12. Der Caravaggio Engel
Der Caravaggio Engel
Im Vergleich zu allen anderen sechsjährigen Kindern auf dieser Welt war Rafael wohl mit Abstand das einfachste; er war nie das Kleinkind gewesen, dass Wände angemalt, Vasen umgeschmissen oder sich vor Wut auf den Boden geworfen hatte. Nie hatte er Chairman Meow am Schwanz gezogen, so wie Max es oft getan hatte, und jeden Abend hatte er sein Spielzeug wieder ordentlich dorthin zurück geräumt, wo es herkam. Manchmal schien sein Verhalten für Magnus und Alec schon fast gruselig, die aufgrund von Max quasi darauf warteten, dass ihr ältester Sohn irgendwann etwas fatales tat, wie zum Beispiel das Haus anzuzünden.
In den zweieinhalb Jahren in denen Rafael nun schon bei Magnus und Alec war, war er das Vorzeigekind schlechthin gewesen, was sich genau an dem ungünstigsten Zeitpunkt in Magnus' kompletten Dasein änderte. Er hätte sich jeden anderen Tag des Jahres aussuchen können, Herr Gott, sogar Weihnachten oder Alecs Geburtstag, wenn es sein musste, aber warum ausgerechnet heute.
Magnus hatte es bereits mit einem zweijährigen Max aufgenommen, der sich damals Rosinen in die Nase gesteckt hatte und fast daran erstickt wäre. Natürlich hatte Magnus damals nicht im geringsten ahnen können, dass verdammte Rosinen eine Todesursache darstellen konnten. Wie es das Schicksal gewollt hatte, war Alec nicht zur Stelle gewesen, der mit solchen Situationen vermutlich tausendmal besser umgehen konnte, als Magnus, dessen Finger so gezittert hatten, dass er Angst gehabt hatte irgendeine Form der Magie anzuwenden. Am Ende hatte die Rosine doch nicht so weit in der kleinen Nase des Warlocks gesteckt und eine Pinzette hatte an diesem Tag tatsächlich Leben gerettet.
Zu diesem Zeitpunkt wäre Magnus wahrscheinlich am liebsten zehnmal in Tränen ausgebrochen, worüber er heute lachte. Diese Geschichte würde er seinem Sohn noch zu seinem achtzehnten Geburtstag erzählen. Ein Warlock, dazu Sohn des High Warlock of Brooklyn, erstickt an einer getrockneten Weintraube. Irgendwie, aber auch nur irgendwie, klang dies doch ziemlich lustig.
Ganz und gar nicht lustig war nun jedoch Rafaels Benehmen, der in diesem Moment das gesamte New Yorker Institut zusammenschrie, und das obwohl ein paar Räume weiter eine der wohl wichtigsten Konferenzen zwischen Shadowhuntern und Unterweltlern stattfand, bei der Alec und Magnus eigentlich beide dabei sein sollten.
Eigentlich war es gut gelaufen, bis Magnus das dumpfe Schreien seines ältesten Sohnes im Hintergrund gehört hatte. Unbemerkt hatte er zu Alec geschaut, der unwohl in seinem Stuhl hin und her gerutscht war, danach zu Maryse, die keine Miene verzogen hatte, jedoch hatte Magnus genau gesehen, wie sie sich kurz nervös durch Haare gefahren war. Die strengen Blicke der Vampire und Werwölfe hatten förmlich auf ihm gebrannt. Mit ihrem ausgeprägten Gehörsinn hätten diese Rafael wohl noch von der Westküste aus hören können.
Mit einem unangenehmen Räuspern hatte sich Magnus entschuldigt und hatte verlegen den Raum verlassen.
Verlegen.
Verlegen.
Rafael Lightwood-Bane hatte es wirklich geschafft Magnus Bane in Verlegenheit zu bringen. Einen über achthundert Jahre alten Warlock, der sich für nichts und niemanden schämte. Magnus hatte beinahe sogar spüren können, wie er errötet war, doch diese Genugtuung hätte er niemandem in diesem Raum gelassen.
In seinem Leben hatte er den armen Simon noch nie so aufgebracht gesehen, wie in dem Moment, als Magnus ihn zusammen mit Rafael an der Hand im Flur aufgefunden hatte. Dieser hatte sich, wie es aussah, versucht so weit wie möglich vom Konferenzsaal zu entfernen. Er war also deutlich überrascht gewesen, als Magnus auf ihn zugelaufen kam.
Vor dem Meeting hatten Alec und Magnus ihre Kinder Simon und Isabelle anvertraut, genauso wie Charlotte, da Jace und Clary ebenfalls teilgenommen hatten. Als Magnus Simon vorgefunden hatte, war jegliche Farbe aus dessen Gesicht gewichen und es hatte beinahe so ausgesehen, als hätte er Angst vor Magnus' Reaktion, doch dieser hatte nur Mitleid mit ihm gehabt. Rafael hatte geweint und sich versucht aus Simons Griff zu lösen. Simon, der eigentlich immer sein Lieblingsonkel gewesen war. Vielleicht war auch dies der Grund gewesen, warum Simon so erstaunt ausgesehen hatte. Ein Blick der schrie; Ich habe dir all meine Lieblingscomics vorgelesen und so dankst du mir?!
Zumindest hatte Magnus in diesem Moment ähnliche Gedanken, als er Rafael versuchte auf seinem Schoß zu halten, während dieser versuchte gegen ihn anzukämpfen. Er befand sich in Maryses Büro, da sich dieses so weit wie möglich vom Konferenzsaal befand und Magnus keine anderen Räume in diesem Labyrinth kannte, das sich Institut nannte. Er drehte sich wild hin und her, hatte jedoch keine Chance gegen Magnus' Griff, was aber nicht verhinderte, dass dabei fast eine Faust in dem Gesicht des Warlocks landete, der er nur knapp entkam.
Er hatte alles versucht.
Er hatte ihn geschaukelt, auf und ab gewippt, durch den Raum getragen, gestreichelt und war kurz davor ihm einfach eine Hand auf den Mund zu legen, damit er Ruhe gab, doch er wusste sich zu beherrschen. War es wirklich so verwerflich Magie an seinem eigenen Kind anzuwenden? Schließlich fragte auch niemand nach Magnus' Wohlbefinden, der durch das Schreien die schlimmsten Kopfschmerzen seines Lebens hatte. O.k., das war gelogen; die schlimmsten Kopfschmerzen hatte er eindeutig damals in Peru gehabt, als er sich so sehr betrunken hatte, dass-
»Daddy!«, weinte Rafael und Magnus verdrehte die Augen.
Daddy.
Alec.
Oh, natürlich. Nach all dem, was Magnus nun für seinen Sohn getan hatte, war es nicht Papa, den er sehen wollte, sondern Daddy.
Manchmal konnte Magnus nicht anders, als ein bisschen eifersüchtig auf die Beziehung zwischen Alec und seinem ältesten Sohn zu sein. Rafael schien eine Mini-Version von Alec zu sein und das in jeder Hinsicht; wie die beiden aussahen, wie sie sich verhielten, wie sie lachten und teilweise sogar wie sie gestikulierten. Außenstehende würden wahrscheinlich niemals annehmen, dass Alec nicht der leibliche Vater des Kindes war.
