herrliche Wut

»Du bist schon wieder zu spät«, fauchte ich, als Jasmin an meine Tür klopfte. »Ich habe auch noch mein eigenes Leben Solves. Ich musste mich mal zwei Minuten entspannen«, antwortete das hübsche Mädchen und verschränkte die Arme. »Ernsthaft Jasmin, du gehst mir ziemlich auf die Nerven«, fauchte ich. Sie hatte nicht das Recht mich anzumotzen. Sie war meine Assistentin, nicht ich ihr Assistent. »Außerdem habe ich das für dich«, schnauzte sie mich an, dann wandte sie sich ab und stolzierte wieder aus meinem Zimmer. Wütend starrte ich auf den braunen Umschlag in meiner Hand. Ich sah, wie meine Adern hervortraten, irgendwie musste ich meine Wut abbauen. Ich suchte nach Jasmins pochendem Herz, sie stand immer noch vor der Tür. Kaum hatte ich ihr Herz erfasst strömte auch schon die Macht aus mir in ihrem Körper. Irgendetwas knallte gegen meine Tür. Ich lachte kalt, dann brach ich den Machtstrom ab, ich brauchte Jasmin – noch.

Im Umschlag stand eine Uhrzeit 15.27. Ich vermutete sofort, dass es von Doktor Pillms kommen musste. »Zeig dir Uhrzeit.«, befahl ich dem technischen Assistenten in meinem Zimmer. »Es ist viertel nach zwei Mr. Black«, antwortete dieser sofort. Ich schmiss die Nachricht von der Direktorin in den Müll und beschloss Tim zu besuchen. Vielleicht geht es ihm besser..., dachte ich im Stillen, ich könnte ihn sicher heilen, wenn ich die Gabe des Heilens besitzen würde. Aber das wollte ich nicht. Heilung war nicht nötig um die Gegner zu töten, um gegen die Feinde zu kämpfen, man konnte höchstens die anderen retten. Aber was sollte das schon bringen?

Die Flure durch welche ich eilte waren von Schülern besetzt, es war gerade eine Pause und somit wurde ich von hunderten Blicken durchbohrt. Ich schob mich an allem vorbei ohne ihre Bitten auch nur anzuhören, meine Nerven waren gespannt. Doktor Pillms Nachricht, Jasmins Ignoranz, Tims Gesundheitlicher Zustand. »Solves!«, rief ein Mädchen ganz besonders laut. Fast als wäre ich ein Star. Normalerweise genoss ich die Aufmerksamkeit, ich hatte sie schließlich verdient, aber heute nervten mich die Bewunderer seit langem wieder. Ich kam im Krankenflur an und sofort war ich alleine. Niemand war hier. Niemand besuchte irgendjemand. Wieso auch? Auf der Krankenstation waren in diesem Moment meines Wissens nach genau drei Leute: Tim, eine Erstklässlerin und einer unserer Lehrer vom dem mich der Name nie interessiert hatte.

Ich trat in Tims viel zu steriles Zimmer und starte auf sein zusammengesunkenes Gesicht. Mir waren alle Menschen genommen worden welche ich gemocht hatte, welche mir etwas bedeutet hatten. »Tim«, begrüßte ich ihn wie gewohnt, es schien mir nicht richtig ihn nicht von meiner Anwesenheit in Kenntnis zu setzten; auch wenn er es so oder so nicht mitbekam. Ich setzte mich an sein Bett und beobachtete sein weißes Gesicht. Vor dem Unfall hatte er eine hellbraune Haut gehabt, doch das viele liegen unter dem Licht hatte ihm alles Farbe entrissen. Ich schloss die Augen und hoffte, dass er irgendwie meine Anwesenheit mitbekam. In Gedanken ging ich immer und immer wieder durch, was ich Doktor Pillms erzählen wollte. Warum ich das Buch zerrissen hatte, warum ich endlich klare Aufträge wollte und warum etwas aus dem Buch gestrichen war.

