16 || die Magier-Geschwister
KARIN
„Wie jetzt? Toivo ist dein Bruder?" Jester fuhr sich verzweifelt durch die Haare und lehnte sich gegen den Baum. „Dein leiblicher Bruder? Und wieso hat er dich nicht erkannt? Wieso sagst du das überhaupt jetzt erst?"
„Weil ich bisher nicht wusste, dass er für den König arbeitet! Wir haben uns schon sehr früh auseinandergelebt. Eigentlich, nachdem unsere Eltern starben. Sie wurden umgebracht, von den Feinden unseres Hauses. Und danach ist alles auseinandergebrochen! Er hat mich einfach so verlassen." Karin seufzte leise. „Aber ich hätte es mir denken sollen, dass er für den König arbeitet, das wollte er schließlich schon immer. Deswegen haben wir uns damals gestritten. Er wollte unbedingt bei Sylas Sicherheit suchen und ich, ich wollte das nicht, weil ich ihm nie vertraut habe."
„Aber nur deswegen muss man doch nicht einfach gehen. Ihr hättet doch einfach darüber reden können oder wenigstens ohne Streit trennen können", meinte Jester.
Karin wurde rot. „Ich habe ihn gefragt, ob es möglich wäre, dass der König selbst die Mörder beauftragt haben könnte, weil es nie zu einer Fahndung kam. Ob er uns vielleicht als Mitglieder in seiner Armee haben wollte und sie deswegen umgebracht hat. Meine Eltern haben sich strikt geweigert, dass wir zu Soldaten werden und nie das Gold angenommen haben, was geboten wurde, egal wie viel es war", erklärte die Magierin, „Tja, daraufhin ist er ziemlich wütend geworden, doch ich hätte mir niemals vorstellen können, dass er einfach so geht. Ohne ein Wort zu sagen."
Karin seufzte leise. Es waren viele Dinge in der Nacht schiefgegangen. „Toivo hat im Streit nicht nur mich beleidigt, sondern auch unsere Eltern und meinte, dass sie dumm gewesen waren, weil sie uns nicht weggegeben hatten. Er hatte schon immer den Traum gehabt, der Armee beizutreten und für den König zu kämpfen."
„Als er den Soldaten beigetreten ist, war er der Stärkste von allen. Hattet ihr einen Trainer?", wollte Tainja wissen und wirkte tatsächlich interessiert.
„Unsere Eltern hatten ein sehr verdrehtes Bild von Familie. Bei ihnen war das Wort gleichzusetzen mit einem Machtkampf. Toivo, als Kampfmagier, hatte mich in jedem Kampf besiegt und wurde somit auch bevorzugt. Aber solange er meine Eltern nicht besiegen konnte, stand er noch immer unter ihnen." Karin legte den Kopf in den Nacken, dann lachte sie verzweifelt. „Eine Woche vor ihrem Tod, besiegte er meinen Vater. Für Toivo war das die absolute Macht, die er erreichen konnte. Schon da wurde die Distanz zwischen uns immer größer. Als wir klein waren, hat er zumindest noch versucht mich vor unseren Eltern zu verteidigen, aber je älter er wurde und je mächtiger, desto weniger interessierte er sich für seine kleine, nichts könnende, schwache Schwester."
Jester legte einen Arm um sie. „Aber wir haben dieses Mal gewonnen. Du hast gewonnen", meinte er und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln.
„Aber nur, weil er zu lange gezögert hat. Weil er dich nicht umbringen wollte. Warum wollte er dich nicht umbringen?" Karin hob fragend ihre Augenbrauen, doch Jester zuckte nur mit den Schultern.
„Er und Jester haben sich während Jesters Gefängnisaufenthalt angefreundet", spottete Tainja, doch auch da seufzte Jester nur. „Er hat wirklich geglaubt, dass du dableibst. Er war ziemlich wütend, als du abgehauen bist." Tainjas Gesicht zierte ein hämisches Lächeln.
Karin blickte zwischen den beiden hin und her. Sie hatten so viel miteinander erlebt, dass sie sich bei ihnen immer fehl am Platz fühlte.