Dass Magnus den kleinen Jungen in seinen Armen hielt, wenn er Albträume hatte oder fast jeden Abend eine Gute-Nacht-Geschichte vorlas, war wohl vollkommen unwichtig. Dass er derjenige gewesen war, der aufgestanden war, wenn Rafael mal wieder einen kleinen Unfall in seinem Bett gehabt hatte, obwohl der Warlock selbst - wenn überhaupt - vier Stunden schlaf abbekam. Dass er nun dieses wichtige Meeting verpasste und seine Arme langsam schwer wurden, weil Rafael so gegen ihn ankämpfte. Das war alles überhaupt nicht wichtig, denn alles, was wichtig war, war Alec.
Alec, der noch nicht einmal Anzeichen gemacht hatte, sich aus seinem Stuhl zu erheben, als er seinen Sohn hatte schreien hören. Magnus wollte beinahe laut lachen; das war der Dank ein Elternteil zu sein. Langsam entwickelte sich ein gewisser Hass in Magnus, auf alles und jeden. Auf Rafael, weil er sich so schrecklich daneben benahm, auf Alec weil er so perfekt war und auf alle anderen in diesem scheiß Konferenzsaal, die ihm einen strengen Blick zugeworfen hatte. Hatten diese überhaupt schon einmal in ihrem Leben ein Kind erzogen?
»Ich will zu Daddy«, weinte Rafael erneut und Magnus verdrehte unbemerkt die Augen.
»Je besser du dich benimmst, desto schneller kommt Daddy wieder«, das war eine Lüge, aber er konnte es immerhin versuchen. Tatsächlich gab Rafael auf gegen Magnus anzukämpfen, jedoch weinte er immer noch lautstark. Er hatte seinen Sohn noch nie wirklich wütend gesehen, selbst mit seinem Bruder hatte sich der Kleine nie richtig gestritten, doch nun sah es so aus, als wollte er Magnus mit seinem Blick umbringen. Er hatte seine Augenbrauen zusammengezogen und schaute grimmig mit dunklen Augen zu Magnus auf, in denen Tränen glitzerten.
Gerade wollte ihn Magnus erneut ermahnen, als ein Schriller Ton ertönte, der ihn zusammenschrecken ließ. Auch Rafaels Gesichtszüge veränderten sich schlagartig und er drückte sich näher an seinen Vater, der beschützend beide Arme um seinen Sohn legte. Es war ein ohrenbetäubendes Geräusch; ein Alarm, der immer lauter, danach leiser wurde. Ein typischer Alarm, der einem Feueralarm glich.
Magnus legte seine Stirn in Falten und erhob sich aus seinem Stuhl, Rafael immer noch fest an sich gedrückt. Instinktiv dachte er an Max, der sich irgendwo in diesem Gebäude befand und auch in Magnus' Kopf schrillten alle Alarmglocken. Er wusste, dass Isabelle und Simon gut auf die Kinder aufpassen konnten, trotzdem wollte er seinen jüngsten Sohn sofort bei sich haben, genauso wie Rafael, der keinen Ton mehr von sich gab, sondern sich nur fest an das Shirt seines Vaters klammerte. Er hoffte, Alec würde nach Max suchen, danach dachte er an Charlotte, doch Clary und Jace würden vermutlich sofort zur Stelle sein.
Vorsichtig öffnete er die Tür, nur einen kleinen Spalt, um sich einen Überblick verschaffen zu können. Der Alarm wurde lauter, jedoch konnte er niemanden erkennen, dafür waren sie zu weit abgeschottet. Die Shadowhunter würden sich bei so einem Alarm wohl im Eingangsbereich sammeln und auch Magnus wollte sich dort hin begeben, jedoch wollte er Rafael nicht in Gefahr bringen. Niemals würde er den kleinen Jungen alleine lassen, aber ihn mitzunehmen wäre zu riskant. Vom Inneren des Instituts konnte er kein Portal öffnen, sonst hätte er Rafael wahrscheinlich zu Hause abgesetzt.
Er strich gleichmäßig über den Rücken seines Sohnes, als dieser seine Hände zu seinen Ohren führte und sie zuhielt. Auch Magnus bekam bereits Kopfschmerzen und es ließ ihn nicht mehr klar denken. Er musste zu Alec, er musste zu Max und zu Charlotte.
Ganz langsam schlich er aus der Tür und legte eine beschützende Hand auf Rafaels Hinterkopf, um ihn an sich zu drücken. So leise wie möglich bewegte er sich durch die langen Flure, bis er schließlich auf einen Shadowhunter traf, der ihn jedoch nicht bemerkte. Ein junger Mann mit dunklen Haaren, der komplett in Ausrüstung gekleidet war, in seiner rechten Hand eine Seraphklinge. Er bemerkte Magnus nicht, sondern rannte schnurstracks in die entgegengesetzte Richtung, dort wo der Eingangsbereich lag.
Magnus zuckte zusammen, als er einen Schrei wahrnahm; ein weiblicher Schrei. Auf irgendeine Art kannte er diese Stimme, doch er war sich nicht sicher woher. Mit den vielen Vertretern der Unterwelt, die sich heute im Institut befanden, gab es unendliche viele Möglichkeiten.
Irgendwann war er schließlich im Eingangbereich angekommen. Hunderte Shadowhunter liefen unkoordiniert umher, der Alarm setzte schließlich ein letztes Mal ein, bevor er zu Magnus' Erleichterung verstummte. Doch die Gefahr schien nicht hier ihren Ursprung zu haben; die meisten ausgerüsteten Shadowhunter liefen den großen Gang hinunter, dort wo Magnus vor einer Weile hergekommen war.
Der Konferenzsaal.
Es war wie ein Stich in seinem Herzen, als Magnus daran dachte, dass sich Alec in diesem Raum befand. Unbewaffnet. So schnell er konnte folgte er den anderen, die ihn gar nicht zu beachten schienen. Er drängelte sich an schwarz gekleideten Körpern vorbei, Rafael immer noch fest an seine Brust gedrückt. Vor den großen Türen des Konferenzsaals blieb er stehen, genau wie alle anderen.
Die beiden schweren Türen standen offen, sodass man einen Blick in das Innere erhaschen konnte. Keiner der Shadowhunter wagte es über die Türschwelle zu treten und Magnus brauchte nicht lange, um den Grund zu erkennen.
Eine schwarze Gestalt stand zentral im Raum, den Blick zur Tür gerichtet. Gestalt war jedoch vielleicht der falsche Ausdruck. Es wirkte mehr wie ein schwarzer Schatten, ohne richtige Form, trotzdem konnte man ein Gesicht mit leuchtend weißen Augen erahnen. Hätte Magnus Rafael nicht auf seinem Arm gehabt, wäre er sofort in die erste Reihe gelaufen. Es war ein Dämon, doch Magnus wusste nicht genau welcher, obwohl er sich gut mit diesen Ungeheuern auskannte.
Als er Alec erkannte, der hinter dem Dämon stand und einen Pfeil in seinem Bogen auf diesen gerichtet hatte, reagierte Magnus so schnell er konnte. Er setzte Rafael auf dem Boden ab und schob alle anderen Shadowhunter mit einer solchen Kraft beiseite, dass diese gleich mehrere Schritte zurückfielen.
»Alexander, stopp!«, schrie Magnus, so laut er konnte. Er wusste nicht genau, was tatsächlich passieren würde, wenn Alec mit dem Pfeil auch nur um Millimeter das Herz verfehlen würde, denn das war von Dämon zu Dämon unterschiedlich, doch es würde nichts gutes bedeuten. Dieser Dämon sah nicht aus wie ein gewöhnlicher Dämon, dementsprechend würde auch seine Reaktion sein.
