Christmas Rock!

Ich hasse Weihnachten. Ich hasse dieses ganze Scheiß Gehabe von Herzlichkeit am Ende des Jahres. Was soll das? Einen auf Arschloch tun und dann erwarten das der Typ, der auf der Wolke chillt einem alles vergibt, weil man auf nett tut.

Nee danke. Da bleibe ich lieber das Arschloch. Der Außenseiter, wie mich viele nennen.

In Wirklichkeit heiße ich Scott Ceeton. Ja ich weiß SC. Santa Clause. HAHAHHAAA. Ja ich lach' mich schlapp. Jetzt ernsthaft das ist mein Name und seitdem ich 16 bin habe ich Weihnachten abgeschworen. Hat keine krassen Gründe. Ich wollte mich nur nicht mehr veraschen lassen und als stolzer Nicht-Gläubiger habe ich es sowieso nicht nötig zu feiern. Lieber den Geburtstag groß zelebrieren. Da gibt es zumindestens was Großes zu feiern.

So wie ich denke denkt aber nicht jeder in diesem kleinen Dörfchen. Candy Hills oder wie sich die Bürger selbst nennen mit Ausnahme von mir (ihr checkt langsam, warum ich der Außenseiter bin), Candys. Sie lieben Weihnachten und können gar nicht genug davon bekommen. Wenn es denen doch zu viel wird dann feiern sie Karneval ihre zweit Lieblingsbeschäftigung, aber das ist eine andere Geschichte.

Es war wieder Weihnachten und ich versuchte die Zeit hinter mich zu bringen. Na ja, ich versuchte es, denn wie aus Wunder, trugen mich genau an Heiligabend meine Füße ins Christmas Rock!. Genau der Ort an dem Weihnachten gelebt wird und wo ich nicht sein sollte. Die Betonung liegt auf sollte, denn für eine Tüte Popcorn zu Hause (die ich natürlich nicht selbst essen, sondern auf die Kinder vor meinem Haus schmeiße würde, die üblicherweise Lieder trällern), war es zu spät. Und wenn das was sich vor meinen Augen nicht abspielte das pure Grauen war, wusste ich auch nicht.

"Neu hier?"

Mitten von unzähligen Einzeltischen, die sich bis zum Eingang reihten, stand eine heiße Braut. Sorry für den Ausdruck, aber sie war heiß mit Ausnahme diesem hässlichen Weihnachtspullover. Oh ja, er war hässslich mit dem Schriftzug Christmas Ho ho hooo. Welcher hirnverbrandte Mensch war der Meinung das hässliche Weihnachtsmotive auf Pullovern schön aussehen. Wer? Das einzige was diese Dinger machen sind zu stören. Einen Abbruch an ihrer Schönheit tat es trotzdem nicht. In dieser engen Jeans kam ihr knackiger Hintern sehr gut zum Vorschein und S T O P. Das ganze wird hier nicht jugendfrei und wie mein blond gelockter Weihnachtsengel mich ansah, erwartete sie längst eine Antwort.

"Nein, aber du kennst mich nicht." Achselzuckend und mit einem äußerst bezaubernden Lächeln schüttelte sie ihren Kopf und zog mich wie aus dem Nichts auf eine Bühne, die ganz hinten genau neben der Bar aufgebaut war. Überall im Laden wird man von Weihnachtsdeko überschlagen. Bunte Lametten in grün und rot Tönen hingen an der Bühne und an der Bar. Jeder Tisch war bedeckt mit einem roten Tischtuch bestückt mit den kitschigsten Rentieren ever. Ein Mistelzweig an jedem Tisch durfte nicht fehlen. Jeder Gast hier passte sich an die Location an. Hier wurde gefeiert, ob jung oder alt und gesungen lauthals und das erwartete mich.

Mit Mühe versuchte ich mich von ihr loszureißen, aber das einzige was ich damit bewirkte war das sie noch fester zupackte.