»So- Solv-«, krächzte plötzlich eine raue Stimme. Wie vom Teufel besessen sprang ich auf kampfbereit sah ich mich im Raum um, doch es war niemand da. Nur Tim und ich. Ich wandte meinen Blick auf seine aufgeplatzten Lippen. »Luna«, krächze die Stimme wieder und ich konnte genau erkennen, dass sich Tims Lippen bewegt hatten. Mein Herzschlag verdoppelte sich. Er hatte gesprochen. »Tim. Was meinst du damit?«, fragte ich eindringlich. Ich wollte mir die Chance nicht entgehen lassen mit ihm zu sprechen. »Mädchen- Schmerz«, keuchte Tim und etwas Rotes lief ihm aus dem Mund. Sofort erkannte ich Blut. Mein bester Freund hustete und mehr dunkelrotes Blut verließ seinen Mund. Ich starrte ihn bestürzt an, dann verließ auch schon meine Macht den Körper, ich suchte nach der Wunde, welche das Blut aus seinem Körper hervorkommen ließ. Sie war nicht schwer zu finden. Sein komplettes Innere schien zu bluten. »L-Lu-na«, hustete Tim und Blut bedeckte die weiße Decke. Voller Angst um sein Leben drückte ich Geistesabwesend den Knopf neben seinem Bett, sofort kam jemand hineingestürzt. Eine Krankenschwester. Sie starrte mich fassungslos an. »Was hast du getan?«, schrie sie und beugte sich über Tim. Für eine Sekunde öffnete sich ein Lid und ein braunes Auge starrte mich bittend an, dann merkte ich wie sein sonst immer schwacher Herzschlag komplett aufhörte. »Er ist tot.«, flüsterte die Krankenschwester. »Rette ihn verdammt«, brüllte ich fassungslos und Wut ballte sich in meinem Magen. »Ich denke nicht, dass ich das kann. Es ist, als hätte sich alles in ihm aufgelöst. »Rette ihn oder ich töte dich«, schrie ich und meine Sicht wurde verschwommen. Ich durfte Tim nicht auch noch endgültig verlieren. »Solves bitte, ich kann nichts mehr für ihn tun. Er ist nur noch eine Hülle. Die Frage ist eher, was du gemacht hast!« Ich kniff die Augen zusammen. Sie bezichtigte mich des Mordes an meinem besten Freund? »Wie kannst du es wagen Miststück«, schrie ich und meine Hände zitterten unkontrollierbar. »Solves, hier ist eindeutig etwas mit Blut geschehen und das ist nun mal dein Fachgebiet.«, flüsterte sie und eine Träne rann ihre dunkel Wange hinunter. Ich musterte sie abschätzig, so ein Wesen wie sie hatte es nicht verdient zu leben. Ich riss meine Hand hoch und sofort spritze mir etwas Warmes ins Gesicht. Ich roch den metallischen Geruch von Blut und sah die roten Wände. Dann sah ich Tims weißes, unschuldiges Gesicht welches nun ebenfalls rot war. Die Wut in meinem Bauch wurde stärker, ich musste mich rächen. Für Tims Tod! Es musste das Mädchen sterben welche für seinen Tod verantwortlich war und noch so viele Leute mehr. Ich warf keinen Blick mehr auf die Krankschwester, ich wusste wie sie aussah. Ich hatte genau das schon oft gemacht. Mit viel zu großen Schritten durchquerte ich die Gänge. Alle starrten mich an, ich war voller Blut. Ich fuhr mit einer Hand durch die Haare und schmierte sie am nächstbesten Menschen ab. Ich war kurz vor meinem Trainingsraum, als Jasmin sich in meinen Weg stellte. Ihre Augen waren geweitete vor Schreck und zum ersten Mal sah ich sie zittern. Ich stieß sie grob beiseite und drängte mich in den Trainingsraum. Es war eine Sekunde dunkel ehe das Licht anging. »Opfer«, brüllte ich. Ein etwas älterer Junge wurde in den Raum gestoßen. Ohne nachzudenken griff ich nach seinem Blut und ließ mit einem Blinzeln all seine Adern platzen, die Haut - einfach alles. Er gab keinen Mucks von sich. Das rote Blut rann über den Boden ich stellte mir vor, dass es von Tims Mörderin kam. »Opfer«, brüllte ich wieder und eine weitere Person wurde in den Raum geschoben. Ohne sie auch nur anzugucken ließ ich sie mit einem Fingerschnippen töten. Blut spritzte mir wieder ins Gesicht doch ich beachtete es gar nicht. Es war mir egal. Die Wut in meinem Bauch nahm nicht ab, genauso wenig wie der Druck in meinen Schläfen. »Solves Stopp!«, schrie plötzlich Jasmin und kam in den Trainingsraum gelaufen. Ich wirbelte herum und konnte mich gerade noch beherrschen sie nicht auch zu töten. »Warum sollte ich?«, schrie ich blind vor Hass und Wut und wirbelte wieder zu der nächsten Person, doch es kam keine. »Opfer«, brüllte ich und wischte mir ein Blutrinnsal aus den Augen. »Es wird kein Opfer mehr kommen«, erklärte Jasmin und nickte mir zu. Meine Hände begannen zu zittern, wie konnte das sein? »Ich habe den Strom angestellt. Du kannst nicht blind alle Menschen töten Solves, dass ist nicht richtig.« »Du hast keine Ahnung was richtig oder falsch ist. Du kannst gar nichts. Ich würde dich hier auf der Stelle hinrichten Jasmin, glaub nicht, dass du mir irgendetwas bedeutest«, schrie ich sie an und ging auf sie zu. Ich war einen Kopf größer als sie und in ihrem weißen Kleid sah sie umso kleiner aus. »Das erwarte ich auch nicht«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Mir macht es nichts aus, bilde dir bloß nichts darauf ein«, fauchte sie, dann trat sie vor und schlug mir mit voller Wucht ins Gesicht. Ehe ich begreifen konnte was passiert war, war sie aus dem Raum stolziert und hatte die Tür hinter sich zugeknallt. Es machte ihr etwas aus ob sie mochte. Sie war gerade zu verzweifelt gewesen. Ich lachte kalt. Langsam kühlte sich die frische Wut ab und wurde zu einem Brodeln in meinem Bauch. Ich starrte zu dem Beobachtungsfenster an dem mehr Leute denn je klebten. Ich wollte sie so gerne alle hinrichten, ihnen das Blut aus den Adern pumpen, sie bezahlen lassen. Tim war tot. Ohne einen Blick auf die Leichen zu werfen verließ ich den Trainingsraum und ignorierte die Beobachter vor der Tür. »Warum?«, flüsterte ein kleineres Mädchen. Ehe ich mich komplett im griff hatte wirbelte ich herum und blickte sie an. »Du bist die Nächste«, zischte ich und lachte. Dann verließ ich den Gang und machte mich auf den Weg zu meinem Zimmer.