Doch es war zu spät. Alec hatte den Pfeil bereits abgeschossen, was Magnus nur noch in Zeitlupe wahrnahm. Sein Schrei hatte den Dämon auf ihn aufmerksam gemacht, der direkt in Magnus' Augen zu starren schien. Weiße leuchtende Augen, die Magnus plötzlich doch sehr bekannt vorkamen, doch er wusste nicht woher. Ein dunkler Schatten, der wie ein langer Arm wirkte, schoss in die Höhe und fing Alecs Pfeil in der Luft auf, worauf Magnus jegliche Shadowhunter um ihn herum geschockt einatmen hörte.
Er selbst hielt die Luft an und konnte sich nicht von der Stelle bewegen. Alles in ihm schrie danach, dass er seine Magie nutzen sollte, um gegen den Dämon anzukämpfen, doch er fühlte sich wie gelähmt, als er ihn die leuchtenden Augen schaute, die aus dem schwarzen Körper herausstachen. Der Dämon schien näher auf Magnus zuzukommen, doch vielleicht bildete er sich dies nur ein; alles um ihn herum verschwand und er konnte sich nur auf die weißen Augen konzentrieren, bis sich der Dämon schließlich abwendete und in Alecs Richtung schaute, der bereits den nächsten Pfeil auf seinen Bogen gespannt hatte.
»Alexander, nicht!«, versuchte Magnus erneut und schaffte es letztendlich doch sich von der Stelle zu bewegen. Er rannte auf den Shadowhunter zu, der dem Dämon furchtlos gegenüber stand. Dieser ließ einen zischenden Ton von sich, bei dem selbst Alec etwas zusammenzuckte. Er trat einen Schritt nach hinten, doch das rettete ihn nicht vor dem Angriff des schwarzen Monsters.
Geschockt blieb Magnus stehen, als der Dämon ausholte und den Pfeil, den er umfasste, zurück in Alecs Richtung schleuderte. So schnell Magnus konnte, sammelte er die nötige Energie, um seinen Partner zu beschützen, doch egal was er tat; er konnte das gewohnte Kribbeln in seinen Fingern nicht verspüren, egal wie sehr er sich angestrengte. Er streckte seine Hand nach vorne aus, hoffte, dass er die blauen Funken sehen würde, doch nichts passierte. Dabei hatte er seine Magie vor einem Augenblick noch genau spüren können.
Weder Alec noch irgendjemand anderes im Raum konnte rechtzeitig reagieren, sodass der Pfeil gezielt auf den jungen Bogenschützen traf. Dieser hatte noch nicht einmal Zeit gehabt sich schützend zur Seite zu drehen, sodass der Pfeil ungebremst in seine Brust stach.
»Alec!«, Magnus hatte gedacht, er selbst hätte geschrien, doch es war Jaces Stimme, die er im Hintergrund wahrnahm. Der Raum war totenstill und Magnus blieb auf halbem Weg abrupt stehen, als Alec seinen Bogen geräuschvoll fallen ließ. Das Geräusch des Aufpralls hallte in dem großen Saal wieder. Magnus' Herz klopfte bis zum Hals und machte einen Sprung, als Alec langsam seinen Kopf hob und direkt in sein Gesicht schaute. Seine Haut war noch blasser als sonst und seine blauen Augen geschockt aufgerissen. Zögernd hob der Shadowhunter seine Hand und ließ sie über den Pfeil schweben, wollte ihn herausreißen, doch er wusste es besser und zog sie zurück.
Das blaue Hemd, der Magnus ihm erst letzte Woche gekauft hatte, färbte sich rot an der Stelle, wo der Pfeil in seinem Brustkorb verschwand. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich in einen, den Magnus bei ihm zuvor noch nie gesehen hatte; Angst.
Mit einem erstickenden Laut fiel er nach vorne auf seine Knie, woraufhin Magnus aus seiner Trance erwachte und auf ihn zulief, so schnell ihn seine Beine tragen konnte. Er hörte Jace erneut aufschreien, danach einen höheren Schrei, der aus der gleichen Richtung kam. Es war der gleiche Schrei, den Magnus eben in den Gängen gehört hatte, nun konnte er ihn jedoch zuordnen. Es war Lily, die Anführerin des Vampir-Clans von New York. Noch vor Magnus war sie an Alecs Seite und stützte ihn, damit er nicht zu hart auf den Boden fiel. Als Magnus vor Alec auf die Knie ging, hielt sie den Kopf des Shadowhunters vorsichtig in ihrer Hand und legte ihn langsam auf den Boden.
Er hatte Lily noch nie zuvor so zärtlich erlebt. Die junge Vampirdame war sonst durch ihre korrupte und sarkastische Art bekannt. Außerdem verzog sie nie eine Miene, doch nun war ihr der Schock ins Gesicht geschrieben. Magnus wusste, dass sie Alec schon immer gemocht hatte. Er war der erste Shadowhunter gewesen, der versucht hatte Vampire in politische Angelegenheiten einzubinden und Lily hatte dies schon immer gefallen. Er hatte zuvor nie gedacht, dass Lily irgendjemanden auf dieser Welt leiden konnte, doch zu Magnus' damaligen Erstaunen, sah sie den jungen Shadowhunter sogar als ihren Freund an.
Alecs Hemd färbte sich immer dunkler. Panisch legte Magnus eine Hand auf die Stirn seines Partners und versuchte diese so still wie möglich zu halten, um ihn zu beruhigen, jedoch zitterte er selbst viel zu sehr. Die andere Hand hob er vorsichtig über die Wunde, doch schon wieder war von dem bekannten Kribbeln in seinen Fingern keine Spur. Er schloss seine Augen, als er die Tränen spürte, die aus Frustration hinter seinen Lidern brannten.
»Jace!«, rief er laut, ohne aufzuschauen und hörte sofort Schritte auf ihn zukommen. Als er schließlich die Augen öffnete, sah er Alecs Parabatai, der auf der gegenüberliegenden Seite kniete und Magnus erwartungsvoll ansah. Panisch schaute er zwischen Magnus und Alec hin und her.
»Mach was!«, forderte Magnus laut, worauf Jace geschockt seine Augen aufriss und schließlich ungeschickt nach seinem Stele griff, der sich in seiner Hosentasche befand. Während Jace eine Iratze auf Alecs Arm zeichnete, beugte sich Magnus leicht über seinen Shadowhunter und griff nach seiner Hand, die er leicht gehoben hatte. Sein Blick war starr an die Decke gerichtet und seine Atmung ging flach. Als Magnus sich über ihn beugte, um Blickkontakt aufzunehmen, sah er, dass seine blaue Iris wild in seinem Auge umher tanzte, als wüsste er nicht, auf was er sie fokussieren sollte.
»Alec«, flüsterte Magnus leise, worauf sich Alecs Augen schließlich auf ihn richteten. Sanft legte Magnus eine Hand an die Wange seines Verlobten und strich mit dem Daumen über seinen Wangenknochen, die andere Hand hielt immer noch fest die von Alec.
»E-es tut mir so...leid«, hauchte Alec zwischen seinen unregelmäßigen Atemzügen, doch Magnus schüttelte nur den Kopf. »Alles wird gut«, versicherte er ihm und schenkte ihm ein gequältes Lächeln, bevor er sich zu Jace drehte.
»Es funktioniert nicht«, murmelte dieser, woraufhin Magnus' Herz erneut aussetzte. »Was meinst du?«, fragte er geschockt und beobachtete, wie Jace erneut eine Rune auf Alecs Haut zeichnete, diese jedoch sofort wieder verblasste. »Ich meine, was ich sage!«, schrie Jace verzweifelt und Magnus war sich sicher, dass nun jegliche Farbe aus seinem Gesicht gewichen war.
