöpft auf die Schulter seines Vaters.

Noch einmal drehte er sich zu dem großen Spiegel, vor dem er heute bereits den ganzen Tag gestanden hatte, und betrachtete sein Spiegelbild. Niemals hätte er gedacht, dass der Rat das Gesetz so schnell ändern würde. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass er irgendwann nachgeben und Alec und er doch in einer normalen Zeremonie für Unterweltler heiraten würden, da sie es nicht mehr abwarten konnten. Doch bereits nach fünf Jahren hatten sie die Nachricht erhalten und kurz darauf war es Isabelle gewesen, die alles von vorne bis hinten durchgeplant hatte.

»Eigentlich schuldet mir Ragnor jetzt noch einen hohen Betrag an Geld. Er hat damals gewettet, dass du niemals heiraten wirst«, grinste Catarina, die plötzlich an seiner Seite erschienen war. Schon mehrmals hatte Magnus heute an seinen alten Freund gedacht, den er so gerne dabei gehabt hätte. Immer noch trauerte er um ihn, doch der Schmerz würde wahrscheinlich nie nachlassen, zumal er Ragnor über vierhundert Jahre gekannt hatte.

»Also hast du dafür gewettet?«, hakte er nach und zog eine Augenbraue in die Höhe. Er selbst hätte niemals damit gerechnet, dass er irgendwann eine Person finden würde, mit der er eine Familie gründen wollte. Obwohl der Wunsch nach Kindern schon immer bestanden hatte, war er nie davon ausgegangen, dass er irgendwann einen Partner finden würde, mit dem er den Wunsch erfüllen konnte.

»Ja, habe ich, aber eigentlich hätte ich nie gedacht, dass ich gewinnen würde. Der einzige Weg, dass ich verlieren würde, wäre jedoch dein Tod gewesen und der erschien mir unwahrscheinlicher«, schmunzelnd klopfte sie ihm auf die Schulter.

»Ragnors Tod hatte ich auch immer für unmöglich gehalten«, seufzte Magnus, worauf Catarina bitter lächelte. »Ich auch«, stimmte sie zu und schaute zu Max, der seinen Blick auf Magnus' beste Freundin gerichtet hatte.

»Er hätte dich bestimmt gerne kennengelernt«, versicherte sie Max und strich sanft über sein Haar, danach über eins der beiden Hörner, die seit einiger Zeit an seinem Haaransatz wuchsen. Max kicherte, als sie neckend an einem Horn zog und ihm danach zuzwinkerte.

»Ich denke nicht. Ragnor hat Kinder gehasst«, erwiderte Magnus und beobachtete, wie Catarina die Augen verdrehte. »Du musstest den Moment ja ruinieren«, spielerisch schlug sie ihm auf die Schulter, »So emotional wie heute wirst du mich nie wieder erleben, also genieße es«, riet sie und Magnus versuchte sich jegliche ironische Bemerkung zu sparen. Mit einem liebevollen Lächeln schaute er auf sie herab.

»Danke«, flüsterte er und zum ersten mal sah er auf ihren Lippen ein ernstgemeintes, freundliches Lächeln.

***

Nervös wippte Magnus unauffällig auf und ab, während sich jegliche Gäste auf ihre Plätze begaben. Ganz allein stand er am Altar, nur einer der Silent Brother stand hinter ihm, hielt sich jedoch eher bedeckt. Obwohl er damals mit ihnen aufgewachsen war, hatte er sie nie richtig auseinander halten können. Nur Brother Zachariah konnte er mit Leichtigkeit von den anderen unterscheiden, doch dieser war schon lange keiner mehr von ihnen. Gerade in diesem Moment betrat er den Raum, Tessa an seinen Arm gehakt, und wenn Magnus die beiden betrachtete, fühlte er sich gleich zweihundert Jahre zurückversetzt. Es hätte nur noch Will gefehlt, dann wäre es wirklich wie in den alten Zeiten gewesen.

Vor allem Jem hatte die veralteten englischen Manieren nicht verloren. Sobald er in der vordersten Reihe angekommen war, wartete er, bis seine Frau Platz genommen hatte, bevor er sich neben sie setzte. Er warf Magnus ein freundliches Lächeln zu und Magnus fragte sich, ob auch er an die alten Zeiten zurückdenken musste. Wie lange Magnus versucht hatte ein Heilmittel für den damals erst siebzehnjährigen Jungen zu finden, der fast leblos in seinem Bett gelegen hatte, und wie er versagt hatte, da Jem letztendlich doch gestorben war. Für Magnus würde Jem für immer ein Wunder bleiben.