Meine Worte Das ist Körperverletzung, Niemand will mich singen hören, Ich hasse Weihnachten und und und ignorierte sie gekonnt. An der Bühne angekommen - nach meinem Gefühl einer Ewigkeit später - zog sie mir die Jacke aus und schubste mich mit einem gekonnten Ruck auf die Bühne. Genau hinter mir stand ein verlassenes Schlagzeug und zwei Gitarren, die schon glühten gespielt zu werden. Das Publikum saß schon längst auf glühenden Kohlen. Vor mir starrten mich die weihnachtspubertierenden Menschen an, die es gab. Candys über Candys erwarteten eine gignatische Show von ihrem Außenseiter. Sie wollten mich brennen sehen, aber das würde ich nicht zulassen, denn hey wenn Santa es schafft Millionen von Kindern mit Geschenken zu versorgen dann kann ich auch vor paar Leuten performen, dachte ich mir zumindestens.

Wagemutig flänzte ich mich so locker wie möglich auf den kleinen Hocker und schaute mit der größten Gitarre in meinem Schoß in die Menge vor mir.

Keiner in diesem Raum blickte mich feindselig an und doch konnte ich mich nicht überwinden zu singen. Warum schaute mich keiner böse an? Wieso waren sie alle nett zu mir? Ich bin doch das Arschloch. Der Außenseiter. Der einzige Typ in diesem Schuppen, der keinen albernen Weihnachtspullover anhat. So sehr ich mich auch anstrengte ein genervtes Gesicht ausfindig zu machen, so motivierter schauten sie mich an. Was soll ich denn singen?

Die Weihnachtslieder, die ich mit sechs auf der CD gehört hatte, hatte mein Kopf verdrängt - so gut es eben ginge. Nur ein Song war mir kleben geblieben, aber dieser Song würde meinen Mund nicht verlassen.

Unsicher fixierten meine Tannenaugen die Rehaugen von ihr. Hadley hatte sie mir auf dem Weg zu Bühne gemurmelt.

Als hätte sie mein Kopfgespräch gehört, löste sie sich von der Bar an der sie sich gelehnt hatte, und kam summend in meine Richtung. Das Summen was leise anfing, steigerte sich bis sie anfing zu singen.

Halleluja.

Sie sang wie noch nie jemand gesungen hatte. Gebannt hang ich an ihren Lippen und wie aus dem Nichts als hätte jemand die Taschenlampe angeknipst, stimmte ich mit der Gitarre ein. Gitarre spielen konnte ich noch, aber meine Stimme war nicht so melodisch. Ein Ticken zu rau wie die eines Kettenrauchers - dem Publikum schien es trotzdem zu gefallen.

Sie fingen an zu klatschen. Es gefiel ihnen sogar sehr. Doch meine Augen konnten sich nicht von Hadleys Gesicht lösen. Es fühlte sich an als würde sie mir jedes Wort vorgeben und ich konnte diesen Kontakt einfach nicht abbrechen. Es war so seltsam das ich von dieser ganzen Atmosphäre komplett eingekesselt war als gäbe es kein Entkommen. Das jagte mir eine Gänsehaut ein, die mich so stark erschütterte, dass ich mitten im Satz abbrach und mich zur Tür stürzte.

Die verwunderten Blicke versuchte ich auszublenden und kurz vor der Tür als ich beinahe meinen Fuß in die kalte Nachtluft gesetzt hatte, schaute ich kurz zurück. Im Nachhinein mein größter Fehler.

Ihr unschuldiger Blick traf mich erneut mit einer Wucht das ich mechanisch zurückmarschierte geradewegs in meine Weihnachtshölle hinein.

Wie ein Champion, der zurückgekehrt war, applaudierten die Gäste als wäre der kurze dramatische Auftritt nicht passiert. So schwer ich es versuchte ein Lächeln zu verkneifen, mich hatte es voll erwischt. Diese Menschen steckten mich mit ihrer Freude an und besonders ein Mensch hatte mir gehörig den Kopf verdreht.

"Du hast echt toll gesungen, Scott." Grinsend nahm sie mich in den Arm als wären wir Langzeitfreunde. "Du kennst mein Namen", fragte ich sie mit schief gelegten Kopf. "Jeder kennt dich hier Scott auch wenn ich das Gegenteil behauptet habe am Anfang. Ich wollte nur nicht wahrhaben das du so sehr Weihnachten hasst."

Traurig sah sie mich an als wünschte sie, dass ich ihr sagte das Weihnachten das aller tollste der Welt sei, aber den Gefallen konnte ich ihr nicht erfüllen.