Panisch schaute Magnus auf und zu seinem Erstaunen war der Dämon nirgendwo zu sehen. Die Repräsentanten standen wie angewurzelt auf der Stelle und erst durch Magnus' Blick schienen sie zu realisieren, dass sie sich nützlich machen sollten.
»Wir müssen den Pfeil entfernen«, sprach Lily, die sich immer noch gegenüber von Magnus befand. »Nein, er würde zu viel Blut verlieren«, argumentierte Magnus sofort und strich abwesend durch Alecs dunkle Haare, die auf seinen Stirn klebten.
»Er wird sterben Magnus«, zischte Lily, worauf Magnus zusammenzuckte. Kurz schloss er die Augen und atmete tief ein. Das war der Moment, den Magnus immer gefürchtet hatte. Dass Alec irgendwann irgendwo am Boden liegen würde, da irgendein Dämon zu stark gewesen war. Jeden Abend hatte er wach gelegen, da er sich die schlimmsten Szenarios vorgestellt hatte und nichts konnte das Gefühlt beschreiben, dass er verspürt hatte, wenn Alec spät nachts wieder in Bett gekrabbelt war.
Dies war eines der schlimmsten Szenarios, die er sich immer ausgedacht hatte; getötet durch seine eigne Waffe. Die Pfeile, die ihm damals quasi mit in die Wiege gelegt wurden. Magnus bezweifelte, dass es auf dieser Welt einen besseren Bogenschützen als Alexander gab, obwohl Simon in letzter Zeit wirklich zur Konkurrenz wurde. Magnus hatte gedacht, dass er wenigstens noch etwas Zeit mit Alec bekommen würde, dass er wenigstens etwas alt werden konnte. Alec war noch nicht einmal dreißig, er hatte noch nicht einmal die Hälfte von dem erlebt, was er eigentlich erleben sollte.
Er hatte zwei Kinder, er hatte Charlotte. Diese Kinder würden später noch nicht einmal annähernd wissen, wie sehr Alec sie geliebt hatte. Max, der so sehr zu seinem Vater aufschaute und Rafael...
Oh Gott, Rafael
»Du kannst nicht gehen«, sprach Magnus bestimmend an Alec gewandt und beugte sich erneut über ihn. »Du kannst Max und Rafael nicht verlassen, oder Charlotte, oder ... mich«, hauchte er und fuhr mit seiner Hand panisch durch die Haare seines Partners, der daraufhin seine Hand drückte. Er schloss seine wundervollen blauen Augen und öffnete sie wieder, dabei hob er seine Mundwinkel gequält an, als wollte er Magnus versichern, dass alles gut ist. Nichts war gut.
»Ich kann ihn verwandeln«, schlug Lily vor und erst dann realisierte Magnus, wie sehr sie wirklich an Alec hing, was der Warlock nicht erwartet hatte. »Nein«, antwortete Magnus wie aus der Pistole geschossen, da er wusste, dass Alec so etwas nie zulassen würde. Liebend gerne wollte er einstimmen, wollte so egoistisch sein, doch er konnte nicht. Alec würde ihn für immer hassen und damit konnte er noch weniger leben. Bei all den Menschen, die Magnus bereits verloren hatte, hatte er oft darüber nachgedacht diese unsterblich zu machen, doch Unsterblichkeit konnte ein Fluch sein, für den Magnus nicht verantwortlich sein wollte.
»Magnus«, er legte seine Stirn in Falten. Die Stimme, die seinen Namen flüsterte schien so weit entfernt zu sein. Vorerst dachte er, es wäre Lily gewesen, doch irgendwie hatte diese Stimme auch nach Jace geklungen ... oder? Verwirrt wendete er seinen Blick von Alec ab und schaute auf, doch anstatt in Lilys dunkle Augen zu schauen, fand er nichts vor. Niemand war zu sehen; weder Lily, noch Jace, noch irgendjemand der Repräsentanten, die eben noch nur wenige Meter von ihm entfernt gestanden haben.
Er war allein, Alec immer noch vor ihm.
Als er jedoch auf diesen hinunter sah, wirkte er plötzlich so ruhig, was Magnus verunsicherte. Sein Brustkorb, der sich eben noch hektisch gehoben und gesenkt hatte, war vollkommen ruhig. Es wirkte so friedlich, obwohl Magnus genau wusste, was dies bedeutete. Sein Herz zog sich zusammen, als er seinen Blick in das Gesicht des Shadowhunters gleiten ließ, dessen Augen geschlossen waren, als würde er tief schlafen. Die Hand, die in der von Magnus lag, lag nun schlaff in seiner, dennoch wollte er nicht loslassen. Er hatte schon so viele Menschen verloren und dennoch kam es ihm so vor, als hätte kein Tod so geschmerzt, wie der von Alec.
Er wollte sich einbilden, dass er nur schlief, doch seine kalte Hand und sein blasses Gesicht machten es hart dies zu glauben. »Oh, mein Alec«, hauchte er und legte seine Stirn an die seines Partners. »Du dummer, dummer Nephilim«, fügte er hinzu und konnte die Tränen nicht zurückhalten, die über seine Wangen flossen. Es tat so sehr weh. So sehr.
Er versuchte das Schluchzen in seiner Kehle zu unterdrücken, doch es gelang ihm nicht. Warum hatte er nicht auf sich selbst gehört, als er sich geschworen hatte nie wieder einen Sterblichen zu lieben. Das hatte er davon, dass er schon wieder so schwach gewesen war.
Es fühlte sich an, als würde er ertrinken; immer tiefer absinken, sodass sich seine Lunge schmerzhaft zusammenzog und er nach Luft rang. Sein Hals schnürte sich zu und er konnte nicht anders als lautstark zu weinen, da er anders keine Luft bekam. Anscheinend war jedoch niemand da, der ihn hörte, was ihn in diesem Moment nicht kümmerte.
Nur ganz leicht hob er seinen Kopf an und konnte somit in das Gesicht von Alec schauen, dass keine Zeichen der Angst mehr aufwies. Es sah aus wie das Gesicht, in das Magnus jede Nacht und jeden Morgen schaute; die blasse Haut, die hohen Wangenknochen und dunklen Augenbrauen, die langen Wimpern, die Rafael auch hatte, und die vollen Lippen, die Magnus für immer küssen wollte. Die einzigen Zeichen der Alterung waren die kleinen Fältchen an seinen Augen gewesen, die er vom Lachen bekommen hatte. Sonst war sein Gesicht vollkommen makellos und so, so jung.
Magnus hatte sich gewünscht Alec altern zu sehen, obwohl es für den Shadowhunter eher ein Albtraum gewesen war, doch Magnus hatte sich sogar fast darauf gefreut. Er hatte sich darauf gefreut die wichtigsten Abschnitte von Alecs Leben mit ihm erleben zu dürfen. Er hatte Rafael und Max mit ihm großziehen wollen und nun musste Magnus dies alleine tun.
Max und Rafael
Sofort schreckte Magnus auf und sah sich erneut in dem großen Saal um. Niemand war zu sehen; keine Shadowhunter, keine Vampire, keine Werwölfe und auch kein Dämon. Verwirrt legte Magnus seine Stirn in Falten. Er betrachtete Alecs Hand, die in seiner lag und zog den Verlobungsring vorsichtig von seinem Finger. Er steckte ihn an seinen eigenen und führte Alec Hand an seine Lippen. Ein letztes Mal warf er einen Blick auf Alec, bevor ihn die Sorge um seine Kinder dazu brachte sich zu erheben.
