Der Segen der Unwissenheit
Mit brennenden Augen wachte ich auf.
Verwundert wischte ich mir über die Augen. Tränen rannen mir übers Gesicht.
Ich setzte mich auf und musste feststellen, dass ich mal wieder in der Krankenstation war. Die weißen Vorhänge schienen näher als das letzte Mal und ich hörte kein Geräusch.
Eine seltsame Schwere lag in meinem Kopf, als hätte mich jemand geschlagen.
Wieder wischte ich mir über die Augen und stellte erleichtert fest, dass sie aufgehört hatten aus einem mir nicht bekannten Grund zu tränen.
Müde schwang ich die Beine aus dem Bett und stieg mit den Füßen in die weichen Schuhe, welche neben meinem Bett standen.
Mit wackeligen Beinen machte ich einen Schritt auf die weiße Abtrennung zu und hielt mich an dem rauen Stoff fest.
Sofort rutschte der Vorhang ein Stück zur Seite und ich konnte in den großen Raum blicken. Die anderen Betten standen leer herum und auch von Mrs. Lav war nichts zu sehen. »Hallo?«, rief ich und kam mir etwas dämlich vor.
Ich durfte die Krankenstation nicht ohne eine ausdrückliche Bestätigung der Krankenschwester verlassen und sie war nicht hier.
Langsam ließ das Pochen in meinem Kopf nach und ich trat vor den großen Spiegel welcher an einer Wand angebracht war. Meine Augen lagen tief in den Höhlen und meine Haare waren zerzaust.
Interessiert betrachtete ich die lilaschimmernden Augenringe und fuhr mit den Fingern über sie.
Dann strich ich mir eine helle Haarsträhne aus dem Gesicht, steckte meine Hände in die Taschen des Krankenstationkittels und wandte den Blick ab.
Gerade als ich einen Schritt in Richtung des Büros machen wollte entdeckte ich etwas Silbernes in meinem Spiegelbild.
Ich kniff die Augen zusammen und suchte nach dem, was meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, konnte es aber nirgendwo finden.
Verwundert schüttelte ich den Kopf und wandte wieder den Blick ab.
»Du bist wach Luna.«, hörte ich die Stimme von Mrs. Lav.
Die etwas pummelige Frau kam auf mich zu, die Tür zur Krankenstation fiel laut hinter ihr ins Schloss.
»Ähm... ja ich habe sie gesucht.«, stammelte ich und warf einen letzten Blick in den Spiegel. »Alles in Ordnung?« Sie trat neben mich und blickte in den Spiegel.
»Ja ja«, murmelte ich und blickte ihr in das runde Gesicht.
»Wenn es dir gut geht denke ich, dass du jetzt wieder gehen kannst«, erklärte sie und lächelte mich an. Ich kniff die Lippen zusammen und nickte. »Ich habe dir Klamotten neben dein Bett gelegt, als ich dich untersucht habe. Ich denke du solltest die nächsten paar Tage einfach mehr trinken, dass sollte dein Kreislauf nicht wieder zusammenbrechen.«, erläuterte sie.
»Mein Kreislauf aber...« Ich verstummte, was auch immer es gewesen war was ich gesehen hatte, wenn ich es ihr erzählte würde es sicher an Doktor Mons Ohren gelangen.
»Danke, ich gehe dann mal« Mrs. Lav nickte mir zu, ehe sie an mir vorbei ins Büro verschwand.
Die helle Tür fiel hinter ihr geräuschlos ins Schloss.
Mit pochendem Herzen ging ich zurück zu meinem Bett und griff nach den Klamotten, ich wusste nicht warum aber diese Frau hatte mir eine heiden Angst eingejagt.
»Geht es dir besser?«, fragte Zara und drückte mich an sich.
»Passt schon« Sie grinste mich an und verkündete: »Du hast viel verpasst in der kurzen Zeit die du mal wieder weg warst«
Entrüstet verschränkte ich die Arme vor der Brust »Mal wieder?«
»Von uns warst du eindeutig schon am häufigsten auf der Krankenstation weil du das Bewusstsein verloren hast.«, rief Moga und warf ein Buch auf ihr Bett.
»Fühlst du dich schon in der Lage mit uns etwas essen zu gehen?«
»Warum denn nicht?«, erwiderte ich und wieder kroch die seltsame Leere durch meinen Kopf.
»Ich komme mit aber, ich muss nur ganz kurz etwas erledigen«
Zara zog die Augenbrauchen hoch und nickte dann Moga zu. »Dann gehen wir schon mal vor, außer du verspürst wieder das Bedürfnis im Flur zusammen zu brechen. Katy und Valerie warten bestimmt auch schon.« Mit diesen Worten verschwanden die beiden Mädchen kichernd aus dem Zimmer.
