Besuch
»Das glaube ich nicht«, schimpfte mein Vater mit mir und schien sichtlich genervt. Seit einer Stunde versuchten meine Eltern zu dem Entschluss zu bringen keine „unschuldigen" Menschen mehr zu töten. »Ihr besitzt zwar Gaben, aber gegen mich könnt ihr nichts ausrichten und von der Schule könnt ihr mich so oder so nicht abziehen. Denn ich werde es nicht zulassen.« Mein Vater schüttelte missbilingend den Kopf. »Wir sind alle drei der Meinung, dass du aufhören solltest«, flüsterte meine Mutter. »Drei?«, fragte ich wütend, zwang mich aber meine Wut hinunter zu schlucken. »Deine Schwester ist auch dagegen.«, erklärte sie. Blut fing an in meinen Ohren zu pochen. Neta war immer eine meiner Unterstützerinnen gewesen. Sie war zwei Jahre älter und war seid einem Jahr mit der Schule fertig. »Richtet Neta von mir aus dass sie gegen mich nicht ankommen kann«, schnaubte ich, dann schaltete ich den Anruf weg und starrte auf die weiße Wand. »Sie erhalten einen Anruf.«, sagte die mechanische Stimme nicht einmal zwanzig Sekunden später. »Lass keine Anrufe mehr durch.«, befahl ich während ich die Wut in meinem Inneren bekämpfte. Am liebsten hätte ich aus mir hinausgelassen und wäre wieder für Stunden in Kämpfte versunken doch statt dessen starrte ich an die Wand. Neta kam nicht gegen mich an, aber sie hatte viele Freunde, welche ebenfalls mächtige Gaben hatten. Trotzdem wird sie mich nicht aufhalten können! Dachte ich siegessicher.
Ich stand auf und öffnete das Fenster. Kalte Luft traf mein Gesicht und ich sog sie gierig in meine Lungen ein. »Termin bei Doktor Pillms in drei Minuten«, sagte mein Helfer an. Ich starrte eine Sekunde auf meine Hände. Ich hatte lange, dünne Finger. Man konnte ihnen nicht ansehen, wie viel Blut schon an ihnen geklebt hatte. Ich mochte Blut und es machte mir nichts aus aber ich wusste, dass es vielen anders ging. Ich drehte mich zur Tür auch wenn Doktor Pillms meinen Eltern mitgeteilt hatte was ich getan hatte und auch sonst gegen und für mich gleichzeitig zu arbeiten wollte ich die Chance auf Informationen nicht verstreichen lassen. Ich schloss zum ersten Mal seid ich in dem Zimmer wohnte die Tür mit meinem Fingerabdruck ab und machte mich auf den Weg zum Büro von ihr. Niemand verstand was Doktor Pillms genau wollte, niemand verstand warum sie in Agrunus blieb und nicht hier her kam. Ich hatte schon viele Gerüchte gehört: Das sie irgendetwas in Agrunus versteckt halte, dass Agrunus ihr zuhause war und sie es nicht verlassen wollte oder, dass sie gerne so viel Macht wie möglich hatte waren die drei beliebtesten Theorien. Die meisten Schüler, welchen ich begegnete schienen eingeschüchterter als je zuvor, die meisten guckten auf den Boden oder drückten sich an die Wände. Ich lachte auf. Ich genoss es die Angst meiner Feinde und Verbündeten zu spüren, denn wenn die Verbündeten Angst hatten wagten sie es nicht aus der Reihe zu tanzen.