"Ich mag wirklich kein Weihnachten und daraus mache ich kein Hehl. Warum auch? Ich würde mir sonst selbst widersprechen."

Enttäuscht musterte sie mich als könnte sie nicht glauben das irgendwer kein Weihnachten mag. Es gab bestimmt Menschen, die so dachten wie ich.

Als ich schon dachte das sie von ihrer Enttäuschung über meinen Weihnachtshass überwältigt war, schnappte sie sich meinen Arm und zog mich zu einem besonders schnuckeligen Tisch. Was auch immer sie versuchte ein zweites mal würde ich mich gewiss nicht überwältigen lassen.

Falsch gedacht.

"Es kann sein das ich dich nicht überzeugen kann, aber die beiden hier schon."

Vor einem Tisch, der sich genau an der Bühne befand machte sie Halt und ließ mich kurz stehen um mit zwei Tassen Glühwein zurückzukehren, die sie mir bestimmt in die Hand drückte.

An diesem 'ganz besonderen Tisch' befand sich keine Rehntiertischdecke wie sie an den anderen Tischen zu sehen war, sondern eine mit Geschenken. Statt einer kleinen Lampe lag eine funkelnde Lichterkette, die ihre Farben wechselte. Das Highlight war die schmucke Schneekugel, die besonders schön aussah, das musste ich zugeben. Angepasst an diesen besonderen Tisch, wie Hadley es besonders betonte, saß ein älteres Ehepaar, die meiner Granny und meinem Grandpa besonders ähnlich sahen. Das Ding ist nur das meine Großeltern gestorben waren und die beiden noch lebten. "Das sind Loreen und Tom unser Stammpaar", erklärte Hadley, die ihren Glühwein derweil fast zu Ende getrunken hatte.

Tom, der seines stolzen Alters wegen alle seine Haare verloren hatte, grinste mich mit seinem jungenhaften Lächeln an und klopfte mir väterlich auf die Schulter. Plaudernd erkundete er sich wie es mir ginge und lobte mich für meinen Auftritt. Lächelnd zeigte er auf seine Frau. Im Gegensatz zu Tom, der eher stämmig in seinem alten Sonntagsanzug da saß mit einer besonders albernen Lebkuchen Krawatte, war Loreen eine eher Zierliche. Mit ihrem süßen Kleid passte sie sich dem Motto Grün-Rot an. Das rote Partnerkleid mit kleinen Lebkuchen und dem extravaganten Zuckerstangen Haarreifen rufte nur nach Weihnachten. Eindeutig, das waren hardcore Fans, wie sie im Buche standen.

"Loreen und Tom kamen jeden Heiligabend hierher seit das Christmas Rock! seine Einweihung gefeiert hat. Tom hat sich sogar getraut Loreens Hand anzuhalten." Schelmisch grinsend fügte Tom hinzu, dass sie irgendwann ja sagen musste und darauf bekam er einen Klapser auf den Oberarm. Das hielt Tom nicht ab Loreen weiter zu necken und aus dem Necken wurde ein Knutschen. Beschämt versuchte ich mich abzuwenden, aber die beiden verschlangen sich als wären sie ausgehundert.

Hadley, die es auch beschämend fand, räusperte sich und fuhr mit rosigen Wangen fort, "wie du siehst Scott Weihnachten ist ein Bindemittel für jede Sorte von Mensch. Selbst Senioren lieben diesen crazy Ort und egal was dich abhält Weihnachten zu lieben, Weihnachten hält jedes Jahr die Türen auf. Und seien wir mal ehrlich wir feiern dieses wundervolle Fest nicht, weil wir gläubig sind, sondern weil wir an einem Jahr zusammen kommen und die schöne Zeit genießen wollen. Das kannst du nicht leugnen."

Tom und Loreen, die Hadleys Worten genauso aufmerksam gelauscht hatten wie ich nahmen es sich als Anlass für mich zu antworten.
"Wir sagen dazu nur 'Frohe Weihnachten'und lass uns anstoßen auf diesen schönen Abend."

