3. Neue Freinde
Am nächsten Morgen wachte ich unnormal spät auf. Ein Blick auf die Uhr, die glücklicherweise in dem Zimmer hing, sagte mir, dass es zehn Uhr war. Entsetzt sprang ich auf, bis mir wieder einfiel, das heute Sonntag war. Und das ich nicht zuhause in meinen Bett lag mit Ruby auf der anderen Seite des Raumes, sondern in Agrunus, der Schule aller Träume der Kinder. Erst jetzt begriff ich, dass ich es wirklich geschafft hatte.
Erst jetzt schaute ich mich richtig um. Das Zimmer war in einem langweiligen Weißton gestrichen. Fenster gab es nicht und es gab auch nur eine Lampe an der Decke. Es hatte neun Wände, an jeder Wand stand ein Bett und ein Schreibtisch, nur an einer Wand war noch eine Tür, das Badezimmer. Bei mir und meinen neuen Freunden – konnte ich sie wirklich schon als meine Freunde bezeichnen? – waren die Schreibtische ordentlich, bei den anderen drei lagen Bücher und andere Sachen herum. Ich ging zu meinem Schreibtisch, er hatte eine Holzplatte und zwei Schubladen.
Ich öffnete die erste, dort drin lagen drei Bücher, Magie – früher vs. heute, Prophezeiungen der Gaben und ein Buch namens Magische Tiere. Ich schlug Magische Tiere auf. Die erste Seite war mit Bildern von Tieren, die ich noch nie gesehen hatte, geschmückt. Ein Tier sah so aus wie die Drachen, von denen man immer in Geschichten erzählte, nur dass es in einem auffallenden Grün war und seine Flügel eher wie die von Hühnern aussahen.
Ich blätterte noch weiter durch das Buch, bis ich auf eine Abbildung stieß, die mich faszinierte. Es war eine Mischung aus Wolf, Katze und Phönix. Es sah merkwürdig, aber auch cool aus.
Ich blätterte weiter, als plötzlich jemand hinter mir sagte: »Na, ist es spannend?« Ich fuhr herum, hinter mir stand eines der Mädchen, die ich noch nicht kannte. Sie hatte feuerrote Haare, die aber nicht aussahen, als wären sie gefärbt. »Hab ich dich erschreckt?« Sie lachte. Ich zuckte mit den Schultern. »Ich bin übrigens Zara.« »Äh... Luna.« stammelte ich. Gestern waren die doch noch unfreundlich. »Cool! Darf ich fragen, warum du hier bist?« Sie warf ihre Haare zurück und grinste, dabei konnte ich sehen, dass sie eine Zahnlücke hatte. »Weil ich die letzte Prüfung bestanden habe?«, fragte ich irritiert und klappte das Buch zu. »Ja, das haben wir alle«, sie zwinkerte. »Aber welche«, sie wurde ganz leise, »Gabe hast du?« Soll ich ihr es sagen? Was ist, wenn wir das nicht dürfen? Wollen sie und ihre Freundinnen mich in eine Falle locken? Nachdem meine Gedanken eine Krieg geführt hatten, entschied ich mich dazu, es ihr zu sagen.
»Ich kann die Zeit anhalten. Du?« Ich versuchte es normal klingen zu lassen, aber es klang doch merkwürdig in meinen Ohren. Dann blickte ich sie wieder an, ihr Mund stand offen und sie starrte mich an. Habe ich etwas Falsches gesagt? schoss es mir in den Kopf. »Zeit anhalten?«, fragte Zara. Ich nickte. »Ach so, du wunderst dich, warum ich dich anstarre? Ich bin schon im zweiten Jahr und wir haben bereits gelernt, wie stark und selten die einzelnen Gaben sind.« Sie vergewisserte sich, dass wirklich niemand zuhörte, obwohl niemand im Raum war »Deine Gabe gehört unter die Top 10 der seltensten und Top 20 der mächtigsten! Du musst aufpassen, dass kein Hexoristischer davon mitkriegt.« Nun war ich dran mit dem Anstarren einer anderen Person. »Wirklich?«, hauchte ich. Zara nickte. »Was ist ein Hexoristischer?«, fragte ich sie dann. »Naja, es gibt gute Gaben, deren Besitzer nennen wir Whitisten, und böse Gaben, deren Besitzer heißen Evelisten, aber die Herkunft der Gabe sagt nicht darüber aus, ob man gut oder böse wird. Die Hexoristischen haben sich entschieden ihre Gabe für Macht, Ruhm oder andere Dinge zu missbrauchen. Manche von ihnen können sogar die Gaben anderer Menschen aus ihnen heraus saugen.« Zara beendete ihre Erklärung und mir lief ein Schauer über den Rücken. »Welche Gabe hast du?«, fragte ich sie erneut um von mir abzulenken. »Ich hab eine aus Kategorie 3: Feuer.« Kaum hatte sie es gesagt, fingen ihre Klamotten an, zu brennen.