„Ist nicht mein Problem", meinte Jester nur und wandte sich dann ab. „Wir müssen weiter. Wer weiß, wann die mit Verstärkung zurückkommen." Sein Blick huschte über die Lichtung, dann zum Wald. „Ich würde vorschlagen, wir gehen dort durch. Da sind wir Sichtgeschützt, falls Sylas Späher hat."
Karin war einverstanden. Dann fiel ihr glühend heiß etwas ein. „Wo sind eigentlich unsere Pferde?", fragte sie.
Tainja grinste schief. „Die hast du wohl bei deinem letzten Angriff umgebracht", sagte sie, wirkte jedoch kein bisschen traurig. Karin verstand nicht immer was in ihrem Kopf vor sich ging.
„Deswegen ist es noch besser, wenn wir durch den Wald gehen. Ohne die Pferde kommen wir nicht schnell genug voran." Jesters Blick war verdunkelt. „Etwas Böses zieht auf, das spüre ich. Wir sollten so schnell wie möglich weiter. Es behagt mir nicht, wenn wir noch länger hier weilen."
Es dauerte nicht lange, dann waren sie bereit für den Aufbruch. Jester lief an der Spitze der Gruppe, Tainja danach und Karin bildete das Schlusslicht. Der Wald bereitete ihr eine Gänsehaut, lange Schatten legten sich über die Baumwipfel und eine kalte Brise fuhr durch ihre Haare. Es war, als würde ein Wispern vom dem Bäumen kommen, die Äste knarrten. In der Ferne plätscherte ein Fluss. Karin schauderte. Der Wald machte ihr Angst, doch sie wusste nicht warum.
Je tiefer sie hinein gingen, desto kälter wurde es und desto älter wurden die Bäume. Große, knorrige Eichen und Tannen streckten sich dem Himmel entgegen. Sie waren größer als alle Bäume, die Karin je gesehen hatte. Hunger nagte an ihr, sie fror und das stetig lauter werdende Wasser jagte einen Schauer über ihren Rücken. Jeder Schritt ließ die Blätter unter ihren Füßen rascheln, jeder Atemzug hörte sich an wie ein Sturm.
„Können wir nicht langsam rasten?", fragte sie nach vorne, doch ihre Stimme war brüchig und kaum zu hören.
Jester hielt nicht an. „Ich bin ehrlich, ich habe keine Lust darauf länger in dem Wald zu bleiben als nötig", meinte er und blickte um sich. „Ich habe jetzt schon keine Ahnung mehr, wo wir eigentlich sind und ob wir noch in die richtige Richtung gehen." Über seine Augen legten sich Schatten. „Die Bäume sind zu laut und das Wasser zu nah. Ich weiß nicht, welche Tageszeit ist und ich fühle mich, als würde ich seit Tagen laufen."
Jetzt bekam Karin es mit Angst zu tun. Ihre Magie konnte nichts gegen die des Waldes unternehmen. Naturmagie war die älteste und reinste Form der Magie, gefüllt mit Trauer und Hass und doch auch mit ungreifbarer Unendlichkeit und Schönheit. Es gab nichts, was eine solche Magie übersteigen konnte.
„Kannst du nichts machen? Du bist doch ein Arleá, kannst du uns nicht hieraus bringen?", wisperte sie dann. Sie mied die Wälder, wenn sie durch die Lande streifte. Sie strahlten Dunkelheit und Wahnsinn aus und Karin versuchte sich so weit wie möglich, von den Kräften der Natur fernzuhalten.
„Kann ich nicht. Sie sprechen zu mir, ich kann sie hören, aber es ist nichts Gutes. Es ist auch nichts Schlechtes. Sie weinen, sie lachen, aber helfen werden sie uns definitiv nicht, dazu haben sie keine Lust. Wir sind vielleicht nicht die Bösen, aber Gutes sehen sie auch nicht in uns. Wir sind auf uns allein gestellt." Jester wurde mit jedem Wort schneller. „Sie machen mich verrückt, ich muss hier raus."
