Kapitel 1
Wir schreiben den 3. März 2018.
An diesem Samstag Morgen öffnete ein Gymnasium in der Nähe von Stuttgart seine Türen, um Schüler, aber vor allem ihre Eltern von dieser Schule zu überzeugen.
Auch der Schulsanitätsdienst hatte, so wie eigentlich jedes Jahr, wieder einen Raum gestaltet und verteilte frisch gebackene Waffeln an die Besuchergruppen, Spenden sind natürlich erwünscht.
Ein junger Mann stand in der Ecke des Raumes hinter zwei Tischen, die sowohl als Arbeitsplatte, sowie auch als Tresen herhalten mussten.
Er hatte kurz geschnittenes Haar und trug ein schwarzes T-Shirt mit dunkelroten Rosen, weißen Schnörkeln und dem Aufdruck „Bounce".
Noch vor wenigen Stunden feierte und sang er auf einem Konzert von eben dieser Band: Bounce Bon Jovi Tribute.
Und jetzt war er hier, totmüde und total genervt von den Menschenmassen.
Was macht er hier dann eigentlich?
Nun, er war mit Sicherheit nicht hier um das Image der Schule zu verbessern, schon gar nicht seitdem der neue Schulleiter Einzug hält.
Doch warum dann?
Er hatte sich nur zum Waffel backen gemeldet und musste somit keine Präsentationen halten, das ist wohl ein Grund.
Außerdem war es Jahr für Jahr schon beinahe eine Tradition, aber seinem genervten Blick zu folgen, wohl keine sonderlich gute.
Und genau deshalb trug er dieses auffällige T-Shirt, um sich von allen anderen Personen in diesem Raum abzugrenzen. Ansonsten ist er nicht auffällig gekleidet, dunkle Jeans, blau-graue Turnschuhe und eine Tribal Kette zierte seinen Hals.
Seine Kollegen, alle im Einheitsweiß, erzählten den Eltern was für eine tolle Arbeit die Sanitäter doch leisten, stellten ihnen unangenehme Fragen zu stabilen Seitenlage, da die Erwachsenen trotz Führerschein keine Ahnung hatten und zeigten diesen daraufhin erneut die wichtigsten Grundlagen.
Marco, so heißt der 16 jährige Junge hinter der Theke, hielt sich aus dem ganzen Trubel bewusst raus, trotzdem störte dieser ihn natürlich.
In solchen Momenten hilft eigentlich immer Musik um die stressige Umgebung irgendwie auszublenden. Er hatte ja auch noch die ein oder andere Stunde vor sich, doch jetzt einfach die Kopfhörer aus der Tasche holen... Nein das konnte er natürlich nicht machen, nicht vor den Besuchern und schon gar nicht vor seinem Lehrer, denn dieser gehörte zu den wenigen Personen im Raum die Marco respektierte, folglich war er wohl ein weiterer Grund für seine Anwesenheit.
So summte Marco ein Lied vom gestrigen Abend leise vor sich her
"you give love a bad name".
Doch lassen wir ihn mal alleine und richten den Blick wieder auf das eigentliche Geschehen.
Alle Besuchergruppen werden von älteren Schülern herumgeführt und in jedem Raum, so auch unserem, wird halt gemacht.
Die meisten Erwachsenen hörten sich anstandshalber den eingeübten Vortrag der Sanitäter an, doch es dauerte nicht lange, da verzauberte der köstliche Duft der Waffeln auch die restliche Gruppe und zog sie magisch zur improvisierten Theke, die stabile Seitenlage war schon wieder vergessen.
Zur Mittagszeit erreichte der Ansturm dann seinen Höhepunkt, ununterbrochen strömten die Besucher in das Zimmer.
Die drei Waffeleisen liefen bereits auf hochtouren und auch der Spenden Topf klingelte ordentlich.
Unterdessen gab Marco sein bestes den viel zu dünnen Waffel Teig in das Eisen zu schöpfen.
Noch immer summte er sein Lied vor sich her
"Hmmnhmm...