Tessa bemerkte seinen Blick und ihre Lippen formten sich zu einem breiten Grinsen. Übertrieben winkte sie Magnus zu, der ihre Geste nur zögernd erwiderte. Jem lachte und legte eine Hand auf ihr Bein, um ihr zu deuten, dass sie besser aufhören sollte.

Er beobachtete die anderen Gäste und wie sich der Raum langsam füllte. Auf der anderen Seite des Ganges, ebenfalls in der ersten Reihe, nahm Maryse Platz. Als Magnus mit ihr Augenkontakt aufnahm zwang sie sich ein schmales Lächeln auf die Lippen, das der Warlock erwiderte. Es waren Izzy und Simon, die neben ihr Platz nahmen. Isabelle trug ein wundervolles silbernes Kleid, das das Sonnenlicht reflektierte, das durch die bunten Mosaikfenster schien.

Er sah viele unbekannte Gesichter, doch es waren die Blackthorns, die ihm sofort ins Auge stachen. Zuerst hatte er Helen gesehen, die mit Aline eher weiter hinten Platz genommen hatte, auf der gleichen Seite, auf der auch Isabelle, Simon und Maryse saßen. Nach ihnen folgte Helenes Zwillingsbruder Mark, der etwas unbeholfen aussah in seinem Anzug. Nach ihm betraten Julian und Emma den Raum, danach Drusilla, die Magnus schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte. Das kleine Mädchen wahrhaftig kein kleines Mädchen mehr, sondern bereits so groß wie Emma, die sich zu ihrem Parabatai in eine der Stuhlreihen quetschte. Als Drusilla Magnus erblickte, winkte sie ihm fröhlich zu, woraufhin Magnus erfreut lachte.

Wenn er an Drusilla dachte, wurde er an das pubertierende Mädchen mit der Vorliebe für Horrorfilme erinnert, die damals alles andere tun wollte, als auf Alec und Magnus zu hören, als diese auf sie und ihren kleinen Bruder Octavian hatten aufpassen müssen. Dieser trottete hinter seiner Schwester in den Raum und nahm schnell neben ihr Platz. Als nächstes erwartete Magnus die Zwillinge, doch sofort wurde er an Livias Tod erinnert, den er schon fast verdrängt hatte. Er hatte den Blackthorns nie besonders nah gestanden, trotzdem hatte ihn der Tod des jungen Mädchens sehr getroffen, genauso wie Alec, der dies mit eigenen Augen mitangesehen hatte.

Es war also nur Tibirius, der ohne seine Schwester den Raum betrat, seine Haare noch dunkler und seine Haut noch blasser, als Magnus sie in Erinnerung hatte. Er war froh, dass der Junge nicht ganz alleine war. Christopher Herondale lief neben ihm; die beiden hätten unterschiedlicher nicht sein können. Christophers hellgrauer Anzug stand in einem starken Kontrast zu Tys dunkelblauem, auch mit seinen blonden Haare stand er zwischen den dunkelhaarigen Blackthorns heraus. Seine Haut war braungebrannt und Magnus meinte sehen zu können, wie seine Hand zögernd nach der von Tibirius griff, jedoch berührten sich ihre Finger nur flüchtig, danach zog Ty seine Hand zurück. Magnus schmunzelte beim Anblick der beiden Jungs.

Unter den unbekannten Gesichtern entdeckte er nach einiger Zeit Jia Penhallow, die sich zu ihrer Tochter und ihrer Schwiegertochter setzte. Die einzigen Gesichter, die er danach noch kannte, waren die von Maia und Lily, die hintereinander in eine der Sitzreihen schlichen.

Es war das Erklingen der Orgel, das Magnus aus seinen Gedanken holte und die Gäste zum Schweigen brachte. Die Melodie konnte Magnus' eigenen Herzschlag jedoch nicht übertönen, sodass das schnelle Klopfen das einzige war, was der Warlock wahrnehmen konnte. Tief atmete er durch und drehte den Lightwood-Familienring an seinem Finger nervös hin und her. Er strich langsam über die Gravierungen, einmal, zweimal, dreimal...