Nur ein Junge blieb mitten im Gang vor mir stehen. Er schaute mich finster an und schien nicht auf den Gedanken zu kommen beiseite zu treten. Er hob die Hand und Flammen umzüngelten seine Finger. Ich wollte mich kopfschüttelnd an ihm vorbei schieben, als er die Flammen auf meine Hose warf. Ich trat beiseite und ein großer Teil landete auf dem Boden, wo was auch immer es war verglühte. Doch ein paar wenige Funken landeten auf meiner Hose. Ich ignorierte das Stechen an meinem Bein und ging weiter. »Du bist kein Mensch Solves, wie kannst du nur so viele Menschen so grausam hinrichten?«, schrie der Junge. Ich vermutete, dass er im zweiten Jahr war. Er kam nicht einmal an den Ansatz meiner Stärke heran. »Ich würde lieber leise sein, sonst bist du der nächste.«, knurrte ich und drehte mich von ihm weg. »Du bist ekelhaft, man sollte dich wegsperren anstatt dich zu feiern.«, schrie er und packte meinen Arm. Wärme durchfloss die Stelle und Schmerz durchfloss den Teil wo er mich angefasst hatte. Trotzdem verdrehte ich ihm mit einer Handbewegung den Arm und schüttelte ihn ab. Ich hatte keine Lust auf einen Kampf, mein Ziel war Doktor Pillms. »Wenn du gegen mich kämpfen willst such dir Leute die genau so stark sind wie du Kind«, zischte ich. Inzwischen hatte sich ein kleiner Kreis um uns beide gebildet. »Ich bin nur ein Jahr jünger als du Solves. Und mein Name ist nicht Kind. Ich heiße Phillip.«, brüllte er und baute sich wütend vor mir auf. Er war ungefähr so groß wie ich und seine dunkelbraunen Haare hingen ihm in seinem breiten Gesicht. »Du hast es darauf angelegt«, zischte ich und schubste ihn grob von mir weg. Flammen stiegen um ihn herum auf und die meisten Schüler sprangen erschrocken zurück. »Töte ihn«, brüllte jemand aus der Schülermenge welche mit jeder Sekunde größer wurde. Wut staute sich in meinem Inneren auf. Phillip stand wieder auf und funkelte mich wütend an. »Ich bin dafür, dass wir Solves wegsperren. Mit gemeinsamer Kraft schaffen wir das!«, rief mein Gegner und er schien es ernst zu meinen. Ich spürte wie das Blut in seinem Körper rauschte und wusste dass es zu spät für ihn war zu fliehen. »Wie heißt du noch mal?«, fragte ich ihn. Es sollte episch sein, niemand der dies hier sehen würde, würde jemals wieder gegen mich kämpfen wollen. »Phillip. Solves, dein Gehirn ist anscheinend nur auf töten aus. Ich heiße Phillip«, schrie er und spuckte auf den Boden vor mir. Sofort reinigte dieser sich von selbst. »Du heißt also Phillip?«, zischte ich. Ich musste mich nur noch wenige Sekunden im Zaum halten bald würde die Macht wieder fließen. »Falsch«, rief ich so laut ich konnte. Es wurde so leise wie noch um mich herum. »Die heißt nicht Phillip«, brüllte ich und musste grinsen als ich etwas Angst über sein Gesicht huschen sah. »Du hießt Phillip« Dann ließ ich der Macht freien lauf. Ein Lachen drang aus meiner Kehle und Phillip schrie laut auf.
Ich wandte mich gelangweilt ab. Phillip schwamm in seinem eigenen Blut, keiner der Zuschauer bewegte sich. »Versucht niemals gegen mich anzukommen.«, schrie ich und ging weiter Richtung Doktor Pillms Büro. Das Blut welchen nun wieder an meinen Fingern, in meinen Haaren und auch an meiner Kleidung war beachtete ich nicht, es war nur Blut.
Die Tür vom Büro stand einen Spalt breit offen und ich hörte die klare Stimme von einer Person die ich nicht kannte sagen: »Ja, es gab schon wieder einen Todesfall. Er ist außer Kontrolle. Niemand kann ihn stoppen.« »Ich kümmere mich darum«, antwortete Doktor Pillms. Ich machte ein paar Schritte zurück. Dann blieb ich stehen, dass Letzte was ich wollte war beim Lauschen erwischt zu werden. Ich wartete darauf, dass die Person aus dem Büro der Frau trat, welche mir Informationen vorenthielt. Welche über Clare bescheid wusste, über alles.
Plötzlich trat eine junge Frau welche ich am Anfang zwischen meinen Zuschauern gesehen hatte aus dem Büro. Sie war komplett durchschnittlich und war mich fast gar nicht aufgefallen. Sie wandte sich in die andere Richtung und verschwand ohne mich eines Blickes zu würdigen.