Als haben alle unser Gespräch belauscht, wurden Gläser nach oben gehoben, die Kleinen unter uns ihre Schoko Tassen. Wie aus dem Nichts stimmte einer einen Song ein den ich an Weihnachten besonders hasste. Genervt schaute ich ein zweites Mal an diesem Abend zur Tür und fragte mich wieso ich das alles zuließ. Wieso wollte ich gerade hier sein statt zu Hause wie die letzten Jahre?

"Du ringst mit dir Ceeton, stimmt's?" Herausfordernd fixierte mich Hadley und das erste mal fragte ich mich, ob der wahre Grund warum ich Weihnachten hasste, wirklich war das ich mich nicht verarschen lassen wollte. Alle diese Menschen waren ein Beispiel dafür wie schön Weihnachten sein könnte, wenn man sich darauf einlässt. Zusammen zu sein und zu feiern fand ich früher immer schön. Klar und dann die Geschenke die alles toppten.

"Soll ich dir ein Geheimnis verraten Scott?", fragend schaute ich sie an.

"Es gab eine Zeit da hasste ich Weihnachten auch."

"Das ist doch ein Scherz von dir, oder?"

"Nein", erwiderte sie. "Ich dachte genauso wie du. Wozu brauche ich diesen Mist. Warum versammeln sich die Menschen und feiern ein Fest an das sie nicht mal richtig glauben? Wozu das, dachte ich und weißt du was dann passiert ist?"

"Nein, was denn?"

"Ich habe Weihnachten einfach akzeptiert mit all seinen Macken."

"Du verarschst mich."

"Nope. Ich habe mein Herz geöffnet und dann ergab sich das alles hier. Seitdem liebe ich es, denn Weihnachten ist nicht eine Sache, sondern wir alle sind Weihnachten. Wir machen Weihnachten und wir beeinflussen wie schön es wird weißt du."

"Nein Hadley ich verstehe es nicht."

"Musst du auch nicht aber verzeih dir Scott."

"Verzeihen?"

"Ja", und auf einmal brüllte sie aus dem Nichts, "was denkt ihr Candys hat Scott Ceeton eine zweite Chance verdient?"

Und etwas geschah was so kitschig war das ich es nicht begreifen konnte. Es ging nicht, denn das ist einfach zu viel.

Jeder Candy kam zu mir und nahm mich in den Arm. Niemand sparrte sich eine Umarmung auf jeder drückte seinen Körper an mich. Tom und Loreen besonders fest.

Komischerweise gefiel es mir sogar und kopfschüttelnd blickte ich in die rehbraunen Augen, die mir so bekannt vor kamen als kannte ich sie schon mein Leben lang.

"Wie Hadley konntest du mich so umstimmen?"

"Hmmm... ich weiß nicht Ceeton das ist wohl mein Talent."

"Und du mochtest kein Weihnachten?", fragte ich sie mit hochgezogen Augenbrauen und versuchte dabei mich von der Menge an Leuten vorbeizudrängen, die mich umzingelt hatten.

Zwischen einem Lachen kam sie einen Schritt näher zu mir und beinahe lagen wir uns in den Armen, wenn da nicht ein kleiner Junge wäre, der sich trotzig zwischen uns drängte. Er behaarte darauf das ich sein Stoffrehntier knuddeln musste, weil es besonders viel Liebe braucht.

Liebevoll knuffte ich den Kleinen um anschließend Hadley näher zu ziehen und meine Frage erneut zu wiederholen.

Mit einem weiteren Lacher schüttelte sie ihre blonden Locken und beugte sich zu mir um mich mit einem Kuss zum verstummen zu bringen.

🦌🦌🦌

Ja, ich weiß alles viel zu kitschig und unreal. Wer lässt sich von heute auf morgen dazu bringen Weihnachten zu lieben. Ich habe nie gesagt das ich es liebe und es würde lange dauern das wir beste Freunde werden, aber wenn Weihnachten wirklich wir Menschen waren dann wollte ich zumindestens kein Arschloch mehr sein, denn vielleicht war ich nie der Außenseiter. Vielleicht war ich einfach nur Scott Ceeton ein Mensch, der Liebe braucht wie jeder andere auch. Vielleicht war das mein Problem und vielleicht müssen wir Weihnachten einfach mal Weihnachten sein lassen.

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