Zuerst betrat Catarina den Raum; links und rechts von ihr gingen Rafael und Max und Magnus konnte nicht anders als breit zu grinsen, als er seine Söhne in den dunkelblauen Hemden sah. Max hatte den Hosenträger schon wieder fast über seine Schulter gezogen, aber Magnus hätte es nicht weniger kümmern können. Beide Kinder trugen je ein goldenes Kissen in ihren Händen, darauf balancierte Rafael einen Stele und Max eine goldene Kette und ein Armband. Die Blicke der beiden Jungs waren starr auf das fixiert, was sie in ihren Händen trugen, sodass Cat je eine Hand auf dem Rücken der beiden gelegt hatte und sie vorsichtig in Magnus' Richtung drückte.

Die Stufen ließ sie die Jungs alleine hochgehen, wobei Magnus bereits schon vorher sehen konnte, dass Rafael viel zu vertieft war den Stele nicht fallen zu lassen um diese zu beachten. Schnell eilte er zu seinem Sohn, der über die erste Stufe stolperte, und richtete ihn elegant mit einer Hand wieder auf, während er mit der anderen den Stele auffing, der von dem Kissen rollte. Catarina zog scharf die Luft ein und half Max die Stufen nach hoben. Magnus warf ihr ein dankbares Lächeln zu, bevor sie sich zu Tessa und Jem in die erste Reihe setzte.

Vorsichtig legte Magnus den Stele zurück auf Rafaels Kissen, in dessen Augen Tränen glitzerten, als er beschämt zu seinem Vater aufschaute. Schnell strich dieser ihm über die Wange, danach durch seine Haare und drückte ihn sanft an sich, worauf der kleine Junge sein Gesicht in Magnus' Anzug versteckte. Als Magnus einen Blick zu den Gästen warf, trug jeder einzelne ein schmales Lächeln auf den Lippen, sogar Maryse schaute ihren Enkel mitleidig an.

Doch Magnus hatte keine Zeit weiter zu handeln. Diesmal war es Clary, die den Raum betrat, neben ihr Charlotte und Elias mit je einem Körbchen voller Blumen in der Hand, die sie auf dem Gang verteilten. Charlotte sah bezaubernd aus in ihrem goldenen Kleidchen und der glitzernden Schleife in ihren Haaren, doch Magnus' Blick lag nicht all zu lange auf ihr, denn es war Alec, der seine Aufmerksamkeit erregte.

Sofort erhoben sich alle Gäste aus ihren Stühlen, als der Shadowhunter den Raum betrat, zusammen mit Jace, der neben ihm ging. Für einen Moment vergaß Magnus zu atmen, denn Alexander sah mehr als nur umwerfend aus. Der goldene Anzug stand ihm besser als gedacht, doch am besten gefiel Magnus das schmale Lächeln auf seinen Lippen, was er dem Warlock schenkte, der schon eine gefühlte Ewigkeit auf diesen Moment gewartet hatte. Das war der Tag, den er sich so lange herbeigewünscht hatte.

Am liebsten wäre er den schmalen Ganz noch zehnmal hinauf und wieder herunter gelaufen, so hibbelig war er, als Alec immer näher komm. Er schien besonders langsam zu laufen, doch bestimmt war es nur Magnus' Ungeduld, die ihn dies denken ließ. Er spürte das Flattern in seinem Bauch und das Kribbeln unter seiner Haut und er musste seinen Blick von seinem Verlobten abwenden, um die Tränen zu vermeiden, die sich langsam in seinen Augen sammelten.

Das war der Moment, auf den er so lange gewartet hatte.

Zusammen mit den Gästen lachte er, als Elias sofort zu seinen Eltern rannte, als er sie in der ersten Reihe erblickte, bevor er überhaupt bei Magnus angekommen war. Peinlich berührt warf Clary Magnus ein entschuldigendes Lächeln zu, woraufhin dieser nur schmunzelnd den Kopf schüttelte. Charlotte schaute erst ihrem Cousin hinter, danach nahm sie erneut eine handvoll Blumen in die Hand, doch anstatt sie auf dem Gang zu verteilen, drehte sie sich zu ihrem Vater und ihrem Onkel um. Alec, dessen Blick auf Magnus gerichtet war, hätte seine kleine Nichte beinahe nicht bemerkt und stolperte fast über das kleine Mädchen, was einfach vor ihm stehen geblieben war.