Tainja war es, die Jester am Ärmel festhielt. „Sie haben dich in ihrer Kontrolle. Grundgütiger, komm zu dir." Sie schüttelte ihn an den Schultern durch.
Jester blinzelte mehrmals. „Du verstehst das nicht. Sie reden nicht mit dir. Sie- sie sind überall, ich spüre sie an jeder Stelle meines Körpers. Es ist so, als wäre ich einer von ihnen." Seine Augen huschten wie wild hin und her. „So lange ist schon niemand Neues zu ihnen gekommen. Sie mögen mich, sie wollen das ich bei ihnen bleibe und mit ihnen rede."
Karin stolperte zurück. Während er sprach, hatten sich goldene Fäden über seine Haut gezogen, wie in der Stadt, als er seine Vision hatte. Sie schlängelten sich um seinen Körper, schnürten sich um seine Arme und Beine, und stiegen bis zu seinem Kopf hinauf. Karin war wie gelähmt, keinen Schritt konnte sie machen, eine unbändige Angst stieg in ihr auf. Viele Dinge hatte es gegeben, die sie, ohne mit der Wimper zu zucken gemacht hatte, doch Arleá waren Wesen, bei denen sie nicht wusste, wie mit ihren umzugehen war.
„Jester!" Tainja schüttelte den Dieb nun noch heftiger. „Komm schon, das ist es doch. Sie machen dich auch zu einem von ihnen. Verdammt, wahrscheinlich besteht der halbe Wald aus Sehern, die nichtsahnend hineingingen und von den Bäumen überredet wurden zu bleiben." Sie gab Jester eine Kopfnuss. „Sie können nur zu euch sprechen und selbst Seher können nur zu ihren gleichen reden. Sie sehen nichts Gutes und auch nichts Schlechtes, weil ihr nur hinterlistige und tückische Wesen seid, denen man nicht vertrauen kann, das hast du doch selbst gesagt."
Die goldenen Fäden erreichten Jesters Augen und Karin verlor schon die Hoffnung. Dann tat Tainja etwas, womit Karin nicht gerechnet hatte. Sie schlug Jester zu Boden, gab ein Katzenähnliches Geräusch von sich und warf ihn sich dann über die Schulter.
„Komm Karin", herrschte sie die Magierin an, „Lass uns so schnell wie möglich von hier verschwinden. Vielleicht hält es sie auf, wenn Jester nicht aktiv mit ihnen kommunizieren kann."
Karin nickte heftig und rannte hinter der Frau her. Trotz des Mannes, den sie auf dem Rücken hatte, war Tainja sehr schnell. Mühelos überwand sie die Wurzeln, Baumstämme und Büsche, die in ihrem Weg waren. Sie blickte nicht zurück, sie achtete nicht darauf, ob Karin mitkam. Keine Anstrengung schien sie zu Plagen, kein Hunger, keine Müdigkeit, nur der Wille, Jester aus dem Wald zu bringen und das auf dem Schnellsten Weg.
Ein Ast streifte Karins Wange und sie zischte. Sie hatte das Gefühl, der Wald kam immer näher und schloss sie in seine Arme ein. Die Magie des Waldes wurde mit jedem Schritt eine größere Qual und Karin wünschte sich, dass sie den Wald niemals betreten hätten. Dazu kam die Sorge, dass der König bestimmt schon weitere Truppen losgeschickt hatte, um die ausfindig zu machen, denn Jesters Kräfte schützten zwar ihn, aber die anderen waren noch immer angreifbar, solange Jester seine Fähigkeiten nicht kontrollieren konnte. Karin konnte nur hoffen, dass sie in den Bergen oder vielleicht noch davor jemanden fanden, der Jester dabei helfen konnte. Doch darüber konnte sie sich später noch den Kopf zerbrechen, jetzt ging es darum aus dem Wald herauszukommen.