Ich wich zurück. Doch ehe ich einen Laut heraus bringen, konnte hatte sie das Feuer schon wieder gelöscht. »Was guckst du so?«, sie lachte wieder. Schnell versuchte ich meinen Gesichtsausdruck zu kontrollieren, was mir, ihrem Blick zufolge, nicht besonders gut gelang.
Wenige Sekunden später ging die Tür auf und Clare stürzte herein, sie hatte ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und grinste mich an. Mir fiel auf, dass sie sich innerhalb eines Tages komplett geändert hatte. »Hier bist du ja, Luna, ich hab dich schon gesucht. Die Neuen sollen uns im Saal der Magie treffen.« Ihre Augen leuchteten. »Wir sollten uns beeilen.« Ich nickte, und zusammen liefen wir aus unserem Zimmer. Clare führte mich durch so viele Gänge, dass ich schon nach kurzer Zeit keine Ahnung mehr hatte, wo ich war.
Schließlich kamen wir an eine große Tür. Schnell schlüpften wir hinein und setzten uns auf zwei Stühle in der letzten Reihe. Keine Sekunde zu früh, kaum saßen wir, kam eine Frau mittleren Alters hereingeeilt. Sie trug schlichte dunkelblaue Klamotten, doch auf ihrer Jacke prangte das Symbol von Agrunus. Ein flammenroter Kreis, mit einem silbernen Stern in der Mitte. Zielstrebig ging sie nach vorne, bis sie vor allen Neuen stand. Von hier aus werde ich nichts sehen!, dachte ich kurz, bevor sie erst eine altertümliche Fernbedienung aus ihrer Tasche holte und wild auf den Knöpfen herumdrückte.
Dann wurde der Boden, wo sie stand, plötzlich um einen Meter nach oben gehoben, sodass ich selbst ihre Schuhe sehen konnte. »Herzlich Willkommen in Agrunus«, fing sie an zu sprechen. »Dieses Jahr haben wir euch, die neuen Schüler! Ihr seid der vierhundertneunundfünfzigste Jahrgang. Ich bin die Direktorin dieser Schule, Doktor Mon. Ich hoffe, dass ihr euch gut einleben werdet. Montag geht der Unterricht für euch los, sodass ihr euch jetzt noch mit den anderen anfreunden könnt! Eure Stundenpläne findet ihr in euren Zimmern, in der zweiten Schublade.« Die Schublade, in die ich noch nicht geschaut habe! »Ich wünsche euch vier wundervolle Jahre hier.« Mit diesen Worten war ihre Ansprache zu Ende, alle sprangen auf, um in ihre Zimmer zurückzugehen, nur Clare und ich blieben sitzen, um auf Loura und Dawn zu warten.
Als die beiden ankamen, waren sie nicht alleine. Blu und Fanny liefen neben ihnen her, sie schienen sich über etwas zu streiten. »Nein, das wird nicht passieren«, hörte ich Loura sagen. »Es stand in einem der Mythen-Bücher und nicht im Lehrplan.« »Ach, komm, Loura, sei doch mal optimistisch«, fiel Dawn ihr ins Wort. Während die vier Mädchen weiter diskutierten liefen Clare und ich stumm neben ihnen her. Erst, als wir in unserem Zimmer waren, fiel mir ein, dass ich Clare etwas fragen wollte. »Warum warst du gestern eigentlich so schüchtern?«, fragte ich sie. »Weil ich Angst hatte, dass sie mich doch nicht nehmen«, erklärte Clare. Ich nickte, so etwas hatte ich mir schon gedacht. Schnell lief ich zu meinem Schreibtisch und öffnete die zweite Schublade. In ihr lag, wie gesagt, ein Stundenplan. Ich holte ihn hinaus und las mir durch, welche Fächer ich hatte.
Geschichte der Magie
Kontrolle der Garbe – Theorie
Pause
Kontrolle der Garbe – Praxis
Fabelwesen
Große Pause
Kräftigung der Garbe
Unterricht nach Wahl
Mittagessen
Magie – früher vs. heute
Kontrolle über die Magie
Das wird bestimmt toll!, sagte ich mir. Dann ging ich zu den anderen, um zu schauen, welche Stunden sie hatten. Es waren dieselben. Den Rest des Tages lief ich mit Dawn, Loura und Zara in der Schule rum, da Blu, Fanny und Clare lieber andere Dinge machen wollten.