»Ave Atque Vale, mein Liebster«
Hail and Farewell
Lange ging er rückwärts, da er Alec nicht aus den Augen lassen wollte. Er würde zurückkommen, soviel stand fest. Das würde nicht das letzte mal sein, dass er ihn sah, aber in diesem Moment war er noch ein wenig mehr lebendig, als wenn Magnus wiederkommen würde. Dies war natürlich kompletter Blödsinn, doch Magnus bildete es sich ein.
In der Mitte des Raumes atmete er schließlich tief ein und drehte sich endgültig um. Er trat auf die große Tür zu, die geschlossen war. War sie nicht die ganze Zeit über offen gewesen? Ohne groß nachzudenken, griff Magnus nach den Griffen und zog sie auf, unvorbereitet für das, was ihn auf der anderen Seite erwartete.
Vor ihm lag der lange, breite Flur des Instituts, der zum Eingangsbereich führte. Magnus zog bei dem Anblick scharf die Luft ein; vor ihm befanden sich unzählige Shadowhunter, hier und dort ein paar Unterweltler. Magnus kannte Shadowhunter als stolze Kämpfer mit aufrechtem Gang. Zwar hatte er schon viele fallen gesehen, aber selbst dies hatte anmutig gewirkt. Umso erstaunter war er nun bei dem jetzigen Anblick;
Jeder einzelne der Shaodwhunter lag vor ihm. Kreuz und quer lagen sie auf dem Boden verteilt, der Boden rot gefärbt von ihrem Blut. Magnus musste sich an der Tür festhalten, weil seine Beine drohten aufzugeben. Jede einzelne Person vor ihm – ob Nephilim oder Unterweltler – hatte einen Pfeil in seinem Brustkorb stecken. Sie ähnelten Alec viel zu sehr, sodass Magnus' Herz erneut aussetzte.
Das Blut tropfte aus ihren Wunden Kachelboden und vermischte sich. Beinahe hätte Magnus gelacht. So endete es also; die Shadowhunter waren so stolz auf ihr reines Engelsblut gewesen, hatten Hybriden verachtet, die beides – Nephilim und Unterwelter waren – und nun waren sie alle vom gleichen Schicksal getroffen worden. Es gab keinen Unterschied zwischen dem Blut, was vergossen wurde. Es sah gleich aus – das Blut der Unterwelter vermischte sich genauso gut mit dem Blut der Nephilim, wie das der Nephilim untereinander. Braucht es erst so viele Opfer, um so etwas festzustellen?
Das erste bekannte Gesicht, das Magnus erkannte, war Jace. Der blonde Shadowhunter lag auf dem Rücken, den Kopf in Magnus' Richtung gedreht und seine Augen weit aufgerissen, sodass Magnus seinen Blick sofort abwendete. Vorsichtig trat er über leblose Körper und versuchte die Blutpfützen zu vermeiden. Schließlich ließ er sich an Jaces Seite nieder und strich über seine Augen, die er somit schloss.
»Ave Atque Vale«, hauchte er auch zu ihm und strich über die goldenen Haare des jungen Mannes. Wie in Trance erhob er sich wieder und überblickte das Schlachtfeld, auf dem er sich bekannt, bevor ihm jemand ganz besonders ins Auge fiel.
»Rafael!«, schrie Magnus und sprang achtlos über sämtliche Körper und kümmerte sich nicht um das Blut auf dem Boden. Er kniete sich zu seinem Sohn, der ebenfalls in der selben Position lag wie Jace; auf dem Rücken, einen Pfeil in seiner schmalen Brust und weit aufgerissene Augen. Das einzige, was Magnus hören konnte, was sein eigener Herzschlag und das Blut, dass in seinen Ohren rauschte. Für einen kleinen Moment konnte er ausatmen, als er sah, dass Rafaels Augen ihm folgten.
»Rafael«, hauchte er, als er sich über seinen Sohn beugte und ihm sanft über die Wange strich. Er zog seine Hand wieder zurück, als er bemerkte, dass er Blut auf der blassen Haut des kleinen Jungen hinterließ. Hastig zog er sein Shirt über seine Finger und wischte das Rot von seiner Wange. Er erkannte den gleichen Blick in Rafaels Gesicht, den Alec gehabt hatte, den er jedoch schon oft in dem Gesicht des Jungen gesehen hatte. Ängstliche braune Augen musterten ihn und Magnus zwängte sich ein Lächeln auf seine Lippen, um ihn zu beruhigen.
»Hab keine Angst, Papa ist da«, flüsterte er und strich durch die dichten schwarzen Locken seines Sohnes, der am ganzen Körper zitterte. Das Szenario erinnerte ihn zu sehr an Alec und Magnus wusste nicht, ob er diesen Schmerz noch ein weiteres mal ertragen konnte, davon abgesehen, dass es eine komplett andere Art von Schmerz war, den er nun empfand.
Rafaels Brustkorb hob und senkte sich viel zu schnell und Magnus wünschte sich nichts mehr, als seine Magie wiederzuerlangen, sodass er dem kleinen Jungen wenigstens die Schmerzen nehmen konnte. Er hätte Rafaels Schmerzen freiwillig übernommen, sogar doppelt, dreifach so schlimm, wenn dies heißen würde, dass sein Sohn keine verspüren würde. Er war sich jedoch sicher, dass kein Schmerz schlimmer war als der, den er selbst in diesem Moment verspürte.
Er wollte nicht vor Rafael weinen, um ihm nicht noch mehr Angst zu machen, doch es gelang ihm nicht. Er wollte nicht sagen, dass es noch mehr schmerzte als bei Alec, doch der Schmerz traf ihn mehr, traf ihn härter, als er seinen kleinen Jungen leiden sah. Er hatte schon so viele Menschen gehen lassen müssen, doch einen solchen Schmerz hatte er noch nie verspürt, schließlich hatte er noch nie Kinder gehabt.
Er hatte gewusst, dass er Rafael irgendwann überleben würde, doch nicht jetzt. Er war ein Kind. Ein Kind, was sowieso schon viel zu sehr gelitten hatte. Auch mit der Zeit wäre dieser Gedanke wahrscheinlich nicht leichter geworden, doch jetzt durfte er nicht sterben. Er konnte Magnus nicht alleine lassen, so egoistisch dieser Gedanke war. Magnus würde ihn sogar noch weitere Stunden, Tage, Jahre in seinem Schoß halten, wenn der Kleine weinte. Das Genöle und Ankämpfen von Rafael würde er lieber ertragen als seinen Verlust, Herr Gott, er würde es sogar genießen.
Als er sah, dass Rafaels Augenlider schwer wurden, legte sich der Warlock dicht neben ihn auf die Seite, wobei es ihn nicht kümmerte, dass seine Kleidung das Blut des Bodens aufnahm. Er roch den metallischen Geruch von Blut, als er seinen Kopf auf den kalten Fliesen ablegte und griff mit einer Hand nach der von Rafael, die bereits so kalt wie die von Alec war.
»Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin hier«, flüsterte Magnus erneut und glaubte wirklich zu spüren, dass sich Rafaels Körper unter seiner Berührung etwas entspannte. Vielleicht war es auch die Kraft, die ihn schließlich verließ. Seine Augenlider fielen zu und Magnus ließ jegliche Tränen laufen, die er zurückgehalten hatte.