Der Mond schien hell über den Baumwipfeln und endlich hielt Tainja an. Sie wirkte mittlerweile ein wenig erschöpft, doch im Gegensatz zu Karin sah sie aus wie eine Königin. Karin schnaufte und keuchte. Sie wanderte viel, doch ihre Pausen konnte sie sich immer nehmen, wenn sie wollte und sie wäre niemals auf die Idee gekommen so viel am Stück zu laufen.
„Es bereitet mir keine Freude das zu sagen, aber wir müssen hier halten und uns ein paar Stunden ausruhen, wenn wir so weiter machen, muss ich bald zwei von euch tragen." Sie warf einen Blick auf Jester. „Aber es macht mir doch Sorge, dass er nicht aufwacht, kannst du es mal mit deiner Magie versuchen? Aber bitte vorsichtig."
Karin nickte stumm. Sie suchte nach einer sanften Elektroader in ihrem Körper und fasste Jester an den Kopf. Sie ließ ihre Magie los und sie konnte kurzzeitig die violetten Blitze in ihm sehen, bevor sie verschwanden. Jester jedoch rührte sich nicht.
Tainja gab ein genervtes Geräusch von sich. Sie ließ in auf den Boden nieder. „Mehr", befahl sie Karin und diese wiederholte ihre Prozedur. Jesters Körper zuckte.
Dann schlug er die Augen auf. „Eure Gesichter habe ich echt nicht vermisst", grummelte er und schloss sie wieder.
Tainja seufzte erleichtert. „Immer noch ein gemeines Miststück, damit kann ich umgehen. Geht es deinem Gehirn gut? Bist du noch ein Mensch und kein Baum?", hakte sie nach.
„Schrei doch nicht so, mein Kopf dröhnt."
„Kein Wunder, ich habe dir ja auch eine reingehauen, weil du gerade dabei warst dich dem Wald hinzugeben", erwiderte Tainja und hielt ihm eine Hand hin.
„Ich hasse dich." Jester rappelte sich allein auf. „Wir sind ja noch hier", bemerkte er dann und drehte sich im Kreis. „Warum sind wir noch hier? Ist das Ding so riesig oder lauft ihr seit Stunden falsch?"
„Naja, wir haben keine Seherfähigkeiten, die uns hier rausholen können", meinte Tainja, „Abgesehen davon habe ich keine Ahnung wie groß der Wald ist."
„Warst du nicht in der Armee? Hattet ihr keine Landkarte, wo man sowas sehen kann?", wollte Jester wissen.
„Ich hatte Besseres zu tun, als Landkarten zu studieren."
Jester verdrehte seine Augen.
Karin räusperte sich, bevor die Situation weiter eskalieren konnte. „Wir sollten lieber entscheiden, wer Wache hält, wenn wir jetzt schlafen wollen", meinte sie.
„Ich hab genug geruht", sagte Jester nur, „Ihr könnt euch schlafen legen."
Tainja warf ihm einen warnenden Blick zu.
„Ich verschwinde euch schon nicht, keine Sorge", murmelte Jester und setzte sich auf den moosigen Boden. „Und ich werde auch nicht von dem Wald in den Bann gerissen." Die Aussage galt Karin.
„Weck uns, wenn irgendwas passiert", meinte Karin nur und setzte sich auch hin. Ihre Beine dankten ihr schreiend und sie unterdrückte einen wohligen Seufzer. Ihre Augen fielen beim Reden schon fast zu und sie war Jester dankbar dafür, dass er ihr die Entscheidung abgenommen hatte. Sie hätte sich zuerst gemeldet, damit Tainja zuerst ruhen konnte, denn sie hatte den Mann die ganze Zeit getragen.