Ich trat in Doktor Pillms Büro und setzte mich auf den Stuhl ihr gegenüber ohne ein Wort zu sagen. Sie blickte mich kurz an, dann schaute sie wieder auf den Schreibtisch, auf dem nichts lag. Ich vermutete, dass irgendetwas bei ihr im Büro in Agrunus lag. »Was muss ich tun?«, fragte ich dann. »Was du tun musst Solves? So einfach ist es nicht.«, meinte sie und blickte mich an. »Und warum ist es nicht so einfach? Was soll schon so schwer daran sein ein Artefakt zu finden?«, schnaubte ich und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. »Welches schon mehrere Jahrhunderte verschollen ist...«, fügte sie hinzu. Ich zuckte mit meinen Schultern und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. »Was wollen sie eigentlich mit dem Artefakt?«, frage ich sie aus heiterem Himmel heraus. Ich wollte wissen, was in ihrem Kopf vorging. »Warum ich es will?«, zischte sie und blickte mich eiskalt an. Selbst durch das Hologramm bekam ich ihre erschreckende Aura zu spüren. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und nickte stattdessen mit zusammengepressten Lippen. »Das geht dich gar nichts an«, fauchte sie und ihr Bild wackelte etwas. »Nein? Geht es nicht? Dann werde ich mich auch nicht auf die Suche nach dem Artefakt machen«, schnaubte ich und stand auf. Sie konnte mich nicht einfach benutzen. Ich war besonders und sie nicht. »Glaub mir Solves, ich werde genug Wege finden dich dazu zu bringen. Allerdings ist es nun mal so, dass du nicht viele Menschen finden wirst, die so viele Informationen über Clares Mörderin haben wie ich«, donnerte sie. »Und, wie wollen sie mich dazu bringen?«, schrie ich nun fast. Ich musste ein Lachen unterdrücken, sie wollte mich mit irgendetwas im Schach halten. »Es gibt genug Menschen in deinem Umfeld, die verschwinden können«, meinte sie kalt. »Diese Menschen bedeuten mir alle nichts«, gab ich die Schultern zuckend zurück. Es war mir egal, wenn sie irgendeinen Schüler von Welus entführen wollte. »Wie wäre es mit deiner Schwester? Oder deiner Mutter?«, flüsterte Doktor Pillms ruhig und ich wusste, dass sie mich aus meiner Reserve locken wollte. »Wissen Sie, meine Schwester hat mich hintergangen und meine Eltern stehen nicht hinter mir. Sie können mit denen machen was sie wollen. Es gibt keinen Menschen, dessen Verlust mir noch wehtun könnte« Mit diesen Worten stand ich auf und wandte mich ab. »Wenn sie es sich anders überlegen und es mir doch sagen wollen können wir vielleicht doch zusammenarbeiten«, sagte ich über meine Schulter. Dann verließ ich das Büro.
Eins zu Null für mich.
Als ich in mein Zimmer kam leg bereits eine Nachricht von Doktor Pillms auf meinem Schreibtisch. In Ordnung. Komm in einer Stunde wieder zu meinem Büro, dann besprechen wir alles. Zufrieden warf ich den Zetteln in den Müll und setze mich an meinen Schreibtisch. Ich hatte meinen Willen bekommen. Doktor Pillms hatte schneller nachgegeben, als ich es von ihr erwartet hatte und das war auch gut so. Ich rief die Datei auf, in welche meine Lehrer eintrugen, was sie im Unterricht bearbeitet hatten. Ich erschien nur selten zum Unterricht und schon gar nicht zu unwichtigen Stunden wie Geschichte der Magie oder Fabelwesen. Doktor Crayn, mein Geschichte der Magie Lehrer hatte mir eine Reihe von Seitenzahlen in die Tabelle eingetragen und daneben geschrieben: Auch du musst arbeiten Solves! Wütend schnaubte ich und löschte seine Aufgaben aus der Tabelle. Eigentlich öffnete ich die Datei nur um die Hausaufgaben von „Gaben aller Art" zu empfangen. Das Fach war erst vor einem halben Jahr an der Schule eingeführt worden und handelte Hauptsächlich davon, wie man Gaben anderer erkennen konnte und sie dann am Besten bekämpfen konnte. Komm zum Unterricht hatte Doktor Nu eingefügt. Wütend beendete ich es und lehnte mich auf dem gemütlichen, ausgepolsterten Stuhl zurück. Ich versuchte mich langsam aber trotzdem sicher wieder in den normalen Ruhezustand zu versetzten. Die Wut in meinem Bauch konnte ich ohne Frage noch gebrauchen aber ich wollte sie aufsparen und später gegen meine Feinde benutzen, andere damit töten. Sie nicht unnötig verheizen.