»Charlotte!«, zischte Clary und griff nach dem Arm ihrer Tochter, doch diese hielt ihrem Onkel wortlos die Blütenblätter hin, die sie eben aus ihrem Körbchen gesammelt hatte. Lachen füllte den Raum, als Alec die Blätter entgegennahm und sie schließlich versuchte unauffällig neben sich fallen zu lassen, während Jace laut anfing zu lachen. Vielleicht hätten sie die Kinder doch nicht zu sehr in die Zeremonie einweihen sollen. Wenigstens hatten alle etwas zum Lachen.

Jace trat als erstes vor und nickte Magnus vielsagend zu, was dieser erwiderte. Danach setzte sich Alecs Parabatai neben Catarina auf einen der Stühle. Nur noch Clary stand im Weg, die versuchte ihre Tochter von Alec wegzuziehen, jedoch ohne Erfolg. Mittlerweile hatte die Orgel bereits aufgehört zu spielen und eine peinliche Stille entstand. Diese Stille wurde jedoch in nur wenigen Sekunden von Charlie beendet, die lautstark anfing zu weinen, als ihre Mutter sie von ihrem Onkel wegreißen wollte.

»Ist schon o.k.«, flüsterte Alec an Clary gewandt und griff schnell nach Charlottes Hand, die sofort Ruhe gab. »Aber-«, fing Clary an, doch Alec warf ihr einen dringlichen Blick zu, sodass sie schleunigst ihren Platz neben Jace aufsuchte und Magnus endlich seine Hand nach Alec ausstrecken konnte. Dieser legte seine sofort in die von Magnus und ließ sich die Stufen hoch führen, Charlotte an seiner Hand, auf die Alec fürsorglich achtgab.

Schnell glitt sein Blick wieder zurück zu Magnus und erneut zeigte er das liebevolle Lächeln, was er bis eben die ganze Zeit über auf seinen Lippen getragen hatte. Als sie voreinander standen hielt er noch für einen kurzen Moment Magnus' Hand fest in seiner und drückte sie leicht, was Magnus erwiderte. Dem Warlock entging nicht, wie Alec kurz über Magnus' Ring strich, den er ihm gegeben hatte, bevor er seine Hand losließ. Unauffällig zwinkerte Alec Rafael zu, der immer noch an Magnus Seite stand, mittlerweile jedoch zu Alec aufschaute und schüchtern lächelte.

Es ist an der Zeit für Alexander Lightwood und Magnus Bane einander die Runen für Liebe und Hingabe aufzuzeichnen

Es war die Stimme des Silent Brothers, die Magnus in seinem Kopf wahrnahm, wobei er beinahe erschrak, so sehr war in Alecs Augen vertieft gewesen.

Eine Rune an der Hand, eine Rune am Herzen – eine Einheit ist geboren

Tief atmete Magnus ein und schaute herunter zu Rafael. Vorsichtig nahm er den Stele von dem Kissen in seinen Händen und überreichte ihn Alec. Magnus konnte keine Runen auf Alecs Haut zeichnen, da er selbst kein Nephilim war, doch er legte seine Hand auf die von Alec, als dieser den Stele geübt in seine Hand nahm. Er löste seine andere Hand aus Charlottes Griff, die Gott sei Dank nicht protestierte, und hielt sie in Magnus' Richtung. Alec legte die Spitze des Steles an seine Haut und begann die Rune für Hingabe zu zeichnen, Magnus folgte seinen Bewegungen. Er wusste nicht, wie Alec sich all diese Runen merken konnte, doch vielleicht hatte er sich diese spezielle Rune vorher noch einmal angeschaut, extra für die Hochzeit. Der Gedanke daran ließ Magnus' Haut noch mehr kribbeln.

Er war so damit beschäftigt gewesen seine Tränen zurückzuhalten, dass er gar nicht bemerkt hatte, dass Max an Alecs Seite erschienen war. Dieser drückte Magnus den Stele in die Hand und nahm das goldene Armband von Max' Kissen, das der kleine Warlock stolz in seinen Händen trug. Sanft griff Alec nach Magnus' Handgelenk und band das Armband geschickt um seinen Arm. Der kleine Anhänger des Armbandes zeigte die Rune, die nun permanent auf Alecs Hand gebrannt war. Da Magnus keine Runen tragen konnte, mussten ein Armband und eine Kette herhalten, doch für die Zukunft würde sich der Warlock definitiv noch etwas anderes überlegen.