»Du wirst bei Daddy sein«, hauchte er, »Der wird dich abholen, ganz bestimmt«, mit der anderen Hand fuhr er vorsichtig über die Gesichtszüge seines Sohnes. »Onkel Jace wird da sein und ... Oma«, zumindest glaubte er, dass der Körper einige Meter entfernt zu Maryse gehörte. Sie lag auf der Seite, mit dem Gesicht abgewendet, weshalb Magnus sie nicht richtig erkennen könne, doch er vermutete es.
»Ich liebe dich so sehr, mein kleiner Prinz«, fügte er hinzu und beobachtete Rafaels Brustkorb genau. Er führte die Hand seines Sohnes zu seinen Lippen und platzierte einen Kuss auf seinen Fingern, danach auf seinem Handrücken. Die Brust des kleinen Shadowhunters hob und senkte sich zwar noch, jedoch nur noch sehr schwach.
»Es ist o.k.«, vergewisserte ihn Magnus, »Du kannst loslassen. Ich bin da, Daddy wird da sein, du bist nicht allein«, versprach er und konnte nicht glauben, dass er diese Worte wirklich sagen musste. Ihm war immer bewusst gewesen, dass er sie irgendwann verlieren würde, aber nicht alle zur selben Zeit. Er wusste nicht, ob er diesen Schmerz überleben konnte. Er wusste nicht, wo Max, Isabelle und Simon waren, aber wollte seine Hoffnungen nicht zu hoch halten.
Als sich Rafaels Brustkorb zum letzten mal hob, drückte Magnus seine Lippen an die Schläfe des Jungen und atmete tief ein. Er roch immer noch so vertraut – nach zu Hause. Wenn Magnus seine Augen schloss, konnte er sich für einen Moment einbilden, dass er mit Rafael in seinem Bett lag und ihn tröstete, nachdem der kleine Junge schon wieder einen seiner Albträume gehabt hatte. Egal wo er nun war, hoffentlich war er dort frei von solchen Träumen und wenn, würde dort Alec sein, der seinen Sohn sicher trösten würde, da war sich Magnus sicher.
Laut schluchzte er; wie sollte er diesen Verlust ertragen? Vorsichtig richtete er sich auf und stützte sich mit einem Arm vom Boden ab. Sanft strich er über Rafaels Gesicht. Wenn jemand es nicht verdient hatte so zu sterben, dass war es Rafael, der schon so viel hatte ertragen müssen. Magnus konnte sich nicht erinnern, dass er schon einmal so sehr in seinem Leben geweint hatte, doch er konnte sich nicht beherrschen. Die Menschen hatten nicht übertrieben; das eigene Kinder zu verlieren war der schlimmste Schmerz, den Magnus je verspürt hatte und er hatte noch nie etwas vergleichbares erlebt.
Er blickte in das zarte Engelsgesicht und nahm jedes kleine Detail von Rafael genau auf. So sehr hoffte er, dass er sein Gesicht nie vergessen würde und hoffte, dass genug Fotos existierten. Er könnte niemals damit leben seinen eigenen Sohn zu vergessen, doch ohne Fotos würde eine solche Erinnerung nicht lange anhalten. Er musterte die runden Wangen, die im letzten Jahr deutlich schmaler geworden waren, da er immer mehr die Züge eines Kleinkinds verloren hatte. Die Stupsnase, über die er ein letztes Mal mit dem Finger fuhr und die großen Augen, die nun für immer geschlossen waren. Nie wieder würde er die braunen Augen sehen, die die Welt so neugierig erkundet hatten.
»Dios mio, Magnus! Wenn du dich selbst sehen könntest«, sprach eine Stimme viel zu laut und Magnus' Kopf schoss in die Höhe. Fast hätte er sich an seiner eigenen Spucke verschlugt, als er die altbekannte Stimmte gehört hatte, die er schon fast vergessen hatte.
»Raphael«, hauchte er und richtete sich so schnell auf, wie er konnte, wobei er ungeschickt auf jeglichen Überresten von Blut ausrutschte, von denen er hoffte, dass sie nicht zu Rafael gehörten. Ein ihm sehr bekanntes Gesicht erschien vor ihm, als sich sein Gegenüber vor seinem Sohn niederkniete und sich von Magnus in seine Arme ziehen ließ. Magnus wusste nicht, was über ihn gekommen war, aber er drückte seinen alten Freund so dicht an sich, als würde sein Leben davon abhängen. Es war umständlich ihn über den kleinen Körper zwischen ihnen zu umarmen und der Gedanke an seinen Sohn und all die anderen Leute, die er verloren hatte, ließ die Tränen erneut in seinen Augen aufsteigen. Er wollte Raphael nicht mehr loslassen, der eine Hand auf den Rücken des Warlocks gelegt hatte. Er fühlte sich nicht mehr vollkommen alleine, obwohl er gedacht hatte, dass er es nun endgültig war.
Raphael löste sich als erstes aus ihrer Umarmung und stieß Magnus sanft von sich, zu sanft für seine Verhältnisse. Magnus starrte in die dunkelbraunen Augen, die sich über die Jahrzehnte nie verändert hatten. Der Vampir hatte immer noch das selbe junge Gesicht eines vierzehnjährigen kleinen Jungen und würde es auch für immer haben, obwohl er schon über siebzig Jahre alt sein musste.
Magnus konnte sich noch genau daran erinnern, wie er ihn damals zum ersten mal getroffen hatte. Auf den Wunsch von Raphaels Mutter hatte er nach dem Kleinen gesucht und ihn schließlich einsam und verlassen aufgefunden. Allein zwischen seinen Freunden, die allesamt tot gewesen waren...
Schnell wendete Magnus seinen Blick ab, da ihn der Gedanke zu sehr an die jetzige Situation erinnerte. Leblose Körper, die auf dem Boden verteilt gelegen hatten und ein kleiner Junge, der sich selbst für ein Monster gehalten hatte. Das Monster mit dem Gesicht eines Caravaggio Engels.
Magnus hatte ihn gerettet und obwohl Raphael in keinster Weise dankbar gewirkt hatte, würde er es immer wieder tun. Es hatte lang gedauert, bis sich der junge Vampir mit seinem Schicksal abgefunden hatte, doch Magnus hatte alles getan um ihm dabei zu helfen. Er trug immer noch das Kreuz um den Hals, dass seine Mutter Guadalupe Magnus damals in die Hand gedrückt hatte. Magnus fixierte seinen Blick auf den Anhänger.
»Steh auf, Magnus«, sprach Raphael und Magnus' Augen glitten zurück in die des Vampirs. Vor Rafael und Max war er das nächste gewesen, was er zu einem Sohn gehabt hatte. Der kleine Junge war ihm damals schon nach weniger Zeit unheimlich ans Herz gewachsen, sodass er sogar die sarkastischen und teilweise gemeinen Kommentare von ihm ertragen hatte. Es war die harte Schale mit dem eigentlich so verletzlichen Kern gewesen, die Magnus' Mitleid hervorgerufen hatte. Raphael war ein Junge gewesen, der sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, als zu seiner Mutter und seinen Geschwistern zurückzukehren, ohne dass diese dachten, dass er ein Monster wäre.
»Sie sind tot, Raphael«, flüsterte Magnus, als ob er es selbst noch nicht richtig realisiert hatte, »Alec, Jace, Rafael«, bei dem Namen seines Sohnes versagte seine Stimme und immer mehr Tränen rollten über seine Wange. Raphael senkte seinen Blick auf den kleinen Jungen vor ihm, danach schaute er zurück zu Magnus.
»Ich weiß«, sprach er sanft, »Es sind schon so viele vor ihnen gegangen, Magnus. Etta, Ragnor, Will... Der Schmerz wird niemals einfach, aber einfacher, das hast du immer gesagt«
»Aber er ist mein Sohn, Raphael«, seinen Namen zu sagen schmerzte mehr, als er zugeben wollte. Warum hatten sie beide den selben Namen? ...