Ich trat aus der warmen Dusche. Auch wenn sie meine Klomotten von selber gereinigt hatte, hatte ich dringend etwas Wasser welches meine Gedanken wieder etwas klarer erscheinen ließ und mich freier atmen lassen konnte benötigt. Ich griff nach einer schwarzen Hose und einem passenden T-Shirt, schwarz war die beste Farbe. »Solves«, fragte jemand und klopfte an meine Zimmertür. Ich ging mit drei großen Schritten zur Tür während ich mir mein T-Shirt über den Kopf zog. Jasmin stand vor der Tür. Ihre Augen waren gerötet, als hätte sie geweint. »Es- es tut mir Leid«, stammelte sie und trat hinein. Ich betrachtete sie mürrisch, dass hätte sie sich etwas früher denken müssen. »Jasmin«, begann ich und die Wut in meinem Bauch wurde wieder größer. »Ich möchte, dass du jetzt dieses Zimmer verlässt und so lange nicht in meine Nähe kommst, bis ich dich rufen lasse. Ich schwöre, dass ich dich töte wie ich alle töten werden wenn du in meine Nähe kommst.« Jasmins Mund öffnete und schloss sich. Die Trauer verschwand aus ihrer Augen, als hätte sich ihre Persönlichkeit geändert. »Schön«, knurrte sie, dann drehte sie sich um und schlug die Tür hinter sich zu. Ich wartete bis ihre Schritte verklungen waren, dann strich ich mir durch die schwarzen Haare und setzte mich an meinen Schreibtisch. Meinen Gedanken rasten. Ich konnte nicht zu Doktor Pillms, sie hatte sicher schon von meinem Anfall gehört und würde mich darauf ansprechen. Meine Schläfen pochten, so wie immer wenn ich zu viele Gedanken in meinem Kopf hatte. Ich war ein Mensch welcher tat was getan werden musste und nicht erst nachdachte Denn in der Zeit in welcher ich unnötig herumsaß und nachdachte konnte mein Gegner mich töten. Die Wut in meinem Bauch kühlte mit jeder Sekunde mehr ab und ich fühlte mich wieder ein klein bisschen besser. Dann dachte ich wieder an Tim, an seine letzten Worte. Er hatte einen Namen gesagt: Luna. Sofort dachte ich an das Mädchen welche für seinen Tod verantwortlich war, sie hieß Luna, so musste es sein. Ich stand auf und warf den Schreibtischstuhl um. Dieser richtete sich sofort wieder automatisch auf. Ich warf ihn doller zu Boden und doch richtete er sich wieder auf. Wieder stieg Wut in meinem Magen auf und kroch langsam Richtung Gehirn. Wiese konnte dieser blöde Stuhl nicht liegenbleiben. Knurrend warf ich ihn wieder um, doch dieses Mal stellte er sich nicht wieder hin. Zufriedenheit durchfloss mich und ich befahl: »Suche nach Lunas aus Agrunus« Mein Assistent zeigte einen Ladebildschirm, dann wurden mir acht verschiedene Dateien angezeigt. Dazu noch vierunddreißig Sub-Dateien von Lunas, welche Agrunus vorher besucht hatten. Die Lunas welche in diesem Moment auf Agrnuns gingen sahen alle unterschiedlich aus. Eine hatte kurze schwarze Haare, die andere eine besonders hohe Stirn und eine extrem eindrucksvolle Augen. Von den acht passten drei halbwegs in die Beschreibung aus Tims Gehirn. Dunkelblond, hellbraune Haare, durchschnittlich. Eine der Lunas ging in den ersten Jahrgang, eine in den zweiten und eine in den vierten. Ich betrachtete sie alle um herauszufinden welche es am ehesten war. Doch die Bilder waren zu klein und wenn ich die Dateien öffnen würde, würde Doktor Pillms davon Wind bekommen. Falls sie mir Informationen über Clares Mörderin geben konnte wollte ich dies nicht verscherzen. Auch wenn mich Tims Tod verletzt hatte war es nichts im Gegensatz zu Clare. Bilder ihres Körpers in Blut schwimmend erschienen vor meinen Augen. Nicht alles war ihr Blut, vieles war von dem Mädchen welches ich vorher hingerichtet hatte und doch gehörte vieles von dem Blut ihr. Ich erinnerte mich an den Dolch und an die Schmerzen welche sich in meinem innersten ausgebreitet hatten. Ich versuchte die schmerzhaften Erinnerungen zu verdrängen und mich aufs jetzt zu konzentrieren. »Schließe Anzeige und lösche Suchverlauf«, befahl ich kühl, eine Sekunde später wurde die Anzeige schwarz und die mechanische Stimme verkündete: »Wie sie wünschen Sir« Ich ging zu meinem Schreibtisch und riss eine Seite aus einem lächerlichen Schulbuch. Ich zog einen Stift aus dem Behälter und kritzelte die drei Namen der Lunas auf das Papier: Luna Giny, Luna Night Williems, Luna Cluros. Nur eine von den dreien besaß einen Namen der magischen Familien, doch ich wusste, dass dies nichts zu bedeuten hatte. Ich hatte zu meinem bedauern auch keinen Namen der heiligen elf Familien bekommen. Black. Unscheinbar, langweilig, normal. Auch wenn meine beiden Eltern Gesegnete gewesen waren hatte keiner der beiden einen heiligen Namen gehabt.