Als nächstes knöpfte Alec sein Hemd ein Stück auf und zog es zusammen mit seinem Jackett zur Seite, sodass die nächste Rune über seinem Herzen platziert werden konnte. Wieder legte Magnus seine Hand auf die von Alec, als dieser anfing die Rune für Liebe auf seine Haut zu zeichnen. Diese Rune kannte Magnus in- und auswendig, da Alec sie oft mit seinen Fingern auf Magnus' Haut gezeichnet hatte. Früher hatte er immer gedacht, der Shadowhunter würde ein A für seinen Namen zeichnen, da die Rune große Ähnlichkeit mit diesem Buchstaben hatte, doch mit der Zeit hatte er begriffen, was das Zeichen zu bedeuten hatte.

Vollkommen überwältigt betrachtete Magnus die Rune, als sie fertig war. Sie war permanent, konnte nicht mehr beseitigt werden. Sie war für immer, genau so wie Magnus' Liebe für Alec. Während Alec sein Hemd wieder zuknöpfte und Magnus den Stele wieder zurück an Rafael gab, konnte sich der Warlock die Tränen nicht mehr verkneifen. Hastig wischte er sie weg, damit kein anderer ihn weinen sah, aber er wusste nicht, wie er mit seinen Gefühlen umgehen sollte, die ihn überwältigten.

Alec nahm die Kette von Max in seine Hände und Magnus drehte sich zögernd um, damit Alec sie um seinen Hals binden konnte. Als er den kleinen Verschluss klicken hörte, drehte er sich wieder zu seinem Shadowhunter, der ihn zufrieden anlächelte. Automatisch glitt Magnus' Hand hoch zu dem kleinen goldenen Anhänger, der nun auf seiner Brust ruhte, nah an seinem Herzen.

Er bekam die Worte des Silent Brothers nicht mehr vollständig mit, da er sich schon wieder in Alecs Augen verloren hatte. In den Augen seines Mannes. Kurz schloss Magnus die Augen, um diesen Gedanken zu verarbeiten, bevor er sie wieder öffnete und eine Hand an Alecs Wange legte. Mit dem Daumen strich er sanft über seinen Wangenknochen. Fast hätte er nicht mitbekommen, dass der Silent Brother seine Rede beendet hatte, doch Alec gab ihm Bescheid, als er eine Hand auf Magnus' Hinterkopf legte und ihn zu sich herunter zog, sodass er seine Lippen auf die des Warlocks legen konnte. Es war ein sehr kurzer Kuss, doch Magnus genoss ihn trotzdem und konnte sich nicht zurückhalten einen weiteren flüchtigen Kuss auf Alexanders Lippen zu platzieren, bevor sich die beiden voneinander lösten.

Erneut hatten sich alle Gäste von ihren Plätzen erhoben und applaudierten den beiden zu, doch Magnus hatte nur Augen für Alec, der breit in die Richtung von Isabelle und seiner Mutter grinste. Alec würde bei ihm sein, so lange er lebte und Magnus wusste nicht, womit er dies verdient hatte. Er griff nach der Hand des Shadowhunters und hielt sie fest in seiner. Es würde definitiv mehr schmerzen, wenn Alec eines Tag diese Welt verlassen musste, als bei seinen vorherigen Partnern, doch das war es Magnus in diesem Moment wert. Ihm wurde seine Familie schon so früh genommen, doch Alec hatte sie ihm wieder geschenkt und das war etwas, was Magnus nie wieder vergessen würde.

Nach so langer Lebenszeit vergaß er viele schöne Momente und meist waren es eher die traurigen Erinnerungen, die für immer blieben, doch dieser Tag war ein Tag, an den er selbst in fünfhundert Jahren noch genau erinnern würde.

Magnus Lightwood-Bane

Vielleicht war es albern, aber der Gedanke, dass er nun auch Alecs Namen teilte, ließ ein warmes Gefühl in ihm aufsteigen. Es war etwas, was er tatsächlich für immer mit sich tragen würde. Obwohl er seinen Mann sowieso für immer mit sich trug, fühlte es sich doch anders an. Es fühlte sich realer an. Niemals hätte er gedacht, dass er eines Tages den Namen eines Shaodwhunters tragen würde. Ragnor drehte sich vermutlich in diesem Moment in seinem Grab um.