»Du erduldest, was unerträglich ist, und du erträgst es«, sagte Raphael und Magnus erkannte dabei seine eigenen Worte wieder. Er hatte dies gesagt, irgendwann, irgendwo, doch hatte er es wirklich zu Raphael gesagt? Es fühlte sich so lange her an, er konnte sich nicht mehr genau erinnern.
»Komm mit mir«, Raphael richtete sich auf und streckte Magnus eine Hand entgegen. Verwirrt legte der Warlock seine Stirn in Falten. »Wohin?«, hakte er nach und Raphael lächelte einfühlsam. Ein Lächeln, was nicht wirklich in sein Gesicht passte, denn der Vampir lachte normalerweise nur aus Schadenfreude.
»Weg von hier«, er nickte mit dem Kopf auf all die leblosen Körper, die um Magnus herum lagen. Magnus' linke Hand umfasste immer noch fest die von Rafael; er konnte nicht loslassen. »Ich kann Rafael nicht zurücklassen«, sprach er bestimmt. Er würde seinen Sohn nicht alleine lassen, er konnte ihn nicht einfach hier liegen lassen. Auch die anderen Körper; Alec, Jace, Maryse – sie alle konnten nicht einfach hier liegen bleiben.
»Lass los, Magnus«, sagte Raphael ruhig und Magnus schaute auf die kleine Hand in seiner.
»Nein«, unter Tränen schüttelte er seinen Kopf. Er hatte erwartet, dass Raphael ihn auslachen würde, ihn zurücklassen würde, doch er schaute den Warlock nur mitleidig an.
»Du hast mich gerettet, Warlock, jetzt rette ich dich«, ließ er ihn wissen und streckte seine Hand etwas näher zu Magnus aus.
Bist du dumm? Du kannst mich nicht retten, hatte Raphael damals zu Magnus gesagt, als dieser das selbe versucht hatte. Er sah den kleinen Jungen noch genau vor sich; seine Wangen schmutzig mit Graberde, seine Beine ängstlich an seinen Körper gezogen, während er zwischen all den Leichen gelegen hatte.
»Ich schulde dir was«, fügte er noch hinzu, als Magnus gerade seine Hand nehmen wollte. Ganz plötzlich zog er sie jedoch zurück, er wusste nicht genau wieso. Es war etwas, was vor seinem inneren Auge erschien; eine Erinnerung, die er nicht richtig zuordnen konnte.
Es war Raphael, der genau diesen Satz sagte und danach auf seine Knie fiel, einen Dolch in seiner Brust. Geschockt riss Magnus seine Augen auf und starrte in die von Raphael, der ihn erwartungsvoll ansah. Er sah Blut, das das Shirt des Vampires rot färbte. In seiner Erinnerung musste er machtlos dabei zusehen, irgendetwas hielt ihn zurück. Er sah eine weitere Figur, jemand der mindestens zwei Köpfe größer war als Raphael. Weiße Haare, ein markantes Gesicht mit hohen Wangenknochen.
Jonathan
Magnus ließ von der Hand seines Sohnes ab und legte sie vorsichtig an dessen Seite, bevor er sich zu Raphael wendete und sich langsam erhob. Er sah das Blut an seiner Hose, an seiner Jacke, auf seinem Ärmel und an seinen Händen, dennoch griff er nach der von Raphael, der sie sofort umfasste.
Er sah all das Blut; das Blut auf Alecs Hemd, das Blut auf den weißen Fliesen, das Blut auf Rafaels Brust und das Blut an dem Dolch, der in Raphaels Brust steckte. Als er aufschaute war dieser jedoch unversehrt. Doch er hatte sich dort befunden, genau in seinem Herzen. Wie konnte Raphael vor ihm stehen, wenn er diese Erinnerung hatte?
Er sah Jonathans schwarze Augen, das siegreiche Lächeln. Töte den Warlock, formten sie, danach sah er Raphael, der zögernd auf ihn zukam und den Dolch an seinen Hals hielt. Er hatte ihn umbringen wollen. Warum wusste er dies nicht mehr? Er konnte das Klirren des Dolchs hören, als er auf den Boden fiel, konnte Raphaels Stimme hören.
Ich kann nicht.
Er hörte sein ersticktes Stöhnen, als Jonathan den Dolch in seine Brust rammte, direkt in sein Herz. Magnus' Kopf schoss in die Höhe und sah in Raphaels dunkle Augen, der Griff um seine Hand verstärkte sich. Er konnte nicht hier sein.
Magnus erhob sich und auf Raphaels Lippen bildete sich ein schmales Lächeln. Es war nicht mehr freundlich, es war ein siegreiches Lächeln. Das Lächeln, was Jonathan getragen hatte, als er Raphael vor Magnus' Augen umgebracht hatte. Umgebracht. Jonathan hatte Raphael getötet.
Auf dem Weg nach oben griff Magnus nach dem Pfeil in Rafaels Brust. Er tat dies mit seiner linken Hand, mit seiner schwachen Hand. Er kniff die Augen zusammen und ihm wurde übel, als er den Widerstand spürte, während er den Pfeil aus dem Herz seines Sohnes zog. Sein Gegenüber konnte nicht schnell genug reagieren. Er riss noch geschockt seine Augen auf, bevor Magnus den Pfeil in Raphaels Brust rammte. Das Blut seines Sohnes vermischte sich mit dem des Vampirs, den er ebenfalls als seinen Sohn angesehen hatte.
Doch Raphael war tot.
Das war nicht echt, nichts davon. Beinahe hätte Magnus laut gelacht. Jonathan hatte ihn getötet, dies war bereits Jahre her gewesen. Damals in Edom hatte Magnus ihn vor seinen Augen sterben sehen. Er hatte seinen Sohn nach ihm benannt, in Gedenken an ihn.
»Magnus«, röchelte Raphael und legte ein Hand auf die des Warlocks, die den Pfeil immer noch fest umschlossen hielt. Je länger Magnus in das Gesicht seines Gegenübers schaute, desto unsicherer wurde er. Er wusste nicht genau, was er erwartet hatte, aber definitiv nicht, dass er Raphael noch einmal sterben sehen musste. Raphaels Mund öffnete sich leicht, woraufhin Blut über sein Kinn tropfte. Noch mehr Blut, dass Magnus' Kleidung befleckte.
»Raphael?«, hauchte Magnus und realisierte, dass er einen Fehler begangen hatte. Hatten ihn seine Erinnerungen getäuscht? Als Raphael auf die Knie fiel, sank Magnus mit ihm zu Boden, eine Hand auf dem Pfeil, die andere an seinem Hinterkopf, um seinen Kopf aufrecht zu halten.
Magnus legte seine Stirn in Falten, als sich etwas in Raphaels Augen veränderte. Das dunkle Braun wurde heller, seine Pupillen weiteten sich. Magnus schrak zurück, als sie komplett weiß wurden, ein helles Leuchten, dass ihm mehr als bekannt vorkam. Es waren die Augen des Dämons, die ihm in dem Konferenzsaal entgegen geschienen haben; das hypnotisierende weiß, das Magnus vollkommen in seinen Bann gezogen hatte.
»Agramon«, hauchte Magnus, konnte sich endlich an den Namen des Dämons erinnern. Dieser ließ einen schrillen Schrei erklingen. Magnus wollte zurückschrecken, drückte den Pfeil jedoch noch weiter in die Brust des Monsters. Das Monster, das immer noch aussah, wie Raphael.