Die Leere in meinem Kopf drängte sich immer weiter in den Vordergrund, so als hätte ich etwas wichtiges vergessen. Ich ließ mich auf mein Bett fallen und griff nach meinem Notizbuch welches unter meinem Kissen gelegen hatte.
Meine Finger fuhren über der vertraute raue Muster auf dem Umschlag und ich starrte an die Decke.
Das Blut ist noch warm!
Ich schloss die Augen und sah wieder den Fluss um meine Beine, den schwarzhaarigen Jungen und seine roten Augen. Geistesabwesend schlug ich das Notizbuch auf und öffnete die Augen wieder.
Dann notierte ich mir in wenigen Sätzen das Aussehen des Jungen und die Sätze, welche ich nicht vergessen konnte.
Wieder und wieder pochten sie wie glühende Lava durch meine Gedanken. Doch ich konnte keinen Zusammenhang zwischen ihnen finden, egal wie sehr ich mich anstrengte, etwas Zusammenhängendes zu finden schaffte ich es nicht.
Genervt von der Leere in meinem Inneren und der gleichzeitigen riesigen Präsens der Worte schlug ich das Buch zu und stand auf, die anderen mussten schon ewig warten.
Kaum war ich in den Gang vor der Cafeteria getreten kam Rose auf mich zugelaufen.
»Luna, ich muss dir etwas erzählen«, rief sie aufgeregt und packte mich an den Schultern. Verwundert blickte ich in ihr Leicht gerötetes Gesicht und zog fragend die Augenbrauen nach oben.
»Ich bin ganz Ohr«
»Okay«, sagte Rose und versuchte eindeutig ihr Lächeln zu unterdrücken.
»Donald...« weiter kam sie nicht, da Moga neben sie trat, sich lässig an die Wand lehnte und mich genervt anblickte.
»Wie war das mit dem Essen? Oh, warte erzählt dir Rose die tolle Nachricht, dass Donald sie gefragt hat ob sie morgen nach dem Unterricht etwas zusammen machen wollen?«
Rose wirbelte zu dem größeren Mädchen herum und funkelte sie an »Ich wollte es Luna sagen«, knurrte sie und wandte sich wieder mir zu.
Interessiert beobachtete ich wie Moga mit den Augen rollte und sich dann abwandte. »Ist doch toll«, sagte ich abwesend.
»Ich weiß«, jubelte Rose und rüttelte an meinen Schultern.
»Warte... du freust dich nicht oder?«, stammelte sie.
»Doch, doch«, murmelte ich und starrte auf die Wand, an welcher verschlungene Zeichen standen.
Ich machte einen Schritt auf die Wand zu und strich mit den Fingern über die silbernen Zeichen.
»Weißt du Luna, wenn du na ja«, murmelte Rose doch ihre Stimme klang für mich nur so wie ein leises Hintergrundgeräusch. Sachte strich ich über ein Zeichen welches einem Sichelmond ähnelte, es schien unter meinen Finger zu brennen und ich starrte wie gebannt darauf, bis es sich wie von selbst auflöste.
»Ich gehe jetzt.«, hörte ich Rose fauchen und drehte mich verwirrt um, meine Handfläche pochte unangenehm und auch mein Kopf fühlte sich schwerer an.
Verwirrt blickte ich Rose nach die mit deutlicher hängenderen Schultern und wippendem Zopf in Richtung Cafeteriatür eilte.
Ich blinzelte ein paar Mal um mich wieder komplett auf die Wirklichkeit zu konzentrieren. Die Wand neben mir war eindeutig in einem hellen rosé und keine silbernen Zeichen auf ihr.
Ich drehte die schmerzende Handfläche zu mir und starrte auf einen roten Abdruck in meiner Hand.
Wie eine Brandblase. Schnell schloss ich sie und steckte sie in meine Hosentasche ehe ich Rose hinterher eilte.
»Rose... Rose hör mir zu«, bat ich meine Freundin und seufzte. Sie starrte finster ins nichts während sie etwas aß.
»Ich finde es toll, dass Donald deine Gefühle erwidert okay, ich dachte nur ich hätte etwas an der Wand gesehen. Wahrscheinlich geht es mir doch noch nicht so gut. Tut mir Leid, ich hätte dir zuhören sollen.«
»Wirklich?«, erwiderte sie sarkastisch und stocherte in etwas ihrer Mahlzeit herum.