Er spürte, wie jemand auch nach seiner linken Hand griff; eine kleine Hand, die sich in seine legte. Als er an sich herunter schaute, erkannte er Max, der all die anderen Gäste musterte. Das Kissen schien ihm abgenommen worden sein, da er beide Hände frei hatte und nun mit einer die von Magnus hielt. Schmunzelnd strich Magnus mit dem Daumen über die dunkle Haut seines Sohnes und schaute wieder zu Alexander, der seine Hand aus der von Magnus löste. Erst war dieser enttäuscht, doch dann sah er, wie sein Shadowhunter Charlotte auf seine Hüfte hob, deren Gesicht zu strahlen anfing, als sie endlich auf dem Arm ihres Onkels saß.

Nachdem Alec wieder Magnus' Hand in seine genommen hatte, trat der Warlock einen Schritt vor, um die wenigen Stufen herunterzusteigen. Alec folgte ihm, zusammen mit Rafael, der sich an dem Jackett seines Vaters festhielt. Sie gingen durch den schmalen Gang, begrenzt von Gästen mit freudestrahlenden Gesichtern, die laut klatschten und Magnus glaubte zu meinen, dass er noch nie glücklicher gewesen war.

Genauso glücklich war er, als Alec tatsächlich mit ihm getanzt hatte, zwar nur kurz, aber Magnus wusste es zu schätzen. Danach hatte er mit seinen Kindern getanzt; erst mit Max, danach mit Charlotte, die ihre winzigen Füße auf seine gestellt hatte und danach mit Rafael, der wie Alec etwas unbeholfen ausgesehen hatte.

Glücklich war er auch gewesen, als er Alec mit Maryse tanzen gesehen hatte und als er selbst schließlich mit Clary getanzt hatte, während Isabelle Jace auf die Tanzfläche gezogen hatte. Er wusste nicht, wann er das letzte mal so gelacht hatte, wie in dem Moment, als er seinen Schwanger tanzen gesehen hatte. Selbst Izzy hatte es nicht geschafft ihn gut dastehen zu lassen.

Am glücklichsten war er vielleicht sogar gewesen, als er später mit Alec im Bett gelegen und ihm die Wörter Ich liebe Dich in allen Sprachen ins Ohr geflüstert hatte, die er wusste. Sanft platzierte er einen Kuss auf der Rune für Liebe, die sich direkt über seinem Herzen befand und spürte Alexanders schnellen Herzschlag. Auch Magnus' Herz schlug schmerzhaft gegen seine Brust und am liebsten wollte er Alec sagen, dass es nur für ihn schlug, aber er hatte bereits schon so viele kitschige Sachen von sich gegeben, sodass er dieses Kommentar für sich behielt, bevor Alec doch noch die Scheidung einreichte.

Er hob seinen Kopf und schaute herunter auf seinen Shadowhunter, der seine Augen geschlossen hatte und versuchte seine Atmung zu regulieren, seine Brust hob und senkte sich dabei unregelmäßig. Unbewusst glitt Magnus' Hand durch Alecs Haare, wobei er die Strähnen zurückstrich, die an seiner Stirn klebten. Sein Blick glitt über die geröteten Wangen und die vollen Lippen seines Mannes. Langsam öffneten sich Alecs blaue Augen und Magnus konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Was für ein Glück er doch hatte.

Noch einmal platzierte er einen Kuss auf der neuen Rune auf Alecs Körper und spürte, wie dieser gleichmäßig durch Magnus' Haare strich. Mühselig rollte der Warlock von Alec herunter und legte sich neben seinen Mann, der seinen Blick immer noch gegen die Decke gerichtet hatte. Nun fuhr Magnus die Rune mit dem Finger entlang, immer und immer wieder, bis sich Alec schließlich auf die Seite drehte und nach Magnus' Kette griff, die immer noch um seinen Hals hing. Er drehte den Anhänger zwischen seinen langen Fingern hin und her und betrachtete die Rune auf dem goldenen Stein genau.