Am nächsten Morgen wachte ich schon um sechs Uhr auf. Aufgeregt zog ich mich an und wartete ungeduldig darauf, dass Dawn, Clare und Loura fertig wurden. Wir vier würden in eine Klasse gehen. »Viel Spaß euch«, rief Zara kurz bevor sie die Tür schlossen. »Danke«, riefen wir wie aus einem Mund. Dann schlug die Tür zu. Als erstes liefen wir zur Cafeteria, dort würden wir ein Frühstück kriegen. »Was hättet ihr denn gerne?«, fragte eine etwas pummelige Frau, welche in der Cafeteria arbeitete. »Ich hätte gerne ein Spiegelei«, sagte Dawn keck. Verwundert schaute ich sie an. Was ist, wenn es das nicht gibt? Doch die Frau nickte einfach, holte einen leeren Teller und schnipste mit den Fingern. Sofort erschien ein dampfendes Spiegelei auf dem Teller. »Lecker«, rief Dawn und nahm den Teller entgegen. »Ich hätte gerne ein vegetarisches Müsli«, meinte Clare. »Sind Müslis nicht immer vegetarisch?«, fragte Loura. »Man muss doch auf Nummer sicher gehen«, meinte Clare und streckte dem schwarzhaarigen Mädchen die Zunge heraus. »Bitteschön«, sagte die Frau und reichte Clare ein Müsli. »Ich hätte gerne ein Marmeladenbrot«, sagte Loura, und wenige Sekunden später hatte sie eins. Das ist eine sinnvolle Gabe!, dachte ich. »Und was soll es für dich sein?« »Ich hätte gerne ein Glas Milch und ein Butterbrot.« Die Frau zuckte kurz zusammen, als sie »Butterbrot« hörte, nickte dann aber. Schließlich hatte auch ich mein Brot und wir liefen zu einem Tisch, an dem bereits Blu, Fanny, Neil und Donald saßen. Janik konnte ich nirgends entdecken, und so widmete ich mich wieder meinem Brot. »Was haben wir in der ersten Stunde?«, fragte Dawn mit vollem Mund. »Geschichte der Magie«, antwortet Clare ebenfalls mit vollem Mund. Es sah irgendwie witzig aus, wie sich die beiden unterhielten, so witzig, dass ich losprusten musste. Meine Milch verteilte sich in Neils Gesicht. »Bäh! Spinnst du?«, rief er aufgebracht. Inzwischen lachten alle. Neil funkelte uns wütend an, ehe er sich eine Servierte nahm und sein Gesicht trocken wischte. »Das kriegst du zurück«, zischte er mich an, in seinem Blick lag etwas Verstörendes. »Gut«, sagte ich und zuckte mit den Schultern. Auch die anderen hatten sich wieder beruhigt und beendeten ihr Frühstück.
—
»Wo ist denn dieser Raum?«, fluchte Loura laut. Seit zehn Minuten liefen wir jetzt schon in der Schule rum, auf der Suche nach Raum GDM. »Wenn wir uns nicht beeilen, kommen wir zu spät«, sagte Dawn. Wir nickten und rannten den Gang entlang. Nach weiteren zwei Minuten Suche fanden wir schließlich doch den Raum. Wir ließen uns auf vier der Stühle in dem Raum fallen und warteten darauf, dass unser Lehrer kommen würde.
Wie sich allerdings wenige Minuten später herausstellte, fing der Unterricht erst in zehn Minuten an. Also entspannten wir uns. Kurze Zeit später trudelten auch die anderen Schüler ein. Unter ihnen waren auch Fanny, Blu, Janik, Donald und Neil. Loura seufzte: »Wenn Neil hier ist, könnt ihr euch auf etwas gefasst machen«, murmelte sie finster. Wir anderen sahen sie interessiert an. »Warum?«, fragte ich. »Neil und ich sind wie gesagt Zwillinge! Wir waren immer in einer Klasse und ich rate euch, sprecht ihn während des Unterrichts bloß nicht an, ein Mädchen hat ihn in der siebten Klasse in Mathe angesprochen, er hat ihr seine Faust ins Gesicht gerammt!« Darauf fiel uns nichts mehr ein. Während Dawn lachte, starrte Clare das Mädchen geschockt an. Auch ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, hielt mich aber zurück. »Jetzt beruhig dich mal wieder«, meinte ein Mädchen mit strengen braunen Zöpfen, was vor uns saß, zu Dawn. »Warum sollte ich?«, kicherte diese. »Weil du sonst Probleme bekommst!« Die Kälte in der Stimme des Mädchens ließ mich zusammenzucken. Die ist vielleicht mal gruselig! »Ach, Sara, reg dich doch nicht über die auf!«, meinte das Mädchen neben ihr. »Ich reg mich über das auf, was ich will, Tam!