No one can save me
The damage is done"
In diesem Moment wurde ihm ganz anders, ein junges russisches Mädchen, etwa gleich alt wie Marco, betrat mit ihrer Gruppe im Schlepptau den Raum, sie blieb allerdings in der Tür stehen und schaute betreten auf den Boden.
Das Mädchen wirkte schüchtern, sie hatte dunkelrote Haare und trug eine Jeans, ein paar helle Chucks und, wie alle Gruppenführer ein weißes T-Shirt mit dem rotem Kopf eines berühmten Dichters auf der Brust.
Sein Blick fiel auf ihr Namensschild, er konnte es auf die Entfernung zwar nicht lesen, doch er wusste natürlich genau was auf diesem stand, denn er kannte Saskia bereits seit einigen Jahren.
Sie trug ihre langen Haare wie gewohnt offen, wobei, so dachte Marco, ihr ein Pferdeschwanz besser stehen würde.
Ihr reizvolles Haar schmiegte sich elegant ans Oberteil, während ihre blutrot lackierten Nägel und der verführerische Lippenstift um die Wette strahlten.
Ihre wunderschönen Augen verbargen sich hinter einer schwarzen Brille mit dicken Gläsern,
wie schon damals verlor er sich wieder in diesen tiefbraunen Augen. Unvermittelt hob Saskia ihren Kopf und die Blicke der beiden trafen sich kurz. Ihre Augen blitzen wie Murmeln in der Sonne auf und für einen Moment dachte Marco so etwas wie Freude in ihnen erkennen zu können, sie lächelte sogar kurz.
Es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl, Saskia endlich wieder lächeln zu sehen, doch noch im selben Moment senkten sich ihre Mundwinkel und das Funkeln der Murmeln erlosch. Trauer und Enttäuschung spiegelten sich in ihren nun leeren Augen wieder.
Urplötzlich musste er wieder an das Lied denken:
"Shot through the heart
And you're to blame
You give love a bad name"
In diesem Moment hätte nichts seine Gefühle besser beschreiben können.
Immer wieder schaute Saskia zu ihm, nur um ihren Blick danach, scheinbar unbemerkt, wieder zu senken.
Auch Marco versuchte sich nichts anmerken zu lassen und ging seiner Tätigkeit in Gedanken versunken weiter nach.
Diese Unaufmerksamkeit wurde natürlich direkt bestraft, eine große Ladung Teig landete platschend neben dem Eisen.
Als wäre ihre Anwesenheit nicht schlimm genug, nein jetzt musste er auch noch seine schützende Ecke verlassen um Papier vom einzigen Waschbecken zu holen.
Unsicher verließ er also seinen Posten und schlich mit gesenktem Blick an den Besuchern vorbei, geradewegs zu zum Waschbecken an der Tür.
Saskia, die dort immer noch wie angewurzelt stand, vermied jeden weiteren Blickkontakt.
Marco fasste sich ein Herz und wollte das Schweigen brechen, doch mehr als ein undeutliches „Hallo", einfach um etwas gesagt zu haben, brachte er dabei nicht über die Lippen. Sie hatte nicht einmal die Chance diese Begrüßung wahrzunehmen.
Seit sie diesen Raum betreten hatte verging die Zeit für Marco quälend langsam, erst nach gefühlt endlosen 5 Minuten, verließ sie wieder das Zimmer. Beiden war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben.
Marco dachte die restliche Zeit an nichts anderes mehr als diese unangenehme Begegnung, trotzdem, oder vielleicht auch gerade deswegen, vergingen die nächsten wenigen Stunden wie im Flug. Der Waffel Teig ging aus und nur noch einzelne Besucher ließen sich blicken, die Aufräumarbeiten hatten auch schon begonnen.
Wenige Minuten später verabschiedete sich Marco und begab sich mit dem Fahrrad auf den Heimweg.
Nach einem ausgiebigem Mittagessen, zog er sich in sein Zimmer zurück und machte es sich im warmen Bett gemütlich. Er dachte zurück an die wunderschöne Zeit, welche er mit Saskia verbracht hatte... und das unerfreuliche Ende, so hätte es nicht enden müssen.
Seine Augenlider wurden schwerer, nein so hätte es wirklich nicht enden müssen.
-Fortsetzung folgt-
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