Ich steckte den Zettel in eine Schublade und schloss ab. Dann drehte ich mich wieder zu meinem Bett, etwas lag auf ihm. Ich ging mit geballten Fäusten auf den braunen Umschlag zu. Ich riss das hässliche Papier ab und fand eine kurze Nachricht vor: Zügle dein Temperament Solves Black. Sonst kann ich dir nicht helfen. Denk darüber nach. S. Pillms

Plötzlich fühlte ich mich unwohl in meiner Haut, als würde mich jemand beobachten. Trotzdem zerriss ich den Zettel demonstrativ in viele Stücke und legte ihn dann auf meinen Schreibtisch. Wenn der Boden ihn nicht aufnahm gelang er nicht in den Müll. Also konnte ich Doktor Pillms testen. Beobachtete sie mich oder hatte sie nur meinen Müll durchsucht? »Solves Black. Sie erhalten einen Anruf von: Mum & Dad«, sagte die Helferstimme. »Nicht annehmen.«, befahl ich trocken. Ich hatte keine Lust auf die Vorwürfe meiner Eltern. Sie wollten nicht, dass ich ihrer Meinung nach unschuldige Menschen tötete. Doch diese Menschen waren schuldiger als alle anderen. Sie waren Geschöpfe welche nur den Tod verdient hatten und durften nicht mehr Menschen genannt werden. »Erneuter versuch anzurufen«, verkündete die Stimme. Genervt setzte ich mich auf mein Bett und war plötzlich froh das Blut von meinem Körper gewaschen zu haben. »Annehmen«, befahl ich, eine Sekunde später tauchte ein scharfes Bild von meinen Eltern auf. Die langen schwarzen Haare meiner Mutter waren lockig über ihre Schultern, ihre lange Nase ragte förmlich aus dem Bildschirm. Dad saß kerzengerade da und schaute nicht auf den Bildschirm sondern direkt in die Kamera in meine Augen. »Mum, Dad«, stieß ich möglichst freundlich hervor. »Ich hätte irgendwie nicht erwartet, dass ihr anruft.« »Wir auch nicht Solves«, zischte mein Vater und zupfte sich imaginäre Fussel vom Hemd. »Aber wir haben eine Nachricht von der Schule bekommen.« Ich kniff die Augen zusammen. Was für eine Nachricht? »Wie bitte?«, fragte ich. »Von einer gewissen Doktor Pillms. Sie hat geschrieben, dass du wieder Menschen getötet hast Solves. Wir werden das nicht dulden. Wenn du nicht damit aufhörst werden wir dich von der Schule abziehen lassen«, fauchte mein Vater mit seiner tiefen Stimme. »Wenn ihr mich von der Schule abzieht töte ich euch«, drohte ich. Und so meinte ich es auch. Wortwörtlich. 

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