« Selbst als sie mit ihrer Freundin, wie ich vermutete, sprach, klang ihre Stimme erstaunlich kühl. »Die ist aber nett«, kommentierte Clare belustigt. Sara fuhr herum, ihre Augen funkelten und dann konnte ich gerade noch sehen, wie sie aus ihren Augen einen kleinen Strahl abfeuerte. Ich reagierte blitzschnell, ich hielt die Luft an und stellte mir vor, das alles um mich herum erstarrt war. Und wirklich, eine Sekunde später war es passiert. Vorsichtig betrachtete ich den Strahl genauer, es war ein hellgelber Blitz. Ein Blitz! Ist ihre Gabe Blitze? Ich entschloss mich dazu, später darüber weiter zu grübeln. Der Blitz ging in Richtung Clare, also musste ich entweder Clare aus der Bahn bringen, oder den Blitz ablenken. Ich entschloss mich für letzteres. Mit meiner rechten Hand wollte ich den Blitz umschließen, wurde jedoch zurückgeschleudert. Ich hatte einen Stromschlag gekriegt. Durch den Stromschlag hatte ich aber weitergeatmet, sodass die Zeit nicht mehr angehalten war. Der Blitz schoss auf Clare zu und bohrte sich in ihre Brust. Sie schnappte nach Luft, ehe sie sich vor Schmerzen krümmte und auf den Boden fiel. In der Klasse war es totenstill geworden, alle starrte auf das Mädchen, was auf dem Boden lag und wimmerte. Alle außer Sara, diese grinste hämisch und sagte laut: »Noch jemand, der sich mit mir, einem Beschenkten mit einer Gabe der Top 10, anlegen will?« Dieses Mal sagte selbst Dawn nichts. »Ich«, sagte ich wütend, wie konnte sie es wagen, eine von meinen Freundinnen anzugreifen und sich damit auch noch zu rühmen. »Luna, mach das nicht, sie ist zu stark«, zischte mit Loura zu, doch ich ignorierte sie. »Na, dann.« Sara hob die Hand und ich konnte sehen, wie sie einen riesigen Blitz in ihrer Hand formte. In dem Moment, in dem sie ihn auf mich abfeuerte, hielt ich die Zeit wieder an. Ich lief auf die andere Seite der Klasse, ehe ich wieder Luft holte. Der Blitz schlug in den Boden ein und hinterließ einen schwarzen Fleck. »Wo ist sie?«, kreischte Sara, das Mädchen, das sich mit mir anlegen wollte. »Hier bin ich, Sara!«, rief ich ihr zu. Verdutzt blickte sie mich an, ehe sie sich wieder gesammelt hatte und erneut einen Schlag vorbereitete. In dem Moment in dem sie ihn abfeuerte, wurde die Tür aufgerissen. Eine junge Frau trat herein, doch beim Anblick des Blitzes schnipste sie mit dem Finger. Der Blitz verschwand augenblicklich. »Wer war das?«, fragte sie. Alle schauten zu Sara, aber die war jetzt wieder das brave Mädchen. »Ich habe gefragt, wer war das?« Wieder nichts. Sie seufzte. »Seid froh, dass es euer erster Tag ist, sonst hätte ich euch allen eine Strafaufgabe gegeben! Jetzt setzt euch auf eure Plätze.« Schnell lief ich durch die Klasse zu Loura und Dawn, die gerade Clare aufhalfen. Mitten auf ihrem Hemd war ein dunkler Fleck, aber niemand sprach sie darauf an. Dann begann die Frau zu sprechen: »Hallo erstmal! Ich bin Doktor Becik und ich werde euch in Geschichte der Magie unterrichten. Ich dulde keine Magie in meinem Unterricht, außer ich wollt Strafen. Heute werden wir erst einmal eine Vorstellungsrunde machen und morgen fangen wir an.« Alle nickten eingeschüchtert. »Wir machen das so: jeder sagt seinen Namen und was er gerne mag.« Wieder ein Nicken. »Ich bin Stefanie und ich mag tanzen«, sagte ein Mädchen aus der ersten Reihe. So ging es weiter: »Ich bin Nele und ich mag Pferde«, oder »Ich bin Jakob und ich mag Computerspiele.« Schließlich waren wir dran. »Ich bin Clare und ich mag schwimmen.« »Ich bin Dawn und ich mag klettern.« Dann war ich an der Reihe. »Ich bin Luna und mag Geschichten«, erklärte ich so selbstbewusst wie möglich. »Ich bin Loura und mag Yui Xy.« Nachdem sich alle vorgestellt hatten, sagte Doktor Becik noch: »Denkt daran! Keine Magie in meinem Unterricht.« Dann klingelte es und sie verließ den Raum. Sara warf mir noch einen überheblichen Blick zu, bevor sie davon stakste.
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