Das Monster mit dem Gesicht eines Caravaggio Engels.
Der Schrei schmerzte in Magnus' Ohren und das Leuchten in Agramons Augen wurde immer heller, sodass Magnus seine Augen zusammenkneifen musste. Raphaels Gesicht verformte sich auf brutale Weise und langsam nahm der Körper des Vampirs die Gestalt des Dämons an. Das grelle Licht stand im Kontrast zu dem dunklen Körper und der Schrei schien sich immer weiter von Magnus zu entfernen. Schließlich ließ er von dem Pfeil ab und starrte auf seine Hände. Seine Haut schien sich langsam aufzulösen; Licht erschien dort, wo seine Haut verschwand, doch bevor er reagieren konnte, wurde die Welt um ihn herum schwarz, sodass Magnus annahm, der Dämon hätte ihn umfasst.
»Magnus?«, für einen Moment hatte er Angst, dass es Raphaels Stimme war, die er erneut hörte, doch diese Stimme war sehr viel tiefer und viel liebevoller als die des Vampirs. Es war eine Stimme, die ihm so vertraut war und die ihn immer sicher fühlen ließ. Es war Alexanders Stimme.
War er tot?
»Hey, Magnus«, hörte er erneut und versuchte seine Augen zu öffnen, als er merkte, dass er sie bereits geöffnet hatte. Er konnte seinen Blick nicht richtig fokussieren und konnte nur schwammige Umrisse erkennen, doch er erkannte eine Person, die vor ihm kniete, danach spürte er eine Hand, die sich auf seine Wange legte. Unbewusst griff er nach dieser und hielt sie fest in seiner. Er spürte den Ring an dem Ringfinger der Person. Den Ring, den er sich eben noch an seinen eignen Finger gesteckt hatte.
»Alexander«, hauchte er und konnte langsam immer schärfer sehen. Alec war nicht die einzige Person, die sich vor ihm befand. Er erkannte Catarinas weiße Haare, die über ihre Schultern fielen, daneben rote Haare, die zu Clary gehörten. Alle hockten vor ihm, woraufhin Magnus bemerkte, dass er auf dem Boden saß, sein Rücken an eine Wand gelehnt.
»Raphael«, dieser Name glitt einfach so über seine Lippen und erinnerte sich an das Gesicht des Jungen, bevor er den Pfeil in seine Brust gerammt hatte. Keine schöne Erinnerung, die ihn wohl für immer verfolgen würde.
»Alles gut, er ist hier«, antwortete Alec und Magnus realisierte, dass er ihren Sohn meinte. Tief atmete Magnus ein und schloss seine Augen. Alec war hier, Rafael war hier. Sie lebten. Als er seine Augen wieder öffnete, konnte er alle Gesichter scharf erkennen, bis Tränen in seine Augen stiegen und seine Sicht verschwimmen ließen.
»Oh, Alexander«, sprach Magnus erleichtert und zog den Shadowhunter in eine feste Umarmung. Er hörte ihn leise lachen. Er hätte nicht gedacht, dass er dieses Lachen jemals wieder hören durfte. Alec stützte sich mit einer Hand an der Wand hinter Magnus ab und legte seinen anderen Arm um den Körper des Warlocks. Über seine Schulter hinweg musterte er seine Umgebung; er war immer noch im Institut und erkannte die dunklen hohen Wände, doch er musste nicht, wo genau er sich befand. Es war kein Zimmer, sondern einer der langen Flure.
Außer Catarina, Clary und Alec war keine weitere Person zu sehen. Keine Leichen auf den Fliesen, kein Blut, dass sich auf dem Boden verteilte. Leicht drückte er Alec von sich und umfasste sein Gesicht sanft mit seinen Händen, um ihn genau zu mustern. Er war vollkommen unversehrt und warf Magnus ein warmes Lächeln zu.
»Ihr wart tot«, flüsterte er und Alecs Lächeln verschwand von seinen Lippen. Er sah nicht sonderlich überrascht aus, als ob er genau wusste, von was Magnus sprach. »Agramon – «, versuchte er zu erklären, doch Catarina unterbrach ihn.
»Ja, es war Agramon, aber Alecs Pfeil hat ihn getötet oder zumindest in seine Dimension zurückgeschickt«, sprach sie ruhig und Magnus' Blick glitt wieder zu Alec, der still hielt, als Magnus panisch über das Gesicht seines Partners strich, danach durch seine Haare, über seine Arme und schließlich über seine Brust, wo sich der Pfeil befunden hatte.
»Er hat dich umgebracht«, hauchte Magnus, woraufhin Alec nach den Händen des Warlocks griff und sie fest umschlossen hielt. »Ich bin am leben, o.k.? Das alles war nicht echt, er – «
»Agramon ist der Dämon der Angst, er hat dich das sehen lassen, was du am meisten fürchtest«, unterbrach Clary und Magnus nickte abwesend, »Ich weiß, ich hab ihn erkannt«, er dachte an Raphaels weiße Augen.
»Alle waren tot – «, begann Magnus erneut zu erzählen, doch schon wieder fiel ihm Alec ins Wort, »Keiner ist verletzt«, sagte er, »Er ist so schnell verschwunden, wie er gekommen war. Als du im Konferenzsaal einfach zusammengeklappt bist, hast du uns alle schon etwas verwundert«, ein schmales Lächeln zierte seine wunderschönen Lippen, das Magnus erwiderte. Ja, das musste merkwürdig gewesen sein.
Er kümmerte sich nicht, dass Catarina und Clary zusahen; er nahm Alecs Gesicht in seine Hände und drückte seine Lippen an die Wange des Shadowhunters und schloss seine Augen. Er war hier, er lebte, all der Schmerz konnte von ihm weichen. Der Schmerz, den er niemals hätte ertragen können.
»Papa!«, ruckartig löste er sich von Alec, als er Rafaels Stimme hörte, die durch die Gänge halte. Sein Herz setzte für einen Moment aus und er erblickte den kleinen Shadowhunter, der fröhlich auf ihn zulief, unverwundet und vollkommen munter. Simon lief hinter ihm, lag jedoch weit zurück im Gegensatz zu seinem Sohn, der ihn schon bald erreicht hatte und seine kleinen Arme um seinen Hals schlang.
»Mein kleiner Prinz«, er hielt in so fest, wie er nur konnte, und strich durch seine dunklen Locken. Er versuchte jegliche Gedanken an sein lebloses Gesicht beiseite zu schieben und drückte ihn leicht von sich, um sein Lächeln zu sehen, dass er seinem Vater zuwarf. Er verteilte Küsse auf Rafaels Gesicht, der daraufhin laut quiekte und sich auf Magnus' Schoß niederließ. Er hätte seinen Tod niemals verkraften können, doch irgendwann musste er. Bis dahin würde hoffentlich noch eine lange Zeit vergehen, doch auch dann würde es nicht leichter werden.
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(27.05.2018)
Ich habe „The Bane Chronicles" nie auf Deutsch gelesen und hoffe, dass ich die Zitate richtig übersetzt habe :-)
„Das Monster mit dem Gesicht eines Caravaggio Engels" bzw „a monster with the face of a Caravaggio angel" hatte Magnus damals im Kapitel Saving Raphael Santiago gesagt, als er Raphael zum ersten mal gesehen hatte.
„Du erduldest, was unerträglich ist, und du erträgst es" bzw „You endure what is unbearable, and you bear it" hatte Magnus zu Will gesagt, ich weiß nur nicht mehr in welchem Buch :-)
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