»Ja«
Das rosahaarige Mädchen drehte sich langsam zu mir und nickte dann bedächtig »Entschuldigung angenommen.«
Ich grinste und zischte: »Ich will alles wissen«
»Träum weiter!«, rief sie und fuchtelte mit ihrem Löffel in meine Richtung. Etwas der Pampe landete auf dem Shirt, welches ich von Mrs. Lav bekommen hatte.
»Dafür bekommst du eine Medallie Rose!«, rief Moga, welche sich zusammen mit Zara, Valerie und drei weiteren Mädchen am Nachbartisch niedergelassen hatte. Von Katy keine Spur.
»Wie wäre es wenn wir uns jetzt wieder zu den anderen setzten?«, fragte ich sie. Rose nickte und stand rasch auf, während sie ihren Teller mit einer Hand griff ging ich bereits mit schnellen Schritten auf die anderen zu.
Entschlossen setzte ich mich neben eines der Mädchen welches in meiner neuen Klasse war. Sie hatte hohe Wangenknochen und ein spitzes Kinn. »Was habe ich noch verpasst?«, fragte ich und stütze meine Ellenbogen auf den Tisch.
Zara zuckte die Schultern. »Vielleicht solltest du wissen, dass Doktor Thin uns erklärt hat, dass wir bald lernen werden mit richtigen Waffen zu trainieren und, dass Doktor Mon uns noch über irgendetwas informieren wird«, erklärte Moga und warf Zara wieder einen Blick zu.
Verwundert kniff ich die Augen zusammen, wir sollten mit Waffen kämpfen lernen? »Kämpfen mit Waffen? Glaubst du damit meint er eher neuere Waffen oder doch alte wie Schwerter und so was?«, fragte ich verunsichert während ich darüber nachgrübelte warum Doktor Mon uns ausbilden wollte.
Ich hatte inzwischen begriffen, dass alles was hier passierte nur passierte weil die durchgeknallte Direktorin es für richtig und sinnvoll für ihren Plan hielt. »Das werden wir wohl morgen erfahren«, erwiderte Zara.
»Woher willst du wissen, dass wir davon morgen mehr erfahren?«, fragte Moga und runzelte ihre hohe Stirn. »Du schläfst auch wirklich mehr im Unterricht als du wach bist oder?«, lachte das Mädchen neben mir.
»Wo denn auch sonst?«, protestierte die lilahaarige und schob sich eine Strähne hinters Ohr. »Wir sollten alle mehr im Unterricht schlafen«, stellte Rose fest und zwinkerte Moga zu.
»Vielleicht solltest du lieber nachts schlafen anstatt...«, fing Valerie an, wurde aber durch einen Gong unterbrochen. Wenige Sekunden später hallte Doktor Mons Stimme durch den Raum: »Alle Schüler finden sich in den nächsten fünf Minuten im Saal der Magie ein.«
Nervös hockte ich auf einer der wenigen Bänke im riesigen Saal, welcher früher bei weiten nicht groß genug gewesen war um allen eine Sitzgelegenheit zu bieten. Jetzt waren es gerade mal knapp zwanzig Bänke und nicht einmal die hälfte von ihnen war gefüllt. Der Anblick versetzte mir einen Stich und auch die andere Schüler um mich herum waren mit dem eintreten in den Saal eindeutig ruhiger geworden.
Irgendwie hoffte ich, dass viele weitere Schüler den Saal mit ihrer Anwesenheit füllen würden. Doch nachdem sich eine Gruppe älterer Schüler vor uns gesetzt hatte hörte ich das laute Knallen, welche bedeutete, dass die Türen zugefallen waren.
»Schön, dass ihr alle so schnell gekommen seid. Ich bin keine Anhängerin des Wartens«, begrüßte die junge Direktorin uns während sie nach vorne marschierte.
Doktor Thin folgte ihr wie ein zweiter Schatten und auch Doktor Jacks konnte ich in ihrer Nähe entdeckten.
»Ich habe euch zusammen gerufen, damit ihr von den weiteren Schritten erfahren könnt. Ohne Zweifel haben wir erst vor kurzen viele wunderbare Menschen verloren und ihr Verlust ist eine Schande für die Schulen, für die Magie und für die ganze Menschheit. Aber das Leben geht weiter«
Hinter ihr leuchtete ein Bildschirm auf.
Gelassen sprach Doktor Mon weiter, während nun hinter ihr das Symbol von Agrunus an die Wand geworfen wurde. »Wir denken, dass es Zeit ist die Regeln zu ändern. Nach meinen Informationen hat auch Welus schon vor Jahren angefangen jüngere Schüler und Schülerinnen auszubilden. Wir werden bald einen weiteren Test starten, jeder wird an diesem Test teilnehmen können. Ebenfalls die, welche einmal beim Test versagt haben. Zeiten ändern sich und auch die Magie ändert sich. Es ist nun an der Zeit, dass wir uns ändern.«
Ich schluckte, für mich klang es so als wolle Doktor Mon eine Armee von jungen Kindern züchten.