Tainja nickte Jester zu und legte sich dann hin. Ihre menschlichen Züge verschwammen und keinen Herzschlag später lag an ihrer Stelle ein Leopard. Sie rollte sich zusammen und legte ihre Pfoten unter ihren Kopf. Karin warf noch einen Blick auf Jester, der vom Mondlicht beschienen wurde und tat es Tainja gleich. Der Boden war hart, doch das Moos machte es erträglicher. Ihre Gedanken wanderten zu Toivo und in ihrer Magengegend machte sich ein schlechtes Gefühl breit. Sie wollte jetzt nicht über ihren Bruder nachdenken, doch jetzt konnte sie nichts mehr davon abhalten. Sein Gesicht tauchte vor ihr auf, sein hämisches Grinsen, seine geschockten Augen, als er besiegt wurde. Seine Wut, als sie ihn überzeugen wollte, dass der König böse war, wie er davon ging und sie in ihrem Trümmerhaufen zurückließ. Seine Schwester, seine Messer, seine Äxte, seine Schilde und dann sein Zögern, als er Jester nicht töten konnte. Die Trauer, den Hass, die Sehnsucht, wahrscheinlich auf ein besseres Leben, wenn Jester neben ihm kämpfen würde und ihn als seinen Freund bezeichnen würde. Karin wusste, dass diese Stellung auch Sylas van Hana überzeugen würde, Toivo an die höchsten Plätze in der Hierarchie zu packen.
Toivo. Was war nur aus ihm geworden? Karin stockte in dem Gedanken. Was war nur aus ihr geworden? Er hatte seinen Traum erfüllt und sie stand noch an dem gleichen Punkt wie zuvor. Es war schon immer so gewesen und sie wusste, dass sich das nicht ändern würde.
Jester hustete. Nein, das war falsch, erinnerte sie sich. Jetzt hatte sie die Chance etwas zu ändern, Jester hatte die Chance etwas zu ändern und sie würde ihm dabei helfen, bis auch sie ihren Traum erfüllt hatte. Und dann würde Toivo für immer gegen sie verloren haben. Mit dem glücklichen Gedanken versank sie in einen traumlosen Schlaf.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nicht tot ist!", riss Tainjas wütende Stimme sie aus dem Schlaf. „Das wäre ziemlich dumm, denkst du nicht. Als ob die das wichtigste in dem Leben ihres zukünftigen Gottes umbringen!"
„Aber das ist jetzt nicht mehr so! Jetzt ist denen doch klar, dass ich das nicht will!", brüllte Jester zurück und Karin setzte sich langsam auf. „Wahrscheinlich hat einer deinen tollen Kollegen sie schon längst aufgesaugt!"
Tainja ballte die Fäuste. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nicht mal bereit war, aufgesaugt zu werden! Ich denke außerdem eher, dass sie die eher noch als Druckmittel benutzen werden! Dass du sie bekommst, wenn du dich ihnen anschließt!"
„Natürlich. Weil die auch so dumm sind, dass sie glauben, dass das funktioniert!" Jester spuckte auf den Boden.
„Naja, die ist das Wichtigste in deinem Leben, wie gesagt und dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass du das machen würdest", meinte Tainja und verschränkte die Arme.
„Ach und woher wissen die das wohl, hm", knurrte Jester, „Außerdem hat die einen Namen!"
Tainja zuckte mit den Schultern. „Für Sklaven interessiere ich mich nicht."
Jesters Augen verdunkelten sich. „Ihr Name ist Mihee und wenn du sie noch einmal als Sklaven bezeichnest, bring ich dich um." Seine Stimme war gefährlich leise.
„Versuch es doch", gab Tainja zurück, „Ich wette du hättest sie, sobald sie alt genug wäre, auch verschlungen. Diese Dinger sind zu verlockend, als es nicht zu tun. Dreckige Skla-"
Karin sprang auf, im selben Moment, als Jester sich auf Tainja stürzte und sie von den Beinen riss. Die Worte, die es brüllte, konnte Karin nicht verstehen. Unbarmherzig schlug er immer und immer wieder zu, Tainja bewegte sich nicht mal.
„Wehr dich doch, du elende Schlange, du Hure! Wehr dich!", schrie Jester sie an und taumelte mehrere Schritte zurück. Stumme Tränen rollten über seine Wange. „Ich hätte sie niemals benutzt, ich liebe sie, sie ist die einzige Familie, die ich jemals haben werde und ich lasse nicht zu, dass du mir auch noch diesen Teil nimmst!"