»Ich denke, ich überlege mir noch etwas anders. Gold passt schließlich nicht immer zu meinem Outfit«, rechtfertigte sich Magnus und Alec verdrehte seine hübschen blauen Augen. »Du meinst aber kein Tattoo, oder?«, hakte er nach und ließ den Anhänger wieder fallen, bevor er das Armband an Magnus' Handgelenk betrachtete.

»Wieso nicht?«, eigentlich war das sein Plan gewesen. Er wusste genau, warum Alec dagegen war, trotzdem fragte er nach. Mit seiner freien Hand, die nicht gerade von Alexander unter Beschlag genommen wurde, zeichnete er die Rune für Hingabe auf Alecs rechtem Handrücken nach.

»Magnus«, seufzte dieser und drehte sich zurück auf den Rücken, sodass er seine Hand nicht mehr länger in der von Magnus' hielt. »Ein Tattoo ist r immer«, erklärte er, als ob Magnus es nicht bereits wüsste. Auch er drehte sich auf den Rücken. »Deine Rune auch«, konterte er und hörte Alec tief durchatmen.

»Das ist ein anderes für immer«, flüsterte er.

»Nur weil du vielleicht eher stirbst?«, Magnus drehte seinen Kopf in die Richtung seines Mannes, der die Rune an seiner Hand betrachtete. »Was passiert, wenn ich eher sterbe? Wo ist der Unterschied?«, fragte Magnus noch einmal.

»Du weißt, dass es einen Unterschied gibt«, erwiderte Alec nur so leise, dass es Magnus kaum hatte verstehen können. »Ich bin über fünfhundert Jahre alt. Glaubst du wirklich, ich hatte noch nie ein Tattoo?«, amüsiert beobachtete Magnus, wie sich Alecs Mundwinkel langsam hoben und er seinen Kopf ebenfalls zu Magnus drehte.

»Wirklich? Was für eins hattest du?«, fragte er interessiert und lachte leise, was Magnus erwiderte. »Ich glaube, das erzähle ich dir lieber ein andermal, Liebling«, er hatte nicht erwartet, dass sich Alexander mit dieser Antwort tatsächlich zufrieden geben würde, doch er hatte nichts weiteres einzuwenden. Stattdessen rollte er sich wieder auf die Seite, diesmal dichter an Magnus, sodass er seinen Kopf auf der Brust des Warlocks ablegen konnte. Fast automatisch glitt Magnus' Hand in Alecs Haare, danach zog er die Decke etwas höher, sodass ihre Körper bedeckt waren.

Alecs Augen waren bereits geschlossen; als er auf ihn herabsah konnte er nur noch die langen dunklen Wimpern sehen, die seine blasse Haut berührten. Seine Atmung ging wieder regelmäßig und Magnus ging davon aus, dass er eingeschlafen war. Er hingegen traute sich nicht seine Augen zu schließen, da der Tag für ihn viel zu schnell vorbeigegangen war. Er wollte, dass dieser Moment nie endete.

Er war froh, dass der damals siebzehnjährige Junge bei ihm vor der Tür aufgetaucht war, obwohl Magnus davon ausgegangen war, dass er ihn nie wieder sehen würde. Er war froh, dass Isabelle ihren Bruder dazu ermutigt hatte und er war froh, dass er den Jungen geküsst hatte, obwohl dieser vollkommen überfordert gewesen war. Er war froh, dass er auch nach all diesen schrecklichen Dates noch bei ihm geblieben war und dass er sich dazu entschieden hatte tatsächlich sein ganzes Leben mit Magnus zu verbringen.

Und vielleicht war Alec immer noch nicht Gold; vielleicht stand er immer noch in Jaces Schatten und vielleicht war seine Mutter immer noch nicht so stolz auf ihren Sohn, wie sie es hätte sein sollen. Vielleicht war er immer noch Silber; vielleicht war eher Jace der Held und Isabelle die Kämpferin und vielleicht würde Alec für immer im Schatten stehen, aber vielleicht hatte Magnus schon immer recht gehabt.

Vielleicht reichte es, dass Magnus ihn über alles und jeden stellte, dass er für ihn immer ein Held sein würde und der größte Shadowhunter in der Geschichte. Er hoffte, Alec wusste, was er Magnus bedeutete und wie besonders er war.

Denn Silber, obwohl es nur wenige wissen, war so viel seltener als Gold.

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(22.07.2018)

Ach ja, ich kann es nicht lassen die Bücher zu zitieren.

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