Es klopfte an meiner Zimmertür. Ich machte mir nicht einmal die Mühe aufzustehen und rief genervt: »Wer ist da?« »Solves?«, sagte eine weibliche Stimme welche ich schon viel zu lange nicht gehört hatte. Voller Freude stand ich auf. Neta stand in der Tür. Ihre langen, schwarzen Haare waren offen und wallten über ihre Schultern. Sie hatte einen dunkelgrünen Pullover an und trug eine graue Hose. Ich ging langsam auf sie zu. Meine anfängliche Freude hatte sich so schnell ins Nichts aufgelöst wie sie gekommen war. Ich erinnerte mich an Mum und Dads Worte. Sie kämpfte nun gegen mich. »Was machst du hier?«, knurrte ich. »Ich bin's«, meinte sie nur und kam auf mich zu. Sie schloss mich in eine Umarmung und ich roch ihren Lavendelduft welchen ich schon immer gern gehabt hatte. Erinnerungen schwebten vor meinen Augen. Ich löste mich aus ihrer Umarmung und stellte zufrieden fest, dass ich inzwischen einen halben Kopf größer als sie war. »Was. Willst. Du. Hier?«, knurrte ich wieder. Neta kam niemals ohne einen Sinn hinter der ganzen Sache zu haben. »Ich bin dafür, dass wir uns auf dein sehr gemütlich aussehendes Bett setzten und reden«, schlug sie vor und ließ sich gleich darauf fallen. »Nein Neta, ich kenne dich gut genug. Mum und Dad haben dich geschickt oder? Du stehst jetzt hinter ihnen.«, antwortete ich und blieb im Raum stehen. In meinen Fingerspitzen begann es zu kribbeln. Sie seufze und setzte sich wieder auf. Das Lächeln war von ihren Lippen verschwunden. »Ja. Sie haben mich geschickt«, seufzte sie und erhob sie wieder vollkommen. »Dann bin ich dafür, dass du so schnell wie es geht aus diesem Raum verschwindest. Ich habe mehr von dir erwartet, als dass du den Schosshund unserer Eltern spielst«, knurrte ich versuchte die Wut zurück zu halten. Ich durfte ihr nichts antun. »Ich spiele nicht ihren Schosshund«, antwortete sie und kam wieder auf mich zu. Ihr Blick ruhte auf meiner Stirn. Sofort tastete ich nach der Narbe über halb meiner rechten Augenbraue. »Du bist immer noch der Alte«, lachte meine Schwester und ich ließ meine Hand sinken. Fast als hätte ich sie mir verbrannt. »Nein Neta, ich bin nicht mehr der kleine, ungeschickte Junge welcher seiner großen Schwester nachmacht. Ich habe mehr erreicht, als du jemals schaffen wirst«, warf ich ihr an den Kopf. Jedes Mal erinnerte sie mich an mein altes ich, welches ich so gerne verdrängte. Ich wollte nicht so wie damals sein. »Doch Solves, du bist genau wie früher«, flüsterte sie sanft und lächelte mich wieder an. »Neta, verschwinde. Ich hasse es wenn jemand mir versucht seine Meinung aufzudrängen.«, knurrte ich und deutete auf die Tür. »Ich habe dir noch nicht einmal meine Meinung gesagt«, erwiderte sie und setzte sich wieder auf mein Bett. »Setz dich bitte. Nur für fünf Minuten«, bat sie. »Fünf Minuten meiner Lebzeit, die ich verschwendet habe«, fauchte ich zurück und lehnte mich an meinen Schreibtisch. »Ich weiß, dass du harte Zeiten durchmachst. Wir alle machen das«, begann sie. Bilder von Clare flackerten vor meinem inneren Auge auf, direkt danach folgte Tim. »Du hast keine Ahnung von mir Neta. Nicht mehr«, zischte ich und deutete wieder auf die Tür. Mein kleiner Finger begann zu pochen und ich hatte plötzlich Angst sie zu verletzen. Verwirrt zwang ich mich den Gedanken zu verwerfen. »Nein, vermutlich nicht Solves. Aber ich weiß, dass du deutlich mehr Lebzeit verschwendet hast als nur fünf Minuten. Ich verstehe deinen Sinn von Gerechtigkeit nicht mehr«, knurrte nun auch sie und erhob sich. In ihren braunen Augen konnte ich es kurz rot flackern sehen. Sie war kurz davor die Kontrolle zu verlieren. »Diese Menschen haben Clare zum Tod geführt«, brüllte ich lauter als beabsichtigt. »Und Tim« Neta blickte mich nicht an. Irgendetwas riss in mir. »Und«, schrie ich voller Hass. »Sie haben auch Iso auf dem Gewissen« Neta starrte mich angeekelt an. Ich funkelte wütend zurück. »Du bist nicht mehr der Solves den ich mal geliebt habe. Du bist nicht der Bruder den ich gekannt habe«, flüsterte sie und Tränen standen ihr in den Augen. Mit Iso hatte ich einen wunden Punkt getroffen. »Vielleicht wäre es besser, wenn du diese Welt verlassen würdest«, flüsterte sie plötzlich. Mir stockte der Atem. »Neta. Nicht ich bin das Böse. Die sind das Böse. Sie haben dir Iso genommen«, antwortete ich. Plötzlich wurde ich an die Wand gedrückt. Meine Kehle fühlte sich rau an und ich wusste, dass Neta die Kontrolle verloren hatte. »Wenn du nicht mein Bruder wärst Solves«, zischte sie mit einer hallenden Stimme. »Dann würde ich dich ohne zu zögern Töten«
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