„Jester, lass gut sein", unterbrach Karin ihn und wollte seinen Arm nehmen, doch er riss ihn weg.
„Und du, du verstehst das nicht, also hör auf jetzt Moralapostel zu spielen. Du hast doch keine Ahnung, wie das ist. Du... du-" Er wandte sich ab und schlug mit voller Wucht gegen einen der Bäume.
„Ich habe auch keine Familie mehr, Jester, ich glaube ich verstehe dich ziemlich gut." Karin machte einen Schritt auf ihn zu und er wich nicht zurück. „Und ich würde alles dafür geben, dass sie wieder leben oder mich dafür zu rächen, aber es gibt nichts, was Verlorenes wieder zurückbringt, also müssen wir uns darauf konzentrieren, dass zu lieben, was wir haben und das Beste daraus zu machen."
Jester schüttelte seinen Kopf. „Es gibt niemanden mehr, den ich liebe, also was soll ich schon tun?"
„Unser Land retten? Dich selbst retten? Uns alle retten?" Karin hatte das Bedürfnis Jester zu umarmen, doch sie tat es nicht. „Dann gibst du wenigstens noch anderen die Chance glücklich zu werden."
Jester antwortete darauf nicht, sondern beließ es bei einem einfachen Nicken. Tainja hatte sich mittlerweile wieder aufgerappelt und lehnte sich gegen einen Baum. Jester warf ihr einen vernichtenden Blick zu. Kein Wort der Entschuldigung, auf keiner der beiden Seiten.
„Wenn wir noch ein paar Stunden weiter nach Osten laufen, dann sollten wir diesen Wald bald verlassen können. Ich hab das Gefühl, dass die Bäume in die Richtung lichter werden", meinte Jester dann und kramte seine Sachen zusammen.
Tainja hob ihre Augenbraue und stieß einen Seufzer aus. „Wird er nicht. Aber du bist nun mal sehender als wir, also, du voran."
Karin hatte das Zeitgefühl verloren. Sie war sich sicher, dass Jesters vorhergesagten Stunden schon seit Tagen vorbei waren. Der Regen, der mittlerweile eingesetzt hatte, machte ihre Situation nicht besser. Sie fror und war durchnässt, sehnte sich nach einer warmen Mahlzeit und es war sogar noch schlimmer, als allein zu reisen. Jester und Tainja sprachen nicht miteinander, zwischen ihnen herrschte eine kühle Stimmung.
Karin lief immer einige Meter hinter ihnen. Jester sah sich nicht um, warf keinen Blick woanders hin, als nach vorne. Seine Haare tropften ihm ins Gesicht. Die Magierin konnte seine Augen nicht sehen, doch sie war sich sicher, dass die goldenen Fäden von den Bäumen, sich noch immer an ihnen zu vergreifen versuchten.
Sie wusste nicht viel über Jester, aber sie wollte so viel mehr über ihn in Erfahrung bringen. Sie wollte wissen, wer er war und was ihn ausmachte. Sie wollte seine Vergangenheit kennenlernen und seine Fehler, sie wollte wissen, was er mochte oder auch nicht, sie wollte es irgendwie schaffen, durch all dies, ihm das Gefühl zu geben, dass er ihr vertrauen konnte. Denn das konnte er. Er war der Mann, der ihren Traum in Erfüllung gehen lassen konnte und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als ihn dabei zu unterstützen. Die Hoffnung auf Veränderung war schon beinahe in ihr gestorben, bis Tainja bei ihr aufgetaucht war.
Und vielleicht konnte sie, nach all dem auch zurück und Enzo eine realistische Chance geben. Eine, die ihr mehr als nur gefallen würde.
„Hey, seht mal!", riss Jester sie dann aus ihren Gedanken. „Ich hab doch gesagt, wir kommen in diese Richtung raus!" Er deutete auf kaum sichtbare, dunkle Silhouetten in der Ferne. „Das muss Aeolus sein!" Dann schnappte er entsetzt nach Luft.
Karin warf einen Blick über seine Schulter und erstarrte.
Die Stadt vor ihnen lag in Flammen.
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