»Um die Teilnehmer mehr zu unterstützen und ihnen zu helfen die versteckte Magie zu wecken werden wir eine Gruppe von Schülern schicken welche bei den Tests helfen wird. Hierzu sind Doktor Thin, Doktor Jacks und ich alle Schüler durchgegangen und haben aus jeden Bereich der Magie Kinder ausgewählt.«
Doktor Thin trat nun deutlich neben sie und vor und hinter mir fingen die Leute an zu tuscheln. »Ich weiß nicht was ich davon halten soll...«
»Ist es mit neun Jahren nicht etwas zu früh?«
»Ich will unbedingt bei dem Test helfen« und weitere Sätze konnte ich aufschnappen, während ich wie gebannt die Direktorin mit meinen Blicken durchbohrte. Was auch immer dahinter steckte, ich begriff es nicht.
»Alle Schüler welche dabei helfen werden, werden in den nächsten fünf Tagen ein spezielles Training und weitere Anweisungen erhalten.«, übernahm nun Doktor Jacks das Wort.
Ihre Stimme war warm und weich im Gegensatz zu Doktor Mons kalter.
»Da wir uns bewusst sind, dass die ältesten Schüler kurz vor ihrem Abschluss stehen haben wir diese nicht mit einbezogen.«
Irgendjemand seufzte resigniert hinter mir, doch ich wagte nicht mich umzudrehen. »Insgesamt haben wir fünfzehn Leute ausgewählt. Doktor Thin wird die Namen gleicht laut verkünden. Die genannten bleiben bitte einfach sitzen, wir erklären dann alles wichtige.«, endete die Frau und trat einen Schritt zurück um Doktor Thin Platz zu machen, welcher fast zwei Köpfe größer als sie und doppelt so breit wie sie war.
»Bei den Schülern, deren Namen nicht doppelt vorkommt werde ich nur die Vornamen vorlesen, die andere Namen mit Nachnamen«, rief Doktor Thin und ließ seinen Blick schweifen.
»Obsidian, Sophie Jacks, Sara Jacks«, rief Doktor Thin die ersten drei Namen auf. Sofort verspürte ich das Verlangen meine Augen zu verdrehen, natürlich musste Sara darunter sein.
»Jasmin, Kilian, Zara, Benjamin Mon« Rechts von mir hörte ich Zara seufzten, anscheinend war sie nicht sonderlich erfreut ausgewählt worden zu sein.
Weitere Namen wurden aufgerufen und mit ihnen mir unbekannte Schüler. »Luna Night Williems« Erstaunt horchte ich auf und starrte nach vorne.
Ich hatte nicht erwartete, dass Doktor Mon mich freiwillig von hier weglassen würde. Die Worte von Fanny geisterten mir im Kopf herum und zum ersten Mal seit dem Angriff ging mir durch den Kopf, was wohl aus ihr geworden war.
»Alle Schüler die jetzt nicht aufgerufen wurden verlassen nun bitte den Saal, die fünfzehn kommen zu uns nach vorne«, rief Doktor Thin mit donnernder Stimme. Neben mir erhob sich Rose und drängte sich ohne ein Wort zu sagen an mir vorbei. »Du hast es verdient«, hörte ich neben mir jemanden sagen und blickte zu Moga die Zara auf die Schulter klopfte ehe auch sie in Richtung Ausgang eilte.
»Willkommen in der Elite oder was«, schnaubte Zara und stampfte missmutig nach vorne. Verwundert folgte ich ihr nervös und vermiet es Doktor Mon anzusehen, jetzt da ich mich nicht mehr hinter andere Schülern verstecken konnte fühlte ich mich schutzlos.
Die Direktorin lächelte in die Runde und nickte dann ihren beiden Stellvertretern zu, ehe sie verkündete: »Ich zähle auf euch. Ihr werdet eine große Hilfe sein«, verkündete sie ehe sie einen Schritt in Richtung Ausgang machte – in meine Richtung. Immer noch nervös starrte ich nach vorne an wie Wand und wartete darauf, dass sie endlich verschwand. »Und auf dich zähle ich ganz Besonders Luna Night, ich hoffe du wirst mich nicht enttäuschen«, zischte sie als sie an mir vorbei ging. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und wieder pochte meine Handinnenfläche. Dann hörte ich die Seitentür hinter ihr zufallen und es wurde eine Sekunde todesstill im Raum.
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